In einer [...] Gesellschaft ist der Körper zur Visitenkarte des Subjekts geworden; er ist das Instrument, das Produkt und zugleich der Produzent von Selbst-Inszenierungen. Er ist aber auch der Repräsentant des sozialen Status einer Person wie er zugleich durch seine Aktivität diesen Status bestätigt und beglaubigt (Klein, 2008, S. 258, Im Orig. teilw. herv.).
Ausgangspunkt dieser Hausarbeit ist die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Körper und Gesellschaft. Es erfolgt eine Darstellung der gleichzeitigen Entkörperlichung und Wiederentdeckung des Körpers in modernen Gesellschaften. Zunächst wird auf die Verdrängung des Körpers im Verlauf der gesellschaftlichen Entwicklung und der zunehmenden Instrumentalisierung, mit einem Funktionsverlust und steigender Kontrolle des Körpers, eingegangen. Anschließend wird die simultan stattfindende starke Aufwertung des Körpers als identitätsstiftendes Medium sowie die Idealisierung des Körperbildes erörtert. Diese moderne Körperlichkeit wird mit Hilfe von verschiedenen Körperbilder und Körperinszenierungen ausgedrückt. In einer exemplarischen Darstellung wird deutlich, dass der Körper gestylt wird, um den Anforderungen der modernen Gesellschaft besser gewachsen zu sein. Er soll Jugendlichkeit, Fitness, Gesundheit und Schönheit vermitteln. Die Punk Bewegung dagegen wendet sich bewusst gegen gesellschaftlich anerkannte Verhaltes-, Schönheits- und Reinheitscodes. Die Empörung über die Modernisierung, Anonymität und Unpersönlichkeit in modernen Gesellschaften wird hier über den Körper ausgedrückt. Die Schlussbetrachtung beinhaltet schließlich eine kurze Zusammenfassung der herausgearbeiteten Aspekte.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Verhältnis von Körper und moderner Gesellschaft
2.1 Entkörperlichung
2.2 Wiederentdeckung des Körpers
3 Körperbilder und Körperinszenierungen
3.1 Gestylte Körper
3.2 Punk-Körper
4 Schlussbetrachtung
5 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
In einer […] Gesellschaft ist der Körper zur Visitenkarte des Subjekts geworden; er ist das Instrument, das Produkt und zugleich der Produzent von Selbst-Inszenierungen. Er ist aber auch der Repräsentant des sozialen Status einer Person wie er zugleich durch seine Aktivität diesen Status bestätigt und beglaubigt (Klein, 2008, S. 258, Im Orig. teilw. herv.).
Aufgrund dessen wird der Körper von einem Großteil der Bevölkerung intensiv gepflegt, bearbeitet und trainiert. Der Sportkörper ist zu einem Vor- und Leitbild eines Großteils der Gesellschaft geworden. „Er ist ein makelloser Körper, der Bild-Körper einer Gesellschaft, die ihre Sinnstiftungen immer mehr über Bilder generiert“ (ebd., S. 258; im Orig. teilw. herv.). Jugendlichkeit, Fitness und Gesundheit sind so zu Leitbildern der modernen Gesellschaft geworden. Es gibt aber auch Bewegungen, die ihren Körper bewusst als Instrument einsetzten, um ihren Protest, ihre Konfrontation oder Verweigerung gegenüber der Modernität in der Öffentlichkeit auszudrücken. Beide Körperbilder bzw. -inszenierungen sind Ausdruck einer modernen Körperlichkeit, die wiederum das Resultat gesellschaftlicher Differenzierungs- und Individualisierungsprozesse ist.
Die vorliegenden Arbeit setzt sich mit folgendem Thema auseinander: „Der Körper in der modernen Gesellschaft - Idealbilder und Inszenierungen“. Aufgrund der zunehmenden Präsenz und Thematisierung des sportlichen Körpers, der Fitness, Schönheit und Jugendlichkeit in der Gesellschaft und den Medien wurde mein Interesse an dieser Thematik geweckt. Ziel der Arbeit ist es, den Zusammenhang zwischen den Veränderungen der Gesellschaft und des Stellenwertes des Körpers aufzuzeigen sowie eine Erklärung für die aktuelle Ausgestaltung der modernen Körperlichkeit zu gewinnen.
Ausgangspunkt dieser Hausarbeit ist die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Körper und Gesellschaft. Es erfolgt eine Darstellung der gleichzeitigen Entkörperlichung und Wiederentdeckung des Körpers in modernen Gesellschaften. Zunächst wird auf die Verdrängung des Körpers im Verlauf der gesellschaftlichen Entwicklung und der zunehmenden Instrumentalisierung, mit einem Funktionsverlust und steigender Kontrolle des Körpers, eingegangen. Anschließend wird die simultan stattfindende starke Aufwertung des Körpers als identitätsstiftendes Medium sowie die Idealisierung des Körperbildes erörtert.
