Die Wahl des internationalen Betriebsstandortes unter Berücksichtigung der allgemeinen Standortkriterien


Hausarbeit, 1995

35 Seiten, Note: 2+


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Eingrenzung

3 Geschichtlicher Überblick

4 Überblick über das Standortproblem
4.1 Auftreten des Standortproblems
4.2 Die Arten des Standortes
4.3 Die Auswahl des Standortes
4.3.1 Die inhaltlichen Aspekte
4.3.2 Die Auswahltechnik
4.4 Der unternehmerische Wirkungskreis
4.5 Unterschiedliche Dominanz der Standortfaktoren

5. Allgemeine Kriterien der Standortwahl
5.1 Materialorientierung
5.2 Arbeitsorientierung
5.3 Abgabenorientierung
5.3.1 Steuerdifferenzierungen, die durch das Steuersystem bedingt sind
5.3.2 Steuerdifferenzierungen infolge dezentraler Finanzverwaltung
5.3.3 Steuerdifferenzierungen, die durch die Steuer- politik geschaffen werden
5.4 Verkehrs- und Energieorientierung
5.5 Umweltorientierung
5.6 Absatzorientierung
5.7 Sonstige Standortfaktoren

6 Vorraussetzungen für internationale Produktion

7 Gründe für internationale Produktion
7.1 Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit durch Globalisierung
7.1.1 Beispiel Ford Motor Company
7.2 Risikoverteilung

8 Internationale Bestimmungsfaktoren
8.1 Die politische Lage und Entwicklungstendenzen (labile und stabile Staaten)
8.1.1 Sozialer Konsens
8.2 Die wirtschaftliche Gesetzgebungspraxis (wirtschaftsbegünstigende Liberalisierung oder wirtschaftshemmende Intervention)
8.2.1 Das Wirtschaftsklima
8.2.2 Das Genehmigungsverfahren
8.2.3 Steuergesetzgebung
8.2.4 Umweltgesetzgebung
8.3 Währungspolitische Probleme
8.3.1 Währungspolitische Risiken
8.3.2 Währungspolitische Chancen
8.4 Klimatische, geographische, rechtliche und soziale Besonderheiten
8.5 Industrie- oder Entwicklungsländer mit vorhandenen oder fehlenden einheimischen Märkten
8.5.1 Entwicklungsländer
8.5.2 Industrieländer
8.6 Die Bewertung von Länderrisiken

9 Auswahlmethoden
9.1 Prüflistenverfahren
9.2 Nutzwertanalyse
9.3 Operations-Research
9.3.1 Optimierungsmodelle
9.3.2 Bewertungsmodelle
9.4 Heuristische Verfahren

10. Standortrisiko
10.1 Minderung des Standortrisikos durch Standortspaltung

11. Schlussbemerkung

Die Wahl des internationalen Betriebsstandortes unter Berücksichtigung der allgemeinen Standortkriterien

1 Einleitung

Unter dem Standort eines Betriebes ist der geographische Ort zu verstehen, an dem die betriebliche Leistung erbracht wird. Die Bestimmung des Standorts gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Unternehmensleitung. Hierbei handelt es sich um eine Entscheidung mit langfristiger Wirkung, die in der Regel gar nicht mehr -insbesondere bei Großbetrieben- oder nur mit sehr hohem Aufwand und den damit entsprechend hohen Kosten revidiert werden kann. Ein schlecht gewählter Standort führt zu einer permanenten Benachteiligung des Betriebes und beeinträchtigt so die Wettbewerbsfähigkeit. Langfristig kann die Existenz bedroht sein.

Bestehende Gebäude sind bei einem schlecht gewählten Standort wegen der ungünstigen Lage nur schwer zu verkaufen oder zu vermieten, besonders bei einem speziell auf den Betrieb ausgerichteten Zuschnitt.

