Das Individuum begegnete in Gesellschaft anderer Menschen seit jeher autoritären Gefügen. Wo immer ein Mensch mit einem anderen zusammenlebt, können autoritative Fremdbestimmung und vom freien Individuum verfolgte Selbstbestimmung in Konflikt treten und so die Koexistenz erschweren. Bevormundung, ob legitim oder nicht, vermag sich so als Brandherd für soziale Konflikte zu entpuppen.
Im starken Gegensatz dazu sind in den heutigen westlichen Demokratien die gewaltausübenden Institutionen von der Majorität der Population legitimiert und durch rechtliche Instanzen in der Autoritätsausübung hohen Restriktionen unterworfen.
Dabei geht der Souveränitätsverlust an die legitimierten nationalstaatlichen Institutionen der Moderne einher mit Steigerungen der Lebensqualität im Hinblick auf polizeilich, juristisch und anderweitig intensivierte Sicherheit.
Die Empfänglichkeit und Akzeptanz für Weisungen Anderer im Individuum zu etablieren, zeitgleich jedoch die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflektion und Vernunft bedachtem Handeln herzustellen, obliegt, mehr noch als der sozialtechnischen Institution Schule und anderen legitimen normativen Organisationen, in hohem Maße der Familie.
Max Horkheimer schreibt in den „Studien über Autorität und Familie:“
„Je mehr wir die Bedeutung der politischen, moralischen, und religiösen Anschauungen der neueren Zeit für die Gesellschaft analysierten, umso deutlicher trat die Autorität als ein entscheidender Faktor hervor. Die Stärkung des Glaubens, dass es immer ein Oben und Unten geben muss und Gehorsam notwendig ist, gehört mit zu den wichtigsten Funktionen in der bisherigen Kultur. Ein Verständnis des Zusammenspiels zwischen den einzelnen Kultursphären ohne ausführliche Berücksichtigung dieses Moments erscheint als ausgeschlossen. Unter allen gesellschaftlichen Institutionen, welche die Individuen für Autorität empfänglich machen, steht aber die Familie an erster Stelle. Nicht bloss erfährt der Einzelne in ihrem Kreis zuerst den Einfluss der kulturellen Lebensmächte, so dass seine Auffassung der geistigen Inhalte und ihre Rolle in seinem seelischen Leben wesentlich durch dieses Medium bestimmt ist, sondern die patriarchalische Struktur der Familie in der neueren Zeit wirkt selbst als entscheidende Vorbereitung auf die Autorität in der Gesellschaft, die der Einzelne im späteren Leben anerkennen soll.“ )
Inhaltsverzeichnis
Teilbereich I Einleitung
Teilbereich II Die Entstehung des autoritären Charakters: Ursachen und Auswirkungen
Reproduktion autoritärer Strukturen innerhalb der Familie
Die Rolle von Autorität bei der Triebabwehr
Die Doppelfunktion der Autorität
Die Lust zur Unterwerfung
Teilbereich III Korrelation von Ökonomie und Autorität am Beispiel der frühen industriellen Revolution
Industrialisierung
Die städtische Arbeiterfamilie zu Zeiten der industriellen Revolution
Die Korrelation von Ökonomie und Autorität
Teilbereich IV Familie und Autorität im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert
Veränderungen der Familie in ihrer Rolle als primäre Sozialisationsinstanz
Einfluss und Entwicklung der ökonomischen Situation westlicher Industriestaaten auf die Familie als Sozialisationsinstanz
Anhang
Zitierte Literatur, Zeitschriften, Internetadressen
Einleitung
Das Individuum begegnete in Gesellschaft anderer Menschen seit jeher autoritären Gefügen. Wo immer ein Mensch mit einem anderen zusammenlebt, können autoritative Fremdbestimmung und vom freien Individuum verfolgte Selbstbestimmung in Konflikt treten und so die Koexistenz erschweren.Bevormundung, ob legitim oder nicht, vermag sich so als Brandherd für soziale Konflikte zu entpuppen.
