Vor dem Hintergrund der militärischen Interventionen der USA und ihrer Verbündeter in Irak und Afghanistan erlebt die Branche der Privaten Militär- und Sicherheitsfirmen einen scheinbar grenzenlosen Boom.
Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Thematik fand bis heute vor allem in der Politikwissenschaft statt. Dabei konzentriert sich ein Großteil der Autoren auf theoretische Grundfragen. Aspekte, die dabei im Vordergrund stehen, sind Diskussionen über Auswirkungen auf das staatliche Machtmonopol, mögliche staatliche Regulierungen, Einsätze in Friedensmissionen, die völkerrechtliche Problematik sowie Bedenken hinsichtlich der Formierung eines neuen Söldnertums.
Die große Bedeutung der Lösung dieser wichtigen Fragen und Probleme wird vor dem Hintergrund der laufenden Operationen in Afghanistan und dem Irak deutlich. Nichts desto weniger finden sich für den Irak und besonders für Afghanistan nahezu keine empirischen Arbeiten.
Um also den theoretischen Überlegungen empirische Daten an die Seite zu stellen beschäftigt sich diese Arbeit vornehmlich mit der Untersuchung der Situation in Afghanistan und vermittelt einen Überblick über das Engagement privater Militärdienstleister in Afghanistan.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1 Einleitung
1.1 Historischer Hintergrund
1.2 Die Privatisierung des staatlichen Machtmonopols
1.3 Was sind „Private Military Companies“ oder „PMCs“?
1.4 Kategorisierung von PMCs
1.4.1 Military „Core-Tasks“ nach Carl von Clausewitz
1.4.2 Kategorisierungsmodelle
2 Der Konfliktraum Afghanistan
2.1 Jüngere Geschichte Afghanistans
2.2 Die Lage – Wirtschaft, Drogenanbau, Sicherheit
3 Die Unternehmen in Afghanistan
3.1 Dyncorp
3.1.1 Bodyguards für den Präsidenten
3.1.2 Die Ausbildung der ANA & ANP
3.1.3 Dyncorp und der Anti-Drogen Einsatz
3.1.4 Die Sicherheit Dyncorps
3.2 Global Risk Strategies
3.2.1 Die Sicherung der Präsidentschaftswahlen
3.2.2 Die Währungsumstellung
3.2.3 Sonstige Dienstleistungen der Firma
3.3 Blackwater USA
3.3.1 Blackwater im Kampf gegen die Drogen
3.3.2 Verluste der Firma in Afghanistan
3.3.3 Der Stellenmarkt
3.3.4 Blackwater als Sicherheitsdienstleister
3.4 Kellogg Brown & Root
3.4.1 Camp Infrastruktur in Afghanistan
3.4.2 Weitere Tätigkeiten von KBR
3.4.3 Verluste der Firma in Afghanistan
3.5 Ronco
3.5.1 Minenräumung durch Ronco in Afghanistan
3.5.2 Waffenvernichtung durch Ronco
3.5.3 Koordination von USAID-Maßnahmen
3.6 US Protection and Investigations (USPI)
3.6.1 Verwicklungen in den Drogenhandel
3.7 Weitere Unternehmen
3.7.1 SAIC
3.7.2 MPRI – Military Professional Resources Inc.
3.7.3 Worldwide Language Resources Inc.
3.7.4 SCG International Risk
3.7.5 Special Ops Associates
3.8 Tabellarische Branchenübersicht
4 Contracting im Rahmen von CIA Einsätzen in Afghanistan?
4.1 Die „Special Operations Group“ in Afghanistan
4.2 Johnny Michael Spann
4.3 Christopher Glenn Miller und William Carlson
4.4 Colin Berry
4.5 David A. Pasaro
5 Die „Bounty Hunter“
5.1 Jonathan Keith Idema – “Task Force Saber”
5.1.1 Selbstjustiz und Foltervorwürfe gegen die „Task Force Saber“
5.1.2 Idema und die Medien
5.1.3 Die Glaubwürdigkeit Idemas im Verlauf des Gerichtsverfahrens
6 Resümee
7 Nachwort
8 Literaturverzeichnis
8.1 Abbildungsverzeichnis
Websites zum Thema A
Abkürzungen B
Vorwort
Vor dem Hintergrund der militärischen Interventionen der USA und ihrer Verbündeten in Irak und Afghanistan erlebt die Branche der Privaten Militär- und Sicherheitsfirmen einen scheinbar grenzenlosen Boom.
In Folge ihres umfassenden Engagements in diesen Konfliktherden gelangen die Unternehmen zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Thematik fand bis heute vor allem in der Politikwissenschaft statt. Dabei konzentriert sich ein Großteil der Autoren auf theoretische Grundfragen. Aspekte, die dabei im Vordergrund stehen, sind Diskussionen über Auswirkungen auf das staatliche Machtmonopol, mögliche staatliche Regulierungen, Einsätze in Friedensmissionen, die völkerrechtliche Problematik sowie Bedenken hinsichtlich der Formierung eines neuen Söldnertums.
Die große Bedeutung der Lösung dieser wichtigen Fragen und Probleme wird vor dem Hintergrund der laufenden Operationen in Afghanistan und dem Irak deutlich. Nichts desto weniger finden sich für den Irak und besonders für Afghanistan nahezu keine empirischen Arbeiten. Trotz der großen Bedeutung eines theoretischen Rahmens, in dem Untersuchungen zum Themenbereich privatisierter Militärdienstleistungen gefasst sein sollten, muss sich die Diskussion an den Realitäten des 21. Jahrhunderts orientieren. Theorien, die aktuelle Entwicklungen des Phänomens erfassen wollen, sollten neben den wichtigen Erfahrungen aus den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts außerdem auf den Realitäten des Irak- und Afghanistankonfliktes gründen. Dies ist bis heute kaum der Fall. Auch hat der 11. September 2001 Umwälzungen im Militärwesen zur Folge gehabt, die sich gegenwärtig in den Konflikten in Afghanistan und Irak widerspiegeln und in einem Großteil der theoretischen Ansätze noch nicht hinreichend berücksichtigt werden.
Um also den theoretischen Überlegungen empirische Daten an die Seite zu stellen beschäftigt sich diese Arbeit vornehmlich mit der Untersuchung der Situation in Afghanistan und verweist für eine weitergehende theoretische Beschäftigung mit dem Thema besonders auf die Artikel Peter Singers (siehe Literaturverzeichnis) sowie sein grundlegendes Werk „Corporate Warriors – The Rise of the Privatized Military Industry“[1].
