Entwicklung eines Bestimmungsverfahrens für liposomal verkapseltes Daunorubicin (DaunoXome)


Diplomarbeit, 2000

130 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Krebsforschung als gesellschaftliche Herausforderung
1.2 Die konventionellen Therapiemöglichkeiten
1.3 Allgemeine Aspekte der Chemotherapie
1.4 Pharmakokinetik
1.5 Liposomal verkapseltes Daunorubicin (DaunoXomeÒ)
1.6 Zielsetzungen dieser Arbeit

2 Theoretische Hintergründe
2.1 Anthrazykline
2.1.1 Chemische Eigenschaften der Anthrazykline
2.1.2 Stabilität der Anthrazykline in wässrigen Medien
2.1.3 Anwendung der Anthrazykline in der Chemotherapie
2.1.4 Pharmakokinetik der Anthrazykline
2.1.5 Bisherige Analytik der Anthrazykline und alternative Bestimmungsverfahren
2.2 Liposomal verkapselte Zytostatika
2.2.1 Entwicklung der liposomal verkapselten Anthrazykline
2.2.2 DaunoXomeÒ
2.2.3 Anwendung und Vorteile von DaunoXomeÒin der Chemotherapie
2.2.4 Pharmakokinetik von DaunoXomeÒ
2.3 Festphasenextraktion von Pharmaka aus biologischen Matrizes
2.3.1 Off-line Festphasenextraktion
2.3.2 On-line Festphasenextraktion durch LC-LC Kopplung
2.3.3 Extraktion mit restricted-access Material
2.4 Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie
2.4.1 Beurteilungsparameter für gute Chromatogramme in der HPLC
2.4.2 Probleme bei der Chromatographie basischer Analyten
2.4.3 Detektion mittels Fluoreszenz und Absorption

3 Entwicklung des Bestimmungsverfahrens Detektion der Anthrazykline
3.2 Stabilität der Anthrazykline in wässrigen Medien
3.3 Auswahl der chromatographischen Phase und Optimierung der Trennparameter
3.4 Optimierung der Probeninjektion
3.5 Entwicklung der off-line Extraktion
3.6 Validierung der off-line Festphasenextraktion – Kalibrierfunktion
3.7 Entwicklung der on-line Extraktion
3.8 Validierung der on-line Festphasenextraktion – Kalibrierfunktion
3.9 Vergleich der Extraktionsverfahren

4 Anwendung des Bestimmungsverfahrens auf Patientenproben
4.1 Bestimmung der Plasmakonzentration von DaunoXomeÒ
4.2 Pharmakokinetik von DaunoXomeÒ

5 Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

6 Literaturverzeichnis

7 Anhang
7.1 Verzeichnis wichtiger Abkürzungen und Symbole
7.2 Verwendete Geräte und Materialien
7.3 Verwendete Chemikalien
7.4 Danksagung

1 Einleitung

1.1 Krebsforschung als gesellschaftliche Herausforderung

In der Statistik der Todesursachen ist Krebs seit 1900 in den Industrieländern von der siebten auf die zweite Stelle vorgerückt. Überflügelt wird er nur noch von den Herz-Kreislauf- Erkrankungen. Zu den tumorinduzierenden Faktoren zählen ultraviolette und ionisierende Strahlung, krebserregende Stoffe und krebserzeugende (onkogene) Viren. Formale Ursachen der Steigerung der Krebserkrankungen sind die zunehmend steigende Lebenserwartung und die deutlich verbesserte Diagnostik von Krebsleiden. Tatsächliche Steigerungen der Todesrate begründen sich in zunehmender Exposition der Bevölkerung gegenüber tumorinduzierenden Faktoren. Hier seien besonders die Risiken des Rauchens hervorgehoben, da etwa 20 % aller Raucher im Verlauf ihres Lebens an Lungenkrebs erkranken. Auch die zunehmende Strahlen- belastung durch diagnostische Verfahren wie Röntgen, die Belastung durch Sonnenein- strahlung in Kombination mit mangelndem Hautschutz und die Belastung durch die Einwirkung karzinogener Chemikalien sind als Ursache von Krebsleiden zu sehen [1].

Bei Menschen im Erwerbstätigenalter von 16-60 Jahren liegt Krebs in der Statistik der Todes- ursachen sogar an erster Stelle und stellt damit nicht nur ein persönliches Schicksal und Leid dar, sondern auch eine gesellschaftliche Herausforderung. Trotz dieser Tatsachen existiert in Deutschland noch immer kein Krebsregister, das alle auftretenden Krebserkrankungen anonymisiert verwaltet. Eine solche Datenbank könnte eindeutige Auskünfte über Häufigkeit, regionale Verteilung, zeitliche Veränderungen, mögliche Ursachen und Therapierbarkeit von Tumorerkrankungen geben. Infolgedessen liegen keine gesicherten statistischen Daten über die Krebssituation in Deutschland vor. Schätzungen gehen von jährlich weit über 350.000 Neuerkrankungen aus, von denen etwa 50 % die folgenden 5 Jahre nicht überleben [2].

Jede einzelne der rund 30 Billionen Körperzellen kann durch eine Reihe physikalischer, chemischer oder biologischer Einflüsse an jedem beliebigen Ort des Körpers in eine Tumorzelle umgewandelt werden. Jeder Tumor geht auf die Mutation einer einzelnen Zelle zurück, die in eine Phase unkontrollierter Zellteilung eingetreten ist. Benigne oder gutartige Tumore gefährden in der Regel nicht das Leben des Patienten, da sie sich vom umliegenden Gewebe abkapseln, lokal verbleiben und keinen zerstörenden Einfluß auf benachbarte Zellen nehmen. Anders ist dies bei den malignen oder bösartigen Tumoren, die invasiv in das umliegende Gewebe hineinwachsen, Zellverbände zerstören und durch Ausschüttung von Tumorzellen in die Blutbahn oder das Lymphsystem an anderen Orten im Körper Metastasen erzeugen.

Die Art eines malignen Tumors kann unterteilt werden, indem man den Ort der Entstehung als Kriterium heranzieht. Bösartige Tumore im Epithelgewebe wie Haut und Schleimhaut

werden als Karzinome, im Bindegewebe wie Muskel, Fett und Knochen als Sarkome bezeichnet. Eine bösartige Erkrankung der weißen Blutkörperchen im blutbildenden System bezeichnet man als Leukämie [3].

Aufgrund der vielfältigen Entstehungsmöglichkeiten von Tumoren besteht die wichtigste Maßnahme zur Abwehr einer Tumorerkrankung in der Minimierung von Risikofaktoren und einer frühzeitigen Erkennung durch umfassende medizinische Diagnostik. Allein durch diese Maßnahmen, kombiniert mit den bestehenden Therapieverfahren, könnten etwa 2/3 aller Krebserkrankungen vermieden bzw. die Heilungschancen drastisch verbessert werden [1].

