Der Einfluss des Symbolischen in den Theorien von Pierre Bourdieu


Hausarbeit, 2009

30 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

Der Werdegang des Symbolischen bei Bourdieu – Eine ‘symbologische’ Werkübersicht und ein detaillierter Blick –
1966-1968: Die Soziologie der symbolischen Formen – Klasse, Feld und symbolische Beziehungen
1970-1971: Grundlagen einer Theorie der symbolischen Gewalt – Die Mechanismen und Akteure der Deutungsmacht
1971: Der Markt der symbolischen Güter – Produktion und Gewinn
1972: Herrschaft und Macht – Archaische und subliminale Symbolik
1977: Über die symbolische Macht – Sprache als Instrument der Macht
1979: Die feinen Unterschiede - Klassenkämpfe
1985: Symbolische Produktion und das religiöse Feld – ein terroristischer Akt?
1988: Darstellungen und Gegendarstellungen – Kritische Auseinandersetzung
1989 – 2002 – Ein literaturhistorischer Ausblick

Forschungen im symbolischen Formenkreis – Vom ‘symbolischen Bluff’ zum konkreten Kriterium

Zusammenfassung und Ausblick

Literaturliste
Literatur von Pierre Bourdieu - ggfs. mit Ko-AutorInnen/InterviewerInnen (chronologische Folge der Werke)
Sekundärliteratur zu Pierre Bourdieu (alphabetische Folge der Autoren)
Internetdatenbank
Graphik

Endnoten

Einleitung

Einer der Soziologen, der im letzten halben Jahrhundert einen weitreichenden Einfluss auf die theoretische und empirische Soziologie hatte, ist Pierre Bourdieu (1930-2002). Ab den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nahmen seine Forschungen zunächst in Frankreich, dann auch in der ausländischen Rezeption eine starke Bedeutung ein. Bereits Mitte der 90er Jahre fand sich ein weit über 600 Schriften umfassendes Arbeitswerk[i], das bis in dieses Jahrhundert hinein noch eine Ausweitung erfuhr und mit den Sekundärschriften zum Werk des Philosophen und Soziologen mittlerweile einen vierstelligen Umfang erreicht, dessen umfassende Zusammenstellung bislang von niemandem mehr in Gänze weitergeführt wurde[ii].

Bourdieu erklärte, dass in seinen Anfangsarbeiten bereits die grundlegenden Positionen und Formulierungen seiner Theorien angelegt seien. Diese Grundlagen wurden, in der Vielzahl der Texte, später detaillierter ausgeführt.[iii] Er griff, in Anleihe auch an historische und zeitgenössische philosophische Werke, dabei auf schon vorhandene Vorstellungsbilder, Begriffe und Definitionen zurück, die er – teils in veränderter Form - für die soziologische Arbeit fruchtbar machte. So fanden u.a. die Begriffe Habitus, Feld, Distinktion und einige weitere Eingang in die Sozialforschung. Mit der Korrespondenzanalyse schaffte er es, die feinen Unterschiede im Zusammenspiel der Akteure und deren Position im Feld herauszuarbeiten und darzustellen; weiterhin führte er noch qualitativen Interviews, in denen sich Darstellungen beispielsweise der individuellen symbolischen Ausdrucksweisen finden und die u.a. in der Gemeinschaftsarbeit Das Elend der Welt zusammengestellt wurden. Die erwähnte relative (korrespondierende) Positionierung der Akteure zueinander ist für alle Bereiche der Bourdieuschen Arbeiten grundlegend. Weiterer zentraler Begriff ist auch das Kapital der Akteure, das ihnen zur Verfügung steht und das sie in einer bestimmten Art und Weise zum Einsatz bringen. Die Unterscheidung in das ökonomische, soziale und kulturelle Kapital mag dabei als beinahe selbsterklärend angesehen werden – in seinen Arbeiten erfolgte dann die Weiterführung und Betonung der Relevanz des symbolischen Kapitals. Sind die erstgenannten drei Kapitalsorten noch gut mittels nationaler bzw. internationaler statistischer Erhebungen rekonstruierbar[iv], stellen sich bei den Untersuchungen des symbolischen Kapitals schon besondere Herausforderungen.