Wie erwähnt hat sich die vorliegende Arbeit zum Ziel gesetzt, einen ersten Überblick über das Engagement privater Militärdienstleister in Afghanistan zu vermitteln. Vor dem Hintergrund des zeitlich begrenzten Rahmens, der teilweisen Unmittelbarkeit der Ereignisse und weiterer, im Folgenden kurz beschriebener Faktoren kann diese Arbeit nur eine erste Annäherung an die Thematik darstellen. Die im Rahmen dieser Arbeit dargestellten Aktivitäten von privaten Militärdienstleistern erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr stellt die Liste der erwähnten Unternehmen lediglich die Unternehmen dar, von deren Aktivitäten im Verlaufe der Arbeit Kenntnis gewonnen werden konnte. Da die Unternehmen in ihren Aktivitäten sehr diskret vorgehen und auch ihre Auftraggeber, seien es Regierungsstellen, Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) oder private Unternehmen, in aller Regel keinerlei Auskünfte über ihr Engagement geben, sind die Recherchemöglichkeiten ohne eine Präsenz vor Ort begrenzt. Es ist davon auszugehen, dass neben den im Rahmen dieser Arbeit dargestellten Unternehmen weitere Firmen in Afghanistan aktiv sind.
Aufgrund der schwierigen Informationslage soll der Rahmen dieses etwas ausführlicheren Vorwortes genutzt werden um auf die unterschiedlichen Vorgehensweisen einzugehen, die zur Beschaffung wichtiger Hinweise führten und bei einer zukünftigen Beschäftigung mit der Thematik auch für andere von Nutzen sein können.
Nach der ersten Recherchephase und der Suche nach Anhaltspunkten für in Afghanistan tätige Firmen kehrte schnell Ernüchterung ein. Die Informationen waren rar und die bekannten Fakten wiederholten sich in einem Großteil der gelesenen Aufsätze und Nachrichtenmeldungen. Diese Tatsache ließ einerseits den Schluss zu, dass es in Afghanistan kaum aktive Private Military Companies (PMCs) gebe, andererseits aber auch die Möglichkeit, dass es die tätigen Unternehmen wohl verstehen ihre Tätigkeiten diskret auszuführen.
Nach einer weitergehenden Recherche und der Verfolgung auch kleinster Hinweise bestätigte sich die zweite Vermutung. Bei der Recherche hat sich gezeigt, dass infolge der Diskretion der Firmen sich oft immer erst dann Hinweise für eine Anwesenheit einschlägiger Unternehmen in Afghanistan finden, sobald ihre reguläre Auftragsroutine durch externe Einflüsse gestört wird. Diese Einflüsse können unterschiedlicher Natur sein. So sind bei der Suche nach Anhaltspunkten unter Umständen auf den ersten Blick irrelevante Ereignisse wie Volksaufstände, Bauernrevolten, Verkehrsunfälle, Flugzeugabstürze und Anschläge erfahrungsgemäß die besten Gelegenheiten, rein zufällig von der Anwesenheit des einen oder anderen bekannten oder noch besser unbekannten Unternehmens zu erfahren. Oft sind es erst diese zum Teil banalen Ereignisse, die für den primär auf das Internet angewiesenen Forscher wichtige Anhaltspunkte darstellen und weitere Informationsquellen erschließen.
Eine weitere Ansatzmöglichkeit ist die Suche nach ortskundigen Experten, die eventuell das ein oder andere Unternehmen bei seiner Tätigkeit wahrgenommen haben. So führte ich mehrere Telefoninterviews mit Mitarbeitern von NGOs und Unternehmen durch, wovon allerdings nur eines sehr wertvolle Informationen ergab.
Neben dem telefonischen Kontakt mit Interviewpartnern ist es außerdem viel versprechend, im Internet über militärische Diskussionsforen sowohl passiv als auch aktiv Informationen zu suchen. Gerade in Foren von „Special-Forces“ finden sich kleine wichtige Hinweise, und in Kreisen der Spezialeinheiten ist die Diskussion über PMCs als mögliche Arbeitgeber in vollem Gange. Dort werden eigene Erfahrungen ausgetauscht und über die Seriosität der Arbeitgeber, Gehälter und unterschiedliche Einsatzgebiete diskutiert. Oftmals ergeben Stichworte entscheidende Hinweise für eine erfolgreiche Recherche an anderer Stelle. Während die passive Teilnahme in den Foren durchaus Erfolge zeitigt, kann die aktive Diskussion mit den Forenteilnehmern schnell zu einem Ausschluss durch die Betreiber des Forums führen. Die eigene Erfahrung war, dass, sobald man sich als externer Teilnehmer outete, der „Umgangston“ unangenehm wurde und kurz darauf der Zugang zum Forum gesperrt wurde.
Eine weitere Nutzung des Internets zum Zweck der Arbeit erfolgte durch den Aufbau einer thematischen Website.[2] Hier habe ich ein Großteil der recherchierten Informationen und Artikel veröffentlicht. Auch erhoffte ich mir Kontakte zu anderen Interessierten. Jedoch ergaben sich trotz eines regen Besucherverkehrs nicht die für die Arbeit gewünschten Synergieeffekte.
Des Weiteren sei noch auf einen konzeptionellen Aspekt dieser Arbeit hingewiesen. Aufgrund der bereits im Vorfeld getätigten Feststellung, dass es sich bei dieser Arbeit um eine erste empirische Annäherung handelt, die Fragen aufwirft, ohne sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt abschließend beantworten zu können, wurde im Zuge der Anfertigung großer Wert auf die zukünftige Verwendbarkeit der benutzten Quellen für weitere Forschung gelegt. Deshalb findet sich im Anhang eine Archiv-CD mit nahezu allen im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Quellen. Für all diejenigen, denen diese Archiv-CD nicht vorliegen sollte, sei auf das umfangreiche Literaturverzeichnis verwiesen, welches in aller Regel die Internetquelle aufweist. Außerdem findet sich ein Linkverzeichnis mit besonders relevanten Websites zum Thema. Hinsichtlich der weiteren Verwendung der auf CD archivierten Quellen wird davon ausgegangen, dass das Urheberecht des Autors gewahrt und die Nutzung nicht-kommerziellen Zwecken vorbehalten bleibt.