In früheren Gesellschaftsordnungen, wie dem Feudalsystem, in welchem bei Ungehorsam gegenüber der feudalen Obrigkeit sofortige Gewalt als Strafe die Folge sein konnte, zwang die Bevölkerungsminderheit zur Besserstellung der eigenen Existenz mit auf militärischer Macht beruhender Autorität den Großteil der Bevölkerung in Leibeigenschaft.
Im starken Gegensatz dazu sind in den heutigen westlichen Demokratien die gewaltausübenden Institutionen von der Majorität der Population legitimiert und durch rechtliche Instanzen in der Autoritätsausübung hohen Restriktionen unterworfen.
Dabei geht der Souveränitätsverlust an die legitimierten nationalstaatlichen Institutionen der Moderne einher mit Steigerungen der Lebensqualität im Hinblick auf polizeilich, juristisch und anderweitig intensivierte Sicherheit. Die Empfänglichkeit und Akzeptanz für Weisungen Anderer im Individuum zu etablieren, zeitgleich jedoch die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflektion und Vernunft bedachtem Handeln herzustellen, obliegt, mehr noch als der sozialtechnischen Institution Schule und anderen legitimen normativen Organisationen, in hohem Maße der Familie.
Max Horkheimer schreibt in den „Studien über Autorität und Familie“: „Je mehr wir die Bedeutung der politischen, moralischen, und religiösen Anschauungen der neueren Zeit für die Gesellschaft analysierten, umso deutlicher trat die Autorität als ein entscheidender Faktor hervor. Die Stärkung des Glaubens, dass es immer ein Oben und Unten geben muss und Gehorsam notwendig ist, gehört mit zu den wichtigsten Funktionen in der bisherigen Kultur. Ein Verständnis des Zusammenspiels zwischen den einzelnen Kultursphären ohne ausführliche Berücksichtigung dieses Moments erscheint als ausgeschlossen. Unter allen gesellschaftlichen Institutionen, welche die Individuen für Autorität empfänglich machen, steht aber die Familie an erster Stelle. Nicht bloss erfährt der Einzelne in ihrem Kreis zuerst den Einfluss der kulturellen Lebensmächte, so dass seine Auffassung der geistigen Inhalte und ihre Rolle in seinem seelischen Leben wesentlich durch dieses Medium bestimmt ist, sondern die patriarchalische Struktur der Familie in der neueren Zeit wirkt selbst als entscheidende Vorbereitung auf die Autorität in der Gesellschaft, die der Einzelne im späteren Leben anerkennen soll.“1
Die Geschichte trägt Zeugnis dessen, was zu hohe Akzeptanz von Autorität bewirken kann, wenn Befehle nicht mehr hinterfragt werden und der Glaube an die Notwendigkeit des Gehorsams vorherrscht.
Die Entstehung des autoritären Charakters: Ursachen und Auswirkungen Reproduktion autoritärer Strukturen innerhalb der Familie:
Die Familie steht bei der Erzeugung und Erhaltung autoritärer Strukturen innerhalb der Gesellschaft in direkter Wechselwirkung mit selbiger. Die Familie, die in entscheidendem Maße zum Erhalt der Autorität im gesellschaftlichen Sinne beiträgt, wird selbst von dieser Gesellschaft reproduziert und bildet so einen ständigen Kreislauf der Reproduktion autoritärer Strukturen.
