Dorothea Schlegels Florentin - Held oder Antiheld?


Seminararbeit, 2008

16 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung.

2 Was ist ein Held?

3 Florentin als Held

4 Die innere Befindlichkeit des Florentin- Florentin, der Antiheld?

5 Schluss

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Dorothea Schlegel stellt ihre Hauptfigur, den Florentin, in ihrem gleichnamigen Roman als eine vielschichtige Gestalt dar. Sie setzt das Innenleben ihres Protagonisten in einen auffälligen Kontrast zu seiner Wirkung auf die Außenwelt. Während der Leser auf der einen Seite einen stark und selbstbewusst agierenden Florentin erlebt, hat er auch immer wieder Einblicke in das Gefühlschaos der Titelfigur, welches Unsicherheit und Unruhe widerspiegelt.

Wäre dem Leser die Kenntnis von Florentins innerer Zerrissenheit nicht bekannt, würde er sich ein völlig anderes Bild von diesem machen. Stark, selbstsicher, mutig und tapfer entspräche er dem gängigen Bild eines Helden. Hierbei ist nicht die geläufige Worterklärung der Literaturwissenschaft gemeint, welche den Begriff des Helden der Hauptperson eines Romans gleichsetzt. Vielmehr ist die Rede von einer Person, die durch moralische Stärke, heldenhafte Taten, vielseitige Talente oder auch Verstandes- bzw. Charakterstärke überzeugt und sich dadurch von der Gesellschaft abhebt. Diese Gegensätzlichkeit von Innenleben und Wirkung auf die Außenwelt könnte jedoch ebenso einen Rückschluss darauf geben, dass es sich bei der Figur des Florentin um die eines Antihelden handelt. Der Antiheld wird dadurch charakterisiert, dass er nicht fehlerfrei und perfekt ist, sondern auch eine oder mehrere Schwächen aufzuweisen hat. In diesem Fall wären die Selbstzweifel und Unsicherheiten Florentins als eine charakterliche Schwäche auszulegen, die auf den Leser zwar sympathisch wirken kann, aber das Heldenbild nicht entstehen lässt.

Trotz dieser Selbstzweifel und Misserfolge im Leben des Florentin bin ich jedoch letztendlich zu dem Schluss gekommen, dass Dorothea Schlegel in ihrer Hauptfigur einen Helden sah und diesen auch so charakterisieren wollte. Sie hat meiner Meinung nach eine Figur erschaffen, die erkennen lässt, dass ein Held nicht unbedingt fehlerfrei und perfekt sein muss, um ein eben solcher zu sein. Diese Schlussfolgerung lässt sich gut an dem Roman nachvollziehen und an den verschiedensten Textstellen aufzeigen. Ich werde im Folgenden so vorgehen, dass ich vorerst kurz darauf eingehen werde, was einen Helden im Roman charakterisiert. Anschließend werde ich mich mit Florentins heldenhafter Wirkung auf die Außenwelt befassen, um danach seine inneren Unsicherheiten und Selbstzweifel näher zu untersuchen. Hierbei stelle ich insbesondere den ihn kennzeichnenden Kontrast zwischen seinem heldenhaften Auftreten und seiner inneren Sensibilität dar.

2 Was ist ein Held?

Die Literaturwissenschaft bezeichnet generell jede Titelfigur eines Romans als einen Helden. Der Held ist in diesem Fall also ein Synonym für den Begriff der Hauptfigur. Ich möchte jedoch den Begriff des Helden dem des Individualisten, der sich durch bestimmte Eigenschaften von den übrigen Figuren eines Romans abhebt, gleichsetzen. Hierbei beziehe ich mich auf Helga Esselborn- Krumbiegel, die ein Buch zum Thema „Der „Held“ im Roman“ verfasst hat.

Ein wichtiger Aspekt hierbei ist die Tatsache, dass nahezu alle Episoden des Romans die Gegenwart des Helden erfordern. Er ist die Hauptfigur einer Geschichte und agiert entweder als Handelnder oder als Beobachter in Gesellschaft anderer oder aber er ist alleine und reflektiert das Geschehene (Vgl. Esselborn- Krumbiegel 1983, S. 19). Dorothea Schlegel geht in ihrem Roman Florentin nach genau diesem Schema vor. Nur bei einzelnen Textpassagen liegt keine direkte Anwesenheit Florentins vor, jedoch dreht sich in solchen Momenten trotzdem alles um ihn. Ein Beispiel dafür wären die Briefe Julianes an Clementina, in denen sie ihre Bewunderung für Florentin zum Ausdruck bringt.