1.2 Die konventionellen Therapiemöglichkeiten

Die Behandlung der Tumorerkrankungen hat in den letzten Jahren beständig Fortschritte gemacht, so daß die Heilungsraten weiter angehoben wurden, die Überlebenszeit selbst bei unheilbar Kranken verlängert, und die Lebensqualität der Patienten deutlich verbessert werden konnte. Wissenschaftliche Erfolge bedeuten für den einzelnen Patienten neue wirksame Behandlungsmethoden, eine verbesserte Verträglichkeit bestehender Behandlungsschemata und einen effektiven Schutz vor unerwünschten Begleiteffekten durch gezielte Gegenmaßnahmen. Wenn trotz aller Anstrengungen eine Heilung nicht mehr möglich ist, gewinnt das Ziel der Erhaltung von Lebensqualität die höchste Priorität.

Die konventionellen Therapien beruhen im wesentlichen auf drei Säulen zur Bekämpfung eines Tumors. Geschwülste, die auf ihren Entstehungsort begrenzt sind und keine Fernmetastasen gesetzt haben, können mit guten Heilungschancen durch einen operativen Eingriff entfernt werden. Mit der Weiterentwicklung der Laser-Technik und der Nutzung endoskopischer Verfahren konnten hier in den letzten Jahren deutliche Fortschritte erzielt werden. Auch bei einer schon fortgeschrittenen Erkrankung, verbunden mit einer großen Tumormasse, ist die operative Entfernung und Reduktion des Tumors mittels chirurgischer Eingriffe der erste Therapieschritt.

Zur Behandlung lokaler Tumore steht alternativ auch die Strahlentherapie zur Verfügung. Das Wirkprinzip bei der Applikation von Photonen- oder Teilchenstrahlen beruht auf einem direkten Energieübertrag der Strahlung auf die Tumorzellen. Diese werden auf molekularer Ebene geschädigt und sterben ab. Die Wirkung läßt sich nicht exakt auf die Tumorzellen begrenzen, es werden immer auch Zellen in unmittelbarer Umgebung und den Einschußrichtungen der Strahlung geschädigt. Durch neue Entwicklungen in der Technik der Strahlenanwendung können diese Nebenwirkungen aber deutlich vermindert werden. Die Vorteile der Strahlentherapie liegen darin, daß die gesunden Körperzellen nach und nach den Platz des Tumors einnehmen können, ohne daß weitere Funktionsbeeinträchtigungen zu erwarten sind, wie dies bei einem großräumigen chirurgischen Eingriff der Fall ist.

Als drittes mächtiges Werkzeug steht dem Arzt die antineoplastische Chemotherapie durch Applikation von Zytostatika zur Verfügung. Die Wirkung der Zytostatika beruht auf chemischen Reaktionen, die auf molekularer Ebene zu einer Störung der Zellteilung führen, so daß eine Hemmung des Zellwachstums und idealerweise der Zelltod der Tumorzelle ausgelöst wird. Körpereigene Abwehrstoffe und Abwehrzellen greifen die so geschädigten Tumorverbände an, lösen sie auf und bauen die Zellfragmente ab. Auf diese Weise schrumpft der Tumor und gesundes Gewebe gewinnt wieder die Oberhand.

Die Zytostatika greifen aber auch gesunde Körperzellen an, da eine Differenzierung zwischen gesunden Zellen und Tumorzellen schwierig ist. Der Angriffspunkt der Zytostatika liegt meist in der abnormalen Wachstumsgeschwindigkeit des Tumorgewebes und dem damit verbundenen hohen Stoffwechsel der entarteten Zelle gegenüber normalen Körperzellen. Der Angriff erfolgt aber auch auf die Zellen des blutbildenden Systems im Knochenmark, der Schleimhäute und Haare, so daß als Nebenwirkungen Haarausfall, Durchfall, Entzündungen der Schleimhäute und eine vorübergehende Hemmung der Blutbildung auftreten. Diese Nebenwirkungen klingen in der Regel nach Ende der Therapie ebenso schnell wieder ab und können durch Gabe unterstützender Medikamente heute drastisch reduziert werden. Dieser Unterscheidungsaspekt führt zu der scheinbar widersinnigen Beobachtung, daß agressive, schnell wachsende Tumore besser therapiert werden können als langsam wachsende und unter diesem Aspekt weniger gefährliche Tumore. Bei der Entscheidung für eine Chemotherapie muß auch beachtet werden, daß durch die Gabe von Zytostatika wegen deren mutagenen Eigenschaften auch immer Neutumore induziert werden können, die jedoch in der Regel erst mit einer zeitlichen Verzögerung von 5-15 Jahren auftreten [1].

Durch die Verteilung der Zytostatika in allen Kompartimenten des Körpers können sie auch entlegenste Stellen erreichen und Tumorzellen bekämpfen, die einem operativen Eingriff oder einer Strahlenbehandlung nicht zugänglich sind. Es werden auch Metastasen und Tumore geheilt, die noch nicht diagnostisch lokalisiert werden konnten. Diese Möglichkeiten machen die Chemotherapie zu dem wichtigsten Hilfsmittel bei der Therapie von Krebsleiden.

Stand der Technik in der Krebstherapie ist fast immer eine Kombination von wenigstens zwei der drei Methoden, um die Vorteile jeder Methode ausnutzen zu können. Im Bereich der Chemotherapie wird zudem häufig mit Kombinationstherapien verschiedener Zytostatika gearbeitet, um einen optimalen Heilungsverlauf zu gewährleisten.

1.3 Allgemeine Aspekte der Chemotherapie

Der Lebenszyklus einer Zelle und die Teilung in zwei Tochterzellen mit diploidem Chromosomensatz (Mitose) wird unterteilt in verschiedene Stadien, wie es Abbildung 1-1 zeigt. Die zeitlich sehr variable G1-Phase ist die Wachstumsphase der Zelle und dient der Vorbereitung auf die Zellteilung. In dieser Phase wird die Proteinsynthese gesteigert, die Proteine für den Verteilungsapparat (Mitosespindel) produziert und die Zentriolen neu gebildet. Die sich anschließende S-Phase von etwa 8 Stunden Dauer dient der Replikation der DNS, so daß nach Ablauf dieser Zeit das gesamte genetische Material der Zelle verdoppelt vorliegt. Während der etwa 4-stündigen G2-Phase wird die Zelle auf die abschließende Zellteilung vorbereitet. Der Übergang in die einzelnen Phasen wird durch Zellzyklusproteine gesteuert. Die eigentliche Zellteilung (Mitose) findet in der M-Phase statt. Nach Abschluß der Zellteilung liegen zwei identische Tochterzellen vor, die sich zunächst in der Ruhephase G0 befinden und erneut mit der Phase G1in eine Proliferation eintreten können [4].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1-1: Modell des Zellzyklus [3]

