Analyse eines selbstgewählten Prosatextes am Beispiel: Franz Kafka "Die Verwandlung"


Seminararbeit, 2003

18 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die handelnden Personen
2.1 Gregor
2.1.1 Die Stufen der Verwandlung – Widerspruch von Gefühlen und Gestalt
2.2 Der Vater
2.2.1 Krank und schwach vs. aggressiv und dominant
2.2.2 Nachsicht des Vaters
2.3 Die Mutter
2.4 Die Tochter

3. Themen
3.1 Der Vater-Sohn-Konflikt
3.2 Verwandlung als Motiv

4. Erzählstruktur, Erzählform
4.1 Erzähltechnik
4.2 Sprache

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Entstehung der ,,Verwandlung" wird vor allem durch die Erwähnung in den Briefen an Felice Bauer dokumentiert. Kafka begann mit der Arbeit an dem Text wohl in einer Nacht Mitte November 1912. In einem Brief an Felice Bauer vom 23.11.1912 heißt es über den Fortgang seiner Arbeit:,,Ich habe meine kleine Geschichte weggelegt, an der ich allerdings schon zwei Abende gar nichts mehr gearbeitet habe und die sich in der Stille zu einer größeren Geschichte auszuwachsen beginnt [...]. Sie heißt ,,Verwandlung"[...]“1. Doch nur eine Nacht später ist sie dann ,,schon ein Stück über ihre Hälfte fortgeschritten"2. Leider musste Kafka seine Arbeiten dann aufgrund einer Dienstreise, die ihn von Prag wegführte, ein bis zwei Tage ruhen lassen.

Kafkas literarisches Wirken war immer fort von seinem problematischen Verhältnis zu seinem Vater geprägt. Er litt unter der autoritären Erziehung, die ihn auch psychisch sehr belastete. Wie sehr Kafka unter seinem Vater gelitten haben muss, zeigt sich in seinem ,,Brief an den Vater“ von 1919. Der Brief umfasste 104 handgeschriebene Seiten und wurde von Kafka nie abgeschickt.

2. Die handelnden Personen

2.1 Gregor

Auf den ersten Blick erscheint dem Leser das Familienleben harmonischen und liebevoll. Doch nach und nach wird sichtbar, dass die Hauptperson Gregor immer wieder Erklärungen für die negativen Äußerungen der Familienmitglieder sucht und diese zu entschuldigen versucht. Indem er ab dem Zeitpunkt seiner Verwandlung diese „Harmonie“ durchschaut, stellt er sein gesamtes bisheriges Leben in Frage. Für ihn war es nicht ungewöhnlich, als Einziger für den Unterhalt der Familie zu sorgen, denn schließlich litt die Mutter an Asthma, der Vater war alt und die Schwester zu jung. Er denkt kurz vor seinem Tod noch einmal„[a]n seine Familie [...] mit Rührung und Liebe zurück.“3 Selbst jetzt ist Gregor nicht in der Lage, die Wirklichkeit kritisch zu reflektieren. Er rettet die Harmonie des Familienlebens in sein Käferdasein hinüber. Es wird jedoch deutlich, dass er das Gefühl hat, seine Arbeit für die Familie wird nicht in dem Maße gewürdigt, wie er es sich vielleicht erhofft hat:

eine besondere Wärme [...]“4 habe sich auf Dauer nie ergeben. Die Familie hat sich zwar an das Geld gewöhnt, welches Gregor verdiente, hielt es aber auch für selbstverständlich, dass er zum Beispiel die Schulden der Eltern abarbeitet.

Als Leser erfährt man nicht viel darüber, wie sich das Leben in der Familie in den Wochen vor der Verwandlung vollzog, jedoch lässt der Text Rückschlüsse darüber zu, dass es nicht gerade liebevoll zugegangen sein muss. Gregor ist nur wenige Tage zu Hause und zieht sich dann auch die meiste Zeit in sein Zimmer zurück. Er isoliert sich vom Rest der Familie. Diese Kälte, die zwischen den Familienmitgliedern herrscht, wird von der Mutter mit den Worten begründet, dass „der Junge [...] ja nichts im Kopf [habe] als das Geschäft“5. Der Leser aber weiß, dass Gregor seine Arbeit hasst. Am Morgen,als er in seinem verwandelten Körper erwacht und versucht, sich aufzurichten, fällt sein Blick auf Muster, welche er sich für diesen Tag bereit gelegt hatte und denkt:

Ach Gott, [...] was für einen anstrengenden Beruf habe ich gewählt! Tag aus, Tag ein auf der Reise. Die geschäftlichen Aufregungen sind viel größer, als im eigentlichen Geschäft zu Hause, und außerdem ist mir noch diese Plage des Reisens auferlegt, [...] schlechte[s] Essen, ein immer wechselnder

Verkehr. Der Teufel soll das alles holen!6

Er überlegt sogar zu kündigen, wenn er nicht die Schulden der Eltern abzuarbeiten hätte. Jedoch hat sich die Kündigung gewissermaßen von selbst vollzogen, da er nach seiner Verwandlung nicht mehr auf der Arbeit erscheinen kann.