Des Weiteren charakterisiert Helga Esselborn- Krumbiegel den Helden im Roman als eine einheitliche Persönlichkeit, bei der die Eigenschaften, die Handlungen und die innere Befindlichkeit miteinander im Einklang stehen. Er hebt sich von seinen Mitmenschen durch seine Vielfältigkeit die Talente und Persönlichkeitsmerkmale betreffend ab, ohne jedoch auffallend oder überdurchschnittlich zu wirken. Eine wichtige Rolle spielen dabei laut Esselborn- Krumbiegel die Nebenfiguren, durch die die Individualität des Helden erst deutlich wird. Ihre Eigenschaften und Schwächen setzen einen Kontrast zu den seinen (Vgl. Krumbiegel- Esselborn 1983, S. 16 ff.).

„Von ihm selber gehen selten Handlungsimpulse aus, vielmehr reagiert er vornehmlich auf äußere Anstöße, die eine Wendung der Handlung herbeiführen und ihn zwingen, in ein neues Stadium seiner Entwicklung einzutreten“ (Esselborn- Krumbiegel 1983, S. 174). Der Held im Roman handelt also nicht aktiv und impulsiv, was der Leser eigentlich von ihm erwarten würde, sondern richtet sein Verhalten spontan nach den Situationen, die er erlebt. Eben diese Verhaltensweise ist im Fall des Florentin gut zu beobachten. Er scheint nicht auf der Suche danach zu sein, große Heldentaten zu vollbringen, sondern schlittert immer scheinbar zufällig in Situationen hinein, die seine heldenhaften Eigenschaften erfordern. So auch ganz zum Anfang, als er durch bloßen Zufall einen Mann rettet.

3 Florentin als Held

Florentin wird bereits zu Beginn mit einer der elementarsten Eigenschaften eines typischen Helden gekennzeichnet, indem er nach einer veranschaulichenden Naturbeschreibung mit dem Satz „Mutig trabte ein Reisender den Hügel herauf“ (Schlegel 1993, S. 11) in die Geschichte eingeführt wird. Trotz der Ungewissheit, wohin ihn dieser Weg führen mag und was ihn hinter der nächsten Hügelkuppe erwarten wird, schreitet er unaufhaltsam vorwärts. Durch einen Schuss und darauf folgende Hilferufe wird er aus der Zwiesprache mit seinem Pferd herausgerissen und eilt ohne zu zögern seiner ersten Tat entgegen, mit der er gleich zu Beginn zum Helden avanciert (Vgl. auch Brandstädter und Jeorgakopulos 2001, S. 26). Dieser Anfang ist eine in der Literatur typische Vorgehensweise, einen Helden in die Geschichte einzuführen. „Die Erzählung beginnt […] an einem Wendepunkt in ein neues konfliktreiches Entwicklungsstadium“ (Esselborn- Krumbiegel 1983, S. 121) des Helden.

Ebenso geht Florentin einem neuen Lebensabschnitt entgegen, nämlich jenem, den er in der Familie Schwarzenberg verbringt und in dem er von Anfang an bis zum Schluss vom Leser begleitet wird.

Beim ersten Auftritt des Grafen Schwarzenberg, den Florentin vor einem Wildschwein rettet, wird dieser als ältlicher Mann beschrieben. Sein Knabe ist jener, der Florentin ängstlich um Hilfe bei der Rettung seines Herren bittet (Vgl. Schlegel 1993, S. 13). Beide umschreibenden Adjektive stehen im Kontrast zu der ersten Beschreibung Florentins, der zu Beginn mutig den Hügel hinauf trabt. Es entsteht der erste Eindruck eines tapferen Mannes neben zwei hilflosen und schwachen Nebenfiguren. Die im Roman typischen Parallelfiguren (Vgl. Esselborn- Krumbiegel 1983, S. 121), die den Helden durch ihre eigene Durchschnittlichkeit oder auch Schwäche erst herausragend erscheinen lassen, kommen also hier bereits zum Vorschein.

