Wie können wir wissen, was ein anderer Mensch fühlt – oder ob er überhaupt fühlt?
Sowohl in der Erkenntnistheorie, als auch auf dem Gebiet der Philosophie des Geistes spielt der Begriff des Fremdpsychischen eine große Rolle. Dabei geht es nicht nur um die oben schon gestellte Frage an sich, sondern von erkenntnistheoretischer Seite auch darum, inwieweit die inneren Erlebnisse anderer Personen Gegenstand empirischer Forschung sein können, da es unmöglich ist, sie jemals unmittelbar zu verifizieren1 Unter welchen Umständen können unsere Erkenntnisse diesbezüglich als verlässlich bezeichnet werden? Welche Kriterien können wir dazu heranziehen? Wann wissen wir, ob unsere Erkenntnis wahr und gerechtfertigt ist? Die konsequente Folge dieser Haltung ist die Einsicht, dass Fremdpsychisches generell nicht zu erkennen ist, wie beispielsweise der erkenntnistheoretische Solipsismus (von lat. solus allein und ipse selbst: nur ich selbst oder das Selbst allein) behauptet. Radikalere Richtungen wie der ontologische Solipsismus vertreten sogar die Ansicht, dass es so etwas wie fremdes Bewusstsein gar nicht gebe. Nur das eigene Ich sei wirklich, die Außenwelt und andere fremde "Ichs" werden hier zu Bewusstseinsinhalten ohne eigene Existenz. Auch der philosophische Behaviorismus ist durch einen Verifikationismus gekennzeichnet, nach dem es schlicht sinnlos ist, unüberprüfbare Aussagen zu machen – was eben auch auf Aussagen über geistige Zustände zutrifft.
Die Philosophie des Geistes konzentriert sich hingegen mehr auf die Natur dieser mentalen Zustände und ihren Wirkungen und Ursachen. Neben die erkenntnistheoretischen Fragen nach der generellen Erkennbarkeit fremden Bewusstseins treten hier also sehr ontologische Fragen. Ganz besonders im Mittelpunkt steht dabei das Verhältnis von geistiger Verfassung und körperlichem Ausdruck. Da mentale Zustände nicht mit den Mitteln der Introspektion zu beschreiben sind (es muss ja sogar bezweifelt werden, dass es überhaupt so etwas wie ein geistiges Innenleben gibt!), liegt es nahe, sie – ganz in behavioristischer Tradition – als Verhaltensbeschreibungen oder -dispositionen zu betrachten.
Ein wichtiger Punkt innerhalb dieser Diskussion ist hierbei der subjektive Erlebnisgehalt dieser mentalen Zustände, oder vereinfacht ausgedrückt: Wie fühlen sich diese für den Anderen an? (...)
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Wittgenstein und das Problem des Fremdpsychischen – ein kriteriologischer Ansatz?
- Wittgensteins Lösung: Der Einstellungsansatz
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Wittgensteins Ansatz zum Problem des Fremdpsychischen, indem sie den kriteriologischen Ansatz analysiert und Wittgensteins Lösung, den Einstellungsansatz, vorstellt. Sie beleuchtet auch die Probleme des kriteriologischen Ansatzes und setzt ihn in Bezug zu Wittgensteins Philosophie der Sprache.
- Das Problem des Fremdpsychischen
- Kriteriologischer Ansatz zur Erklärung von fremden mentalen Zuständen
- Wittgensteins Lösung: Der Einstellungsansatz
- Kritik an Wittgensteins Ansatz
- Wittgensteins Philosophie der Sprache
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Das Problem des Fremdpsychischen, einschließlich der erkenntnistheoretischen und philosophischen Aspekte, sowie die Herausforderungen, die sich aus der Unmöglichkeit der direkten Verifikation innerer Zustände anderer Menschen ergeben.
- Wittgenstein und das Problem des Fremdpsychischen – ein kriteriologischer Ansatz?: Wittgensteins Kritik am traditionellen Bild des Innen und Außen der menschlichen Wahrnehmung, seine Unterscheidung zwischen psychologischer Rede der ersten und der dritten Person und seine Argumentation, dass das Problem des Fremdpsychischen aus falschen Prämissen über den Zusammenhang zwischen inneren Zuständen und äußerem Verhalten entsteht.
Schlüsselwörter
Fremdpsychisches, Wittgenstein, kriteriologischer Ansatz, Einstellungsansatz, Sprache, Sprachspiel, Introspektion, Analogieargument, Philosophie des Geistes, Erkenntnistheorie, Behaviorismus, Qualiaproblem, Intentionalitätsproblem
- Arbeit zitieren
- Christine Numrich (Autor:in), 2008, Wittgenstein und das Fremdpsychische, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142607