Leseprobe
„Just health care“(1985) – Norman Daniels
Daniels Buch „Just health care“ steht im Kontext einer healthcare ethics, einer Ethik der Gesundheitsversorgung. Daniels versucht darin, John Rawls Werk „Theory of Justice“(1971) auf seine Theorie der “health care” zu adaptieren.
Gegenstand der Gerechtigkeitstheorie nach Rawls, ist die moralische Bewertung von gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen, nicht einzelner Handlungen von Individuen. Dabei ist Gerechtigkeit die erste Tugend sozialer Institutionen. Die Idee einer wohlgeordneten Gesellschaft, in der notwendige Gerechtigkeitsgrundsätze allgemein akzeptiert sind, schafft eine faire Ausgangsposition.
Die hypothetische Vertragssituation ist eine Operationalisierung der Idee der Unparteilichkeit in Gestalt eines „Urzustandes“, in dem die Teilnehmer sich hinter einem „Schleier des Nichtwissens“ befinden, welcher die moralisch willkürliche Verteilung von „natürlichen Gütern“ wie Intelligenz, Lebenskraft, Phantasie oder Gesundheit durch die „Lotterie der Natur“ neutralisiert (vgl. Thielmann). Die Verteilung der natürlichen Güter ist weder gerecht noch ungerecht. Als gerecht oder ungerecht kann allein bezeichnet werden, wie Institutionen mit dieser natürlichen Verteilung umgehen.
Die hypothetische Vertragssituation geht von folgenden Grundannahmen bezüglich ihrer Teilnehmer aus: Alle Bürger verfügen über normale physische und psychische Fähigkeiten und sind ihr Leben lang normale, aktive und voll mitarbeitende Mitglieder der Gesellschaft. Diese besitzen einen „Gerechtigkeitssinn“, indem sie die Gerechtigkeitsgrundsätze verstehen, anwenden und nach ihnen handeln. Die Verteilung bestimmter „sozialer Grundgüter“ wie Freiheit, Chancen, Einkommen, Vermögen und die sozialen Grundlagen der Selbstachtung sind gleichmäßig verteilt, außer eine ungleichmäßige Verteilung bringt jedem einen Vorteil. Es dient das Einkommen als Verrechnungseinheit, als Maßstab, in der die Verteilung der übrigen sozialen Güter gemessen wird.
Im „Urzustand“ würden sich die Teilnehmer auf zwei Gerechtigkeitsgrundsätze und zwei so genannte Vorrangregeln einigen:
Erster Grundsatz (Grundrechte /-freiheiten): „Jedermann hat gleiches Recht auf das umfangreichste Gesamtsystem gleicher Grundfreiheiten, das für alle möglich ist.“
Zweiter Grundsatz (Differenzprinzip): „Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten müssen folgendermaßen beschaffen sein: (a) sie müssen unter der Einschränkung des gerechten Spargrundsatzes den am wenigsten Begünstigten den größtmöglichen Vorteil bringen, und (b) sie müssen mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die allen gemäß fairer Chancengleichheit offen stehen.“
Erste Vorrangregel = Vorrang der Freiheit: „Die Gerechtigkeitsgrundsätze stehen in lexikalischer Ordnung; demgemäß können die Grundfreiheiten nur um der Freiheit willen eingeschränkt werden, und zwar in folgenden Fällen: (a) eine weniger umfangreiche Freiheit muss das Gesamtsystem der Freiheiten für alle stärken; (b) eine geringere als gleiche Freiheit muss für die davon Betroffenen annehmbar sein.“
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- Arbeit zitieren
- Stud. phil. Jan Schultheiß (Autor), 2008, Über Norman Daniels Ethik der Gesundheitsversorgung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144492
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