Daneben beschäftigte sich Bourdieu auch weitergehend mit dem Symbolischen und fand immer wieder Einflüsse desselben, wie auch weitere Aktionsfelder, in denen dieses sich ausgestaltet. Fröhlich fasste in seiner Darlegung der Grundbegriffe der Kulturtheorie bei Pierre Bourdieu im Jahr 1994 bereits folgendermaßen zusammen:

„‘Symbol’ wird damit bei Bourdieu enger als üblich, nämlich nicht allgemein als Zeichen, sondern primär als Unterscheidungs-Zeichen verwendet, als ‘Verdoppelung’, als Repräsentation ‘faktischer’ sozialer Unterschiede. In diesem Sinne kommt ‘symbolisch’ v.a. gemeinsam vor mit: Beziehungen, Ausdrucksformen, Gut, Aneignung, Akt, Gewalt, Kampf, Gewinn, Macht, Ordnung:[...].“[v]

Bourdieu, durch und durch empirisch orientiert, griff damit zurück auf ein eher ‘metaphysisches Phänomen’ des Symbolischen und zeigte jedoch, dass es sich dabei um keineswegs esoterische oder eben metaphysische oder abstrakte Bezüge und Inhalte handelte, sondern um mit Daten erfassbare und darstellbare Positionierungen im Feld.

Weshalb das Symbolische in der Vergangenheit in der Forschung nach Bourdieu hinter den ökonomischen, kulturellen und sozialen Faktoren und Aspekten allerdings noch zurückblieb, mag vielleicht an dem Verständnis des und den Vorurteilen gegenüber dem Symbolischen, als diffusem Medium des Informationstransportes, liegen. Das Symbolische bei Bourdieu ist bislang scheinbar noch nicht richtig greifbar und verwendbar geworden. Aus diesem Grunde soll sich die vorliegende Arbeit auch explizit und isoliert mit dem Einfluss des Symbolischen in den Theorien von Bourdieu auseinandersetzen. Welches Verständnis hatte er vom Symbolischen und welchen Entwicklungsweg nahm dies? Welche Hemmnisse für die Forschung sah er selbst im Symbolischen? Und wie kann das Symbolische in seinen Theorien darüber hinaus für weitere Forschungen nutzbar gemacht werden? Dies sollen die Leitfragen sein, mit der sich in dieser Arbeit, anhand ausgewählter Schriften, auseinandergesetzt wird.

Zunächst erfolgt dies mittels der thematischen Analyse der Werksübersicht. Anhand einer historisch-literarischen Entwicklung soll die Genese des Symbolischen bei Bourdieu vorbereitet werden. In diesem Zusammenhang werden die differenzierten Symbolbegriffe und –theoreme aus seinen Schriften herausgearbeitet und dargestellt. In einem nächsten Unterpunkt werden die Forschungen und weiterführenden Arbeiten zum Themenkreis des Symbolischen bei Bourdieu und nachfolgenden Forschern vorgestellt. Dies führt hin zu der Zusammenfassung und dem Ausblick, der sich an den aktuellen Forschungsstand anschließt. [vi]

Der Werdegang des Symbolischen bei Bourdieu – Eine ‘symbologische’ Werkübersicht und ein detaillierter Blick –

Vernachlässigt man die beiden thematisch anders gelagerten wissenschaftlichen Arbeiten aus den Jahren 1953 und 1955, so setzt das hauptsächliche Publikations-werk Bourdieus ab dem Jahre 1958 ein[vii]. Mit der Sociologie de l’Algérie begann er die ersten schriftlichen Auseinanderlegungen seiner Algerienstudien, die er in der Kabylei durchführte, und die für seine soziologischen Studien und Theorien von grundlegender Bedeutung wurden. Diese ersten Schriften wurden bislang nicht in deutschsprachige Übersetzungen übernommen[viii], eine umfassendere Aufarbeitung der Thematik erfolgte erst in späteren Jahren mit einer Theorie der Praxis.

