Viele Religionen kennen das Phänomen eines heiligen Buches, in dem göttlicher Wille, religiöse
Gesetze oder Erfahrungen der Menschen mit ihrer Gottheit festgehalten sind. Als klassische
Buchreligionen könnte man die drei großen monotheistischen Religionen bezeichnen.
Der Koran als heiliges Buch der Muslime und die Bibel (in ihrer jeweiligen Form) als Heilige
Schrift der Juden und Christen stehen für eine Grundannahme dieser Religionen: Gott offenbart
sich den Menschen durch Worte, die von bevollmächtigten bzw. inspirierten Personen
aufgeschrieben worden sind. Ein Beispiel hierfür ist der oben zitierte göttliche Auftrag, der an
Jeremia ergeht.
Die zentrale Bedeutung eines Buches in einer Religionsgemeinschaft findet sich erstmals im
Judentum. In Zeiten des babylonischen Exils diente die jüdische Bibel dem versklavten Volk
Israel als identitätsstiftende Stütze ihres Glaubens. Eine Funktion eines heiligen Buches ist es
demnach, die jeweilige Religion zu stabilisieren bzw. zu sichern. Doch bevor es diese Aufgabe
erfüllen kann, muß eine Kanonbildung vollzogen werden, d.h. die endgültige Gestalt muß
verbindlich festgelegt werden. Die Schwierigkeiten, die ein solcher Prozeß zeitigt, lassen sich
allein daraus ersehen, daß es nicht die eine verbindliche christliche Bibel gibt, da nämlich die
katholische Kirche die sog. deuterokanonischen Bücher (z.B. Jesus Sirach) in ihren Kanon
aufgenommen hat, während die Protestanten sie nicht anerkennen.
Die reformatorische Bewegung mit ihrem Leitspruch „sola scriptura“ weist auf eine weitere
Eigenart der Buchreligionen hin. Die Hinwendung zum verbindlichen Text des heiligen Buches
läßt zu jedem Zeitpunkt Rückgriffe auf die Ursprünge der Religion zu. Das Buch ist also
Quelle, gleichzeitig aber auch Maßstab einer Erneuerung. Auf der anderen Seite – auch dies
eine Eigenheit der Buchreligionen – läßt ein Text immer verschiedene Interpretationen zu, so
daß ein Buch nicht nur Basis einer gemeinsamen Identität, sondern aufgrund unterschiedlicher
Auslegung auch Ausgangspunkt von Spaltungen sein kann. Hier spielt sicherlich auch die
verschiedene Gewichtung von Schrift einerseits und Tradition andererseits eine Rolle.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung: Das Phänomen Buchreligion
- 2. Die technische Entwicklung des Buches in Material, Form und Beschriftung
- 2.1 Vom Papyrus über das Pergament zum Papier
- 2.2 Von der Rolle zum Codex
- 2.3 Von der Handschrift zum Druck
- 3. Entwicklung des Buches und Entwicklung des Christentums - eine Wechselwirkung?
- 3.1 Die Buchkultur der Klöster als Bindeglied zwischen Antike und Mittelalter
- 3.2 Die frühen Christen als treibende Kraft bei der Verbreitung der Codexform
- 3.3 Die Reformation im Zeichen des Massenmediums Buch
- 4. Ausblick - E-Book und www.vatican.va
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die enge Verbindung zwischen der historischen Entwicklung des Christentums und der technischen Entwicklung des Buches. Sie beleuchtet die Bedeutung des Buches als Medium der religiösen Kommunikation und beleuchtet die Wechselwirkung zwischen der Verbreitung von Schrift und der Weiterentwicklung des Christentums.
- Die Rolle des Buches in der Geschichte des Christentums
- Die technische Entwicklung des Buches von der Rolle zum Codex und zum Druck
- Die Bedeutung der Buchkultur der Klöster im Mittelalter
- Die Relevanz des Buches für die Reformation und die Verbreitung des Protestantismus
- Der Einfluss neuer Technologien wie dem E-Book und dem Internet auf die Verbreitung und Rezeption von religiösen Inhalten.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Phänomen der „Buchreligion“ dar und erläutert die Bedeutung des Buches in verschiedenen Religionen, insbesondere im Judentum und im Christentum. Die zentrale Rolle der Bibel als heilige Schrift für Juden und Christen wird hervorgehoben.
Kapitel 2 widmet sich der technischen Entwicklung des Buches, wobei die verschiedenen Materialien (Papyrus, Pergament, Papier), die Form (Rolle, Codex) und die Beschriftung (Handschrift, Druck) behandelt werden.
Kapitel 3 untersucht die Wechselwirkung zwischen der Entwicklung des Buches und der Entwicklung des Christentums. Der Einfluss der Klöster auf die Buchkultur im Mittelalter, die Rolle der frühen Christen bei der Verbreitung des Codex sowie die Bedeutung des Massenmediums Buch für die Reformation werden analysiert.
Schlüsselwörter
Buchreligion, Christentum, Bibel, technische Entwicklung des Buches, Codex, Papyrus, Pergament, Papier, Handschrift, Druck, Klöster, Mittelalter, Reformation, E-Book, Internet, www.vatican.va.
- Quote paper
- Martin Rödiger (Author), 1999, Von der handbeschriebenen Rolle zum gedruckten Buch - Zusammenhänge zwischen historischer Entwicklung des Christentums und technischer Entwicklung des Buches, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14351