„Die grossen zivilisatorischen Werke des bürgerlichen Zeitalters sind Produkte einer spezifischen Form menschlicher Zusammenarbeit, zu deren stetiger Erneuerung die Familie mit ihrer Erziehung zur Autorität einen wichtigen Teil beigetragen hat. Sie stellt dabei freilich keine letzte und selbstständige Grösse dar, vielmehr ist sie in die Entwicklung der Gesamtgesellschaft einbezogen und wird fortwährend verändert. Aus den gesellschaftlichen Verhältnissen, die sie selbst fortsetzen und festigen hilft, wird sie immer wieder erzeugt.“2
Ferner ist der Begriff der Familie selbst in seinem Ursprung autoritativ geprägt durch die klare Einordnung in ein Oben und Unten (lat. Familia: Hausgenossenschaft, Dienerschaft, Leibeigene, Hausstand, Besitz).3 Die Familie ist die erste und wichtigste Sozialisationsinstanz die das Individuum erfährt. Wenngleich Sozialisation als lebenslanger Prozess betrachtet wird, werden hier in der primären Sozialisationsphase die Verhaltensmuster vermittelt, die für das gesamte spätere Leben ausschlaggebend sind und nur schwerlich geändert werden können.4
In der patriarchalischen Familienstruktur wird des Vaters Weisung vom Kinde widerspruchs- und bedenkenlos befolgt. Ehrfurcht, Hass oder Furcht prägen das Verhältnis vom Kinde zum Vater. Jeglicher Wunsch auf Selbst- bestimmung und Unabhängigkeit von väterlicher Autorität ist an die be- oder unbewusste Hoffnung auf das Ableben des Vaters gekoppelt. Dabei gehört zum Autoritätsverhältnis nicht nur innerhalb der Familie die gefühlsmäßige Bindung vom Untergeordneten zur übergeordneten Person oder Instanz.5
Erich Fromm argumentiert, dass, trotz gewisser Unklarheiten in Bezug auf die Freud’sche Begriffsbildung im Bereiche der Realitätsprüfung und Selbstbeobachtung zwischen dem Ich und dem Über-Ich, Freud mit seiner Theorie zum Über-Ich und der Identifizierung entscheidende Einsicht in die Problematik der Autorität und der mit selbiger korrelierten gesellschaftlichen Dynamik liefert.
So sei die Entstehung des Über-Ichs in primäre und sekundäre Identifizierung unterteilt, von denen erstere, hier die des kleinen Knaben, in enger Beziehung zum Vater hin stattfindet, letztere als Niederschlagung der Oedipusphase dienend, mittels Angst vor der Eifersucht des Vaters die auf die Mutter fokussierten sexuellen sowie die gegen den Vater gerichteten feindseligen und eifersüchtigen Intentionen aufgibt.
Dies wird ihm erleichtert durch die Introjizierung der väterlichen Ge- und Verbote. Die äußere Angst wird ersetzt durch eine innere, welche ihn vor dem Erleben der äußeren schützt, und der Knabe erreicht auf Umwegen durch Identifizierung mit dem Ich-Ideal Vater einen Teil jener verbotenen Intentionen. Das Über-Ich nimmt im Verlaufe der Psychogenese auch die Einflußnahmen weiterer hinzugenommener Ich-Ideale wie schulischen Lehrkörpern, anderen Autoritäten und idealen Vorbildern an.
Das die äußeren Zwänge verinnerlichende Über-Ich bewahrt so die als idealisiert introjizierten Verhaltensrichtlinien, Werte und Normen.6 So wird, wie im obigen Beispiel der patriarchalischen Familie, in entscheidendem Maße die Akzeptanz der Autorität in Gesellschaft und Familie schon in frühkindlicher Phase durch die Identifizierung mit den Eltern hergestellt.
Die Gewalt, welcher das Kind einmal in der Gesellschaft gegenübertreten wird, ist in der Familie durch die Eltern, im Patriarchat besonders durch den Vater, repräsentiert. Der Prozess der Identifizierung mit der väterlichen Figur und der Introjizierung ihrer Ver- und Gebote mittels welcher das Über- Ich als Instanz mit den Attributen Moral und Macht bekleidet worden ist, wird im späteren Leben in der Gesellschaft dahingehend fortgesetzt, daß die Eigenschaften des Über-Ichs kontinuierlich auf die autoritätstragenden Individuen der Gesellschaft projiziert werden und so die bekannte Identifizierung mit der Obrigkeit zustande kommt. „Durch diesen Akt der Projektion des Über-Ichs auf die Autoritäten werden diese weitgehend der rationalen Kritik entzogen.“7 So werden die Autoritätsträger der jeweiligen Gesellschaft durch Projizierung des Über-Ichs auf selbige mit den Qualitäten ausgestattet die dereinst in der Familie die Eltern, im Beispiel des Patriarchats besonders der Vater, inne hatte. Vorraussetzung für die Beständigkeit dieses Prozesses im späteren Leben ist jedoch das Vorhandensein einer durch persistente Gefahr genährten äußeren Angst, etwa der vor einer physischen Strafe, die in eine innere Angst umgewandelt werden kann und so vom Über-Ich von physischer Gewalt zu moralischer verklärt wird.