Trotz der im vorangegangen genannten umfassenden Recherchemöglichkeiten des Internets, muss verdeutlicht werden, dass die auf diesem Wege erhaltenen Informationen unter Umständen eine einseitige Tendenz aufweisen. So liegt dieser Arbeit kein einziger Artikel aus afghanischen Medien zu Grunde, die keine Website besitzen bzw. nicht in englischer Sprache publizieren. Aus diesem Grund ist eine weitergehende empirische Beschäftigung mit der Thematik aus afghanischer Sicht wünschenswert und notwendig, um das Thema ausreichend zu behandeln. Erst im Zuge einer weiteren Beschäftigung mit der Thematik unter Einbezug dieser Quellen können weitergehende Schlüsse gezogen werden.
1 Einleitung
Im Vorwort wurde bereits auf die Aktualität des Themas dieser Arbeit und die Bedeutung der so genannten „Private Military Companies“ (PMCs) eingegangen.
Die Diskussion über diesen boomenden Wirtschaftszweig gewann im Verlauf der 90er Jahre an Bedeutung und fokussierte zunächst die Tätigkeiten von Pionieren der Branche wie „Executive Outcomes“ und „Sandline“ in Afrika sowie „Dyncorp“ und MPRI auf dem Balkan. Die Mehrzahl der akademischen Aufsätze zum Thema wie auch die der Branche entgegengebrachten Ressentiments entspringen aus den Berichten über die Aktivitäten dieser Firmen im erwähnten Zeitraum.
In der Öffentlichkeit nimmt man die Tätigkeiten der so genannten PMCs erst seit kurzem bewusst war. Der Umfang des Engagements in räumlicher wie personeller Hinsicht wird zunehmend deutlich, denn im Zusammenhang mit den Konflikten in Afghanistan und besonders dem Irak erreichen uns nahezu täglich Nachrichten von getöteten zivilen Mitarbeitern des Militärs.
Die vorliegende Arbeit hat sich vor diesem Hintergrund zum Ziel gesetzt, die Aktivitäten privater Militärdienstleister in Afghanistan zu beleuchten und im der Rahmen der vorgenannten Möglichkeiten zu analysieren und zu bewerten.
Zu Beginn dieser Arbeit werden Grundüberlegungen und Theorieansätze der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion dargestellt, die zum besseren Verständnis beitragen werden. Dabei wird die Bedeutung der Aufgabe unterstrichen, die gegenwärtige akademische Forschung an die - nach dem 11. September für die Branche der privaten Militärdienstleister - veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. In diesem Zusammenhang wird das von P.W. Singer entwickelte und zum Standard gewordene „Tip of Spear Modell“ (Abbildung 1) vorgestellt, wobei diesem jedoch vor dem Hintergrund der Gegebenheiten im ausgewählten Untersuchungsraum Afghanistan wichtige Ergänzungen beigefügt werden (Abbildung 2). Es wird außerdem auf die Problematik der Verwendung des Oberbegriffs „Private Military Companies“ für die gesamte Branche eingegangen.
Daran anschließend findet sich in Kapitel 2 eine kurze Darstellung der aktuellen Lage in Afghanistan. Dabei werden neben der Geschichte des Landes besonders die Auswirkungen des Drogenanbaus auf die Sicherheitslage angesprochen. Die Bekämpfung des Drogenanbaus wird sich in diesem Zusammenhang als eine der wichtigsten Herausforderungen für eine friedliche Zukunft Afghanistans herausstellen.
Im dritten Teil wird dann der eigentliche Kern der Aufgabenstellung behandelt. Hier werden alle im Verlauf der Recherche bekannt gewordenen Aktivitäten von privaten Militär- und Sicherheitsdienstleistern in Afghanistan dargestellt. Anschließend an die Darstellung des korporativen Sektors wird im vierten Kapitel ein Blick auf die Einbindung zivilen Kontraktpersonals in CIA Operationen in Afghanistan geworfen. Zu guter Letzt beschäftigt sich das Kapitel 5 mit den zwielichtigen Tätigkeiten der so genannten „Bounty Hunter“[3] in Afghanistan, womit dieses Kapitel die Darstellung des privatwirtschaftlichen Engagements im Rahmen von Militär- und Sicherheitsoperationen in Afghanistan beschließt.
Das sechste Kapitel fasst die im Verlauf der Arbeit dargestellten Ergebnisse der Untersuchung zusammen und versucht soweit möglich eine Bewertung des bisherigen Engagements von privaten Militär- und Sicherheitsdienstleistern in Afghanistan vorzunehmen. Als einschränkende Faktoren werden sich dabei die schwierige Nachrichtenlage und die chronologische Nähe zu den Entwicklungen im Untersuchungsfeld herausstellen, vor deren Hintergrund Schlussfolgerungen zurzeit nur vorläufig sein können.
1.1 Historischer Hintergrund
Das gegenwärtige Militärwesen mit seinen großen stehenden Heeren reflektiert in nahezu allen Staaten der Welt eine Entwicklung, die vor gut zwei Jahrhunderten ihren Anfang nahm und während des Kalten Krieges ihren Höhepunkt erreichte. Diese Struktur stehender nationaler Heere zur Landesverteidigung und Kriegsführung wird heutzutage von der Öffentlichkeit als selbstverständlich angesehen. Dies war jedoch bis zur Entstehung der ersten Nationalstaaten in Europa kaum der Fall. So ist die heute durch das Konzept des staatlichen Machtmonopols geprägte Auffassung, militärische Tätigkeit sei eine streng öffentliche Aufgabe, im Vergleich zum Gesamtzeitraum der Militärhistorie eine sehr junge Überzeugung.
1.2 Die Privatisierung des staatlichen Machtmonopols
Die in den letzen Jahrzehnten und besonders zu Beginn der 90er Jahre erfolgte Welle der Privatisierung von Staatsbetrieben unterstreicht den Trend der zunehmenden Verschlankung der Staatsapparate. Um ihre Ökonomien für die Zukunft abzusichern, wurde das Stichwort Globalisierung zusammen mit den Begriffen Wettbewerbsfähigkeit und Kostenreduzierung zum Leitmotiv fast aller Regierungen. In Deutschland gelten Unternehmen wie Deutsche Telekom, Deutsche Post und Deutsche Bahn als Symbole für diese Entwicklung.
