Die vorliegende Arbeit setzt sich mit Gedanken über die Gesellschaft von Moses HESS1 und
seines berühmten Zeitgenossen Karl MARX, in dessen Werken sich einige Parallelen zu Ideen
von Moses HESS finden, auseinander. Die Freundschaft, die MARX und HESS verband, unterlag
den Spannungen ihrer jeweiligen persönlichen Entwicklung. Später grenzten sich MARX und
ENGELS gegen die philosophische Clique, die als „wahre Sozialisten“ bekannt war und zu denen
HESS gehörte, ab, weil sie ihnen zu idealistisch und schwärmerisch waren.
Die Welt muss besser eingerichtet werden; darin sind sich MARX und HESS einig. Dass es die
Ausbeutung der Menschen durch Menschen ist, auf der die kapitalistische Gesellschaft fußt und
die den Pauperismus, die vorindustrielle Massenarmut hervorbringt, sehen sowohl HESS als auch
MARX. Der Aufstand der Schlesischen Weber 1844 machte deutlich, dass die Industrialisierung
und die damit verbundene Veränderung des sozialen Gefüges ein ernstzunehmendes Problem
dieser Zeit war. Doch während MARX als einzige Möglichkeit, diesen Zustand zu überwinden
die Auseinandersetzung der Klassen miteinander sehen, sucht HESS die Welt durch Erziehung
und Bildung dem Kommunismus entgegenzuführen. HESS gilt als ein Vertreter der
Junghegelianer2, welche an die Vernunft glaubten und es als ihre Aufgabe ansahen, die von
Hegel erwähnte neue Epoche hervorzubringen3. Die Verarmung der Massen machte HESS zu
einem entschiedenen Befürworter sozialer Gleichheit und gerechter gesellschaftlicher
Verhältnisse, wird ansonsten von ihm aber als moralisch-philosophisches Problem behandelt.
Seine Auseinandersetzung mit dem Geld, auf welche er sein Hauptaugenmerk legt, ist geprägt
von den moralischen Kategorien Egoismus, Liebe, Glück und Gott. [...]
1 Hess, Moses: (1812 Bonn – 1875 Paris), 1837 `Die Heilige Geschichte der Menschheit´, 1842 Korrespondent der
`Rheinischen Zeitung´ in Paris, Kontakt mit Karl Marx und Friedrich Engels, 1845/46 Herausgeber des
`Gesellschaftsspiegel´, 1848 Emigration in die Schweiz, Belgien, Holland und Frankreich, 1862 `Rom und
Jerusalem´, 1863 Eintritt in den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein; dtv-Lexikon Bd. 8, München 1972, S. 288.
2 McLellan, D.: Die Jungehegelianer und Karl Marx, München 1974, S. 16.
Einleitung
Die vorliegende Arbeit setzt sich mit Gedanken über die Gesellschaft von Moses Hess[1] und seines berühmten Zeitgenossen Karl Marx, in dessen Werken sich einige Parallelen zu Ideen von Moses Hess finden, auseinander. Die Freundschaft, die Marx und Hess verband, unterlag den Spannungen ihrer jeweiligen persönlichen Entwicklung. Später grenzten sich Marx und Engels gegen die philosophische Clique, die als „wahre Sozialisten“ bekannt war und zu denen Hess gehörte, ab, weil sie ihnen zu idealistisch und schwärmerisch waren.
Die Welt muss besser eingerichtet werden; darin sind sich Marx und Hess einig. Dass es die Ausbeutung der Menschen durch Menschen ist, auf der die kapitalistische Gesellschaft fußt und die den Pauperismus, die vorindustrielle Massenarmut hervorbringt, sehen sowohl Hess als auch Marx. Der Aufstand der Schlesischen Weber 1844 machte deutlich, dass die Industrialisierung und die damit verbundene Veränderung des sozialen Gefüges ein ernstzunehmendes Problem dieser Zeit war. Doch während Marx als einzige Möglichkeit, diesen Zustand zu überwinden die Auseinandersetzung der Klassen miteinander sehen, sucht Hess die Welt durch Erziehung und Bildung dem Kommunismus entgegenzuführen. Hess gilt als ein Vertreter der Junghegelianer[2], welche an die Vernunft glaubten und es als ihre Aufgabe ansahen, die von Hegel erwähnte neue Epoche hervorzubringen[3]. Die Verarmung der Massen machte Hess zu einem entschiedenen Befürworter sozialer Gleichheit und gerechter gesellschaftlicher Verhältnisse, wird ansonsten von ihm aber als moralisch-philosophisches Problem behandelt. Seine Auseinandersetzung mit dem Geld, auf welche er sein Hauptaugenmerk legt, ist geprägt von den moralischen Kategorien Egoismus, Liebe, Glück und Gott. Die direkte Übertragung der Ideen Feuerbachs von der Religion als ideellem Gegenstand auf die Gesellschaft als realem Phänomen, war durch ihre Polemik von Wirkung auf Marx, der in dem Artikel "Zur Judenfrage"[4] den Aufsatz von Hess "Über das Geldwesen"[5], der einige Zeit zuvor entstanden war, weitestgehend wiedergibt. Marx greift in seiner Analyse der ökonomischen Determination des Kapitalismus Gedankengänge von Hess auf. Untersucht werden soll, welche Begriffe von Moses Hess in der Auseinandersetzung mit der Gesellschaft benutzt und verstanden werden, und wie sie durch Marx Verwendung finden.