In Antworten auf einige Einwände führte Bourdieu eine Gegenkritik zu Anfech-tungen seiner Arbeiten oder Konzepte, von der hier ein maßgeblicher Punkt genannt werden soll, der für die vorliegende Auseinandersetzung wichtig ist:

„Nun gibt es freilich auch Ursachen des Mißverständnisses auf seiten der Rezipienten: Zumeist stützt man sich auf ein einziges Buch, Die feinen Unterschiede, legt sich davon dann noch eine "theoretische" oder theoretizistische Deutung zurecht (dadurch begünstigt, daß zahlreiche konkrete Analysen den ausländischen Leser nicht "ansprechen"), und läßt dabei ganz die von mir und anderen in den Actes de la recherche en sciences sociales veröffentlichten empirischen Studien links liegen (ganz abgesehen von den ethnologischen Untersuchungen, die doch am Ausgangspunkt der meisten Konzepte liegen); man unterwirft einer vom Verwendungszusammenhang abstrahierenden Kritik Begriffe, die offen sind und bestimmt zur Orientierung empirischer Arbeiten; man kritisiert nicht meine Arbeiten, sondern deren vorweg vereinfachte, ja verzerrte Vorstellung.“[ix]

Nachstehend finden sich daher die relevanten ‘Hauptwerke’ seiner Arbeiten.[x] Bourdieu formulierte darin teils mehr, teils weniger deutlich seine Vorstellungen und Theorien aus. Die Bedeutung, die er dabei der Symbolik und den symbolischen Aktionen und Interaktionen einräumte, griff auch in die Schriften hinein, die sich nicht mit dem Wesen des Symbolischen an sich, sondern mit dessen Auswirkungen in Bezug auf den Habitus, die Hexis, die jeweiligen Felder oder Positionierungen usw. beschäftigten. Diese Arbeiten und noch zahlreiche Dokumente kleineren und größeren Umfangs, die klaren Bezug auf das Symbolische nehmen, werden, in der Ergänzung der ‘Hauptwerke’ ebenfalls nachfolgend zitiert, soweit sie dem Verständnis und der umfassenden Darstellung des Symbolischen bei Bourdieu dienen können.

1966-1968: Die Soziologie der symbolischen Formen – Klasse, Feld und symbolische Beziehungen

Schriften

Erfolgten auch in den 60er Jahren bereits erste Übersetzungen in englischer und spanischer Sprache, so erschienen die deutschen Übersetzungen in der Hauptsache ab dem Jahre 1970 und begannen mit Arbeiten aus den Jahren 1966-1968, zusammengefasst unter dem deutschen Titel Soziologie der symbolischen Formen. Diese frühen grundlegenden Texte für die thematische Darlegung des ‘Einflusses des Symbolischen’ waren dabei im Einzelnen:

Condition de classe et position de classe [xi] (1966; dt.: Klassenstellung und Klassenlage), Champ intellectuel et projet créateur [xii] (1966; dt.: Künstlerische Konzeption und intellektuelles Kräftefeld), Postface: Erwin Panofsky: Architecture gothique et pensée scolastique. Precédé de l’Abbé Suger [xiii] de Saint-Denis (1967; dt.: Der Habitus als Vermittlung zwischen Struktur und Praxis), Eléments d’une théorie socioligique de la perception artistique [xiv] (1968; dt.: Elemente zu einer soziologischen Theorie der Kunstwahrnehmung) und eines englischsprachigen Artikels mit Titel Structuralism and Theory of Sociological Knowledge [xv] (1968, dt.: Strukturalismus und soziologische Wissenschaftstheorie), der (vermutlich aus dem Jahr 1968) als Archivmanuskript unter dem französischen Titel Structuralisme et théorie de la connaissance sociologique vorliegt.