Diese moderne Körperlichkeit wird mit Hilfe von verschiedenen Körperbilder und Körperinszenierungen ausgedrückt. In einer exemplarischen Darstellung wird deutlich, dass der Körper gestylt wird, um den Anforderungen der modernen Gesellschaft besser gewachsen zu sein. Er soll Jugendlichkeit, Fitness, Gesundheit und Schönheit vermitteln. Die Punk Bewegung dagegen wendet sich bewusst gegen gesellschaftlich anerkannte Verhaltes-, Schönheits- und Reinheitscodes. Die Empörung über die Modernisierung, Anonymität und Unpersönlichkeit in modernen Gesellschaften wird hier über den Körper ausgedrückt. Die Schlussbetrachtung beinhaltet schließlich eine kurze Zusammenfassung der herausgearbeiteten Aspekte.
2. Verhältnis von Körper und moderner Gesellschaft
Es ist davon auszugehen, dass die Gesellschaft aufgrund von Differenzierungs- und Individualisierungsprozessen eine moderne Körperlichkeit produziert. In diesem Zusammenhang wird die moderne Gesellschaft nicht als Ansammlung von einzelnen Individuen verstanden, sondern als ein hochkomplexes Sozialsystem, welches unterschiedliche Kommunikationszusammenhänge herausgebildet hat, „die ihre unterschiedlichen Funktionen über spezifische Codes und Programme operationalisieren“ (Bette, 1999, S. 114).
In modernen Gesellschaften haben sich zwei auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinende Tendenzen der Körperinterpretation heraus gebildet. Zum einen ist eine Entkörperlichung und zunehmende Instrumentalisierung des Körpers festzustellen und zum anderen eine Wiederentdeckung und Idealisierung des Körperbildes (vgl. Heinemann, 2007, S. 100). Bette (1999, S. 113) bezeichnet diese Entwicklung als „eine simultan ablaufende Steigerung von Körperverdrängung und Körperaufwertung im Rahmen der modernen Gesellschaft.“ Bei diesem scheinbaren Widerspruch geht es im Grunde somit um die Relation von Körper und Gesellschaft (vgl. ebd., S. 114).
2.1 Entkörperlichung
Entkörperlichung bedeutet zum einen, dass Identität und sozialer Rang des Einzelnen ebenso wie das Funktionieren sozialer Systeme unabhängig gegenüber körperlichen Eigenschaften und dem körperlichen Erscheinungsbild werden, diese aber zumindest weniger zählen als z.B. ‚Intelligenz‘ und Charakter‘; zu anderen bedeutet Entkörperlichung, dass expressive Körperkontrollen, also die Kontrollen z.B. emotioneller Regungen […] ebenso wie Kontrollen der Triebstrukturen zunehmen (Heinemann, 2007, S. 90; im Orig. teilw. herv.).
Die Entkörperlichung zeigt sich somit zum einen in einem Funktionsverlust des Körpers und zum anderen in der steigenden Kontrolle des Körpers (vgl. ebd., S. 90).
Die Entwicklung einer modernen Gesellschaft wäre ohne eine zunehmende Distanz zwischen Individuum und Gesellschaft also auch zwischen Körper und Gesellschaft nicht möglich gewesen (vgl. Bette, 1999, S. 114). Es ist belegt, dass im Verlauf der gesellschaftlichen Entwicklung eine „Entkörperlichung“ stattgefunden hat. In vorindustriellen Gesellschaften hatten Körperaktivität und -fähigkeit einen deutlich höheren Stellenwert bei der Entwicklung der Identität und dem Funktionieren der gesellschaftlichen Systeme als heute in industriellen Gesellschaften.
Das Funktionieren des Körpers war sowohl in Turnieren als auch in kriegerischen Auseinandersetzungen von großer Bedeutung. Außerdem waren die körperlichen Eigenschaften wichtige Tugenden für militärische und politische Ämter. Zudem wurden über den Körper soziale Beziehungen aufgebaut und gefestigt. Auch Macht und Herrschaftsausübung erfolgten über das körperliche In-Erscheinung treten (vgl. Heinemann, 2007, S. 90).
In der Industriegesellschaft war der Körper an Körpermaschinen gekoppelt, die Leistungsstärke und physische Kraft des Körpers, die in bestimmten vorgegebenen Zeiteinheiten vollbracht werden mussten, waren notwendig für die ökonomische Produktivität des System (Klein, 2008, S. 257).