Die Bereitschaft von Gesellschaften zur Subordination im Glauben an die Autorität wird so in gravierendem Maße durch die „Familie als die psychologische Agentur der Gesellschaft“8 in ihrer Enstehung gefördert.
Die Rolle von Autorität bei der Triebabwehr:
Bei der Triebabwehr kann Angst eine wesentliche Rolle, insbesondere im Zusammenhang mit der Autorität, spielen. Die aus dem Es stammende Triebkraft wird durch das Ich abgewehrt, welchem die Bewältigung der inneren wie der äußeren Welt zugrunde liegt. Insbesondere in der Kindheitsphase des Individuums obliegt die Triebabwehr jedoch dem Über- Ich, und den damit verbundenen in der Familie introjizierten Ge- und Ver- boten. So kann beispielsweise das Kleinkind durch das Über-Ich davon abgehalten werden aus der Spülmittelflasche zu trinken, welche dem äußeren Erscheinungsbild nach der Getränkeflasche gleicht. Es tritt Angst auf, das Über-Ich des Kindes wird die Triebbefriedigung des Durstlöschens unterlassen, aus Furcht vor der ihm drohenden Strafe bei Öffnung des einen gewissen Schrankes in welchem das Objekt der Begierde aufbewahrt wird und dem damit einhergehenden Liebesverlust der Autoritäten und des auf sie projizierten Über-Ichs. Dem emotionalen Charakter der Beziehung Ich - Über-Ich entsprechend, wünscht das Kind sich von den Autoritäten geliebt zu werden und seine Selbstliebe zu befriedigen, indem es dem vom Identifizieren mit selbigen Autoritäten hergeleiteten Über-Ich gefällt. Der abgewendete Wunsch wird jedoch nicht bis zum Bewußtsein vorgedrungen sein, sondern vorab durch obigen Prozess verdrängt und so nicht verarbeitet, sondern lediglich beiseitegeschoben. So wird der ver- drängte Wunsch nicht vernichtet sondern in beständigem Kraftaufwand unterdrückt und nach Möglichkeit am hervorbrechen gehindert. Das Ich des Kindes wird später weit genug entwickelt sein, um die negativen Konsequenzen bei Verzehr des Spülmittels als Gefahrenpotential zu markieren und den Trieb zu verarbeiten. Anstelle obiger Angst tritt nun die sogenannte Realangst auf, die negativen Konsequenzen einer Handlung sind wohlbekannt und reichen in der Regel aus, um dem Ich die Triebabwehr zu ermöglichen. Die Konfliktsituation dringt ins Bewußtsein und wird von selbigem gelöst, sodaß eine Verdrängung nicht stattfindet. So steht die durch Realangst entstehende klare Abgrenzung der zu erwarteten Folgen des Triebwunsches im Gegensatz zu den aus der Autoritäts- oder Über-Ich-Angst resultierenden undeterminiert bleibenden Auswirkungen der Verdrängung.9
Die durch Realangst bewußt werdenden Gefahren können vom Individuum in Kauf genommen werden, oder die Wahrnehmung ist verzerrt und die Gefahr wird inkorrekt eingeschätzt. Als solche ist die Realangst also kein Garant für wirksame Triebabwehr: „Eine Garantie für die absolute und automatische Wirksamkeit der Triebabwehr bietet nur die auf der Verdrängung beruhende.“10 Die durch die sozialpsychologische Tabuisierung eines Themenkomplexes hervorgerufene Verdrängung, vom konstruierten Über-Ich gewährleistet, bietet eine das Bewußtsein umgehende Triebabwehr, welche von höchster gesellschaftlicher Tragweite ist. Da der durch den Trieb des Es entstandene Wunsch nicht auf Rationalität geprüft, sondern automatisch beiseite geschoben wird, ist die Fähigkeit des Individuums zu rationalem und vernunftbedingtem Denken diesbezüglich außer Funktion. Das Verhalten wird durch Selbige nicht tangiert. Ebensowenig findet also eine Verurteilung der restriktiven Instanz statt, denn das Individuum ist sich nicht bewußt, daß es die introjizierten Ge- und Verbote Dritter befolgt.