Bei der Rettung selbst feuert Florentin mit seiner Pistole auf das Wildschwein, ohne dieses jedoch zu treffen. Dies wird mit dem Satz „Das war seine Absicht“ (Schlegel 1993, S. 14) kommentiert. Statt ihre Hauptfigur einen Treffer erzielen zu lassen und somit die Rettung zu beschleunigen, baut Dorothea Schlegel Spannung beim Leser auf, um anschließend ihren Protagonisten das wilde Tier mit „Besonnenheit und Geistesgegenwart“ (Schlegel 1993, S. 14) mit seinem Jagdmesser auffangen zu lassen. Wieder nutzt sie die Kontrastfigur des Grafen Schwarzenberg, um die Heldentat des Florentin noch herausragender erscheinen zu lassen. Als dieser sich nämlich überschwänglich bei ihm bedankt, reagiert er mit Bescheidenheit und Freundlichkeit. Was für andere außergewöhnlich und mutig erscheint, scheint für Florentin selbstverständlich und keiner Rede wert zu sein, ganz so, als ob das Vollbringen erstaunlicher Taten zu seinem Alltag gehören würde.

Dadurch, dass er bereits als Held in die Erzählung eintritt, behält Florentin diese Rolle im weiteren Verlauf bei. Er wird als Retter des Grafen in die Familie Schwarzenberg eingeführt und erntet dadurch von Anfang an deren Dankbarkeit, Bewunderung und Respekt.

Des Weiteren fällt er dort mit überraschenden Talenten auch weiterhin nur positiv auf und sticht aus der übrigen Gesellschaft hervor. So ergreift er am ersten Abend spontan eine Guitarre und singt „Verse, die er aus dem Stegreif dazu“ (Schlegel 1993, S. 23) erfindet. Während Julianes und Eduards Konzert lediglich als „recht gut besetzt“ (Schlegel 1993, S. 23) beschrieben wird, wird Florentins Vortrag unter der Verwendung der besten Umschreibungen sehr ausführlich dargestellt. Sowohl seine Stimme und sein Gesicht als auch seine Worte werden als derart wunderbar beschrieben, dass jeder hingerissen ist und dem Gesang am liebsten ewig lauschen würde (Vgl. Schlegel 1993, S. 24). Wieder tritt er hier durch den Kontrast zu Juliane und Eduard, deren Talent eher dem guten Durchschnitt zu entsprechen scheinen, hervor. Durch sein vielseitiges Können die Musik, die Jagd, den Tanz oder die Beredsamkeit betreffend wird Florentin schon bald zu einem festen Bestandteil der Familie Schwarzenberg. Besonders Juliane und Eduard fühlen sich freundschaftlich sehr zu ihm hingezogen, was wohl daran liegt, dass er zwar in ihrem Alter, jedoch bereits viel selbstständiger und erfahrener ist. Er scheint in ihren Augen zu einer Art Vorbild zu avancieren, zu ihrem persönlichen Held. Bei Juliane gelingt es ihm, sie ihrer Eitelkeit bewusst zu machen, ohne sie jedoch zu kränken oder auf Dauer zu erzürnen.

„Er stimmte nie mit ein, wenn sie in Gesellschaft von der um sie her flatternden Herren wegen ihres Gesanges oder Tanzes, oder Schönheit erhoben ward; vielmehr suchte er sie dann durch einen kleinen Trotz, eine Art von Vernachlässigung zu demütigen“ (Schlegel, S. 35).