2 Eingrenzung

Nicht bei jeder betrieblichen Leistungserstellung müssen die Chancen und Risiken, die sich aus der Wahl eines internationalen Standortes ergeben, intensiv geprüft werden. Im Gegensatz zu Handels- oder Dienstleistungsbetrieben, die überwiegend absatz-orientierte Standortfaktoren beachten müssen, sind Industriebetriebe in der Regel von sehr komplexen Faktorzusammenhängen abhängig. Auch in der Literatur werden überwiegend die Standortfaktoren von Industriebetrieben untersucht. Aus diesem Grund sollen auch hier nur die geltenden Kriterien der Standortwahl von Industriebetrieben, besonders der internationalen Standortwahl, beleuchtet werden.

3 Geschichtlicher Überblick

Vor der Jahrhundertwende beschränkten sich Standortuntersuchungen in der ökonomische Literatur entweder auf Beschreibungen der Standorte landwirtschaftlicher Betriebe (z.B. Thünen -1826-) oder einzelner Industrien und Gewerbezweige (z.B. Sonnenfels -1765-, Büsch -1790-, Roscher -1892-). Erst nachdem die erste systematische Darstellung der Standorttherorie veröffentlicht wurde (1909 von Alfred Weber im ersten Teil seines Werkes „Ueber den Standort der Industrien“), wandte sich die wirtschaftwissenschaftliche Literatur wie auch die unternehmerische Praxis in stärkerem Maße dem Problem der Standortermittlung zu.

Weber, der erstmalig den Begriff des „Standortfaktors“ verwendet, versteht darunter „einen seiner Art nach scharf abgegrenzten Vorteil, der für eine wirtschaftliche Tätigkeit dann eintritt, wenn sie sich an einem bestimmten Ort oder auch generell an Plätzen bestimmter Art vollzieht.“[1]

Schon früh nutzten einige Unternehmen die Vorteile, die sich aus einer internationalen Produktion ergaben. So gründete Siemens in den zwanziger Jahren mit dem japanischen Unternehmen Furukawa einen Betrieb in Fernost.[2] Allerdings blieben damals nennenswerte ausländische Produktionsstätten Großunternehmungen vorbehalten.

Der zunehmende Exportanteil an der Gesamtproduktion deutscher Unternehmen führte dann in den fünfziger Jahren vorwiegend zur Errichtung von Verkaufsniederlassungen und Kundendienststationen im Ausland. Solchen Niederlassungen folgte bei weiter wachsendem Exportanteil der inländischen Produktion dann fast zwangsläufig der Bau oder der Erwerb ausländischer Produktionsstätten, deren Produkte bei wachsendem ausländischem Markt den Export ergänzten bzw. ganz ersetzten.[3]

Da dem Wachstum des inländischen Marktes ab etwa Mitte der sechziger Jahre erkennbar Grenzen gesetzt waren, konzentrierten sich viele Unternehmen auf eine internationale Expansion, die oft in ausländische Produktion führte. Eine Ausweitung des Geschäftes war allein in der heimischen Volkswirtschaft nicht mehr möglich, da der bundesdeutsche Markt zunehmende Sättigungstendenzen zeigte. Erleichtert wurde die Auslandfertigung deutscher Unternehmen durch Fortschritte in der Technik (siehe dazu Punkt 6). Durch internationale und zwischenstaatliche Abkommen wurde der Weltmarkt liberalisiert, wodurch die Ein- und Ausfuhr von Zulieferungs- bzw. Endprodukten erleichtert wurde. Vor allem zwischen den Staaten der Europäischen Gemeinschaft wurden bestehende Handelshemmnisse und -schwierigkeiten zunehmend abgebaut, was dann 1993 konsequenterweise zu einem einheitlichen Markt führte. Innerhalb des EG-Binnenmarktes sind viele Formalitäten nicht mehr erforderlich, die sonst zwischen Staaten üblich sind. Dieses wirkt sich auch auf kleinere und mittlere Unternehmen aus, die nun im westeuropäischen Ausland ohne viele der sonst vorhandenen Probleme produzieren können.

