Die frühen Krisenjahre der Weimarer Republik und deren Zusammenhang mit dem Vertrag von Versailles


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

20 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Die Situation nach Unterzeichnung des Versailler Vertrages

3 Einstellungen zum Versailler Vertrag und Vorgehen der Vertreter der Weimarer Republik

4 Einstellungen zum Versailler Vertrag und Vorgehen der Gegner der Weimarer Republik

5 Der Kapp-Putsch als erste Bewährungsprobe der Weimarer Republik

6 Die Verfassungskrise zwischen Bayern und dem Reich

7 Die Ruhrbesetzung

8 Der Hitlerputsch

9 Fazit - Das wackelige Fundament der Weimarer Republik

10 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Ausgangspunkt für diese Arbeit über die Spannungen in den Anfangsjahren der Weimarer Republik soll die Unterzeichnung des Versailler Vertrags sein. Alle Krisen, welche die Weimarer Republik in ihren ersten Jahren durchlief, waren direkt oder indirekt mit diesem Vertrag verknüpft. Insbesondere die dort festgelegten Gebietsverluste, die Zuweisung der alleinigen Kriegsschuld und die damit verbundenen Reparationen riefen in dem von den Verhandlungen ausgeschlossenen Deutschland allseitige Empörung hervor und signalisierten, dass sich in diesem Vertrag nicht der mildernde Idealismus des amerikanischen Präsidenten Wilson durchgesetzt hatte, sondern vor allem die Machtpolitik und das ungeschwächte Hegemonialstreben Frankreichs und Englands. Ohne Aussicht auf erfolgversprechenenden Widerstand beschloss die Nationalversammlung trotz der allgegenwärtigen Ablehnung am 23. Juni 1919 die Annahme des Versailler Vertrags. Diese Demütigung prägte die deutsche Bevölkerung, welche die für sie unerwartete militärische Niederlage noch nicht verkraftet hatte. Sowohl rechte als auch linke Gegner des neuen politischen Systems nutzten die negativen Auswirkungen des Friedensvertrages auf das nationale Selbstbewusstsein sowie die wirtschaftliche und soziale Lage der deutschen Bevölkerung für sich und die eigenen Vorstellungen über die politische Zukunft Deutschlands aus. Während sozialistische Gruppen für Deutschland die Durchsetzung einer Rätedemokratie nach russischem Vorbild planten, strebten die rechtsoppositionellen Kräfte die Errichtung einer Militärdiktatur an, um die sogenannte Erfüllungspolitik der demokratischen Regierung zu beenden. Der Versailler Vertrag und seine direkten Folgen sind also die Vorzeichen, unter denen die Krisen bei der Etablierung der Weimarer Republik in dieser Arbeit untersucht werden. Bei dieser Untersuchung spielen neben den erwähnten Vorbedingungen aber auch weitere Faktoren eine wichtige Rolle, die eine regulierende und stabilisierende Funktion einnehmen sollten: die Verfassung und die Justiz. Ihre Aufgaben waren in diesem Zusammenhang die Verhinderung und Bekämpfung extremistischer Gefahren und somit die Wahrung und Sicherung der neuen Demokratie in Deutschland. Wie der Bestimmung und Ausführung dieser beiden Elemente in der Weimarer Republik entsprochen wurde, beispielsweise bei Kapp- und Hitlerputsch oder dem Verfassungskonflikt zwischen Bayern und dem Reich, wird hier ebenfalls thematisiert. Die Analyse dieser Aspekte soll einer Beurteilung des Fundaments dienen, das in den ersten Jahren der Weimarer Republik gebildet wurde und damit einen Ausblick auf seine potenzielle Tragfähigkeit ermöglichen.