Die Zytostatika beeinflussen das Zellwachstum des Tumors auf unterschiedliche Art und Weise und werden in folgende Gruppen zusammengefaßt. Zyklusunspezifische Zytostatika wirken auf alle proliferierenden Zellen unabhängig von ihrer aktuellen Phase (G1, S, G2oder M). Hierunter fallen Wirkstoffe wie Cyclophosphamid, Busulfan, Ifosfamid und Chlorambucil. Diese Wirkstoffe übertragen Alkylgruppen auf die Desoxyribonukleinsäure (DNS) und verursachen dadurch irreparable Schäden der Zelle. Phasenspezifische Zytostatika beschränken ihren Wirkmechanismus auf bestimmte Zellzyklen. Hierunter fallen Wirkstoffe der Antibiotikaklasse wie Daunorubicin und Doxorubicin. Sie wirken in der S-Phase der Zelle durch Anlagerung eines Moleküls zwischen die DNS Einzelstränge. Die Gruppe der Vinca- alkaloide greift während der M-Phase ein und verhindert die Ausbildung des Spindel-

apparates (Spindelgifte). Eine verwandte Wirkstoffgruppe sind die Taxane Paclitaxel und Docetaxel, die wie die Spindelgifte in der M-Phase des Zellzyklus angreifen. Jedoch liegt der Wirkungsschwerpunkt bei den Taxanen in der Bindung an Mikrotubuli, die zur Ausbildung des Spindelapparates benötigt werden [5].

Die Wirkstoffe der Gruppe der Antimetabolite werden selbst, aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit Bausteinen der Desoxyribonukleinsäure, in die DNS eingebaut. Die so veränderte DNS der Tumorzelle ist anschließend nicht mehr funktionsfähig, die Zelle stirb ab. Der bekannteste Wirkstoff ist das Fluorouracil, aber auch Cytarabin, Mercaptopurin und Thioguanin finden Verwendung. Ebenfalls zellzyklusspezifisch sind die Topoisomerase II Hemmer wie Etoposid und Teniposid sowie die Topoisomerase I Hemmer wie Topotecan und Irinotecan. Diese Substanzen verhindern, daß die DNS nach der Verdoppelung wieder funktionsfähig gemacht werden kann. Erweitert wurden die Behandlungsmöglichkeiten durch Gabe von Anti- hormonen (Tamoxifen, Flutamid und Cortisonderivate) und Zytokinen (Interferone a, b und g sowie Interleukin II), die eine wichtige, unterstützende Aufgabe in einem Therapieschema einnehmen [1].

Zytostatika haben eine relativ kleine therapeutische Bandbreite, so daß die Höhe der Dosierung durch die nicht mehr tolerierbaren Nebenwirkungen begrenzt ist. Relativ zur letalen Dosis werden Zytostatika daher hoch dosiert, da ihre Wirkung auf proliferierende Zellen beschränkt ist. Zellen in der G0-Phase, dem ruhenden Zellpool, sind in der Regel resistent gegenüber Zytostatika. Je größer aber ein Tumor ist, um so mehr Zellen befinden sich aktuell in der G0-Phase. Der Wirkspiegel des Pharmakons muß bei einer Therapie daher für die gesamte Dauer der Proliferation aller Zellen über einem definierten Konzentrations- wert liegen. Dies kann pro Zelle einen Zeitraum von wenigen Stunden bis zu mehreren Tagen und für das Zellenkollektiv eine Behandlungsdauer im Zeitrahmen von Wochen erfordern. Andererseits folgt daraus, daß sofort nach der Gabe des Zytostatikums, zum Beispiel durch intravenöse (i.v.) bolus-Injektion, der optimale Wirkspiegel deutlich überschritten wird, das Chemotherapeutikum damit überdosiert ist. Für Zytostatika sind die Verteilungs-, Eliminierungs- und Metabolisierungsprozesse sowie daraus folgend die optimalen Wirkspiegel und Dosisintervalle meist nur qualitativ bekannt, so daß die Therapieschemata überwiegend auf Empirie und der Erfahrung des Onkologen beruhen.

Die Verstoffwechselung des Zytostatikums durch den Patienten ist im voraus nicht genau vorhersagbar und auch nicht durch einfache klinische Parameter bestimmbar. Somit ist die individuelle Pharmakokinetik des Wirkstoffs nur abschätzbar. Dieses Problem versucht therapeutisches Drug-Monitoring (TDM) zu lösen. TDM bedeutet die Optimierung einer Chemotherapie für einen einzelnen Patienten aufgrund seines individuellen Stoffwechsels und der individuellen Pharmakokinetik.

1.4 Pharmakokinetik

Die Wechselwirkung einer Substanz mit dem Organismus ist die Folge zahlreicher physikalisch-chemischer Prozesse, die sich in einem lebenden Organismus abspielen. Die Wirkung des Pharmakons auf den Körper wird durch die Pharmakodynamik beschrieben, während die Wirkung des Organismus auf das Pharmakon für dessen Kinetik verantwortlich ist. Hierbei läßt sich eine Reaktionskette beschreiben, die drei Anteile erkennen läßt. Die Expositionsphase des Individuums gegenüber der Substanz entspricht der Aufnahme in den Organismus. Es folgt die Verteilung, Bindung und Speicherung im Körper. Dieser Invasions- phase folgt die Evasion, in der die Substanz verstoffwechselt und ausgeschieden wird. Alle diese Phasen zählt man zur Pharmakokinetik, während die eigentliche Wirkung am Zielort die Pharmakodynamik darstellt [9].

Die Wirkung einer Substanz auf den Organismus wird charakterisiert durch die Art der Wirkung (Wirkungsqualität), durch das Ausmaß des Unterschieds zum unbeeinflußten Zustand (Wirkungsstärke) und durch den Zeitraum vom Eintritt der Wirkung bis zu ihrem Ende (Wirkdauer). Durch Messung der Konzentration des Stoffes im Verlauf der Zeit, zum Beispiel im Blut, kann eine Dosis-Wirkungsbeziehung erstellt werden und als Entscheidungs- kriterium für die Beurteilung einer Substanz herangezogen werden. Die Stärke der Wirkung hängt zudem in besonderem Maße von der Dosis am Wirkort und nicht unbedingt von der absolut applizierten Menge ab. Blutplasmakonzentrationen haben deshalb eine große Bedeutung, weil die Plasmaspiegel gut mit der Konzentration des Pharmakons am Wirkort korrelieren. Durch die individuellen Schwankungen in der Kinetik und Dynamik einer Substanz können deutliche Unterschiede zwischen der Dosis-Wirkungsbeziehung in einem Probandenkollektiv und der eines einzelnen Patienten auftreten.