Seit Beginn der neunziger Jahre hat sich der Trend zu ausländischen Fertigungsstätten verstärkt fortgesetzt. Hohe Lohnkosten bei zunehmenden internationalem Wettbewerb veranlassen viele Unternehmen, sich Fertigungsstätten in anderen Teilen der Erde zu errichtet. Beschleunigt wurde dieser Trend durch die politische und wirtschaftliche Öffnung der Staaten des ehemaligen Ostblocks. Da dort ein niedriges Lohnniveau herrscht, haben Investoren den weiten Weg nach Asien, den klassischen Billiglohnländern, gespart. So produzieren sie gleich vor der Haustüre ihres Hauptabsatzgebietes Westeuropa.

Heute produzieren Großunternehmen weltweit. So stellt Siemens beispielsweise seine Produkte an 380 Standorten in 75 Ländern her.[4] Außerdem ist es auch für mittelständische Unternehmen zur Schaffung einer guten Wettbewerbsposition wichtig, die Vorteile internationaler Arbeitsteilung zu nutzen. Deshalb produzieren verstärkt mittelständische Unternehmen im Ausland.

4 Überblick über das Standortproblem

Die Probleme im Zusammenhang mit dem betrieblichen Standort sind sehr komplex und umfassend. Viele innere und äußere Umstände sind sich bewusst zu machen. Wann stellt sich beispielsweise die Frage nach einem neuen Standort und inwieweit kann er überhaupt frei gewählt werden?

4.1 Auftreten des Standortproblems

Standortprobleme treten auf bei:

- der Betriebsgründung,
- der Betriebsvergrößerung und
- bei der Betriebsverlagerung

Schon bei der Betriebsgründung muss über mögliche Wachstums-

chancen und eine spätere betriebliche Erweiterung mit entsprechendem Platzbedarf nachgedacht werden. Es empfiehlt sich, ein Vorratsgelände beim Kauf des zu bebauenden Grundstückes gleich mitzuerwerben. In der Regel wird bei einer Betriebsgründung der Standort jedoch im Bereich der eigenen Volkswirtschaft ausgewählt.

Eine Vergrößerung des Betriebes kann durch eine zentrale oder dezentrale Erweiterung erfolgen. Die zentrale Erweiterung findet mit An- und Erweiterungsbauten am bisherigen Standort statt, während die dezentrale Erweiterung an einem neu zu bestimmenden Ort erfolgt. Hierbei stellt sich unter Umständen die Frage nach einem internationalen Standort.

Bei der Betriebsverlagerung wird der alte Standort aufgegeben durch einen neuen ersetzt. Langfristige Vorteile des neuen Standortes müssen die Umzugskosten und die verlagerungsbedingten Vermögensverluste jedoch überkompensieren.

Bei entsprechenden Voraussetzungen empfiehlt es sich bei einer Betriebsverlagerung auch internationale Standorte zu prüfen.

Zwei verschiedene Problembereiche sind Gegenstand von Standortuntersuchungen:

- die Standortbestimmungslehre und
- die Standortwirkungslehre

Bei der Standortbestimmungslehre sucht das zu gründende oder sich vergrößernde Unternehmen seinen optimalen Standort. Nach einer sorgfältige Analyse der Standortfaktoren muss das Unternehmen die Vor- und Nachteile der einzelnen Standorte abwägen.

Bei der Standortwirkungslehre ist das Grundstück bereits vorhanden. Der Eigentümer sucht hier zwecks Verwendung den geeigneten Betrieb.[5]

4.2 Die Arten des Standortes

Hinsichtlich der Auswahlmöglichkeiten unterscheidet man zwischen

- gebundenen,
- eingeengten und
- freien Standorten.

Von einem gebundenen Standort ist die Rede, wenn die Bindung des jeweiligen Betriebes an bestimmte Faktoren, die für seine Leistungserstellung unentbehrlich sind, keine andere Wahl zulässt. Beispiele: Abbaubetrieb (Bodenschätze), Schiffsbau (Wasserstraßen).