Kernthemen

Einer der zentralen Texte ist hierbei Klassenstellung und Klassenlage, in dem die wesentlichen Bezeichnungen bestimmt und Grundlagen für spätere Arbeiten geschaffen wurden. Über die Auseinandersetzung mit und den Begriff der sozialen Klassen stellte Bourdieu darin fest:

„Eine soziale Klasse läßt sich niemals allein aus ihrer Lage und Stellung innerhalb einer gesellschaftlichen Struktur, d.h. aus den Beziehungen bestimmen, die sie objektiv zu anderen Klassen der Gesellschaft unterhält; eine Reihe ihrer Eigenschaften verdankt sie nämlich dem Umstand, daß die Individuen, die diese Klasse bilden, absichtlich oder ohne es zu merken, in symbolische Beziehungen zueinander treten, die die Differenzen von Stellung und Lage in logischer Systematik ausdrücken und diese Unterschiede somit in signifikante Unterscheidungsmerkmale zu verwandeln trachten.“[xvi]

Die symbolischen Beziehungen der Individuen untereinander, sind also das, was die signifikanten Unterscheidungsmerkmale ausmacht. Bourdieu setzte dann auch fort, welcher Art diese Distinktionsmerkmale sein können und wodurch sie sich bestimmen. Zunächst seien die

„symbolischen Unterscheidungen gegenüber den ökonomischen Unterschieden, denen sie Ausdruck verleihen, indem sie sie transfigurieren, stets sekundärer Natur.“[xvii]

Wie dies im alltäglichen Leben geschieht, stellte er im Vergleich mit den Ausführungen Max Webers dar, indem er es wie folgt auflistete:

„Es ist in der Tat bemerkenswert, daß alle Züge, die Max Weber dem Stand zuschreibt, zur symbolischen Ordnung gehören, mag es sich um Ehrenvorzüge (bestimmte Trachten, den Verzehr spezieller, anderen versagter Speisen, das Vorrecht des Waffentragens, das Recht auf dilettierende Arten der Kunstübung) oder schließlich Vorschriften und Verbote handeln, die den gesellschaftlichen Verkehr, insbesondere das ständische Konnubium regeln.“[xviii] [xix]

Das bedeutet, zusammenfassend formuliert, dass jede Handlung, jeder Handlungsausdruck, gesellschaftliche Riten und Manieren, Regeln und Gesetze, Kleidung Geschmack, Bildung und Sprache wie auch der Akzent oder Dialekt, und ebenso eine jede niedergeschriebene wie ungeschriebene ausgeübte Verhaltensweise, eine symbolische Handlung auf der Basis interindividueller symbolischer Beziehungen darstellen kann, die dem Ausdruck ökonomischer Distinktion der Individuen untereinander dient und damit (trotzdem oder deswegen) zur möglichen Bildung von Klassen führt.[xx]

Bourdieu war sich zu diesem Zeitpunkt durchaus bewusst, gerade am Anfang seiner Auseinandersetzung mit dem Symbolischen zu stehen, wenngleich er bereits zahlreiche Anhaltspunkte hierzu in seinen Algerienstudien gesammelt hatte, wie er später erklären würde.

Am Ende dieser Arbeit gelangte Bourdieu zunächst an die Grenze dieser Logik des Symbolischen bzw. der symbolischen Beziehungen, denn es wurde offensichtlich, dass die dahinter liegenden Mechanismen der Wirksamkeit andere, weiter reichende sein müssen, als die bloßer symbolischer Interaktion. So stellte er auch fest:

„Die Autonomie, derer es zur Aufstellung symbolischer, d.h. zugleich systematischer und notwendiger Beziehungen bedarf, ist nur relativ; Bedeutungsbeziehungen, wie sie im Rahmen des engen durch die Existenzbedingungen gegebenen Variationsspielraums bestehen, drücken daher letztlich Herrschaftsbeziehungen aus, und zwar in einer Art und Weise, die diese Herrschaftsbeziehungen systematisch transformiert. Es bliebe daher zu untersuchen, inwiefern die Struktur der ökonomischen Beziehungen, indem sie zugleich die Lage und Stellung der sozialen Subjekte determiniert, die Struktur der symbolischen Beziehungen zu bestimmen vermag, deren Gliederung und Organisation einer Logik gehorchen, die nicht die der ökonomischen Verhältnisse ist.“[xxi]