Was eine Adelstochter normalerweise als Beleidigung auffassen und eine entsprechende Reaktion zu erwarten lassen würde, sieht sie Florentin stets nach und erfreut sich umso mehr, wenn sie seine Aufmerksamkeit positiv erregen kann. Erstaunlich daran ist, dass er innerhalb so kurzer Zeit eine solche Sympathie die ganze Familie betreffend aufbauen kann. Alle scheinen ihn zu lieben, Juliane beschreibt ihn in einem Brief an ihre Tante als einen geheimnisvollen Mann mit seltsamen Wendungen, den alle gern haben (Vgl. Schlegel 1993, S. 40). Sie liefert damit im Groben genau die Beschreibung, die Helga Esselborn- Krumbiegel für die des Helden im Roman benutzt. Weder außergewöhnlich auffallend noch ungewöhnlich sticht Florentin trotzdem von der übrigen Gesellschaft durch seine Individualität hervor. Auch äußerlich scheint Florentin zwar nicht dem Idealbild eines Mannes zu entsprechen, worauf die Aussage Julianes „So schön als Eduard ist er auf keinen Fall […] er ist auch nicht so groß und herrlich als Eduard“ (Schlegel 1993, S. 41) schließen lässt. Jedoch wirkt er durch seinen freien und kunstlosen Anstand, seine edle Physiognomie und seinen feinen, schlanken Bau laut Juliane sehr interessant (Vgl. Schlegel 1993, S. 41). Florentin wird nicht als Figur dargestellt, die am laufenden Band große Heldentaten vollbringt, jedoch sichert er sich durch sein Auftreten und seine Art und letztendlich durch die anfängliche Rettung des Grafen diesen Status bei der Familie Schwarzenberg. Die Charakterisierung eines Helden von Helga Esselborn- Krumbiegel umschreibt das Bild des Florentin hierbei sehr gut:

„Seine Stärken und Schwächen lassen ihn als durchschnittlichen Charakter erscheinen, der zwar genügend Individualsubstanz besitzt, um vor anderen Figuren als distinkte Persönlichkeit hervorzutreten, der sich jedoch andererseits nicht zur einmalig besonderen Existenz entwickelt“ (Esselborn- Krumbiegel 1983: S. 17).

Hierbei ist gemeint, dass sich die Figur des Helden nicht richtig in Worte fassen lässt. Ihn zu beschreiben scheint unmöglich, da er eine solche Vielseitigkeit und Individualität besitzt. Auch Juliane bereitet es Probleme, Florentin in einem Brief so zu beschreiben, dass sie seiner gerecht wird. Mit den Worten „Ich fürchte, Sie werden trotz meiner umständlichen Beschreibung, doch kein richtiges Bild von ihm haben“ (Schlegel 1993, S. 42) beendet sie das Porträt von Florentin an ihre Tante Clementina.

Auch das Geheimnis, das seine Herkunft betrifft, lässt ihn interessant und undurchsichtig erscheinen. Weder der Leser noch die Familie Schwarzenberg weiß bis zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas über die Vergangenheit Florentins (Vgl. Brandstädter u. Jeargakopulos 2001, S. 59). Dadurch, dass er bereits als Held in die Geschichte eingeführt wird, entsteht das Bild eines Mannes mit einer abenteuerlichen und erzählenswerten Vergangenheit. Erst bei einem gemeinsamen Ausflug erhält man durch die Aufforderung Julianes und Eduards mit den Worten „Sie sollten uns doch bald mit Ihren Schicksalen und Abenteuern bekannt machen […] Ihr Lebenslauf muss sehr interessant sein!“ (Schlegel 1993, S. 47) im siebten Kapitel einen Einblick in das bereits Erlebte Florentins. Bereits als Kind scheint er mit dieser von Helga Esselborn- Krumbiegel erwähnten besonderen Individualsubstanz ausgestattet zu sein, denn schon in sehr jungen Jahren lehnt er sich gegen die Frau, von der er glaubt sie sei seine Mutter, und einen Prioren auf, die ihn und seine Schwester in ein Kloster schicken wollen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Dorothea Schlegels Florentin - Held oder Antiheld?
Hochschule
Pädagogische Hochschule Freiburg im Breisgau
Note
1,5
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V142828
ISBN (eBook)
9783640539307
ISBN (Buch)
9783640540174
Dateigröße
423 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Laut der Dozentin sollten 1- 2 Titel mehr an Sekundärliteratur verwendet werden, daher bloß eine 1,5.
Schlagworte
Romantik, Florentin, Schriftstellerinnen der Romantik, Held oder Antiheld, Heldentum in Literatur, Romantischer Held, Romantischer Antiheld
Arbeit zitieren
Kea Galjan (Autor:in), 2008, Dorothea Schlegels Florentin - Held oder Antiheld?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142828

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