Eingeengte Standorte können innerhalb gewisser Grenzen frei gewählt werden. Im Bereich eines bestimmten Einzuggebietes sind sie durch wirtschaftlich-technische Nutzung in ihrer Lage begrenzt. Beispiele: Sägewerk (großer Wälder), Zuckerfabrik (Rübenanbaugebiet).

Ein freier Standort ist dann gegeben, wenn für den Betrieb keine zwingende Bindung an einen bestimmten Ort gegeben ist. Bei der Wahl eines Standortes sind wirtschaftliche und außerwirtschaftliche Gründe ausschlaggebend.

4.3 Die Auswahl des Standortes

Viele Einflüsse sind bei der Beurteilung und Einschätzung eines Standortes zu berücksichtigen. Die endgültige Entscheidung ist ureigenste Aufgabe der Unternehmensleitung.

4.3.1 Die inhaltlichen Aspekte

In der frühen Literatur zur Standortbestimmung (Weber, A.) sind für die Auswahl des Standortes die Rohstoffkosten, die Arbeitskosten oder die Transportkosten -je nach Dominanz bei den Kosten- ausschlaggebend. In den vergangenen Jahrzehnten wurde bei den Standortüberlegungen zunehmend die Absatzseite, und damit die Erlöse, berücksichtigt. Heute wird man im konkreten Fall

sowohl die standortspezifischen Kosten als auch die standortabhängigen Erträge bei der Standortwahl prüfen.

Der Faktor, dem bei der Produktion bzw. dem Absatz die dominierende Rolle zukommt, wird dabei besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Bei einer Standortkalkulation müssen alle derzeitigen und zukünftigen standortrelevanten Faktoren untersucht werden. Eine Entscheidung fällt letztlich nach dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip, d.h. dem standortabhängigen maximalen Gewinn.[6]

4.3.2 Die Auswahltechnik

Aufgrund der vorhandenen Daten wird nun der beste Standort ermittelt. Dieses kann in Form einfacher Rechenverfahren mit der Gegenüberstellungen der erwarteten Kosten und Erträge verschiedener Alternativen oder mit Hilfe komplizierter mathematischer Methoden geschehen. Auf spezielle Auswahlmethoden wird unter Punkt 9 eingegangen.

Schwierigkeiten ergeben sich bei der Untersuchung, weil oft nicht alle erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen und zukünftige Entwicklungen meistens nicht vorhergesehen werden können.

So sind Standortkalkulationen zwar immer mit gewissen Unsicherheiten verbunden, doch durch sorgfältiges Prüfen verschiedener Alternativen können trotzdem günstige bzw. ungünstige Standorte festgestellt werden. Im einzelnen verläuft das Auswahlverfahren in drei Schritten ab:

1. Phase: Initiierung des Standortentscheidungsprozesses und Bestimmung des Kapazitätsbedarfs

2. Phase: Auswahl und Bewertung potentieller Standorte

Dieser Suchprozess läuft gewöhnlich in zwei Stufen ab:

a) Auswahl und Bewertung potentieller Makrostandorte, also die

Auswahl z.B. einer Region

b) Auswahl und Bewertung potentieller Mikrostandorte, also die

Auswahl des konkreten Standorts

(Bei globalen Suchräumen kann dieses Verfahren differenzierter betrachtet

werden und über diese zwei Stufen hinausgehen).

3. Phase: Vorlage der bewerteten Standortalternativen beim Entscheidungsträger und Entscheidung über den endgültigen Standort.[7]

4.4 Der unternehmerische Wirkungskreis

Bei der Auswahl des Standortes muss sich der Investor über den Wirkungskreis, in dem er tätig werden will, bewusst sein. Einteilungskriterien sind:

- lokale und interlokale Standorte
- regionale und überregionale Standorte
- nationale und internationale Standorte

Eine lokale Standortwahl liegt bei der Wahl zwischen dem Innenstadtbereich und dem Außenbezirk einer Gemeinde vor. Stehen mehrere Kommunen als mögliche Standorte zur Wahl, so handelt es sich um interlokale Standorte.