Eine Wertung findet nicht statt, die Verhaltensmuster werden als die eigenen angesen, und bei Befolgung selbiger Regelungen gefällt das Individuum seinem Über-Ich und empfindet im Zuge dessen Genugtuung.11
Die Doppelfunktion der Autorität:
Bei einem der Obhut der Familie entwachsenen, ausgereiften und kritischen Menschen ist bei entwickeltem Ich die Bereitschaft zur Subordination unter die Autoritäten grundsätzlich geringer, solange nicht auf die selbigen das eigene Über-Ich projiziert wird, und ihnen damit die Qualitäten ausgestellt werden, die die Eltern dereinst in der Kindheitsphase im Bereiche der Familie inne hatten.12
Wenn die Autorität durch Demonstration von Macht und Stärke dem Ich des Individuums das Gefühl der Unterlegenheit vermittelt, kann dies den Abbau des Ichs unter Annahme der Autorität zur Folge haben, denn die Zweckmäßigkeit zu welcher das Ich aufgebaut wurde, insbesondere die Aufrechterhaltung und der Schutz des Individuums, werden von der Autorität übernommen, sodaß eine Gegenwehr des Ichs als unzweckmäßig oder gar sinnlos erscheint.
Die Autorität muß hierzu in dem Maße sowohl bedrohlich, als auch fürsorglich erscheinen, in dem sie die Funktion des Ichs ersetzen will.
Das subjektive Gefühl der Zweckmäßigkeit seitens des Individuums spielt in diesem Sinne bei der Subordination eine fundamentale Rolle. Das Gefühl, die eigenen Intentionen mittels der Hilfe der mächtig erscheinenden Autorität auf Kosten der Unterwerfung unter dieselbe zu erreichen, wirkt sich ebenfalls positiv auf den Prozess der Subordination aus. Das Wirken der Autorität entspricht also einer Doppelfunktion, nebst den von ihr initiierten Restriktionen wirkt sie in relativem Maße verhaltens- fördernd. Denn das Über-Ich als Repräsentant der Autorität dient auch als Hort der Ideale die das Individuum zu verkörpern gedenkt und weist maßgeblich den Weg zu der Rolle die es in der Gesellschaft anzunehmen wünscht. Gegen die so introjizierten Gebote zu verstoßen hieße gegen sich selbst zu verstoßen, sich selbst zu verraten und die Liebe der Autorität zu verlieren. Eben dieses emotionale Moment stabilisiert die bifunktionale Rolle der im Über-Ich verfestigten Autorität.13
„Die verbietende und die anspornende Funktion von Über-Ich und Autorität bilden eine dialektische Einheit, die keine Isolierung einer der beiden Seiten erlaubt.“14
Die Lust zur Unterwerfung:
Die Autoritätsbeziehungen zweier Individuen sind im Falle einer Sub- ordination des Einen unter den Anderen letztlich in Zweckmäßigkeit be- gründet. Eines der beiden Individuen trägt stets aus der Situation einen Vorteil, wobei der Grad desselbigen sich als relativ erweist und meist auch in den einseitigsten Autoritätsverhältnissen ein Minimum an Zweckmäßigkeit für den Subordinierten hervorbringt: So hat der mittelalterliche Bauernsohn beispielsweise vielerlei Dienste für seinen Vater zu entrichten und erhält als Gegenleistung ein Minimum an Lebensunterhalt sowie die vage Aussicht, einmal in die Fußstapfen des Vaters treten zu dürfen.
Das Minimum an Förderung für den Untergeordneten wird letztlich dadurch festgelegt sein, was als das notwendigste gilt, um den Bedürfnissen und Ansprüchen der Autorität Satisfaktion zu verschaffen.
