Wie formen die Praktiken des Wissenschaftsbetriebs die theoretische Haltung und inwiefern prägen jene das erzeugte Wissen? Von welchem Standpunkt aus wird Wissen produziert und wie kann ‚objektives Wissen‘ generiert werden? Diese Fragen analysiert einerseits Pierre Bourdieu in seiner Analyse des wissenschaftlichen Feldes in einem epistemologischen Interesse, sie werden andererseits auch von Donna Haraway mit dem Versuch, eine kritische, feministische Epistemologie zu schaffen, aufgegriffen und aus dieser Perspektive politisch betrachtet, was zu einer ganz neuen Vorstellung von Objektivität führt. Der vorliegende Essay diskutiert im ersten Teil Bourdieus Analyse der scholastischen Disposition als paradigmatische Sichtweise einer die eigene Praxisbezogenheit leugnenden Wissenschaft, bevor diese im zweiten Teil mit Haraways Theorie des ‚Situierten Wissens‘ konfrontiert und die scholastische Disposition als ‚Göttlicher Trick‘ entlarvt wird. Im dritten Teil werden Bourdieus Methode der konstanten Reflexivität und Haraways Konzept der ‚partialen Verbindung‘ als Wege zur Erlangung von Objektivität diskutiert, bevor jene im Schlussteil abstrahiert und verglichen werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die scholastische Disposition
- Der göttliche Trick
- Reflexivität vs. Partiale Perspektiven
- Dialektik vs. Synthese
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay befasst sich mit der Frage, wie die Praktiken des wissenschaftlichen Betriebs die theoretische Haltung prägen und welche Auswirkungen diese auf die Wissensproduktion haben. Der Text analysiert Bourdieus Kritik an der scholastischen Disposition als einer wissenschaftlichen Denkweise, die die eigene Praxisbezogenheit leugnet, und stellt sie Haraways Konzept des „Situierten Wissens“ gegenüber. Die Analyse untersucht die unterschiedlichen Ansätze von Bourdieu und Haraway zur Erlangung von Objektivität und ihre jeweiligen Schwächen und Stärken.
- Bourdieus Analyse der scholastischen Disposition
- Haraways Kritik an der scholastischen Disposition als „göttlicher Trick“
- Reflexivität als Mittel zur Vermeidung der scholastischen Perspektive (Bourdieu)
- Partiale Perspektiven als Weg zur Erlangung von Objektivität (Haraway)
- Dialektik vs. Synthese in der Konfrontation von Bourdieus und Haraways Ansätzen
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die zentralen Fragestellungen des Essays vor: Wie prägen die Praktiken des Wissenschaftsbetriebs die theoretische Haltung und wie kann „objektives Wissen“ generiert werden? Der Essay beleuchtet die Ansätze von Pierre Bourdieu und Donna Haraway, die sich mit diesen Fragen auseinandersetzen.
Die scholastische Disposition
Dieser Abschnitt erklärt Bourdieus Konzept der „scholastischen Disposition“, die er als eine paradigmatische Sichtweise auf die wissenschaftliche Praxis beschreibt. Die scholastische Disposition zeichnet sich durch die Leugnung der eigenen Praxisbezogenheit und die Vorstellung eines objektiven, singulären Blickpunkts aus. Bourdieu führt die Entstehung dieser Denkweise auf die „Ausdifferenzierungsprozesse“ zurück, die zur Trennung von ökonomischem Feld und Feldern der symbolischen Produktion führten.
Der göttliche Trick
Hier wird Donna Haraways Kritik an der scholastischen Disposition als „göttlicher Trick“ vorgestellt. Haraway argumentiert, dass der scholastische Blick die eigene Verkörpertheit leugnet und eine „Distanzierung des Wissenssubjekts von allem und jedem“ impliziert. Sie kritisiert die „unmarkierte Position des Mannes und des Weißen“, die die Macht zur Objektivität ohne eigene Sichtbarkeit verleiht.
Reflexivität vs. Partiale Perspektiven
In diesem Abschnitt werden Bourdieus und Haraways Ansätze zur Erlangung von Objektivität jenseits des scholastischen Blicks verglichen. Bourdieu plädiert für eine „stete Bemühung um Reflexivität“, um die unbewussten Implikationen des scholastischen Blicks bewusst zu machen. Haraway dagegen setzt auf „partiale Verbindung“ und die Anerkennung der Verkörpertheit aller Visionen als Voraussetzung für Objektivität.
Schlüsselwörter
Scholastische Disposition, Objektivität, Situiertes Wissen, Reflexivität, Partiale Perspektiven, Verkörpertheit, „Göttlicher Trick“, Feministische Epistemologie, Wissensproduktion, Praxisbezogenheit, Machtstrukturen.
- Arbeit zitieren
- Keke Kürvers (Autor:in), 2023, Objektivität jenseits des scholastischen Blicks. Eine Antwort auf Bourdieu mit Haraway, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1449020