Die Entscheidung wird für einen regionalen Standort getroffen, wenn nur eine einzige Region wie z.B. das Ruhrgebiet zur Auswahl ansteht. Ist hingegen der räumliche Aktionsradius auf mehrere Großgebiete ausgedehnt, so entscheidet man sich für überregionale Standorte (z.B. Wahl zwischen dem Rhein-Neckar- und dem Rhein-Main-Gebiet).

Bei der nationalen Standortwahl ist eine Auswahl innerhalb der Grenzen der eigenen Volkswirtschaft zu treffen. Wird der nationale Bereich verlassen und man orientiert sich weltweit, so fällt die Wahl auf einen internationalen Standort.[8]

4.5 Unterschiedliche Dominanz der Standortfaktoren

Standortfaktoren sind Faktoren, die von Ort zu Ort unterschiedlich die Kosten- und Erlössituation des betreffenden Betriebes beeinflussen und deshalb bei der Wahl seines Standortes von ausschlaggebender Bedeutung sind.[9]

Die Standortfaktoren, die für Unternehmen von Bedeutung sind, sind von Betrieb zu Betrieb verschieden. Es kann beispielsweise entscheidend sein,

- von welcher Art die erstellte Leistung ist,
- welcher Produktionsfaktor vorherrschend ist,
- ob es sich um einen privaten oder öffentlichen Betrieb handelt,
- wie groß der Betrieb ist oder
- in welchem Wirtschaftszweig die betriebliche Leistung erbracht wird.

5. Allgemeine Kriterien der Standortwahl

Für die praktische Durchführung der Standortplanung sind eine ganze Reihe von Prüflisten entwickelt worden, die zum Teil mehrere Hundert entscheidungsrelevante Standorteigenschaften enthalten.[10]

Zusammengefasst ergeben sich nach Wöhe folgende Entscheidungskriterien:

- Materialorientierung
- Arbeitsorientierung
- Abgabenorientierung
- Verkehrs- und Energieorientierung
- Umweltorientierung
- Absatzorientierung

Niegel ergänzt diese Punkte noch durch

- Sonstige Standortfaktoren

Ein Betrieb wird in der Regel gleichzeitig mehrere Orientierungen verfolgen, die häufig in Konkurrenz stehen.

5.1 Materialorientierung

Von Materialorientierung spricht man, wenn sich der Standort des Betriebes nach den billigsten Transportkosten für die Beschaffung der für die Produktion erforderlichen Materialien richtet. Vor allem

Betriebe, die Rohstoffe in großen Mengen verarbeiten, werden diesen Faktor stark zu berücksichtigen haben. Ein Standort in der Nähe der Rohstoffquellen ist für diese Betriebe ein großer Vorteil. Dieses gilt umso mehr, je höher der Gewichtsverlust der Rohstoffe durch den Produktionsvorgang ist. Man bezeichnet solche Stoffe als Gewichtsverlustmaterial. Die Kohle ist beispielsweise ein 100%iges Gewichtsverlustmaterial, beim Eisenerz ist der prozentuale Gewichtsverlust je nach Qualität unterschiedlich. Aus diesem Grund wird in der Regel bei räumlich entferntem Vorkommen von Kohle und Erz das Erz zur Kohle transportiert; so werden die hochwertigen schwedischen Eisenerze zur Verhüttung ins Ruhrgebiet und lothringische Eisenerze ins Saarland gebracht. Die Verhüttungsbetriebe haben wiederum Betriebe der nachfolgenden Produktionsstufen nachgezogen: Verhüttung orientiert sich an der Kohle, das Walzwerk am Hüttenwerk und die Maschinenfabrik am Walzwerk. So erfolgte auf relativ engem Raum sowohl eine horizontale (Zusammenballung von Betrieben des gleichen Wirtschaftszweiges) wie auch eine vertikale Konzentration (Weiterverarbeitung) als Folge der Materialorientierung. Typische Beispiele hierfür sind das Ruhrgebiet, das saarländische, oberschlesische, sächsische, mittelenglische, lothringische und belgische Industriegebiet. Diese Beispiele machen deutlich, dass der Faktor Materialorientierung -gerade bei immer knapper werdenden Rohstoffreserven- durchaus international zu betrachten ist.