2 Die Situation nach Unterzeichnung des Versailler Vertrages

Nachdem im Rahmen des Waffenstillstands von Compiegne am 11. November 1918 die Kampfhandlungen zwischen dem Deutschen Reich und den Mächten der Entente eingestellt worden waren, beendete der am 28. Juni 1919 unterzeichnete Vertrag von Versailles nun auch formell den Kriegszustand. Die Voraussetzungen für einen auf Gerechtigkeit beruhenden Frieden, wie es das Ziel des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson gewesen war1, bot dieser Vertrag allerdings nicht. Die Bestimmungen und Forderungen von Versailles lassen weniger den Frieden mit Deutschland als vielmehr die Priorität der Sicherheit vor ihm als Leitfaden erkennen, was sich mit einem Blick auf die von Deutschland geforderten Gebietsabtretungen, Souveränitätsbeschränkungen und Reparationen manifestiert. Demnach musste das Deutsche Reich zusätzlich zu allen Kolonien circa ein Siebtel seines Territoriums abtreten, was mit starken Einbußen bei der Versorgung mit Eisenerz, Steinkohle und landwirtschaftlichen Erzeugnissen verbunden war.2 Dazu kamen einschränkende Bestimmungen zu Rüstung, Heer und Lufthoheit, womit Deutschlands Souveränität empfindlich eingeschränkt wurde. Dies widersprach Wilsons Grundsatz des nationalen Selbstbestimmungsrechts3 und trug zusätzlich zum allgegenwärtigen Gefühl der unverhältnismäßigen Behandlung bei, da der Vertrag eigentlich ebenso die Abrüstung der anderen Staaten vorsah.4 Außerdem wurden Deutschland durch die gezwungenermaßen angenommene Kriegsschuld hohe Reparationsforderungen auferlegt, die ihm die Chance auf wirtschaftliche Erholung nahmen. Diese extremen Forderungen trafen die deutsche Bevölkerung unerwartet hart. Aufgrund der Verschleierung der Kriegssituation durch die Oberste Heeresleitung am Ende des Krieges wurde die militärische Niederlage nicht als solche empfunden, die Behandlung Deutschlands als Unterworfener wirkte daher umso empörender und willkürlicher. Das galt nicht nur für die deutsche Zivilbevölkerung sondern auch für die zurückkehrenden Soldaten. Sie mussten zusätzlich zum verlorenen Krieg die überall herrschende Not und ihre unsichere berufliche Zukunft verkraften, noch dazu - nach der Abdankung des Kaisers und der „Machtübergabe“ Prinz Max von Badens an Friedrich Ebert - in einem vollkommen neuen politischen System.

Während es das vorrangige Ziel auf deutscher Seite war, diese Soldaten wieder in die Gesellschaft einzugliedern, die Neuordnung zu organisieren und Deutschland auf lange Sicht wieder in das europäische Staatensystem einzugliedern, strebten die europäischen Siegermächte - allen voran Frankreich - eher nach der Revanche an Deutschland, dessen Niederhaltung und der eigenen Machtsicherung. Wichtige Gebiete, wie das kohlenreiche Saargebiet, beanspruchten die Franzosen trotz der deutschen Bevölkerungsmehrheit mit dem Argument für sich, die ungerechten Grenzziehungen, die Frankreich durch den Wiener Kongress 1814 und die Bestimmungen von 1871 angetan worden seien, müssten wieder gutgemacht werden.5 Die Kohlevorkommen im Saargebiet spielten dabei eine wichtige Rolle, denn einerseits war es für die wirtschaftliche Unabhängigkeit und die Deckung des eigenen Bedarfs relevant, zum anderen gehörte es aus französischer Sicht zum deutschen potentiel de guerre6, welches beseitigt werden sollte. Was territoriale Fragen anging, gab es schon im Jahr 1917 entsprechende Vorbereitungen für mögliche Gebietsgewinne: Frankreich und England kamen zu einem Abkommen mit Russland, in dem sie sich gegenseitig freie Hand bei der Festlegung der jeweiligen Grenzen im Osten und Westen des Deutschen Reiches zugestanden.7 Es existierte also ein Geheimabkommen, das die Saar beinhaltete, obwohl die europäischen Alliierten sich schon zuvor den Grundsätzen Präsident Wilsons angeschlossen hatten, die Geheimdiplomatie zu verbannen. Der amerikanische Präsident Wilson war in Europa während des Krieges noch sehr willkommen gewesen, seine Prinzipien und Visionen über die friedlichere Neugestaltung Europas waren den Massen sympathisch und die Berücksichtigung seiner Ideen sicherte der Entente militärische Hilfe. Nach Beendigung des Krieges sank die dringliche Erfordernis der Einheit. Wilsons Einfluss fiel im Laufe der Friedensverhandlungen, so dass die Geheimdiplomatie nicht der einzige Aspekt seines idealistischen 14-Punkte-Programms blieb, der missachtet wurde und im eigentlichen Friedensvertrag nicht mehr oder nur abgeschwächt auftauchte. Dazu zählte auch der Punkt der freien Seeschifffahrt, gegen den England einwirkte, und das von Wilson beabsichtigte nationale Selbstbestimmungerecht, demzufolge ein Volk das Recht haben sollte, unabhängig von ausländischen Einflüssen, über seinen politischen Status, seine Staats- und Regierungsform und seine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu entscheiden. Gegen diesen Punkt wurde unter anderem bei deutschen Gebietsabtretungen in Oberschlesien verstoßen. Hier kam es nach einer Volksabstimmung zur Aufteilung in einen deutschen und einen polnischen Teil, wobei Städte wie zum Beispiel Königshütte und Kattowitz, die mehrheitlich für Deutschland votiert hatten, Polen zugesprochen wurden.8

