In seinem 1984 veröffentlichten Aufsatz „Einige Elemente einer Soziologie der Übersetzung: Domestikation der Kammmuscheln und der Fischer in der St. Brieuc-Bucht“ erklärt Michael Collon an einem historischen Beispiel, was er unter der Methode der „Übersetzung“ versteht. Ziel dieser Methode ist die Beschreibung dessen, wie Interaktionen zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren (hier primär Muscheln) Form annehmen. 15 Jahre später publiziert Stefan Hirschauer seinen heute viel rezipierten Aufsatz „Die Praxis der Fremdheit und die Minimierung von Anwesenheit. Eine Fahrstuhlfahrt“. In seiner ethnografischen Fallstudie begibt sich Hirschauer selbst in diverse Fahrstühle, um zu erforschen, was alles getan werden muss, damit nichts Soziales geschieht. Die kurze Antwort auf Hirschhauers Frage lautet: statt mit den anderen Personen im Aufzug zu interagieren, interagieren die Insassen mit dem Fahrstuhl.
So verschieden die beiden Aufsätze auf den ersten Blick erscheinen mögen, handelt es sich doch bei beiden um den Versuch einer Beschreibung von Interaktionen zwischen menschlichen und nichtmenschlichen (Muscheln/ Fahrstühlen) Akteuren.
Diese Arbeit wird einen Versuch darstellen, Collons Methode der Übersetzung zu nutzen, um, analog zu Hirschauers Beobachtungen, darzustellen, wie Interaktionsordnung systematisch in Elemente materieller Kultur eingelassen ist. Dabei ist die Idee, dass Hirschauers Aufsatz selbst übersetzt wird.
Für eine solche Übersetzung sprechen zwei Gründe. Erstens spielt für Hirschauer der Fahrstuhl, als nicht-menschlicher Akteur, eine zentrale Rolle. Er ist nicht nur eine Art „Laboratorium“, sondern wird gleichermaßen als handelndes Subjekt begriffen. Zweitens rezipiert Hirschauer, als ein Vertreter der Praxeologie, auch in anderen Aufsätzen Kerngedanken der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT). So adaptiert er etwa den Aspekt der „Koaktivität von Artefakten“ als geronnenen Handlungen Abwesender, auch wenn aus seiner Sicht die ANT sich ganz auf die Rolle von technischen Artefakten konzentriert, dabei aber ein anderes kulturelles Objekt vernachlässigt: den Körper.
Diese „Vernachlässigung“ möchte ich umgehen, indem ich neben dem Fahrstuhl auch den die menschlichen Körper als eigenständige Akteure mit eigenen Interessen einführe.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Michael Collon - Einige Elemente einer Soziologie der Übersetzung
- Collons Akteursbegriff
- Die Problematisierung: Wie Akteure identifiziert werden
- Der Vorgang des Interessement: Wie die Alliierten in ihren Positionen fixiert werden
- Das Enrolement: Wie die Rollen zu definieren und zu koordinieren sind
- Die Mobilisierung von Verbündeten: Sind die Sprecher Repräsentativ?
- Die Drei Prinzipien der Methode der Übersetzung
- Allgemeiner Agnostizismus
- Generalisierte Symmetrie
- Freie Assoziation
- Eine Fahrstuhlfahrt mit Stefan Hirschauer
- Problematisierung: wie wir Fahrstuhl fahren
- Interessement: was wir im Fahrstuhl wollen
- Enrolement: was wir von Anderen im Fahrstuhl erwarten
- Mobilisierung und Verrat
- Abschließende Bemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Übersetzung von Stefan Hirschauers ethnografischer Fallstudie „Die Praxis der Fremdheit und die Minimierung von Anwesenheit. Eine Fahrstuhlfahrt“ in den Kontext von Michael Collons „Soziologie der Übersetzung“. Ziel ist es, zu demonstrieren, wie Interaktionsordnung durch die Interaktion zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren (hier: Fahrstühle und menschliche Körper) entsteht und wie diese Interaktion durch Collons Methode der Übersetzung analysiert werden kann.
- Die Anwendung der Methode der Übersetzung von Michael Collon auf die Interaktion zwischen Menschen und Fahrstühlen
- Die Rolle von nichtmenschlichen Akteuren (Fahrstühle) in der Gestaltung sozialer Interaktion
- Der Vergleich von Collons Akteursbegriff mit dem von Hirschauer
- Die Relevanz von Körperlichkeit in der Analyse von Interaktion
- Die Verbindung zwischen der Akteur-Netzwerk-Theorie und der Soziologie der Übersetzung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung, die die beiden zentralen Aufsätze von Collon und Hirschauer vorstellt und die Relevanz von Collons Übersetzungstechnik für die Analyse von Hirschauers Fahrstuhlbeobachtungen begründet.
Das zweite Kapitel widmet sich der detaillierten Analyse von Collons Methode der Übersetzung. Hier werden die einzelnen Elemente des Übersetzungsprozesses (Problematisierung, Interessement, Enrolement, Mobilisierung) sowie die drei Prinzipien der Methode (Agnostizismus, generalisierte Symmetrie, freie Assoziation) erläutert und am Beispiel der Kammmuschelfischer in der St.-Brieuc-Bucht veranschaulicht.
Kapitel drei widmet sich der Anwendung von Collons Methode auf die Interaktionen zwischen Fahrgästen und Fahrstühlen. Hier werden die einzelnen Phasen der Übersetzung, wie sie in Hirschauers Fahrstuhlfahrt auftreten, analysiert, um die spezifischen Interaktionsmuster zwischen Menschen und Fahrstühlen zu verstehen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt die Themen Interaktionsordnung, Akteur-Netzwerk-Theorie, Methode der Übersetzung, Soziologie der Übersetzung, Michael Collon, Stefan Hirschauer, Fahrstuhlfahrt, menschliche und nichtmenschliche Akteure, Körper, Technik, Ethnographie, Praxeologie, soziale Interaktion.
- Arbeit zitieren
- Vladislav Shenker (Autor:in), 2017, Regelhafte Interaktionen zwischen Personen, deren Körper und Fahrstühlen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1435844