Die Rohstoffnähe beim sogenannten Reingewichtsmaterial, das zu 100% in das Endprodukt eingeht, spielt dagegen keine bedeutsame Rolle (z.B. Edelmetalle in der Schmuckwarenindustrie).

5.2 Arbeitsorientierung

Bei lohn- oder arbeitsintensiven Betrieben stellen die Arbeitskräfte meistens einen entscheidenden Standortfaktor dar. Die Arbeitsorientierung kann auf eine Orientierung nach niedrigen Löhnen, aber auch eine Orientierung nach Orten, wo überhaupt noch qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, gerichtet sein. Nach Entdeckung der Elektrizität und Erfindung des Elektromotors war eine Orientierung nach dem bisherigen Energieträger Kohle für viele Betriebe nicht mehr notwendig. So bestand bei arbeitsintensiven Betrieben die Tendenz, Standorte in kleinen Gemeinden mit niedrigem Lohnniveau zu bevorzugen, also für den Betrieb einen Kostenvorteil bei dem am stärksten ins Gewicht fallenden Produktionsfaktor zu erreichen (z.B. optische Industrie, Spielwaren- und Musikinstumentenindustrie). Entscheidend ist, dass der Vorteil der geringeren Löhne nicht durch erhöhte Transportkosten des Materials kompensiert wird.

[...]


[1] Vgl. Weber, A.: Über den Standort der Industrien, 1. Teil, Reine Theorie des Standorts

[2] Vgl. ZfB-Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Ergänzungsheft 2/92, Henzler, H.: Globalisierung von Unternehmen im internationalen Vergleich, S. 93

[3] Vgl. Wöhe, G.: Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Die Wahl des Standortes, S. 485

[4] Vgl. Siemens Presseerklärung „Zunehmende Globalisierung“

[5] Vgl. Bott, H.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Band 1 (Der Aufbau des Betriebes), Der betriebliche Standort, S. 125

[6] Vgl. Bott, H.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Band 1, Die Bestimmungsfaktoren des Standorts, S. 127

[7] Vgl. Lüder, K./ Küpper,W.: Unternehmerische Standortplanung und regionale Wirtschaftsförderung, Aussagen zum Standortplanungs- und Standortentscheidungsprozeß, S. 9/10

[8] Vgl. Bott, H.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Band 1, Die Bestimmungsfaktoren des Standorts, S. 126

[9] Vgl. Niegel, H.: Betrieb, Materialwirtschaft, Produktion und Absatz, 2., neubearbeitete Auflage, Der Standort des Betriebes, S. 99

[10] Vgl. Jacob, H.: Industriebetriebslehre, Die Bestimmung betrieblicher Standorte, S. 35

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Die Wahl des internationalen Betriebsstandortes unter Berücksichtigung der allgemeinen Standortkriterien
Note
2+
Autor
Jahr
1995
Seiten
35
Katalognummer
V142826
ISBN (eBook)
9783640539291
ISBN (Buch)
9783640539994
Dateigröße
516 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Korrigiert nach der neuen Rechtsschreibung.
Schlagworte
internationale Standortwahl, intern. Betriebsstandort, Standortwahl
Arbeit zitieren
Dipl-.Verwaltungsw. (FH) Tobias Hey (Autor:in), 1995, Die Wahl des internationalen Betriebsstandortes unter Berücksichtigung der allgemeinen Standortkriterien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142826

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