Die Situation nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrages stellte Deutschland also sowohl innenpolitisch, was die Rechtfertigung der Annahme und den Umgang mit den Vertragsbestimmungen anging, als auch außenpolitisch, in diesem ihm feindlich gesinnten Umfeld, vor schwerwiegende Probleme.

3 Einstellung zum Versailler Vertrag und Vorgehen der Vertreter der Weimarer Republik

Es war das Ziel der deutschen Politik gewesen, einen möglichst erträglichen Frieden zu erreichen. Die Friedenspolitik wurde nach der militärischen Niederlage auf die USA hin ausgerichtet, da die Ansätze Wilsons mit Forderungen nach nationalem Selbstbestimmungsrecht oder der Freiheit des Handels positive Signale für einen akzeptablen Friedensvertrag ausgaben. Zwei Verhaltensweisen dominierten die deutsche Einstellung zu den Friedensverhandlungen, die durch den damaligen Reichsaußenminister Brockdorff- Rantzau und Matthias Erzberger vertreten und verdeutlicht wurden. Die populärere Seite stellte Rantzau dar, der einen Frieden, der nicht den Prinzipien Wilsons entsprach, ablehnte und nicht unterzeichnen wollte. Die weitsichtigere Seite vertrat Erzberger mit seiner flexibleren Haltung, der versuchte, aktiv Einfluss auf die Verhandlungen auszuüben.9 Auch die militärische Führung war gespalten. Der preußische Kriegsminister Oberst Reinhardt und wichtige Befehlshaber verschiedener Kommandos waren gegen die Unterzeichnung des Versailler Vertrages, während General Groener bei der Ablehnung die Einheit des Reiches in Gefahr sah und daher die Unterzeichnung unterstützte.10 Aus diesem Grund und zur Bekämpfung des Bolschewismus hatte er Ebert die Zusage gegeben, sich mit der Reichswehr der aus der Revolution hervorgegangenen sozialdemokratische Regierung zu unterstellen. Ein Teil der Macht im neuen Staat sollte an das Heer und die Offizierkorps gehen und somit das stärkste Element des Preußentums herübergerettet werden.11

