Mit seinem Verständnis von Urteilen und Schlüssen als Prozessen logischen Vorgehens ist für Hegel ein Einweltenszenario in der Logik vorgezeichnet. Ein Vielweltenszenario (ein Modell mehrerer möglicher Welten) würde gerade entgegengesetzt eine ontologische Depotenzierung und radikale Mathematisierung der Logik verlangen. Wirkliches würde relativ auf eine besondere Welt, also w1, w2, w3 etc., was erst seit dem Projekt des Logizismus (das heißt einer Rückführung der Mathematik auf logische Zusammenhänge) und der damit verbundenen Ausweitung der Logik auf alle mathematischen Gebiete möglich ist. Es geht aber eben Hegel um eine logische Analyse des Wirklichkeitsbegriffs, nicht um Analyse der bloßen logischen Möglichkeiten, des logischen Kalküls alleine, wie insbesondere seit der modernen Modallogik im Stile Saul Kripkes geläufig ist.
Hegels Logik bietet somit die Vorteile, die auch andere Logiken des frühen 19. Jahrhunderts (vor Gottlob Frege) haben. Es handelt sich tatsächlich auch bei Hegels Logik, wie bei Immanuel Kants (1724-1804) und Carl Leonhard Reinholds (1757-1823) Logik, sachlich noch um eine logische Begriffsbildung durch Formalisierung einer anschaulich gegebenen Wirklichkeit, einer Wirklichkeit, die uns zunächst durch die sinnliche Anschauung oder auch durch (von unmittelbaren sinnlichen Eindrücken gereinigte) reine Anschauung als geistig Angeschautem gegeben ist. Die Schwierigkeit der Reinheit mag mit ein Grund sein, warum die von Anschauungen gereinigte reine Wissenschaft der Logik Hegels mit der Analyse metaphysischer Begriffe beginnen muss. Die anfänglichen logisch notwendigen metaphysischen Differenzierungen (1. Teil der Logik) werden reflektiert, insofern sich die Logik mit dem Begriff des Wirklichen beschäftigt (2. Teil der Logik). Daraufhin, also erst nach und aufbauend auf dem konzeptuellen Rahmen, der die Entwicklung der logischen Begriffsbildung aus Angeschautem ermöglicht, folgt die Lehre vom Urteil (kategorisches, hypothetisches und disjunktives) und die Lehre vom logischen Schließen (kategorisches Schließen, hypothetisches Schließen, disjunktives Schließen) (3. und abschließend letzter Teil der Logik), angewandt auf die Wirklichkeit unter mechanischen Gesetzen, unter chemischen Gesetzen und unter Gesetzen der Ordnung des ganzen Universums, der nur reflektiert angenommenen Teleologie, einem reflektierten Urteil des geordneten (gesetzmäßigen und verständlichen) Zusammenhangs des Universums.
Inhaltsverzeichnis
- Analyse der Wirklichkeit
- 1. Teil der Logik: Metaphysische Differenzierungen
- 2. Teil der Logik: Der Begriff des Wirklichen
- 3. Teil der Logik: Lehre vom Urteil und logisches Schließen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert G.W.F. Hegels „Wissenschaft der Logik“ unter dem Fokus auf das Verhältnis zwischen Logik und Wirklichkeit. Ziel ist es, Hegels Verständnis von Logik als einem Instrument zur Analyse des Wirklichen im Vergleich zu modernen, mathematisierten Logiken zu beleuchten.
- Logische Analyse der Wirklichkeit
- Kritik von Mehrweltenkalkülen
- Hegels Logik im Kontext der Philosophie des 19. Jahrhunderts
- Bedeutung von Anschauung und sinnlicher Erfahrung für die logische Begriffsbildung
- Zusammenhang zwischen Logik und Naturwissenschaften
Zusammenfassung der Kapitel
Im ersten Teil der Logik legt Hegel die metaphysischen Grundlagen für seine Theorie fest. Er erörtert wichtige Begriffe wie Identität, Unterschied, Widerspruch und Existenz, die im zweiten Teil der Logik auf den Begriff des Wirklichen angewendet werden. Im dritten Teil der Logik werden schließlich die Lehren von Urteil und logischem Schließen entwickelt und auf die Wirklichkeit unter mechanischen, chemischen und teleologischen Gesetzen angewandt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Themen wie G.W.F. Hegel, Logik, Wirklichkeit, Mehrweltenkalkül, Anschauung, sinnliche Erfahrung, logische Begriffsbildung, Naturwissenschaften, Substanz-Prädikatenlogik, Metaphysik, Teleologie, Gottlob Frege, Bertrand Russell, Immanuel Kant.
- Arbeit zitieren
- Aaron Fellbaum (Autor:in), 2024, Vor- und Nachteile der "Neuen Logik". Analyse der Wirklichkeit statt Analyse des Möglichen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1443294