Die Empfindlichkeit eines Individuums läßt sich hierbei leider nicht an einfach bestimmbaren Funktionsgrößen des Organismus ableiten. Die individuelle Empfindlichkeit gegenüber dem Pharmakon ist daher bei der ersten Verabreichung am Patienten immer unbekannt [7]. Faktoren, welche die individuelle Empfindlichkeit beeinflussen können, sind mögliche Erbfaktoren, eine im Laufe des Tages schwankende Arzneimittelempfindlichkeit (Chrono- pharmakologie), pathologische Veränderungen an Leber, Niere und anderen Organen, die am Stoffwechsel beteiligt sind, und das Lebensalter des Patienten. Hinzu kommen Gewöhnungs- entwicklungen gegenüber der Substanz. Diese kann man einteilen in Toleranz, wenn sich die Gewöhnung über einen längeren Zeitraum entwickelt, oder Tychophylaxie, wenn die Entwicklung innerhalb von Stunden oder gar Minuten einsetzt. Auch die Resistenzbildung ist ein Toleranzeffekt, der besonders für Antibiotika und Chemotherapeutika ein entscheidendes Problem darstellt [9].

Durch das therapeutische Drug-Monitoring (TDM) werden individuelle Unterschiede gegenüber dem Kollektiv sehr schnell erfaßt und eine Optimierung der Behandlung für den einzelnen Patienten ermöglicht.

Die Bestimmung der Pharmakokinetik eines Medikamentes erfolgt in der Regel durch Messung der Wirkstoffspiegel und der möglicherweise bioaktiven Metabolitenspiegel in Blut und Urin. Seltener sind Verfahren zur direkten Konzentrationsbestimmung im Gewebe zum Beispiel durch Mikrodialyse oder Gewebeentnahme. Die Quantifizierung einer Substanz aus biologischen Matrizes erfordert zumeist die Abtrennung der Matrix vom Analyten durch Extraktion und die anschließende Analyse. Aus den Daten für die Blutkonzentration wird dann ein pharmakologisches Modell aus unterschiedlichen Verteilungskompartimenten gebildet und eine Dosis-Wirkungsbeziehung erstellt. Mit Hilfe der Pharmakokinetik werden dabei wichtige Parameter wie Halbwertzeit und Ausscheidungsrate (Clearance) eines Wirk- stoffs bestimmt.

Im Zuge des therapeutischen Drug-Monitoring kann dieses Verfahren auf folgende Weise Verwendung finden. Da die individuelle Verstoffwechselung des Zytostatikums vor Gabe der therapeutischen Dosis nicht bekannt ist, bietet es sich an, eine kleine Testdosis zu applizieren, die Kinetik dieser Testdosis zu bestimmen und hieraus die benötigte individuelle therapeutische Dosis zu berechnen, die dann in einem zweiten Schritt verabreicht wird [9]. Problematisch bei dieser Vorgehensweise ist die Bildung von Resistenzen oder Tachophylaxien, so daß die Zeitspanne zwischen Testdosis und therapeutischer Dosis so gering wie möglich sein sollte. Diese Vorbedingung stellt hohe Ansprüche an das analytische Verfahren zur Bestimmung des Wirkstoffs und an das mathematische Modell zur Berechnung der idealen Dosis. Die Analytik sollte schnell und preiswert die benötigten Daten liefern, während das mathematische Modell idealerweise in der Lage sein muß, schon mit wenigen und sehr früh genommenen Meßwerten, die korrekte Pharmakokinetik zu bestimmen. Um eine Einflußnahme auf die individuelle Reaktionsfähigkeit zu vermeiden, sollte die Testdosis so gering wie möglich gehalten werden, so daß die Bestimmungsgrenze des analytischen Verfahrens möglichst niedrig sein muß.

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit des TDM liegt in der therapiebegleitenden Wirkstoffanalytik. Hierbei kann die Verstoffwechselung bei einer ersten therapeutischen und zunächst geschätzten Dosis bestimmt werden, um dann bei einer weiteren therapeutischen Gabe die ideale Wirkstoffkonzentration zu erhalten. Die Anforderungen an das analytische Bestimmungsverfahren wären in bezug auf Geschwindigkeit und Nachweisgrenze deutlich geringer. Die Modellierung der Pharmakokinetik könnte auf mehr Datenwerte zurückgreifen und auch Blutspiegelkonzentrationen in einem späten Therapiezeitpunkt berücksichtigen. Für die Individualisierung der Therapie ist eine kostengünstige Analytik eine entscheidende Voraussetzung für die Umsetzung des TDM im klinisch-onkologischen Alltag.

1.5 Liposomal verkapseltes Daunorubicin (DaunoXomeÒ)

Neben der konventionellen Gabe von Zytostatika als freie Wirkstoffe sind auch Darreichungsformen von Zytostatika kommerziell erhältlich, bei denen der Wirkstoff in sogenannte Liposome eingeschlossen ist. Liposome repräsentieren künstliche Zellen, deren Innenraum durch eine Doppelschicht von Lipiden von der Umgebung abgeschirmt ist. Durch Einbringen des Wirkstoffs in den Liposomeninnenraum erhält man eine Darreichungsform, die sich durch verschiedene Vorteile gegenüber der freien Form auszeichnet. Als Träger- systeme antineoplastisch wirkender Substanzen zu Tumoren in vivo und zum Schutz empfindlichen Gewebes gegen Schädigungen sind die Liposome Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Sie besitzen in vivo eine erhöhte Affinität zu soliden Tumoren und sind damit für Studien der zytostatischen Wirksamkeit eines in solche Liposome eingeschlossenen Chemotherapeutikums besonders interessant. DaunoXomeÒist die liposomal verkapselte Form des Anthrazyklins Daunorubicin und zeichnet sich besonders durch seine geringe Liposomengröße von 45 nm aus, die für eine hohe, selektive Anreicherung im Tumorgewebe sorgt.

1.6 Zielsetzungen dieser Arbeit

Seit mehreren Jahren werden in der Arbeitsgruppe JUNGCLAS Themengebiete aus dem Bereich der Pharmakokinetik von Zytostatika bearbeitet. Nach erfolgreicher Einführung der Plasmadesorptions-Massenspektrometrie (PDMS) in die klinische Analytik [10] konnten bereits erste Bestimmungsverfahren von Doxorubicin / Daunorubicin [11], Etoposid und Teniposid [12] sowie Paclitaxel und Docetaxel [13] mit dieser Methode entwickelt werden. Zur Anwendung kamen diese Verfahren bei der Berechnung von pharmakokinetischen Modellen, die auf wenigen Datenpunkten beruhen (limited sampling model) und eine Voraussetzung für die Entwicklung schneller Bestimmungsmethoden für das therapeutische Drug-Monitoring darstellen [14]. Problematisch bei der PDMS ist der Extraktionsschritt des Analyten aus der Matrix. Dieser zeitaufwendige und kostenintensive Schritt steht einer schnellen und preiswerten Analytik mit diesem Verfahren entgegen.