Das Scheitern Wilsons, mit den europäischen Alliierten einen Frieden im Sinne seiner 14 Punkte zu erreichen, zerstörte die einseitigen Hoffnungen der deutschen Politiker, die sich wie Rantzau auf den Einfluss der USA verlassen hatten, und erhöhte die Entrüstung über die am Ende gestellten Forderungen im Vertrag. Eine Wahl über Annahme, Ablehnung oder zumindest Modifizierung blieb Deutschland jedoch faktisch nicht. Eine Wiederaufnahme der Kampfhandlungen war aussichtslos und Versuche, wenigstens den Kriegsschuldparagraphen und die Auslieferung der von den Alliierten aufgelisteten Kriegsverbrecher aus dem Vertrag zu entfernen, scheiterten. Unter der Bedrohung der Besetzung weiterer Gebiete - einer großen Gefahr für Einheit und Souveränität - kam eine Ablehnung der Unterzeichnung kaum in Frage.12 Daher votierte die deutsche Nationalversammlung am 22. Juni 1919 für die Annahme des Vertrages. Die beiden deutschen Delegierten, Außenminister Hermann Müller (SPD) und Verkehrsminister Johannes Bell (Zentrum), unterzeichneten ihn am 28. Juni 1919. Dies legte den Grundstein für den Begriff der sogenannten Erfüllungspolitik, der später speziell bei der Annahme des Londoner Ultimatums zur Zahlung der Reparationsforderungen durch Reichskanzler Joseph Wirth geprägt wurde. Ziel war es, die Forderungen der Alliierten fürs erste anzunehmen, um dann in der Praxis deren Unerfüllbarkeit zu beweisen und so neue Verhandlungen herbeizuführen.13 Dies missfiel den Gegnern der Weimarer Republik und wurde „Erfüllungspolitikern“ wie Matthias Erzberger und Walther Rathenau zum Verhängnis.

[...]


1 Vgl. Schilling, Karl: Der Versailler Vertrag und die Abrüstung, Berlin & Bonn 1933, S.9.

2 Vgl. Sturm, Reinhard: Kampf um die Republik 1919-1923, in: Informationen zur politischen Bildung, Heft 261, Bonn 2003, S. 19.

3 Vgl. Glaser-Schmidt, Elisabeth: Verpasste Gelegenheiten?, in: Larres, K. und Oppelland, T.: Deutschland und die USA im 20. Jahrhundert, Darmstadt 1997, S. 31.

4 Vgl. Schilling (1933), S. 39.

5 Vgl. Schilling (1933), S. 18.

6 Ebenda, S. 91

7 Vgl. Hirsch, Helmut: Die Saar in Versailles, Bonn 1952, S. 24.

8 Vgl. Graf Lambsdorff, Hans Georg: Die Weimarer Republik, Frankfurt am Main 1990, S. 105.

9 Vgl. Grupp, Peter: Vom Waffenstillstand zum Versailler Vertrag, in: Bracher, K., Funke, M., Jacobsen H.-A. (Hrsg.): Die Weimarer Republik 1918-1933, Bonn 1987, S. 295/296.

10 Vgl. Erger, Johannis: Der Kapp-Lüttwitz-Putsch, Düsseldorf 1967, S. 23.

11 Vgl. Groener, Wilhelm: Lebenserinnerungen, Göttingen 1957, S. 468/469.

12 Vgl. Erger (1967), S. 26.

13 Vgl. Rosenberg, Arthur: Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik, Frankfurt/Main 1955, S. 378.

14 Vgl. Glaser-Schmidt (1997), S. 32.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die frühen Krisenjahre der Weimarer Republik und deren Zusammenhang mit dem Vertrag von Versailles
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Hauptseminar: Das Ende der Weimarer Republik und der Beginn der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
Note
1.0
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V144055
ISBN (eBook)
9783640529568
ISBN (Buch)
9783640529735
Dateigröße
458 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Alle Krisen, die die Weimarer Republik in anfangs durchlief, waren direkt oder indirekt mit dem Versailler Vertrag verknüpft. Rechte und linke Gegner des pol. Systems nutzten die negativen Auswirkungen auf das nationale Selbstbewusstsein sowie die wirtschaftl. und soziale Lage der dt. Bevölkerung für die eigenen pol. Vorstellungen aus. Die Auswirkungen des Vertrags waren auch verantwortlich für die fragwürdige Anwendung von Verfassung und Justiz. Diese Analyse dient der Beurteilung des Fundaments, auf dem die W. Republik gebildet wurde. Dozent: "Ausgezeichnete Hausarbeit, Thema voll erfasst."
Schlagworte
Krisenjahre, Weimarer, Republik, Zusammenhang, Vertrag, Versailles
Arbeit zitieren
M.A. Britta Werner (Autor:in), 2008, Die frühen Krisenjahre der Weimarer Republik und deren Zusammenhang mit dem Vertrag von Versailles, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144055

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