2.1.1 Die Stufen der Verwandlung – Widerspruch von Gefühlen und Gestalt

Zu unterscheiden sind hier einmal die innere und die äußere Verwandlung. Zum Zeitpunkt, als der Prokurist der Firma auftritt, um sich zu erkundigen, warum Gregor nicht zur Arbeit erschien, nimmt dieser seine Verwandlung bisher nicht so recht wahr. Er erkennt zwar, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmt, versucht aber dennoch, seinen veränderten Körper zu beherrschen. Er glaubt, dass diese Veränderung mit dem stressigen und unbeliebten Beruf zusammenhänge. Er schiebt seine veränderte Stimmlage auf eine Erkältung und die Steifheit seines Körpers auf Verliegen im Bett. Er versucht, der Familie und dem Prokuristen seinen Zustand mitzuteilen und müsste an der Reaktion seiner Umwelt eigentlich feststellen, dass es sich keineswegs um eine Erkältung oder verspannte Körperhaltung handelt. Er versucht, den Prokuristen zu beruhigen, der infolge seines Anblickes das Haus verlassen will. Erst jetzt gibt es einen Hinweis darüber, dass Gregor sich auf dem Weg der Verwandlung vom menschlichen Wesen in einen Käfer befindet. Gregor lässt sich fallen, um dem fliehenden Prokuristen folgen zu können und„zum ersten Mal an diesem Morgen [fühlte er] ein körperliches Wohlbehagen; die Beinchen hatten festen Boden unter sich; sie gehorchten vollkommen, wie er zu seiner Freude merkte“7 . Das scheint der Moment zu sein, in dem sich Gregor in seinem (neuen) Körper akzeptiert. Zwar stellt dieses

„Wohlbehagen“ nicht den erhofften verbesserten Zustand seines Leidens dar, jedoch ist es der Beginn der Wandlung vom Menschen zum Käfer – im Handeln und im Denken.

Er wird handelnd zum Käfer, was deutlich daran zu erkennen ist, indem er an „vergammeltem Essen“8 Gefallen findet und nicht mehr die Milch anrührt, die er als Mensch so gern trank. Er hat das Vermögen, Sprache zu benutzen verloren, wird in seinem Zimmer eingesperrt, die Türen werden von außen verriegelt. Er ist verletzt und noch ungeübt in seinen Bewegungen. Sein Sehvermögen nimmt ab, er kriecht an Wänden und Decke herum und lässt sich von dieser herabfallen. Die Verantwortung für seine Arbeit kann er nicht mehr übernehmen. „Der erfolglose Handlungsreisende ist zum nutzlosen Käfer geworden.“9

Er ist aus der menschlichen (=der familiären) Gemeinschaft ausgeschlossen. Der Vater verletzt ihn schwer, was ihm die Sicherheit gibt, nicht mehr zur Familie zu gehören und nur noch geduldet zu werden. Er beginnt seine tierische Existenz zu akzeptieren. Als solches sehen ihn zunehmend auch die Familienmitglieder, denn die Schwester vernachlässigt die Versorgung Gregors hinsichtlich der Reinigung und der Verpflegung. Doch die Musik der Schwester, aus der er sich früher nichts machte, zieht ihn in seinen Bann und er fragt sich, ob er „ein Tier [war], da ihn die Musik so ergriff?“10 Es erschließt sich ihm – dem Käfer – eine neue Quelle von Nahrung, nämlich die der geistigen. Der Widerspruch von Gedanken, Empfindungen und seiner äußerlichen Gestalten machen Gregor zu schaffen. Trotz seiner tierischen Gestalt behält sich Gregor eine wichtige menschliche Eigenschaft – Einfühlungsvermögen und Rücksichtnahme. Der Käfer schämt sich seiner Gestalt und versteckt sich unter dem Sofa, während die Schwester das Zimmer reinigt, um ihr den Anblick zu ersparen. Er möchte der Familie „durch Geduld und größte Rücksichtnahme [...] die Unannehmlichkeiten erträglich“ machen, die er „in seinem gegenwärtigen Zustand nun einmal zu verursachen gezwungen war.“11 Die Verwendung der Worte „gegenwärtiger Zustand“ lässt darauf schließen, dass er sich trotz der Umstände immer noch nicht ganz in sein Schicksal ergeben hat.

[...]


1 Ries, Wiebrecht: Kafka zur Einführung - Junius Verlag, 1. Auflage, 1993, S. 58

2 vgl. Ries, S. 59

3 Kafka, Franz: Die Verwandlung. Text und Kommentar – Suhrkamp Basis Bibliothek 13. Originalausgabe, 1. Auflage, 1999, S. 68

4 vgl. Kafka, S. 37

5 vgl. Kafka, S. 17

6 vgl. Kafka, S. 10

7 vlg. Kafka, S. 26

8 Hellberg, Wolf Dieter: Lektüre Easy – Franz Kafka „Die Verwandlung“. Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2001, S. 28

9 ebd., S. 28

10 vgl. Kafka, S. 62

11 vgl. Kafka, S. 32

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Analyse eines selbstgewählten Prosatextes am Beispiel: Franz Kafka "Die Verwandlung"
Hochschule
Universität Rostock  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Literarische Interpretation, Grundkurs
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V14392
ISBN (eBook)
9783638198080
ISBN (Buch)
9783638758130
Dateigröße
479 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Analyse, Prosatextes, Beispiel, Franz, Kafka, Verwandlung, Literarische, Interpretation, Grundkurs
Arbeit zitieren
Katrin Niemann (Autor:in), 2003, Analyse eines selbstgewählten Prosatextes am Beispiel: Franz Kafka "Die Verwandlung", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14392

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