Die neue Darreichungsform der Anthrazykline, in denen der Wirkstoff in Liposome verkapselt ist, stellt zudem die Anforderung einer differenzierten Extraktion beider Analytformen aus komplexen Matrizes. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, eine Bestimmungsmethode zu entwickeln, die sowohl die freie Form der Anthrazykline als auch die liposomal verkapselte Komponente quantifizieren kann. Die Vorgehensweise soll am Beispiel von liposomal verkapseltem Daunorubicin (DaunoXomeÒ) demonstriert werden, wobei die Extraktion des eigentlichen Analyten Daunorubicin und seiner liposomalen Form sowie eines internen Standards (IS) aus Blutplasma berücksichtigt werden soll. Als interner Standard wird Doxorubicin und die liposomal verkapselte Komponente (CaelixÒ) gewählt. Damit wird das Fernziel verfolgt, bei einer erfolgreichen Methodenentwicklung für liposomales Daunorubicin zugleich ein Bestimmungsverfahren für liposomal verkapseltes Doxorubicin entwickelt zu haben, bei dem nur leichte Adaptionen vorzunehmen sind.

Methodisch sollte zunächst mittels off-line Festphasenextraktion die Blutplasmaprobe von den Matrixbestandteilen befreit werden, eine differenzierte Extraktion in liposomale und freie Wirkstoffe erfolgen und anschließend jeweils Analyt und IS mit Hilfe der Hochleistungs- Flüssigkeitschromatographie (HPLC) aufgetrennt und durch Fluoreszenz-Detektion quantifiziert werden. Die off-line Festphasenextraktion zeichnet sich dabei durch hohe Modularität aus, die es später ermöglichen soll, auch andere liposomal verkapselte Wirkstoffe nach dem gleichen Prinzip differenziert extrahieren zu können.

Alternativ sollten die Möglichkeiten der Übertragung der gewonnenen Erkenntnisse der off- line Extraktion auf eine on-line Festphasenextraktion mittels Kopplung zweier chromatographischer Systeme aufgezeigt werden und eine Bewertung der unterschiedlichen Probenvorbereitungsmethoden durch eine Verfahrensvalidierung vorgenommen werden.

Anhand von Plasmaproben einiger mit DaunoXomeÒbehandelter Patienten sollte dann die Leistungsfähigkeit der entwickelten Methode demonstriert werden und erste Aussagen zur Pharmakokinetik des liposomal verkapselten Wirkstoffs getroffen werden.

2 Theoretische Hintergründe

2.1 Anthrazykline

Die Wirkstoffe Daunorubicin und Doxorubicin sind Vertreter der Klasse der Anthrazykline, einer seit 1930 bekannten Gruppe von Antibiotika mit zytotoxischen Eigenschaften. Der Begriff Anthrazykline wurde von Professor Brockmann (1903-1988, Universität Göttingen) geprägt und bezeichnet die antibiotisch wirksamen Glykoside der Anthrazyklinone, einer Gruppe von Anthrachinon-Derivaten mit linear ankondensiertem Cyclohexan-Ring [15]. Die chemischen Eigenschaften wurden zunächst wenig beachtet und erst in den 50er und 60er Jahren intensiv untersucht.

2.1.1 Chemische Eigenschaften der Anthrazykline

Charakteristisch für diese Substanzklasse ist das annilierte Vierringsystem, das auf 7,8,9,10- tetrahydro-5,12-naphtacenquinon basiert. Über eine glykosidische Bindung ist dieses Grund- gerüst mit einem Aminozucker verbunden, wie Abbildung 2-1 zeigt. Obwohl verschiedene natürliche und synthetische Anthrazykline bekannt sind, werden überwiegend die zuerst entdeckten Antibiotika Daunorubicin und Doxorubicin in der Tumortherapie eingesetzt [16]. Eine Auswahl klinisch relevanter Derivate zeigt Tabelle 2-1.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-1: Struktur der Anthrazykline

Tabelle 2-1: Klinisch relevante Derivate der Anthrazykline

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Anthrazykline Daunorubicin und Doxorubicin sind im Handel als Hydrochloride zu erwerben. Daunorubicin-Hydrochlorid besteht aus orange-roten Kristallen, löst sich gut in Wasser und Alkoholen, ist jedoch wenig löslich in unpolaren organischen Lösemitteln. Die Substanz schmilzt unter Zersetzung bei 189 °C, eine 5 %ige wässrige Lösung hat einen pH- Wert von 5,5. Die molare Masse des Hydrochlorids (Summenformel: C27H29NO10*HCl) beträgt 563,98 u, die der freien Base 527,51 u. Alkalische Lösungen haben eine blaue Farbe. Als Trivialnamen werden Daunorubicin, in älterer Literatur auch Daunomycin oder Rubidomycin verwendet. Die offizielle Bezeichnung der IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry) ist (8S-cis)-8-acetyl-((3-amino-2,3,6-trideoxy-alpha-L-lyxo- hexopyranosyl)oxy)-7,8,9,10-tetrahydro-6,8,11-trihydroxy-1-methoxy-5,12-naphthacendion.

Doxorubicin-Hydrochlorid besteht aus orange-hellroten Kristallen, hat eine molare Masse (Summenformel: C27H29NO11*HCl ) von 579,98 u und schmilzt bei 205 °C unter Zersetzung. Die freie Base hat eine Masse von 543,52 u, ist gut löslich in Wasser und Alkoholen, jedoch wenig löslich in unpolaren, organischen Lösemitteln. Eine 5 %ige wässrige Lösung hat im Vergleich zur Daunorubicin-Lösung einen etwas niedrigeren pH-Wert von 5,0 und ebenfalls eine orange-rote Farbe. Alkalische Lösungen von Doxorubicin sind wie Daunorubicin- lösungen blau gefärbt. Die Namensgebung nach IUPAC lautet (8S-cis)-10-((3-amino-2,3,6- trideoxy-alpha-L-lyxo-hexopyranosyl)oxy)-7,8,9,10-tetrahydro-6,8,11-trihydroxy-8- (hydroxyacetyl)-1-methoxy-5,12-naphthacendion. Als Trivialnamen werden Doxorubicin oder in älterer Literatur auch Adriamycin verwendet. Beide Verbindungen sind toxisch und im Tierversuch nachgewiesenermaßen krebserregend, ihre Dekontamination erfolgt durch 10

%ige wässrige Lösung von Natriumhypochlorid.

Die Anthrazykline Daunorubicin und Doxorubicin werden überwiegend durch anaerobe Fermentation der Bakterienstämme von Streptomyces peuceticus gewonnen, zum Teil bereits aus Bakterien dieser Klasse mit genverändertem Erbmaterial [16]. Die chemische

Totalsynthese ist möglich, wird aber aufgrund ihrer Komplexität nur bei wenigen Derivaten angewendet.

2.1.2 Stabilität der Anthrazykline in wässrigen Medien

Die Eigenschaften der Anthrazykline in wässrigen Medien wurden bisher wenig untersucht, die Ergebnisse sind unterschiedlich und widersprüchlich. Folgende Trends lassen sich jedoch erkennen. Nach Untersuchungen von TOMLINSEN et al. zeigen die Anthrazykline eine starke Adsorptionsneigung an Behälterinnenwandungen, was eine mögliche Ursache für die differenten Ergebnisse verschiedener Arbeitsgruppen ist. Die Stabilitätsuntersuchungen mit Kohlenstoff 14C markierten Anthrazyklinen und radiochemischer Detektion zeigen eine

signifikante Adsorption bei Verwendung von Glas, Polyethylen (PE) und Polytetra- fluorethylen (PTFE). Keine Adsorptionseffekte konnten bei der Verwendung von Polypropylen (PP) beobachtet werden. TOMLINSEN et al. konnten ebenfalls zeigen, daß die Anthrazykline bei pH 5,5 und niedrigen Temperaturen stabiler sind als bei hohen Temperaturen oder kleineren pH-Werten von 2,0 - 4,0 [17].