1. Die Basis: Moses Hess
Um mich mit den Gedankengängen von Hess in bezug auf Geld auseinander zu setzten, gehe ich auf die wesentlichen, von ihm verwendeten Kategorien wie Gattung und Entfremdung ein, die sich in verschiedenen Arbeiten von ihm finden. Daran schließt sich eine Auseinandersetzung mit Marx an, in der Parallelen zu den Gedanken von Hess erscheinen.
1.1. Gattung und Entfremdung
Zuerst werde ich den Begriff "Gattung", so wie er bei Hess Verwendung findet, analysieren.
Moses Hess beschreibt in seiner Arbeit "Über das Geldwesen" die Beziehungen der Menschen zueinander als ein Verhältnis von "Kannibale[n], Raubtiere[n], Blutsauger[n]."[6] Die menschliche Gesellschaft stellt eine "verkehrte Welt"[7] dar, in welcher "Gott und Geld die Welt regieren"[8]. Grundlage für diese Betrachtung Hess' ist die Vorstellung vom Menschen als Gattungswesen. Diese Betrachtung übernahm er von Feuerbach, der sie in dem Werk "Über das Wesen des Christentums", das 1841 erschien, ausarbeitete. Die ursprüngliche Idee, den Menschen als Gattungswesen zu begreifen, stammt von D.F. Strauss, bei dem der Gedanke wie folgt entwickelt: die Schöpfung Gottes ist von einer unendlichen Fülle, die sich aber nicht in einem einzigen Exemplar einer Art widerspiegelt; erst aus der Menge der einzigartigen Einzelexemplare zusammen ergibt sich die Gattung.[9] Strauss beschreibt die Beziehung von Gott zu den Menschen ausgehend von Gott: Gott erschuf die Menschen, sie sind seine Produkte.
Feuerbach dreht diesen Gedanken um, behauptet, dass Gott ein Produkt der Menschen sei. Die Grundannahme ist dabei, dass sich das Wesen der Menschen im Gegenstand ihres Umganges offenbart: "An dem Gegenstande wird sich der Mensch seiner selbst bewusst: das Bewusstsein des Gegenstandes ist das Selbstbewusstsein des Menschen. […] Der Mensch verlegt sein Wesen zuerst außer sich, ehe er es in sich findet. Das eigne Wesen ist ihm zuerst als ein anderes Wesen Gegenstand."[10] Das andere Wesen ist in diesem Falle Gott. Wenn sich in der Konfrontation mit einem Gegenstand das Wesen des Menschen offenbart, dann muss das Wesen der Religion, ihr Gegenstand, das Wesen des/der Menschen sein. Auf Gott projiziert der Mensch alle seine Vorstellungen und Wünsche, die diesen wie ein vollkommenes Wesen in Menschenform erscheinen lassen. Deshalb hat die Religion den Menschen zum Thema: "Gott ist, was der Mensch sein will - sein eignes Wesen, sein eignes Ziel, vorgestellt als wirkliches Wesen."[11] Das "wahre" Wesen der Menschen ist laut Feuerbach: "um zu erkennen, um zu lieben, um zu wollen. Aber was ist der Zweck der Vernunft? die Vernunft. Der Liebe? die Liebe … wir erkennen, um zu erkennen, lieben, um zu lieben, wollen, um zu wollen."[12] Der Mensch ist um seiner selbst willen und ist deshalb ein Gattungswesen, weil er sich selber zum Gegenstand seines Denkens machen kann. Das wiederum ist deshalb möglich, weil der Mensch, nach Feuerbachs These, sich selber in den Dingen entgegentritt. So ist Gott ein Teil der menschlichen Welt, im Gegensatz zu der Anschauung Strauss´, in welcher der Mensch Teil der göttlichen Welt ist. „Gattung“ bedeutet bei Feuerbach demnach, dass Menschen sich gegenüber Gott positionieren als Repräsentation der Idee des Menschlichen. Aus der Interpretation Feuerbachs geht aber zudem noch eine andere Annahme hervor, nämlich die, dass der Mensch seine Umwelt formt. In dem Moment, da Gott Teil der menschlichen Welt ist, erscheinen die Menschen als Schaffende, nicht mehr Gott.
