Im Herbst 1949 erklärten sowohl die BRD als auch die DDR unterschiedliche Wege, auf denen sie den Faschismus und Militarismus bekämpfen wollten. Diese Wege gründeten in den unterschiedlichen politischen Zielen und Grundsätzen der jeweils herrschenden Macht. Die CDU unter Konrad Adenauer forcierte eine demokratisch liberale Grundordnung im System der Marktwirtschaft und des Kapitalismus sowie eine rechtsstaatliche Ordnung. In der SBZ wurde bereits 1946 die Einheitspartei SED durch eine Zwangsvereinigung von KPD und SPD gegründet, die den Anspruch vertrat, den ersten sozialistischen deutschen Staat zu gründen. In Abhängigkeit zur Sowjetunion zielte die ostdeutsche Politik auf den Aufbau des Sozialismus und die Planwirtschaft sowie die Ausrottung des faschistischen Gedankengutes. Insbesondere in der SBZ/DDR wurde dem Rechtssystem, wegen seiner Durchdringung mit den politischen Zielen, die Grundlage entzogen. Die proklamierte Rechtsstaatlichkeit wurde unter den Maximen der „sozialistischen Gesetzlichkeit“ betrieben. Neben der Verurteilung von NS- und Kriegsverbrechern wurden auch politisch Andersdenkende zu Unrecht als NS – Täter verdächtigt, denunziert und verfolgt. Zum Einen fungierte die ostdeutsche Justiz zur Festigung der Macht und der Monopolstellung der SED. Zum Anderen wurden die politischen Auseinandersetzungen mit dem Westen stets von ihrer Instrumentalisierbarkeit überschattet. Beispielhaft in Wirkung und Ausmaß waren die Waldheimer Prozesse im Frühsommer 1950.
Ausgehend von der Strafverfolgung deutscher Kriegsverbrecher in der Sowjetunion soll sich diese Arbeit mit dem juristischen Teilaspekt der Ahndung und Aufarbeitung von NS – Verbrechen in der SBZ/DDR befassen. Insofern werden zu Beginn dieser Analyse die Voraussetzungen für eine justitielle Ahndung in der SBZ/DDR aufgezeigt. Hierbei sind auch die Grundzüge der sowjetischen Rechtspraxis von Bedeutung. Für die weitere Analyse werden die rechtlichen Grundlagen der Alliierten beleuchtet. Im Anschluss daran muss zwingend der Gründungsmythos der DDR betrachtet werden, um die Vorgehensweise der politischen Funktionäre aufzuzeigen. Daraus ergibt sich der Vorwurf der Instrumentalisierbarkeit des Antifaschismus für politische Zwecke und zudem die These der Kollektivschuld.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Verfolgung von deutschen Kriegs- und NS – Verbrechern in der Sowjetunion und in der SBZ/DDR
- Verfahren nach stalinistischem Vorbild
- Zwischen Rechtsstaatlichkeit und Willkür
- Rechtliche Grundlagen der Waldheimer Prozesse
- Der Ukas 43
- Gesetz Nr. 10 des Alliierten Kontrollrates
- Direktive Nr. 38 des Alliierten Kontrollrates
- Der SMAD Befehl Nr. 201
- Bodenreform und Enteignungen
- Entstehung und Funktion der Rechtsauffassung in der SBZ/DDR
- Waldheimer Prozesse – Juristischer Exzess oder Modellfall ostdeutscher Strafjustiz?
- Historische Einordnung
- Verfahrensvorbereitende Maßnahmen
- Anklagevorbereitung und Verfahren
- Verfahrensdauer und Urteile
- Repatriierung und Amnestien
- Bewertung und Wahrnehmung der Waldheim - Prozesse
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem juristischen Aspekt der Ahndung und Aufarbeitung von NS-Verbrechen in der SBZ/DDR, ausgehend von der Strafverfolgung deutscher Kriegsverbrecher in der Sowjetunion.
- Rechtliche Grundlagen der Strafverfolgung von NS-Verbrechern in der SBZ/DDR
- Einfluss des Stalinismus auf die Strafjustiz in der SBZ/DDR
- Analyse der Waldheimer Prozesse als Beispielfall ostdeutscher Strafjustiz
- Bewertung der Waldheimer Prozesse und ihrer Bedeutung für die ostdeutsche Strafjustiz
- Die Rolle des Antifaschismus in der ostdeutschen Politik und Justiz
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den historischen Kontext der Arbeit dar und erläutert die unterschiedlichen Wege, die die BRD und die DDR nach dem Zweiten Weltkrieg zur Bekämpfung des Faschismus und Militarismus einschlugen. Sie führt die Waldheimer Prozesse als Beispiel für die ostdeutsche Strafjustiz ein.
Kapitel 2 befasst sich mit der Verfolgung von deutschen Kriegs- und NS-Verbrechern in der Sowjetunion und in der SBZ/DDR, wobei die Verfahren nach stalinistischem Vorbild und die Frage der Rechtsstaatlichkeit in der SBZ/DDR beleuchtet werden.
Kapitel 3 analysiert die rechtlichen Grundlagen der Waldheimer Prozesse, einschließlich des Ukas 43, des Gesetzes Nr. 10 des Alliierten Kontrollrates, der Direktive Nr. 38 des Alliierten Kontrollrates und des SMAD Befehls Nr. 201.
Kapitel 4 befasst sich mit der Bodenreform und Enteignungen in der SBZ/DDR.
Kapitel 5 untersucht die Entstehung und Funktion der Rechtsauffassung in der SBZ/DDR.
Kapitel 6 analysiert die Waldheimer Prozesse im Detail, einschließlich ihrer historischen Einordnung, der verfahrensvorbereitenden Maßnahmen, der Anklagevorbereitung und des Verfahrens, der Verfahrensdauer und der Urteile sowie der Repatriierung und Amnestien.
Kapitel 7 befasst sich mit der Bewertung und Wahrnehmung der Waldheimer Prozesse.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen NS-Verbrechen, Strafverfolgung, Waldheimer Prozesse, ostdeutsche Strafjustiz, Stalinismus, Antifaschismus, Rechtsstaatlichkeit, Rechtssystem, politische Instrumentalisierung, Kollektivschuld, Sowjetische Militäradministration (SMAD), SBZ/DDR.
- Arbeit zitieren
- Laura Schiffner (Autor:in), 2010, Die Verfolgung von NS–Verbrechern in der SBZ/DDR am Beispiel der Waldheimer Prozesse 1950, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144907