BOSUNQUET et al. haben in Anwesenheit von Metallionen und UV-Strahlung einen beschleunigten Abbau der Anthrazykline festgestellt, für Daunorubicin-Lösungen wird bei Raumtemperatur eine Halbwertzeit von etwa 40 h angenommen. Konzentrierte Lösungen werden hierbei langsamer abgebaut, da die höhere Konzentration zu einer besseren Absorption des Lichts in den Lösungsrandschichten führt [18].

Die Photolabilität wurde von BEIJNEN et al. ebenso bestätigt wie die optimale Stabilität bei pH 5,5. Oberhalb von pH 5,5 zeigen die Anthrazykline erneut eine beschleunigte Abbaukinetik. Als mögliche Abbauwege wurden die Spaltung der glykosidischen Bindung unter Bildung verschiedener Aglykone und Deoxyaglykone vorgeschlagen. Ein weiterer Erklärungsansatz für den Wirkstoffabbau unter Sauerstoffexposition ist die oxidative Zersetzung des Anthraquinonchromophors. Aus verschiedenen Gründen empfehlen BEIJNEN et al. daher eine Lagerung der Lösungen bei pH 2,5 und -30 °C, da unter diesen Bedingungen auch nach 2 Monaten kein Abbau bestimmt werden konnte. Insgesamt scheint beim direkten Vergleich Daunorubicin in vitro etwas stabiler zu sein als Doxorubicin [19].

In vivo wurden unterschiedliche metabolische Stoffwechselwege für die Anthrazykline gefunden. Der weit überwiegende Abbau geschieht durch in der Leber fixierte Aldoketoreduktasen, die eine stereoselektive Reduktion am Kohlenstoff Nummer 13 katalysieren. Die Anthrazykline werden zu den 13-S-Dihydroverbindungen wie Daunorubicinol und Doxorubicinol reduziert. Die katalytische Reduktion geschieht sehr schnell, so daß die Plasmakonzentrationen der Metabolite die Plasmaspiegel der Ausgangs-

verbindungen nach Injektion rasch übersteigen. Die Bildung von Aglykonen und Deoxy- aglykonen wurde dagegen nur bei wenigen Patienten und in sehr geringen Konzentrationen nachgewiesen. Dieser Abbauweg scheint in vivo keine Relevanz zu besitzen. Die möglichen Abbauwege sind in Abbildung 2-2 zusammengefaßt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-2: In vivo Metabolisierung von Daunorubicin zu Daunorubicinol und sein in vitro Abbau zum Aglykon und drei weiteren Deoxyaglykonen

2.1.3 Anwendung der Anthrazykline in der Chemotherapie

Doxorubicin und Daunorubicin wurden erstmals in den 60er Jahren bei der Behandlung von Leukämien eingesetzt und sind seitdem die am häufigsten verwendeten Chemotherapeutika zur Behandlung von akuten Leukämien bei Kindern und Erwachsenen. Einschränkende Eigenschaften sind die herzschädigende Nebenwirkung, die Knochenmarksuppression und die Ausbildung von Multi-Drug Resistenzen (multi drug resistence, MDR). MDR bedeutet die Entwicklung einer Resistenz des Tumors gegenüber Substanzen, die zuvor appliziert wurden, aber auch gegenüber zuvor nicht applizierten Wirkstoffen. Durch diese besondere Art der

Resistenzbildung, die zudem nicht berechenbar ist, wird die Behandlung von Krebsleiden stark beeinträchtigt, teilweise unmöglich gemacht. Da die Entdeckung von zytostatischen Substanzen noch immer empirisch erfolgt und die Gesamtzahl möglicher Wirkstoffe eher klein ist, bedeutet die MDR eine dramatische Entwicklung in der Chemotherapie. Die Ursachen für die Ausbildung einer MDR sind nicht abschließend geklärt. Neben Resistenzbildungen aufgrund zu geringer Wirkstoffspiegel der eingesetzten Pharmaka konnte auch das Vorhandensein des P-Glykoproteins mit MDR korreliert werden [20].

Neben der MDR und der Knochenmarksuppression macht besonders die herzschädigende Nebenwirkung den Einsatz von Daunorubicin und Doxorubicin schwierig. Frühe Untersuchungen in den 70er Jahren von VON HOFF et al. konnten zeigen, daß die herz- schädigende Wirkung von Daunorubicin dosisabhängig ist und bei jüngeren Patienten deutlich früher einsetzt als bei älteren. Die Auswirkungen waren sowohl unspezifischer Natur in Form von Veränderungen im Elektrokardiogramm als auch Kardiomyophatien [21]. Diese Ergebnisse bestätigten Beobachtungen zur Toxizität von Doxorubicin [22].

CUSACK et al. konnten in einer neueren Studie im Rattenmodell zeigen, daß die Verstoffwechselung nach Applikation von Daunorubicin per bolus-Injektion bei jüngeren Tieren wesentlich schneller erfolgte als bei älteren Ratten. Diese Ergebnisse gaben einen deutlichen Hinweis auf die herzschädigende Nebenwirkung durch einen Metaboliten [23].

Die Untersuchungen bestätigten die individuelle Verstoffwechselung durch den Patienten und haben zu ersten Ansätzen in der Einführung des therapeutischen Drug-Monitoring bei den Anthrazyklinen geführt. ROBERT el al. konnten den sinnvollen Einsatz einer Testdosis mit anschließender Bestimmung der individuellen Pharmakokinetik des Patienten und Optimierung des Therapieschemas bei der Verwendung von Doxorubicin zeigen. Mit dieser Methode konnte bei 75 % aller Patienten die gewünschte Exposition gegenüber Doxorubicin erreicht werden. Bei 6 von 32 Patienten mit Hodgkin- und non-Hodgkin-Lymphomen wurde eine höhere Clearance beobachtet, in nur zwei Fällen eine langsamere Verstoffwechselung als zuvor mit der Testdosis berechnet [28].

Dosisgaben bei einer bolus-Injektion liegen heute bei 15 - 90 mg freier Base pro m2Haut- oberfläche des Patienten. In die Berechnung der Hautoberfläche eines Patienten gehen vor allem das Gewicht und die Größe des Patienten ein. Mit diesen Gaben werden Peaklevel von 158 - 2600 mg Daunorubicin pro mL Blutplasma erzielt. Die Verteilung erfolgt so schnell, daß innerhalb einer Stunde Plasmakonzentrationen erreicht werden, die denen einer kontinuierlichen einstündigen Infusion derselben absoluten Menge entsprechen.