Im Zuge der Medialisierung der Kommunikation und der Globalisierung der Wirtschaft verliert der menschliche Körper an gesellschaftlicher Bedeutung (vgl. ebd., S. 257). Die moderne Wirtschaft und somit auch das wirtschaftliche Handeln laufen zum großen Teil unabhängig von der Person und dem Körper ab. „Der Körper als Bezugsinstanz des Handelns“ (Bette, 1999, S. 115) spielt keine Rolle mehr.
In modernen Gesellschaften nimmt vielmehr die Kontrolle und Disziplinierung des Körpers zu. Die Disziplinierung des Körpers zeigt sich in der „Fähigkeit, Bewegungsarmut aushalten zu können bei einem gleichzeitig hohen Einsatz von mentaler Arbeitsleistung“ (Klein, 2008, S. 257). Weitere Merkmale der Disziplinierung sind das Gefühl der Peinlichkeit beim Entblößen des Körpers und die stärkere Eindämmung von Gewalt und Aggression im Verlauf des Zivilisationsprozesses. Die Zunahme der Körperkontrolle zeigt sich besonders in der Kontrolle von Gefühlen wie Freude, Angst oder Trauer (vgl. Heinemann, 2007, S. 91).
Ein weiteres Merkmal der Entkörperlichung ist der zunehmende Einsatz des Körpers zur Beherrschung der Umwelt und als Instrument zur Leistungssteigerung oder Produktion.
Auch dies soll als eine Form der Entkörperlichung interpretiert werden, denn die Instrumentalisierung des Körpers […] macht es immer schwerer oder gar unmöglich, eine von diesen objekt- und funktionsbezogenen Zwängen freie Körpereinstellung zu entfalten (ebd., S. 92).
In dem der Körper auf einen Gebrauchswert reduziert wird, kann er „ökonomisch“ interpretiert und genutzt werden.
Der Körper wird zu einem Instrument, über das unser Bewusstsein verfügen kann und für das daher auch unser Bewusstsein verantwortlich ist. […] Erst diese normative Konstruktion des Körpers wird zur Grundlage seiner Instrumentalisierung (ebd., S. 92).
Der menschliche Körper wird zu einer Ressource und somit zu einem Kapital, welches immer produktiver und effizienter funktionieren muss. Von außen werden die Möglichkeiten des Menschen auf ihre Nützlichkeit hin überprüft und reduziert. Dadurch erfolgt eine „Entkörperlichung“.
Die dargestellten Bespiele machen deutlich, dass die technischen Mechanismen Auswirkungen auf die Person und den Körper haben.
Person und Körper mußten auf Distanz gesetzt werden, damit die moderne Gesellschaft sich in die Dimensionen hinein entfalten konnte, in denen sie sich gegenwärtig präsentiert. Der Prozess der ‚Entzauberung der Welt‘ […] hat also vor dem Körper nicht haltgemacht (Bette, 1999, S. 118).
Im Hinblick auf die Gesellschaft verliert der Mensch und damit auch der Körper an Bedeutung (vgl. ebd., S. 118).
Der Körper ist die materielle Grundlage und das offenkundige Symbol des Sports. Sport wird über den Körper symbolisiert und kommuniziert. Er wird - in der Art seiner Präsentation, in der Bewertung körperlicher Stärke und Fitness, in der Verherrlichung spezifischer körperlicher Kompetenzen und ästhetischer Formen und Bewegungen, in der Erotisierung seiner Darstellung - über den Körper als soziales System reproduziert (Heinemann, 2007, S. 95).
Im Leistungssport führt die Instrumentalisierung des Körpers zu Auseinandersetzungen, um die Frage der Verfügbarkeit und kommerziellen Nutzung des Körpers. Die Darstellung des weiblichen Körpers in den Medien und der Werbung sind z.B. von einem Großteil der Frauen nicht gewollt und nicht akzeptiert. Die Möglichkeiten der Selbstbestimmung werden daher häufig nicht berücksichtigt (vgl. ebd., S. 95).
Scheinbar im Widerspruch zu diesen Prozessen der Entkörperlichung bilden sich jedoch Entwicklungen heraus, die eine „Verringerung der Körperkontrollen und -zwänge bewirken“ (ebd., S. 95). Die Distanz zwischen Mensch, Körper und Gesellschaft wird jedoch zu einer wichtigen Grundlage für die zunehmende Aufwertung bzw. Wiederentdeckung des Körpers innerhalb einer körperverdrängten Gesellschaft. Denn „[d]ie moderne Gesellschaft stimuliert sowohl Prozesse der Körperverdrängung als auch der Körperaufwertung“ (Bette, 1999, S. 118; Zusatz von J.M.).
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