Im Anschluss an die fast vollkommen abgeschlossene Privatisierung ehemals staatlicher Industrie- und Dienstleistungsbetriebe lässt sich seit den frühen 90er-Jahren und besonders seit der Jahrtausendwende ein neuer Privatisierungstrend auch im Militärsektor feststellen.
Vergleicht man die Entwicklungen im Wirtschafts- und Verteidigungssektor kann man feststellen, dass die militärische Globalisierung der ökonomischen Globalisierung in einem zeitlichen Abstand von ca. drei Jahrzehnten folgt, auf ähnliche Herausforderungen reagieren muss und sich als Resultat ähnliche Lösungsmuster entwickeln. So kommt es in diesem eigentlich als unantastbar geltenden Sektor hoheitlicher Aufgaben zu bedeutenden Veränderungen. Singer schreibt zum historischen Verständnis der Landesverteidigung:
„[…] the service side of war was understood to be the sole domain of government. In fact, providing for national, and hence their citizens’, security was one of the most essential tasks of a government. Indeed it defined what a government was supposed to be.”[4]
Und weiter Bezug nehmend auf die Tätigkeit der Soldaten zitiert er Bruce Grant:
„Their craft sets them apart from other professionals in that the application of military power is not comparable to a commercial service. Military professionals deal in life and death matters, and the application of their craft has potential implications for the rise and fall of governments.”[5]
Die Auflösung des staatlichen Machtmonopols im Bereich des Militärischen hat sich in den letzten Jahren besonders in den USA durch die neokonservativ geprägte Außen- und Verteidigungspolitik unter Präsident George Bush und den so genannten Falken im Pentagon beschleunigt. So hat nicht zuletzt die von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld vorangetriebene Transformation des Militärs zu einer weit reichenden Auslagerung von militärischen Dienstleistungen an so genannte Private Military Companies geführt.
1.3 Was sind „Private Military Companies“ oder „PMCs“?
Die unter dem Oberbegriff „Private Military Companies“ zusammengefassten Unternehmen sind Firmen, die sich darauf spezialisiert haben, militärische Dienstleistungen in einem Bereich anzubieten, der ehemals alleinige Domäne des Staates war.
„They are business organizations, that trade in professional services intricately linked to warfare. They are corporate bodies that specialize in the provision of military skills, including combat support, training, and technical skills.”[6]
Die Tätigkeiten der PMCs werden in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Im Jahr 1997 äußerte sich der UN-Beauftragte für Söldneraktivitäten bezüglich der steigenden Zahl von Privaten Firmen im Militärsektor folgendermaßen:
"In what appears to be a new international trend, legally registered companies are providing security, advisory and military training to the armed forces and police of legitimate Governments. There have been complaints that some of these companies recruit mercenaries and go beyond advisory and instruction work to become involved in military combat and taking over political, economic and financial matters in the country served"[7]
In diesem Zitat wird deutlich, inwiefern die Tätigkeiten der PMCs aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit der aus der Kriegsgeschichte bekannten Figur des Söldners verglichen werden. Zu diesem Eindruck trugen nicht zuletzt maßgeblich einige Pioniere der Branche bei, die durch kritisch zu bewertende Einsätze vor allem in Afrika das Bild der PMCs negativ beeinflussten. Dies ist ein Grund mehr, weshalb viele der Unternehmen ihre Tätigkeiten in der Vergangenheit lieber diskret anboten und ausführten. Diese Geschäftspraxis hat sich jedoch in den letzten Jahren für die meisten der Unternehmen geändert. Vor dem Hintergrund der Umstrukturierungen des US-Militärs und der zunehmenden Einbindung privater Unternehmen hat sich die Wahrnehmung der Branche in der Öffentlichkeit verbessert. Vorbei sind die Pionierzeiten, als ein Großteil der Unternehmen noch auf teils unseriöse Aufträge von korrupten Machthabern und Regimen angewiesen war. Gegenwärtige Aufträge erstrecken sich über ein breites Feld an Einsatzmöglichkeiten und versprechen weitaus größere Umsätze als noch vor einigen Jahren.
So hat der Boom der Branche in den letzen Jahren dazu geführt, dass namhafte Unternehmen aus der traditionellen Bau- bzw. Logistikbranche, besonders aber aus dem Rüstungs- und Informationssektor, auf die kleinen Dienstleister aufmerksam geworden sind. So verfügt heute ein großer Teil der amerikanischen Rüstungsbranche mit bedeutenden Firmen wie Boeing oder Northrop Grumman über Tochterunternehmen im Bereich der militärischen Dienstleister. Vorbei sind seitdem die Zeiten, als kleine Unternehmen mit dubiosen Geschäftspraktiken das Image der PMCs als skrupellose Söldner begründeten. Transparenz, Shareholder-Value und Seriosität stehen heute ganz oben auf der Agenda der zum Teil börsennotierten Unternehmen, die mit bedeutenden Akquisitionen in den vergangenen Jahren in der Wachstumsbranche Fuß fassten. Einige Schritte der Entwicklung seien hier am Beispiel bedeutender Akquisitionen gekennzeichnet:
2000 - MPRI wird von L3-Communications (Umsatz ca. 5 Mrd. US$, 2003) einem ursprünglich nur im Telekommunikationssektor tätigen Unternehmens übernommen.[8]
2002 – Der Rüstungsgigant Northrop Grumman (Umsatz ca. 30Mrd. US$, 2004) erwirbt die Anteile an Vinnell Corp.[9]
2003 – Dyncorp wird vom US-amerikanischen IT-Spezialisten CSC (Umsatz ca.15 Mrd. US$, 2004) für eine Kaufsumme von 950 Mio. US$ übernommen und in das Unternehmen integriert.[10]
Die Umsätze der Unternehmen liegen im Bereich der Bruttosozialprodukte kleiner Staaten wie Bolivien (21,1 Mrd. US$/2003)[11] oder Honduras (17,55 Mrd. US$/2003 est.)[12]. So verfügen die drei Größten der Branche über eine gemeinsame Marktkapitalisierung von ca. 60 Mrd. US$ (Apr. 2005) einem jährlichen Gesamtumsatz von 58 Mrd. US$ (2003) und einem Gewinn von 3,3 Mrd. US$ (2003)[13]. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass je nach Unternehmen mal ein größerer mal ein geringerer Teil des Umsatzes aus den PMC-Tochterfirmen stammt.