Moses Hess unterlegt dem Begriff „Gattung“ wiederum eine andere Bedeutung. Wenn er den Zustand der Gesellschaft beschreibt, behauptet er, dass die Menschen, von ihrer Gattung entfremdet sind, da sie sich nicht mit den um sie herum lebenden gemeinsam betätigen, sondern ihnen als Raubtier gegenübertreten. „Gattung“ erscheint hier als das Ergebnis eines bestimmten menschlichen Verhaltens. Während es bei Feuerbach eine Kategorie war, die unabhängig von individuellem Verhalten bestand, verwendet Hess den Begriff im Sinne einer ethischen Wertung: „Gattung“ wäre als Zustand der Menschheit dann gegeben, wenn sich die Menschen in einer bestimmten Weise, d.h. ihrem Wesen gemäß, verhielten.
Die Vorstellung, dass der Mensch ein Wesen hat, dem er entfremdet werden kann, hat Hess von Feuerbach übernommen. Bei ihm heißt es: "Die Hegelsche Philosophie […] hat das Wesen des Ich außer das Ich gesetzt, abgesondert vom Ich, […] also indirekt, verkehrt - […] So entäußert und entfremdet die absolute Philosophie dem Menschen sein eigenes Wesen, seine eigene Tätigkeit!"[13] Was Feuerbach hier über die Wirkung der Philosophie Hegels und die Theologie schrieb, überträgt Hess strukturell auf die nichtreligiösen Bereiche der organisierten Gesellschaft. Hegel verwendete den Begriff der "einander entfremdeten Menschen", wobei er auf den Konflikt zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft abzielt, etwas, was in der Klassik unter der Konstellation "Pflicht und Neigung" thematisiert wurde. - Das wahre Wesen der Menschen besteht in dem, was sowohl ihr theoretisches als auch praktisches Leben bestimmt, und das ist: "der Verkehr. … Denken und Handeln gehen nur aus dem Zusammenwirken der Individuen hervor."[14] Das vergegenständlichte, entfremdete menschliche Wesen ist für Hess das Geld. In ihm sieht er den Schweiß und das Blut der Menschheit, welches der Mensch, um es sich wieder anzueignen, verzehren muss: "… wir alle können unser Leben nur verzehren, können uns nur gegenseitig auffressen, wenn wir anders nicht verhungern wollen. Denn das Geld, das wir verzehren und um dessen Erwerb wir arbeiten, ist unser eigenes Fleisch und Blut, welches in seiner Entäußerung von uns erworben."[15] Dass die Menschen gezwungen sind, ihr Eigentum zurückzukaufen, erscheint Hess als verkehrte Welt.
[...]
[1] Hess, Moses: (1812 Bonn – 1875 Paris), 1837 `Die Heilige Geschichte der Menschheit´, 1842 Korrespondent der `Rheinischen Zeitung´ in Paris, Kontakt mit Karl Marx und Friedrich Engels, 1845/46 Herausgeber des `Gesellschaftsspiegel´, 1848 Emigration in die Schweiz, Belgien, Holland und Frankreich, 1862 `Rom und Jerusalem´, 1863 Eintritt in den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein; dtv-Lexikon Bd. 8, München 1972, S. 288.
[2] McLellan, D.: Die Jungehegelianer und Karl Marx, München 1974, S. 16.
[3] ebenda, S. 17.
[4] Marx, K.: Zur Judenfrage, in: Marx, K./Ruge, A.: Deutsch-Französische Jahrbücher 1844, Leipzig 1973.
[5] Hess, M.: Über das Geldwesen, in: Cornu, A./Mönke, W. (Hg.): Moses Hess – Philosophische und sozialistische Schriften 1837 - 1850, Berlin 1961.
[6] Ebenda. S. 335.
[7] Ebenda.
[8] Hess, M.: Über die Not in unserer Gesellschaft und deren Abhülfe, a.a.O., S. 324.
[9] McLellan, D.: Die Junghegelianer und Karl Marx, München 1974, S. 108.
[10] Feuerbach, L.: Das Wesen des Christentums, Ausgabe in zwei Bänden, Herausgegeben von W. Schuffenhauer, Berlin 1956, S. 51.
[11] Feuerbach, L.: Grundsätze der Philosophie der Zukunft, in: Kleine philosophische Schriften (1842 –1845). Herausgegeben von Max Gustav Lange, Leipzig 1950, S. 140.
[12] Feuerbach, L.: Das Wesen des Christentums, a. a. O., S. 37.
[13] Feuerbach, L.: Grundsätze der Philosophie der Zukunft, a.a.O., S. 125.
[14] Hess, M.: Über das Geldwesen, a.a.O., S. 331.
[15] Ebenda. S. 335.
- Arbeit zitieren
- Vera Dost (Autor:in), 2003, Moses Hess und Karl Marx, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14429
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