Die moderne (Geschichts-)Forschung hat der mittelalterlichen Bildung besondere Aufmerksamkeit
geschenkt. Nicht nur im Bereich der Schrift- und Literaturentwicklung, sondern besonders im
Hinblick auf die Entstehung und Augmentation der Universitäten, deren Verfassungen auch im
heutigen Hochschulbetrieb gewisse Geltung besitzen.
Moderne Universitäten, wie Paris oder Bologna, berufen sich nicht ohne Stolz auf ihre
mittelalterlichen Anfänge und die damit verbundene weitreichende Lehr- und Lerntradition. Vor
diesem Hintergrund wurde die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Geschichte, den Strukturen
und dem Betrieb der alten Universitäten von den modernen Hochschulen in besonderem Maße
subventioniert. Seither sind zahlreiche Publikationen zu berühmten Bildungseinrichtungen, deren
Fakultäten und Lehrbetrieb erschienen, die mit Gespür und fachlicher Präzision allgemeine und
besondere Facetten der mittelalterlichen universitates beleuchteten.
Den Bildungsweg einer konkreten Person zu rekonstruieren, blieb jedoch meistens hinter abstrakten
Modellen und Theorien zum universitären Lehrbetrieb zurück. Dieser Mangel wurde insbesondere
von der Quellenlage – bei der historischen Untersuchung werden in erster Linie Urkunden zu
Privilegien o. ä. und Statuten der einzelnen Fakultäten herangezogen – bedingt.
Der Occultus Erfordensis des Nikolaus von Bibra kann als bildungshistorischer Glücksfall gelten.
Das Gedicht aus dem dreizehnten Jahrhundert liefert detaillierte Informationen zum Bildungsweg
eines Thüringer Rechtsgelehrten, der als exemplarisch für „das Erziehungswesen der damaligen
Zeit angesehen werden“1 kann.
In der folgenden Untersuchung wurde versucht, den genauen, jedoch keineswegs in allen
Einzelheiten dargestellten, Werdegang des Heinrich von Kirchberg zu rekonstruieren. Es sollte
dabei nicht um eine Nachtzeichnung der im Occultus genannten Informationen gehen. Vielmehr
war es das primäre Anliegen dieser Arbeit, den geschilderten Bildungsweg durch Komplettierung
und Ergänzung zu vervollständigen und somit ein zusammenhängendes Bild einer beispielhaften
mittelalterlichen Juristenkarriere zu schaffen. Das eine solche Rekonstruktion weder Anspruch auf
Lückenlosigkeit, noch auf absolute Wahrheit, in Bezug auf die tatsächlichen – aber verlorenen –
Fakten, erheben kann, versteht sich von selbst und wurde in der Wahl des Titels deutlich zu machen
versucht.
[...]
Inhaltsverzeichnis
- 2. Der Occultus Erfordensis – Eine dichterische Beschreibung Erfurts im späten 13. Jahrhundert
- 2. 1. Quis auctor Occulti? - Die Person des Dichters
- 2. 2. Que materia? – Zu Inhalt und Gliederung des Gedichts
- 3. Der Bildungsweg des Heinrich von Kirchberg
- 3. 1. Schulzeit in Erfurt
- 3. 2. Philosophiestudium in Paris
- 3. 3. Studium der Rechte in Bologna
- 3. 4. Als Doctor Decretorum in Padua
- 4. Heinrich von Kirchberg als Stadtschreiber von Erfurt
- 5. Das Interdikt von 1279 als Ende einer Juristenkarriere
- 6. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Rekonstruktion des Bildungswegs des spätmittelalterlichen Juristen Heinrich von Kirchberg. Sie nutzt das Gedicht „Occultus Erfordensis“ von Nikolaus von Bibra als primäre Quelle, um die Stationen, Zustände und Inhalte des Bildungsweges von Kirchberg zu erforschen und ein zusammenhängendes Bild seiner Juristenkarriere zu schaffen. Die Rekonstruktion soll die im Gedicht genannten Informationen ergänzen und vervollständigen.
- Die Stationen in der Karriere von Heinrich von Kirchberg
- Die Zustände, denen Kirchberg an den verschiedenen Stationen seines Bildungswegs begegnete
- Die Art und Weise des Unterrichts, den Kirchberg erhielt, und die Autoren und Werke, die er kennenlernte
- Die Rolle des „Occultus Erfordensis“ als bildungshistorische Quelle
- Die exemplarische Bedeutung des Bildungswegs von Kirchberg für das Erziehungswesen der damaligen Zeit
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 2 befasst sich mit dem Gedicht „Occultus Erfordensis“ und seinem Autor Nikolaus von Bibra. Es werden die Identität des Autors, seine Motivationen für die anonyme Veröffentlichung des Gedichts und die Bedeutung des Interdikts von 1279 für die Thematik des Werkes beleuchtet. Die Gliederung und der Inhalt des Gedichts werden ebenfalls dargestellt.
Kapitel 3 analysiert den Bildungsweg des Heinrich von Kirchberg. Es werden die verschiedenen Stationen seiner Ausbildung in Erfurt, Paris, Bologna und Padua beleuchtet und dabei die Lehrinhalte, die er an diesen Orten erhielt, die Professoren, die er kennenlernte, und die Autoren, die er studierte, näher betrachtet.
Kapitel 4 widmet sich der Rolle des Heinrich von Kirchberg als Stadtschreiber von Erfurt. Es werden seine Aufgaben, seine Verantwortlichkeiten und seine Bedeutung für die Stadt in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts beleuchtet.
Kapitel 5 behandelt das Interdikt von 1279, das den Höhepunkt der Karriere des Heinrich von Kirchberg markierte. Die Spannung zwischen dem Erfurter Stadtrat und dem bischöflichen Stadtherrn, die Hintergründe des Interdikts und die vergeblichen Versuche des Kirchbergers, das Interdikt durch päpstliche Verfügung revidieren zu lassen, werden dargelegt.
Schlüsselwörter
Diese Arbeit befasst sich mit dem Bildungsweg des Heinrich von Kirchberg, der sich in den Jahren zwischen 1260 und 1279 durch verschiedene europäische Universitäten wie Paris und Bologna bewegte. Themenschwerpunkte sind das Studium des kanonischen Rechts, die Rekonstruktion eines spätmittelalterlichen Bildungswegs auf Basis des „Occultus Erfordensis“, der zeitgeschichtliche Hintergrund des Interdikts von 1279 und die Rolle der Bildung in der spätmittelalterlichen Gesellschaft.
- Arbeit zitieren
- Janis Witowski (Autor:in), 2009, Die Karriere des Heinrich von Kirchberg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144623