Der Gesamtmarkt militärischer Dienstleistungen wächst explosionsartig. Belief er sich im Jahr 1990 noch auf 55,6 Mrd. US$ und 2003 auf ca. 100 Mrd. US$[14] so wird er von Greg Mills für das Jahr 2010 bereits auf mehr als 200 Mrd. US$ geschätzt.[15] Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung mit umfassenden Aktivitäten in Irak und Afghanistan ist jedoch davon auszugehen, dass diese Umsatzzahlen sehr bald, vielleicht schon in den nächsten 3 Jahren, erreicht sein werden. Dies zeigt deutlich, wie sich das Umfeld seit dem 11. September 2001 für die Privaten Militärunternehmen geändert hat.
1.4 Kategorisierung von PMCs
Um die Vielzahl an Anbietern und ihre Spezialisierungen zu überblicken, erfolgte von verschiedenen Seiten eine Einteilung der PMCs in unterschiedliche Kategorien. Das breite Feld an möglichen Tätigkeiten für PMCs hat zu einer weiten Ausdifferenzierung und Spezialisierung der einzelnen Firmen auf die unterschiedlichen Segmente des Marktes für militärische Dienstleistungen geführt. Wenn man sich die Tätigkeiten eines traditionellen Militärapparates genauer ansieht, so lässt sich eine bedeutende Zahl von Kernbereichen unterscheiden, die maßgeblich für den Erfolg einer Militäraktion sind. Beim Versuch, die PMCs zu kategorisieren, ist es hilfreich, sich an der von Carl von Clausewitz entwickelten Begrifflichkeit zentraler militärischer Aufgaben zu orientieren, wie sie in seinem Klassiker „Vom Kriege“ aus dem Jahre 1832 definiert sind.
1.4.1 Military „Core-Tasks“ nach Carl von Clausewitz
Clausewitz unterscheidet im zweiten Buch „Über die Theorie des Krieges“ zwischen der von ihm als „Kriegskunst“ bezeichneten Fähigkeit, ein Heer zusammenzustellen und zu bewaffnen und der von ihm als Kriegführung bezeichneten Tätigkeit „sich der gegebenen Mittel im Kampf zu bedienen“.[16] Hierbei macht er deutlich, „Daß Bewaffnung und Ausrüstung nicht wesentlich zum Begriff des Kampfes gehören, [...], denn bloßes Ringen ist auch Kämpfen.“ Nichts desto weniger wird im Kontext dieser Arbeit und hinsichtlich einer Definition von militärischen Kernaufgaben ein Blick auf den von Clausewitz als Kriegskunst definierten Bereich geworfen werden.
Zunächst definiert von Clausewitz „Tätigkeiten“, die dem eigentlichen Kampf vor- bzw. nachgelagert, aber nichtsdestoweniger von Bedeutung sind:
„Nun gibt es aber im Kriege eine Menge von Tätigkeiten, die ihm [dem Kampf, Anmerkung des Autors] dienen, aber von ihm doch verschieden, ihm bald näher verwandt, bald fremdartiger sind. Diese Tätigkeiten alle beziehen sich auf die Erhaltung der Streitkräfte.“[17]
Tätigkeiten, die er in diesem Zusammenhang aufführt, sind u.a. die Rekrutierung und Ausbildung der Streitkräfte sowie deren Erhaltung. Des weiteren „Märsche, Läger und Quartiere“[18].
Bei der Übertragung der Einteilung Clausewitz’ auf die heutige Situation des Militärs und unter besonderer Berücksichtigung der möglichen Privatisierung militärischer Dienstleistungen kann man also unterschiedliche Elementaraufgaben des Militärs erfassen. Zum Bereich der „Kriegskunst“ zählen nach Clausewitz, dem aktuellen Sprachgebrauch angepasst, Aufgaben wie:
- Transport bzw. Logistik (Zit. „Märsche“)
- Infrastruktur und Militärbasen (Zit. „Läger und Quartiere“)
- Personalrekrutierung (Zit. „Aushebung“)
- Ausbildung und Bewaffnung (Zit. „Bewaffnung, Ausrüstung und Übung“)
Zum Bereich des von Clausewitz definierten Begriffes der „Kriegführung“ wären folgende Aufgaben zu zählen:
- Taktische Kommando- und Exekutivfunktion (Zit. „Gefechte [...] anzuordnen und zu führen“)
- Strategische Kommando- und Exekutivfunktion (Zit. „sie [die Gefechte, Anm. d. Autors] unter sich zum Zweck des Krieges zu verbinden“)
Diese Aufzählung und Unterteilung zeigt, dass Clausewitz militärische Aufgaben „welche nur der Erhaltung angehören, [...] Ernährung, Krankenpflege, Waffen- und Ausrüstungsersatz“ nicht in die vorgenannten Kategorien einordnet. Sie gehören seiner Einsicht nach nicht in den Zusammenhang des „Kampfes“. Er schränkt jedoch ein:
„Wir müssen uns hier aber vor einem Mißverständnis bewahren. Im einzelnen Fall können faktisch diese Gegenstände von entscheidender Wichtigkeit sein. Die Entfernung der Hospitäler und Munitionsvorräte kann sehr füglich als der einzige Grund für sehr wichtige strategische Entscheidungen gedacht werden; das wollten wir weder in Abrede noch in den Schatten stellen.”[19]
Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Abgrenzung werden deshalb im Kontext dieser Arbeit vorrangig Unternehmen der privaten Militärbranche untersucht werden, deren Dienstleistungsangebot unter die von Clausewitz als Kriegskunst bzw. Kriegführung bezeichneten Bereiche fällt. Ergänzend zu Clausewitz soll wegen der heutzutage essenziellen Bedeutung des Informations- und Kommunikationssektors dieser Bereich hinzugenommen werden.
1.4.2 Kategorisierungsmodelle
Unter Verwendung dieser Eingrenzung des Untersuchungsfeldes wird im Folgenden die Klassifizierung von PMCs vorgestellt.
In einer Reihe von unterschiedlichen Modellen[20] hat sich gegenwärtig das so genannte „Tip of Spear“[21] Modell von Peter Singer etabliert (siehe Abbildung 1), welches in leicht abgewandelter Form (siehe Abbildung 2) auch Grundlage der in dieser Arbeit vorgenommenen Kategorisierung ist.