In der Beschäftigung mit den Arbeiten von Panofsky, Chomsky, Cassirer (und weiteren) gelangte Bourdieu über die Bedeutungsschichten des Symbolischen (Panofsky), den Habitus-Begriff (Panofsky/Chomsky) und die symbolischen Formen (Cassirer) zu den Symbolen in der Kunst und Architektur bzw. Sprachformen, wie auch zu der Kunstproduktion, wichtiger aber noch: zu den Formen der Kunstaneignung.[xxii] Hierzu schrieb er:

„Als ein historisch entstandenes und in der sozialen Realität verwurzeltes System, hängt die Gesamtheit dieser Wahrnehmungsinstrumente, die die Art der Appropriation der Kunst- (und allgemeiner der "Kultur"-)Güter in einer bestimmten Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt bedingt, nicht von einem individuellen Willen und Bewußtsein ab.“[xxiii]

Es musste also seiner Erkenntnis nach etwas ‘Überindividuelles’ sein - und dies führte bei ihm weiter zu der wesentlichen Ansicht, mit der er zunächst erst noch den Artikel über die Elemente zu einer soziologischen Theorie der Kunstwahrnehmung abschloss:

„Die charismatische Ideologie besäße nicht die Macht, die sie effektiv hat, wenn sie nicht das einzig formal unanfechtbare Mittel wäre, das Recht der Erben auf die Erbschaft zu legitimieren, ohne dabei in Widerspruch zum Ideal der formalen Demokratie zu geraten, und wenn sie insbesondere nicht dazu führte, das exklusive Recht der Bourgeoisie auf die Appropriation der Kunstschätze, d.h. ihre symbolische, nämlich einzig legitime Art der Aneignung als ein Naturrecht zu begründen, und das in einer Gesellschaft, die so tut, als überlasse sie allen auf dem demokratischen Weg die Hinterlassenschaft einer aristokratischen Vergangenheit.“[xxiv]

Die Hinführung zu den wichtigen folgenden Arbeiten – und vor allem die Bedeutung über die Appropriation der Kunst hinaus – versteckte er dabei jedoch noch in einer Fußnote:

„Auf dem Gebiet des Unterrichts erfüllt die Ideologie der "Naturgabe" dieselben Verschleierungsfunktionen: Sie erlaubt es einer Institution, die, wie etwa in Frankreich der Literaturunterricht, eine – um mit Max Weber zu reden – "Erweckungserziehung" erteilt, die zwischen dem Lehrenden und dem Lernenden eine Gemeinsamkeit von Werten und Bildung voraussetzt, wie sie nur zu finden ist, wenn das System es mit seinen eigenen Erben zu tun hat -, sie erlaubt dieser Institution ihre wahre Funktion zu verschleiern, d.h. das Recht der Erben auf die kulturelle Erbschaft zu bestätigen und somit zu legitimieren.“[xxv]

Neben der Institution - als Ursprung der symbolischen Deutungsregeln und –inhalte – fallen hier zwei weitere Begriffe, die Bourdieu in den zukünftigen Arbeiten stärker betonen wird: Verschleierung und Legitimierung.

1970-1971: Grundlagen einer Theorie der symbolischen Gewalt – Die Mechanismen und Akteure der Deutungsmacht

Schriften

Eine weitere relevante Schrift Bourdieus (zusammen mit J.C. Passeron) aus dem Jahr 1970 - La reproduction. Elèments pour une théorie du système d’enseignement -, wurde stückweise in die deutschsprachigen Übersetzungen übernommen:

a) im Jahr 1971 in dem Buch Die Illusion der Chancengleichheit die Seiten 87-129 des Originals unter dem Titel Die verstimmten Partner. Methoden und Ergebnisse einer empirischen Untersuchung [xxvi]

b) im Jahr 1973 als Buch unter dem Titel Grundlagen einer Theorie der symbolischen Gewalt. Kulturelle Reproduktion und soziale Reproduktion, die Grundlagen einer Theorie der symbolischen Gewalt, beinhaltend die ursprünglichen Seiten 13-64 des Originals aus dem Jahr 1970 (unter dem französischen Titel Fondaments d’une théorie de la violence symbolique [xxvii]). Dieser Artikel wurde weiterhin im Jahr 1995 mit der Überschrift La violence symbolique nochmals als Auszug in einem Buch von Manassein/Roudinesco veröffentlicht.