Der Wirkmechanismus von Daunorubicin und Doxorubicin ist nicht vollständig aufgeklärt. Hauptanteil hat eine Störung der DNS-Synthese während der S-Phase einer proliferierenden

Zelle durch Interkalation in die DNS-Doppelstränge. Durch Abbaureaktionen konnten intermediär Anthrazyklin-Semichinone nachgewiesen werden, deren Bildung mit einer Entstehung von Sauerstoffradikalen verbunden ist, die eine Oxidation von zellulären Makro- molekülen bewirken und DNS-Schäden verursachen. Ebenfalls diskutiert werden eine DNS- Adduktbildung, Wechselwirkung des Anthrazyklins mit DNS-Helikase, Hemmung von Topoisomerase II und Auslösen des spontanen Zelltods (Apoptose) [24].

2.1.4 Pharmakokinetik der Anthrazykline

Nach bolus-Injektion von Doxorubicin folgt eine Phase intensiver und schneller Verteilung im Körper, wodurch die initiale Plasmakonzentration (Peaklevel) des Wirkstoffs schnell absinkt. Der Konzentrationsabfall kann am besten durch ein triexponentielles Modell mit Halbwertzeiten der ersten Phase von etwa 5 min, der zweiten Phase von etwa 60 min und einer terminalen Halbwertzeit von 30 Stunden beschrieben werden. Um die Modellierung zu vereinfachen, wird üblicherweise von einem biexponentiellen Abfall ausgegangen. Auch eine einfache Beschreibung als exponentieller Abfall ist möglich, da die berechneten Flächenwerte der Konzentrations-Zeit-Kurve (area under the curve, AUC) in einem solchen Modell etwa 95

% des wahren Wertes entsprechen. Dies wird durch den hohen Peaklevel nach der bolus- Injektion und durch die schnelle, etwa zwanzigminütige Verteilungsphase des Doxorubicin verursacht. Die Verteilungsphase macht bereits 40 % der Gesamt-AUC aus. Die Plasma- Clearence liegt im Bereich von 30-40 L/h und pro m2Hautoberfläche.

Die Pharmakokinetik von Daunorubicin verhält sich ähnlich. Die Beschreibung durch einen triexponentiellen Konzentrationsabfall mit Halbwertszeiten von 6 min, 90 min und 20 Stunden zeigt, daß die terminale Halbwertszeit kleiner ist als die von Doxorubicin. Ein mono- exponentielles Modell vorausgesetzt, beträgt die Halbwertszeit für den Metaboliten Daunorubicinol etwa 30 Stunden und begründet, warum die Plasmakonzentration des Metaboliten bereits eine Stunde nach Injektion größer ist als die Wirkstoffkonzentration. Der Daunorubicin-Plasmapeak fällt bei bolus-Injektion und gleicher Dosis wesentlich geringer aus als bei Applikation von Doxorubicin, was eine Beschreibung der vollständigen Pharmako- kinetik mit einem einfach-exponentiellen Verlauf schwierig macht. Der Anteil der Verteilungsphase an der Gesamt AUC ist wesentlich geringer als beim Doxorubicin. Die Plasmaclearence für Daunorubicin ist mit 60 L/h und pro m2Hautoberfläche größer als beim Doxorubicin.

Die Verteilung der Anthrazykline in das Zellgewebe erfolgt sehr schnell und es werden in Leber- und Tumorzellen zweihundertfache Konzentrationen des Plasmawertes gemessen. Wenig wurde bisher die Proteinbindung der Anthrazykline und ihre Auswirkung auf die

Pharmakokinetik untersucht, Ergebnisse variieren zwischen 60 bis 96 % für die Bindung an Albumin [25].

Anthrazykline überwinden die Blut-Hirn-Schranke nicht und werden überwiegend als 13(S)- Dihydro-Verbindungen über die Leber im Gallensaft ausgeschieden. Zu etwa 10 % erfolgt die Exkretion über die Nieren. Die Metabolisierung zu Glukoroniden ist für die einzelnen Anthrazykline sehr unterschiedlich und macht 20 - 50 % aus. Die Bildung des Glukoronids ist beim Epimer des Doxorubicin, dem Epirubicin, der Hauptabbauweg. Dies könnte eine Ursache für die wesentlich geringere Toxizität von Epirubicin im Vergleich zu Doxorubicin sein. Eine Wiederaufnahme der Metabolite über den enderohepathischen Kreislauf konnte nicht beobachtet werden [26].

Metabolisiert werden die Anthrazykline durch Aldoketoreduktasen in der Leber. Dieser Abbau erfolgt bei Daunorubicin deutlich schneller als bei Doxorubicin, was dazu führt, daß die AUC im 24-Stunden-Vergleich zwischen Metabolit und Wirkstoff für Doxorubicinol/ Doxorubicin einen Wert von 0,3 bis 0,5 annimmt, während er für Daunorubicinol/ Daunorubicin mit 2,0 bis 5,0 deutlich höher liegt. Dies ist insbesondere wegen der herz- schädigenden Wirkung des Metaboliten von großem Nachteil [27].

Im Mausmodell konnte DEJONG zeigen, daß die Gesamttoxizität von Doxorubicin zu 100 % durch den Wirkstoff verursacht wird, während bei Daunorubicin die toxische Wirkung zu 75 % durch den Metaboliten Daunorubicinol hervorgerufen wird [33]. Dies führt in der therapeutischen Anwendung zu folgendem Problem: Eine bolus-Injektion wird in der Regel vermieden, um die Peakkonzentration des Wirkstoffs und damit seine toxische Akutwirkung zu vermeiden. Die heute häufig angewendete Infusion umgeht hohe Peaklevel, verursacht bei Daunorubicin aber eine erhöhte Verstoffwechselung zu Daunorubicinol, das wesentlich länger im Blutplasma verweilt und den größten Anteil an der toxischen Wirkung hält [29].

Die Wirkungsweise am Herzgewebe ist nicht abschließend geklärt. Erklärungsversuche gehen von einer gesteigerten Produktion freier Radikale im Myokardgewebe und einer Veränderung des Ca2+-Ionen-Haushalts des Herzmuskelgewebes aus. Auffallend in der Untersuchung an Ratten ist, daß sich der Metabolit Daunorubicinol im Vergleich zu anderen Gewebearten um den Faktor 100 im Herzgewebe anreichert [30].