Abbildung 1 : „Tip of Spear“ Modell nach Singer
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In Singers Modell werden Private Militärfirmen nicht wie in anderen Modellen bezüglich ihrer Tätigkeit kategorisiert, sondern anhand der räumlichen Distanz zwischen dem Ort ihrer Tätigkeit und dem Kampfgeschehen. Firmen die sehr nahe dem Kampfgeschehen operieren, werden von denen unterschieden die ihre Tätigkeit hinter den Frontlinien oder sogar im friedlichen Heimatland ausüben. Im Folgenden ein kurzer Überblick über die Kategorien:
Military Provider Firms:
Diese Firmen übernehmen taktische militärische Kommando- und Exekutivfunktionen und befinden sich an der Spitze des Konflikt- und Kampfgeschehens. Sie sind entweder als eigene kleine Einheit oder als einzelne Spezialisten in bestimmten Funktionen (Kampfpiloten, Spione oder Saboteure) in das Kriegszenario eingebunden. Unter Umständen agieren sie auch als Befehlshaber für reguläre Truppenverbände. Sie stellen den Prototypen der Private Military Companies (PMCs) dar und haben in der Vergangenheit maßgeblich zum schlechten Image der Branche beigetragen.
Security Provider Firms oder Private Security Details (PSD):
Die in diesem Segment zu fassenden Unternehmen übernehmen Polizei- und Wachaufgaben sowohl im Bereich militärischer als auch ziviler Einrichtungen. Sie überwachen und beschützen außerdem militärischen und humanitären Zwecken dienende Konvois. Des Weiteren werden sie für den Personenschutz von Unternehmenspersonal, Politikern oder Personal von NGOs engagiert. Diese Kategorie ist nicht Teil des ursprünglichen Singerschen Modells, sondern wurde hier aus noch zu erklärenden Motiven hinzugefügt und ist in Abbildung 2 zu finden.
Military Consultant Firms
Dieser Teilbereich der Branche offeriert seinen Klienten Beratungs- und Trainingsdienstleistungen, die für die Durchführung von militärischen Einsätzen oder die Sicherung von Infrastruktur und Staatsterritorium relevant sind. Hierbei konzentrieren sich die Anbieter vor allem auf die Ausbildung von Polizei- und Sicherheitspersonal bzw. den Aufbau effizienterer Sicherheitsstrukturen. Sie bieten also operative Unterstützung, ohne selbst aktiv in einen Konflikt einzugreifen. In Einzelfällen können sie in beratender Funktion auch auf Strategieebene Einfluss ausüben.
Military Support Firms
Die unterste Ebene der PMCs repräsentiert den größten Teil der Unternehmen der Branche. Gleichzeitig stellt diese Ebene die weitaus differenzierteste der drei dar. Die Möglichkeiten der Privatisierung in diesem Segment sind enorm, was bedeutet, dass auch die Umsätze bedeutend größer ausfallen als in den drei anderen Geschäftsfeldern. Sie agieren zum Teil weit hinter den feindlichen Linien oder üben ihre Tätigkeiten sogar im sicheren Heimatland aus.[22]
Für das Singersche Modell spricht im Vergleich zu anderen Modellen vor allem die realistischere Sichtweise. Beschränkten sich andere Modelle auf Kriterien wie „aktiven/passiven“[23] oder „lethal/non-lethal“[24] Charakter der Tätigkeiten von privaten Militärdienstleistern, so bietet das Singersche Modell einen weitaus wirklichkeitsgerechteren Ansatz. Bei der näheren Beschäftigung und Anwendung des Schemas auf unterschiedliche Unternehmen stellte sich jedoch heraus, dass die von Singer entwickelte Dreiteilung nicht in allen Fällen eine zufrieden stellende Kategorisierung ermöglichte. Vielmehr fehlte des Öfteren eine vierte Unternehmenskategorie, die zwischen den „Consultants“ und den „Providern“ angeordnet ist. Dieses Aufgabenfeld grenzt räumlich an das der „Military Provider“. Die Unternehmen agieren oftmals kurz hinter den Frontlinien und schützen dort sowohl militärische Nachschubkonvois oder Basislager als auch Gebäude und Personal von Privatfirmen oder NGOs. Ihre Konfrontation mit dem Gegner ist auf die Defensive beschränkt, wohingegen die „Provider“ offensiv gegen den Gegner vorgehen.
Abbildung 2 stellt die in der beschriebenen Weise angepasste Grafik des Singerschen „Tip of Spear“-Modells dar. Neben der Kategorisierung kann diesem Schema außerdem der Differenzierungsgrad der einzelnen Bereiche entnommen werden. Das Tätigkeitsfeld der „Provider“ stellt dabei einen Nischenmarkt dar und wird nur von wenigen spezialisierten Unternehmen besetzt. Mit wachsender Entfernung zum Kampfgeschehen vergrößert sich die Zahl der möglichen Betätigungsfelder und damit einhergehend die Anbieterzahl. Da die Unternehmen in sich sehr differenziert sind, ist eine Kategorisierung von Fall zu Fall erforderlich. Unter Umständen kann ein und dasselbe Unternehmen in unterschiedlichen Konflikten unterschiedliche Tätigkeitsfelder ausfüllen. So unterscheiden sich die Aktivitäten Dyncorps in Kolumbien deutlich von denen des Unternehmens im Irak oder Afghanistan.
Abbildung 2 : Erweitertes „Tip of Spear“ Modell
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Rahmen der empirischen Untersuchung für Afghanistan ergaben sich weitere Details, die eine einwandfreie Kategorisierung nach Singer erschwerten. Ein Grund dafür ist eine fortgeschrittene Verschachtelung der Unternehmen, da ein Großteil der im Sicherheitsbereich tätigen Firmen nicht direkt durch hoheitliche Stellen wie z.B. das Department of Defense (DOD) oder Department of State (DOS) beauftragt werden, sondern oft nur indirekt als Subunternehmen von Kontraktfirmen hoheitlicher Organe tätig sind. Diese Unternehmen fallen streng genommen aus dem ursprünglichen Modell heraus, da sie nicht im direkten Zusammenhang mit der militärischen Tätigkeit in Afghanistan stehen. Nichts desto weniger erbringen Sicherheitsdienstleister, die so genannten „Private Security Details“ (PSD), im Auftrage nicht-staatlicher Organe eine Dienstleistung im hoheitlichen Sektor in Bereichen, wo dieser seiner Verantwortung nicht nachkommen kann. Aus diesem Grunde sind auch diese Firmen im Kontext dieser Arbeit berücksichtigt.