Das bereits unter b) erwähnte Buch Grundlagen einer Theorie der symbolischen Gewalt enthielt daneben – mit dem Titel Kulturelle Reproduktion und soziale Reproduktion - noch einen weiteren relevanten Artikel Bourdieus, der zuvorderst im Jahr 1971 unter Reproduction culturelle et reproduction sociale [xxviii] erschienen war.

Kernthemen

Setzte sich Bourdieu in dem Teil zu Illusion der Chancengleichheit mehr mit dem institutionell-systemischen Faktor der Auswahl und zunehmenden Selektion von Bildungseliten auseinander, so wurde er in der Theorie der symbolischen Gewalt konkret, was die Mechanismen der Verschleierung, Legitimierung und überhaupt der Vorgehensweise symbolischer Deutungsvorgaben und Deutungsaneignungen betrifft. Zunächst definierte er hier seinen Begriff der (Macht zur) symbolischen Gewalt:

[...]


[i] Bourdieu verwendete seine Schriften immer wieder in neuen Darstellungen der Zusammenhänge seiner Arbeiten und der jeweiligen Schwerpunkte, auf die er sich dann jeweils bezog – auch wurden seine Arbeiten in kompilatorischen Fassungen thematisch neu zusammengestellt und herausgegeben. Dies führte dazu, dass manche Texte in mehrfachen Übersetzungen über die Jahre hinweg in unterschiedlichen Publikationen erschienen und so – auf den ersten Blick – suggerierten, es handele sich um neue Ausarbeitungen. Die Veränderungen waren dabei jedoch teils nur den neuen Übersetzungen geschuldet.

[ii] Bibliographische Hinweise auf das Werkverzeichnis finden sich vereinzelt in den Publikationen Bourdieus. Ausführliche Bibliographien wurden erstellt von Mörth/Fröhlich (1994), Delsaut/Rivière (2002) und Mörth/Fröhlich – Onlinebibliographie Hyperbourdieu© über http://hyperbourdieu.jku.at/hyperbourdieustart.htm (letzter Aufruf 03.12.2009)

[iii] Aufgrund der oben bereits geschilderten Problematik der Vielzahl der Schriften, der Sekundärliteratur und auch der damit verbundenen Diskussionen der (korrekten) Übersetzungsformen wurde hierzu auf einige ausgewählte Schriften zurückgegriffen. Dabei handelt es sich in aller Regel um die deutschsprachigen Schriften, in Anerkenntnis der Tatsache, dass sowohl entsprechende (autorisierte) Übersetzungen vorliegen, wie auch nachfolgende Leser tendenziell eher auf diese zugreifen werden, sofern nicht zufällig die Originalschriften vorhanden sind. Aus diesem Grunde wird auch der Diskussion über verschiedene Übersetzungsproblematiken hier kein Raum gegeben – im Zweifelsfalle sollten dann die entsprechenden Originaltexte herangezogen werden.

[iv] Selbstverständlich können die Daten nicht unmittelbar zur Auswertung, bspw. in der Art der Kontingenzanalyse verwendet werden. Gemeint ist hier, dass jedoch jederzeit Daten zum ‘ökonomischen Kapital’ (Einkommen, Berufstätigkeit, Alter, etc.), zum sozialen Kapital (Netzwerkstudien, Erhebungen zu Familiengrößen, Ehestandsdaten, etc.) und kulturellen Kapital (Umfragen zur Teilhabe an kulturellen Ereignissen, Kulturförderung, Erhebung instutioneller Einrichtungen, Kulturausgaben, etc.) erhoben werden (können) und auch teils durch professionelle Organisationen (DESTATIS; SOEP, etc.) zur weiteren Auswertung zur Verfügung gestellt werden.