Das autoritär-masochistische Idividuum empfindet an Situationen des Fügens unter die Autorität Befriedigung und zeichnet sich ferner dadurch aus, daß es derartige Situationen, ob bewußt oder unbewußt und durch oberflächliche Erklärungen wie die der Notwendigkeit abgetarnt, nicht auf- zulösen, sondern sie nach Möglichkeit zu sublimieren gedenkt. In der Hingabe der eigenen Persönlichkeit an die Macht sucht das masochistische Individuum Glück und Befriedigung. Notwendigerweise gehört zum masochistischen Charakter auch der Sadismus, wobei die stärkere Ausprägung des einen, die schwächere Ausprägung des anderen Charakterzuges zur Folge hat. „Dies hat die wichtige sozialpsychologische Konsequenz, dass eine Gesellschaft, die den Sado-Masochismus als die vorherrschende Triebstruktur erzeugt, Befriedigungsmöglichkeiten für die beiden Seiten des Sado-Masochismus geben muss.“15
So ist die Reaktion des einen Individuums auf das Andere bei obiger Triebstruktur in verstärktem Maße von der sozialen Position innerhalb der Gesellschaft abhängig, undzwar in der Weise, daß der Mächtige verehrt und der Schwache verachtet wird.
Das Über-Ich ist in bekannter Weise auch hier der familiengeprägte innere Repräsentant der Autorität. Furcht und Liebe bilden das Kernelement der Beziehung zur übergeordneten Autorität.
Der sado-masochistische Charakter bildet allerdings eine bipolare Haltung gegenüber den Autoritäten aus: Während die eine Macht, etwa der Parteiführer, in höchstem Maße verehrt wird, kommt einer anderen Macht, etwa dem Staatschef, höchse Verachtung, gar Hass, entgegen. Selbiger ist umso größer, je mehr Anlaß tatsächlich für die Verachtung vorliegt. Macht die geliebte Autorität sich diesen Zustand zunutze, kann sie unter Umständen den Hass der Sado-Masochisten bewußt auf das Objekt ihrer Wahl fokussieren. Mißlingt dieser Prozess jedoch, kann der unkompensierte Hass sie selbst treffen und in situativ bedingten Widerstand gegen sie aus- arten. Unkompensierte Agressionen, insbesondere entstanden aus der Un- möglichkeit sich der Obrigkeit zu widersetzen, werden in dem Befriedigung spendenden Prozess der Subordination eines Schwächeren kompensiert. Grausamkeit und Freude am Leid des Schwachen charakterisieren den Pro- zess der Kompensation sowie der Moment der Repräsentation der obersten Autorität auf deren Geheiß eine entsprechende Handlung durchgeführt wird. Dabei hat auch das nicht der herrschenden Schicht angehörende sado- masochistische Individuum die Möglichkeit an Frauen, Kindern, Tieren oder anderen Subordinanten Kompensation zu produzieren.16
Die Freude an der Unterordnung unter den Mächtigen geht ferner mit der Annahme eines als unausweichlich geltenden Schicksals einher, dem sich der Masochist bereitwillig fügt und im Zuge dessen er die Notwendigkeit der mit der Subordination gegebenen gesellschaftlichen Verhältnisse als bestätigt sieht.
[...]
1 Max Horkheimer: Studien über Autorität und Familie. 2.Auflage. Lüneburg: zu Klampen 1987, Pagina VIII
2 Max Horkheimer: Studien über Autorität und Familie. 2.Auflage. Lüneburg: zu Klampen 1987, Pagina VIII
3 Rita Hau: Pons Wörterbuch für Schule und Studium Lateinisch-Deutsch. 2.Auflage. Stuttgart 1986, S.383
4 Barbara Rabaioli-Fischer, Georg Nawratil: Sozialpsychologie leicht gemacht. 4.Auflage. München 1999,S.36
5 Max Horkheimer: Studien über Autorität und Familie. 2.Auflage. Lüneburg: zu Klampen 1987, S.77-79
6 Max Horkheimer: Studien über Autorität und Familie. 2.Auflage. Lüneburg: zu Klampen 1987, S.82-83
7 a.a.O., S.84
8 a.a.O., S.87
9 Max Horkheimer: Studien über Autorität und Familie. 2.Auflage. Lüneburg: zu Klampen 1987, S.94-97
10 a.a.O., S.97
11 ebd.
12 Max Horkheimer: Studien über Autorität und Familie. 2.Auflage. Lüneburg: zu Klampen 1987, S.85
13 a.a.O., S.108-109
14 a.a.O., S.109
15 Max Horkheimer: Studien über Autorität und Familie. 2.Auflage. Lüneburg: zu Klampen 1987, S.115
16 a.a.O., S.114-117
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