Gerade im Zusammenhang mit der Berücksichtigung dieser Unternehmen im „Tip of Spear“ Modell ergaben sich aber einige Schwierigkeiten. Folgte man dem geographischen Ansatz Singers, so fänden sich die PSDs auf nahezu gleicher Ebene wie die „Military Provider Firms“. Gerade im Irak, wo der Konflikt durch Insurgenten in die Städte hineingetragen wird, kann kaum von einer geographischen Trennung zwischen „Military Provider Firms“ und PSDs gesprochen werden.
Ein möglicher Ausweg aus diesem Dilemma kann im Zweifelsfall eine Ergänzung des Schemas um das Kriterium „intendierte Tätigkeiten des Unternehmens“ sein. Als Anhaltspunkt dafür möge z.B. der Grad der Bewaffnung von Mitarbeitern dienen. Während „Military Provider Firms“ zur offensiven Konfrontation mit dem Feind über ein bedeutend umfangreicheres und schlagkräftigeres Arsenal an Waffen verfügen müssen, reduziert sich die Bewaffnung der defensiv ausgerichteten PSDs auf Handfeuerwaffen, Sturmgewehre und u.U. leichte Maschinengewehre. Mithilfe dieses Ansatzes bliebe auch im Falle einer ungewollten Implikation einer PSD in Kampfhandlungen die eindeutige Differenzierung möglich.
Bei der Ergänzung des „Tip of Spear“-Modells um diese Komponente und der Anwendung auf die in Afghanistan tätigen Unternehmen stellt man überrascht fest, dass in Afghanistan keine „Private Military Company“ aktiv ist. Gleichwohl findet sich eine Anzahl von Firmen, die in dem Bereich der PSD zuzuordnen sind. Diese Unternehmen sind einerseits von hoheitlichen Stellen wie DOD, DOS und USAID engagiert, befinden sich aber durchaus auch in Diensten von NGOs oder privaten Unternehmen.
Nichts desto weniger könnte man die Branche noch weitaus feiner differenzieren, als dies das Modell Singers und das von mir weiterentwickelte Modell tun. Der Nutzen einer weiteren Ausdifferenzierung wäre jedoch zweifelhaft, da sie mehr verwirren als nützen würde und man sich ohnehin sehr detailliert und umfassend mit jedem einzelnen Unternehmen beschäftigen muss, um dessen Tätigkeitsbereich abzugrenzen. Aus diesem Grund konzentriert sich das empirische Kapitel 3 vor allem darauf, die Aktivitäten der Unternehmen darzustellen und behandelt weniger das Für und Wider der Einteilung in die eine oder andere Kategorie nach dem einen oder anderen Modell.
2 Der Konfliktraum Afghanistan
2.1 Jüngere Geschichte Afghanistans
An dieser Stelle soll nur kurz auf die bewegte Geschichte Afghanistans eingegangen werden. Deshalb werden vor allem historische Ereignisse und Entwicklungen dargestellt werden, die für die gegenwärtige Situation des Landes ausschlaggebend waren und im Zusammenhang mit der Themenstellung dieser Arbeit von Relevanz sind.
Abbildung 3 : Ethnische Bevölkerungsgruppen in Afghanistan
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Um die heutige politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage des Landes und seiner Bevölkerung verstehen zu können, muss man sich vor Augen führen, dass Afghanistan nach einer langen Phase kriegerischer Auseinandersetzungen nun wieder einmal vor der Herausforderung steht, eine friedlichere Zukunft zu gestalten. Dabei fällt auf,
a) „dass Afghanistan immer wieder weltpolitisch Geschichte schrieb. Im 19. Jahrhundert bildete das «Great Game» zwischen England und Russland den Höhepunkt des Zeitalters des Imperialismus. 1979 beendete die sowjetische Invasion in Afghanistan die Entspannungspolitik des Kalten Kriegs und leitete die sowjetische Besatzung den Zusammenbruch der Sowjetunion ein. Schließlich weisen die Spuren der vielfach betonten Zeitenwende des 11. Septembers nach Afghanistan. […] Häufig wurden Entscheidungen von enormer Tragweite für das Land in weit entfernten Machtzentren wie London, Moskau oder Washington getroffen.“[25]
Schetter macht weitere Faktoren aus, die die Entwicklung des Landes bis heute prägen:
1. der raue und lebensfeindliche Naturraum
2. ein extremes Stadt-Land Gefälle, welches Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Strukturen der beiden Lebensräume hat
3. Gesellschaftsstrukturen, die teilweise denen des abendländischen Mittelalters entsprechen und Patronage und Klientelismus als zentrale Elemente enthalten
4. die kulturelle Heterogenität des Landes hinsichtlich sprachlicher, ethnischer und religiöser Zugehörigkeiten.
Als Folge einiger dieser Faktoren bildete sich in Afghanistan eine „Instabilität auf hohem Niveau“[26]. Während der Westen die Herausforderungen an Afghanistan vor allem auf Begriffe wie Demokratisierung und Öffnung reduziert, drängen sich bei genauerer Betrachtung wesentlich grundlegendere Elemente als Herausforderung auf. Diese sind viel mehr existenzieller als ideeller Natur. Nach der Befreiung Afghanistans gilt es nun ein Land zu stabilisieren, aufzubauen und zu ernähren, welches eine chronisch unterentwickelte Wirtschaft, eine Analphabetenrate von über 60% und ein explosives Bevölkerungswachstum hat, um nur einige Beispiel zu nennen.[27]
Die wirtschaftliche Entwicklung stellt dabei den wichtigsten Baustein in der Wiederaufbaustrategie dar. Vor allem die schwierige Sicherheitslage in Afghanistan ist Resultat der Perspektivlosigkeit einer Wirtschaft, die sich auf der Schwelle von einer Kriegsökonomie zu einer Friedensökonomie befindet. Solange es keine ökonomischen Alternativen zum Drogenanbau gibt, wird sich auch die Sicherheitslage nicht ändern sondern weiter verschärfen.
Aus diesem Grunde darf die Herausforderung, der sich Afghanistan nach dem Sturz des Talibanregimes in Bezug auf Demokratisierung und Öffnung gestellt hat, nicht unterschätzt werden.