[v] Fröhlich, 1994: 48 (Hervorhebung wie im Original)

[vi] Eine kritische Auseinandersetzung muss hier aus Platzgründen unterbleiben – bietet aber durchaus den Raum für weitergehende Arbeiten.

[vii] Neben der hier erfolgenden historisch-literarischen Genese wurde versucht dem Geflecht der Publikationen in der Literaturliste Rechnung zu tragen. Bei der genetischen Analyse erweist sich weder die Bibliographie von Delsaut/Rivière noch von Mörth/Fröhlich in ihren Signaturen als allein tragfähig. Grundsätzlich wird daher hier, sofern mit Übersetzungen gearbeitet wird, eine "Doppelsignatur" verwendet, die an erster Stelle den Originaltext, an zweiter Stelle den deutschen Publikationstext führt. Bspw.: 66Afra2/70Bger1 = 196, 2. Artikel in französisch veröffentlicht in 1970 1. Buch in deutsch. Eine Erläuterung der Signaturen erfolgt ausführlicher im Anhang (Literaturverzeichnis). Die Seitenzahl verweist ausschließlich auf die angegebene Publikation der zweiten Stelle der Doppelsignatur.

[viii] Beispielsweise lässt sich die Übersetzung des Artikels Guerre et mutation sociale en Algérie aus dem Jahr 1960 erst für das Jahr 2003, unter dem Titel Krieg und gesellschaftlicher Wandel in Algerien finden.

[ix] 88Aeng2/89Ager1: 396 (Hervorhebung wie im Original)

[x] Wobei es auch hier bei einer Auswahl bleiben muss, da der Rahmen einer Hausarbeit bei weitem gesprengt würde. Weitere, zahlreiche Werke greifen die hier behandelte Thematik fortgesetzt auf, konnten aber aus Platzgründen nicht mehr berücksichtigt werden.

[xi] [66Afra2/70Bger1]

[xii] [66Afra4/70Bger1]

[xiii] [67Afra1/70Bger1]

[xiv] [68Afra2/70Bger1]

[xv] [68Aeng1/70Bger1]

[xvi] 66Afra2/70Bger1: 57 (Hervorhebung wie im Original)

[xvii] 66Afra2/70Bger1: 59

[xviii] 66Afra2/70Bger1: 59

[xix] Konnubium = lat. Ehe-/Lebensgemeinschaft

[xx] Vgl. hierzu auch ausführlicher 66Afra2/70Bger1: 59-61

[xxi] 66Afra2/70Bger1: 74

[xxii] Vgl. hierzu 66Afra4/70Bger1 und 67Afra1/70Bger1

[xxiii] 68Afra2/70Bger1: 173/174

[xxiv] 68Afra2/70Bger1: 201

[xxv] 68Afra2/70Bger1: 201, Fn 33

[xxvi] [70Bfra1/71Bger1]

[xxvii] [70Bfra1/73Bger1]

[xxviii] [71Afra8/73Bger1]

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss des Symbolischen in den Theorien von Pierre Bourdieu
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Modul 2: Theoretische Werkzeuge und Perspektiven - Akteure und Strukturen
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
30
Katalognummer
V144059
ISBN (eBook)
9783640546701
ISBN (Buch)
9783640546770
Dateigröße
641 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bourdieu, Symbol, Korrespondenzanalyse, Elend, Welt, feine, Unterschiede, Soziologie, Macht, Arbeit, Kapital, Verschleierung, Legitimierung, Deutungsmacht, Autorität, Wert, Konsum, Bluff, Symbolmanipulation, Strategie, Provokation, Waffe, Klassenkampf, Transformation, Transmutation, Distinktionsgewinn
Arbeit zitieren
Marion Röbkes (Autor:in), 2009, Der Einfluss des Symbolischen in den Theorien von Pierre Bourdieu, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144059

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