2.2 Die Lage – Wirtschaft, Drogenanbau, Sicherheit
Die Wirtschaft Afghanistans ist seit Jahrzehnten eng mit dem Anbau von Schlafmohn und dem daraus gewonnenen Opium verknüpft. Über viele Jahre beherrschte afghanisches Opium mit einem Anteil von bis zu 75-80% den Weltmarkt. In absoluten Zahlen bedeutete dies für ein Land, in dessen Wirtschaft 80% der Beschäftigten im Agrarsektor tätig sind, dass der Erlös von 2,3 Mrd. US$ aus dem Drogengeschäft für nahezu 60% (2003)[28] des Bruttoinlandsproduktes verantwortlich war. Aus diesem Grund ist eine Beschäftigung mit den anderen Wirtschaftssektoren weniger relevant für die im Kontext dieser Arbeit wichtigen Aspekte, die vornehmlich den Wirkungszusammenhang von Drogenanbau und Sicherheit fokussieren. So wird im Folgenden genauer auf die Abhängigkeit der afghanischen Wirtschaft vom Drogengeschäft eingegangen.
Vor allem nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Ende der finanziellen Unterstützung durch die Supermächte suchten die Warlords der Region nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten für ihre Truppen. Große Teile des Landes standen nicht unter der Kontrolle der Zentralregierung in Kabul. In diesem Machtvakuum etablierte sich bald eine blühende Kooperation zwischen dem Agrarsektor und den lokalen Machthabern. Es gelang ihnen durch alle Wirren der jüngeren Zeit weiterhin, dass 80% des Weltmarktes mit afghanischem Opium beliefert wurden. Bauern und Warlords machten gute Geschäfte. Die Warlords besteuerten den Schlafmohnanbau und die Bauern konnten das Opium zu einem guten Preis weiterverkaufen. Kein anderes Agrarprodukt verspricht den Bauern in einem unfruchtbaren Land wie Afghanistan einen derartig hohen Gewinn. Ähnlich wie sich Kolumbien aufgrund der immensen Ausmaße des Cocaanbaus zu einem „narco-state“[29] entwickelt hatte, konnte man auch Afghanistan im Zuge dieser Entwicklung als einen solchen Staat bezeichnen.
Zwar war es im Verlauf der Talibanherrschaft mit ihrem religiösen Fundamentalismus und der Implementierung eines islamisch-fundamentalistischen Rechtssystems mit drakonischen Strafen zu einer fast restlosen Beseitigung des Opiumanbaus gekommen - so sank die Produktion binnen in Jahresfrist von ursprünglich 3.276 Tonnen (2000) auf 185 Tonnen (2001) - doch dieser Zusammenbruch sollte nur von kurzer Dauer sein (siehe Abbildung 4).
Abbildung 4 : Ausbreitung des Schlafmohnanbaus in Afghanistan 2000-2004
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
[1] Vgl. Singer, P.W.: Corporate Warriors – The Rise of the Privatized Military Industry, Cornell Press 2003
[2] PRIVATEFORCES.COM - http://www.privateforces.com
[3] A bounty hunter is an individual who seeks out escaped fugitives in return for a monetary award. Most are employed by abail bondsman. In the United States, bounty hunters catch an estimated 30,000 bail jumpers per year. Bounty hunters are also commonly known as bail enforcement agents, which is the preferred industry term. http://en.wikipedia.org/wiki/Bounty_Hunter
[4] Singer, P.W.: 2003, S. 7-8
[5] Bruce Grant: “U.S. Military Expertise for Sale: Private Military Consultants as a Tool of Foreign Policy”, http://web.archive.org/web/20020819173425/http://www.ndu.edu/inss/books/essaysch4.html , 7.2.2005
[6] Singer, P.W. 2003: S. 8
[7] Isenberg, D: "Regulated Private Military Companies have a role", IASNA News, March 2002.
[8] Vgl. L3-Communications: Annual Report 2000 http://www.l-3com.com/investor_relations/annual_report/L3AR2000.pdf , 9.4.2005
[9] Vgl. Northrop Grumman: Annual Report 2002 http://media.corporate-ir.net/media_files/irol/11/112386/2002AR.pdf , 9.4.2005
[10] Vgl. CSC: Annual Report 2003: http://www.csc.com/investorrelations/uploads/CCAR03.pdf, 9.4.2005
[11] CIA Factbook: http://www.cia.gov/cia/publications/factbook/geos/bl.html#Econ, 2.4.2005
[12] CIA Factbook: http://www.cia.gov/cia/publications/factbook/geos/ho.html#Econ, 2.4.2005
[13] Vgl. Annual Reports 2003 von Northrop Grumman, Computer Science Corp., Halliburton sowie L3-Com.
[14] Isenberg, David: in Asia Times Online Aug 14th 2003, http://www.sandline.com/hotlinks/security_for_sale.html, 9.3.2005
[15] Mills, Greg / Stremlau, John (Hg.): The Privatisation of Security in Africa. Johannesburg 1999, S.1
[16] Vgl. Clausewitz, Carl von: Vom Kriege, Zweites Buch, Erstes Kapitel, S. 92 ff. München 2002
[17] Ibidem S. 93
[18] Ibidem S. 94
[19] Ibidem S. 97
[20] Vgl. Spicer, Tim, O’Brien, Doug Brooks in Traders: Journal for the Southern African Region, no. 3-2000: Hope for the ‘Hopeless Continent’: Mercenaries
[21] Modell nach P.W.Singer bezüglich der Kategorisierung von PMCs – Singer, 2003, S. 93
[22] Vgl. Kümmel, Gerhard: Modernes Söldnertum, in IFDT – Information für die Truppe, IV-2004, http://www.ifdt.de/0404/Artikel/kuemmel.htm, 10.4.2005
[23] Vgl. Spicer, Tim, O’Brien, Doug Brooks 2000
[24] Vgl. Minutes of Evidence of the House of Commons from Thursday 13 June 2002, Appendix 8, Chapter I, http://www.publications.parliament.uk/pa/cm200102/cmselect/cmfaff/922/2061321.htm
[25] Schetter, Conrad: Kleine Geschichte Afghanistans, München 2004, S. 13
[26] Vgl. Ibidem S. 14
[27] Vgl. CIA Factbook on Afghanistan: http://www.cia.gov/cia/publications/factbook/geos/af.html, 13.5.2005
[28] Vgl. Bandow, Doug: Solving Afghanistan’s Opium Problem, http://cato.org/cgi-bin/scripts/printtech.cgi/dailys/10-25-04.html , 17.1.2005
[29] “an area that has been taken over and is controlled and corrupted by drug cartels and where law enforcement is effectively nonexistent;”, http://www.wordreference.com/definition/narco-state, 17.4.2005
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