2.1.5 Bisherige Analytik der Anthrazykline und alternative Bestimmungsverfahren

Seit die Anthrazykline Daunorubicin und Doxorubicin in der Krebstherapie angewendet werden, wurden viele unterschiedliche Methoden zur quantitativen Bestimmung in Körperflüssigkeiten und Geweben entwickelt. Neben frühen Methoden wie Radio- immunoassay [31], Dünnschichtchromatographie mit Fluoreszenzscanning [32] und

Hochleistungs-Flüssigchromatographie (HPLC) mit UV/vis-Detektion [33] hat sich insbesondere die HPLC mit anschließender Fluoreszenzdetektion durchgesetzt [34]. Durch die Verwendung der sensitiven und selektiven Detektion unter Ausnutzung der Fluoreszenz- eigenschaften der Anthrazykline konnten schon Anfang der 80er Jahre sehr geringe Nachweisgrenzen im Bereich von 1 - 10 ng freie Base pro mL Blutplasma erreicht werden. Durch Weiterentwicklungen in den Kopplungstechniken von flüssigkeitschromato- graphischen Mikro-Systemen und Massendetektoren (Massenspektrometrie, MS) sind auch Bestimmungsmethoden mit mHPLC-MS möglich. Die Bestimmungsgrenze liegt bei 5,0 ng/mL für Daunorubicin und 2,5 ng/mL für Doxorubicin [35].

Ebenso zahlreich wie die Bestimmungsmethoden sind die entwickelten Probenvorbereitungs- schritte zur Extraktion der Anthrazykline aus den verschiedenen Matrizes. Durchgesetzt hat sich die Probenvorbereitung mittels Festphasenextraktion (solid phase extraction, SPE), die bei den Anthrazyklinen auf eine Methodenentwicklung von ROBERT et al. zurückgeht [36].

Alternativ wurden auch Bestimmungsverfahren mittels kapillarelektrophoretischer Trenntechniken (capillary electrophoresis, CE) entwickelt. REINHOUD et al. konnten Doxorubicin und Epirubicin mittels CE und Laser-induzierter Fluoreszenz (laser induced fluorescence, LIF) detektieren [37]. Problematisch bei den kapillar-elektrophoretischen Techniken ist das geringe Probenvolumen, das im Bereich von einigen nL liegt. Dieses im Vergleich mit HPLC-Methoden um den Faktor 1.000 - 100.000 geringere Probenvolumen macht eine extrem sensitive Detektion nötig, die nur durch die LIF erreicht werden kann. SIMEON et al. konnten durch technische Verbesserungen zeigen, daß die CE-LIF gegenüber der HPLC-LIF ähnliche Nachweis- und Bestimmungsgrenzen bei der Analytik von Anthrazyklinen liefern kann. Bei gleicher Bestimmungsgrenze stellt das geringe Probenvolumen dann einen Vorteil dar, da dem Patienten wesentlich weniger Blut abgenommen werden muß, Bestimmungen im Zellgewebe und sogar in einzelnen Zellen möglich werden. Das ist insbesondere bei der Bestimmung von Pharmakokinetiken im Tierversuch von großem Interesse [38].

Eine Anwendung der CE-LIF zur Bestimmung von Anthrazyklinen bei klinischen Proben wurde erstmals von HEMPEL et al. gezeigt [39]. Insgesamt ist der technische Aufwand für die CE mit anschließender Laser-induzierter Detektion als sehr hoch zu bewerten. Die Vorteile liegen allein im geringen Probenvolumen, die Kosten sind deutlich höher als bei konventionellen Verfahren, so daß die CE momentan keine attraktive Alternative zur HPLC darstellt.

2.2 Liposomal verkapselte Zytostatika

Ziele der Entwicklung von Trägern antineoplastisch wirkender Substanzen sind der Transport von Wirkstoffen zu Tumorzellen, der Schutz von sensiblen Geweben gegen Schädigung und die Abschirmung der Wirkstoffe gegenüber P-Glykoproteinen, deren Erkennungsantwort als eine Ursache für die Multi-Drug Resistenz betrachtet wird. Weitere Vorteile liegen darin, Wirkstoffträger zu entwickeln, die durch Oberflächenmodifikation eine selektive Anreicherung im Tumorgewebe ermöglichen. Neben Wirkstoffkonjugaten und polymeren Nanopartikeln wurde besonders den Liposomen eine gute Chance als Trägersystem eingeräumt.

2.2.1 Entwicklung der liposomal verkapselten Anthrazykline

Liposome (griech: lipo = das Fett und soma = der Körper) sind geschlossene, kugelförmige Gebilde mit einem Durchmesser von 25 nm bis 1 mm, die von einer Reihe amphiphatischer Substanzen wie zum Beispiel Phospholipiden gebildet werden. Bei Kontakt mit wässrigen Medien ordnen sich diese Substanzen in einer oder mehreren konzentrischen Membran- Doppelschichten an [40]. Die Schichten umschließen einen wässrigen Innenraum und stellen damit Lipidvesikel bzw. künstliche Zellen dar, in die verschiedene chemische Substanzen eingeschlossen werden können. Abbildung 2-3 zeigt einen Schnitt durch ein Liposom des Medikaments DaunoXomeÒ.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-3: Schnitt durch ein Liposom von DaunoXomeÒ[41]

Die physikalisch-chemischen Eigenschaften von Liposomen wie zum Beispiel die Größe, die Membranfluidität, die Oberflächenladung und die Stabilität hängen von der Lipidzusammen- setzung und der Herstellungsmethode ab.

Die Membranschichten bestehen zumeist aus Phospholipiden, die sich durch einen polaren, wasserlöslichen Kopf und eine unpolare Fettsäurekette auszeichnen. Chemisch betrachtet sind Phospholipide di-Ester der Phosphorsäure. Zur Veresterung eignen sich Sphingosin, Glyzerin- derivate oder Substanzen wie Cholin, Ethanolamin, Serin und Insosit. Die entsprechende Wahl der Lipidkomponenten ermöglicht die Bildung stabiler Vesikel, die ihren pharmakologisch wirksamen Inhalt auch in Anwesenheit von Blutbestandteilen bei Körper- temperatur halten. Mögliche Zugaben wie Cholesterol und Ganglioside vergrößern die Variationsmöglichkeiten ebenso wie die Modifikation der Membranoberfläche durch Polyethylenglycol, die zu einer verlangsamten Metabolisierung in der Leber führt [42]. Die Eigenschaften bezüglich der Bioverfügbarkeit und Stabilität, also die Kontrolle der Zeitdauer, während der die Vesikel im Blutkreislauf intakt bleiben, lassen sich vielfältig variieren.

BANGHAM et al. waren 1964 die ersten, die eine Bildung von submikroskopischen, runden Partikeln beobachten konnten, nachdem sie Wasser auf eine amphiphatische Substanz gaben. Sie konnten zeigen, das die Fettbläschen eine kleine Menge des wässrigen Mediums umschlossen hatten. Diese ersten Liposome waren nützliche Studienmodelle für das Verständnis der Biologie einer Zellmembran [43].

Spätere Untersuchungen zeigten, daß kleine, unilamellare Vesikel (small unilamellar vesical, SUV) in vivo eine besonders hohe Affinität zu soliden Tumoren aufweisen. Eine Ursache ist der Durchmesser der SUVs von unter 100 nm. Die Versorgung von Tumorgewebe mit Nährstoffen erfolgt im Anfangsstadium der Tumorbildung nur durch Diffusionsvorgänge und ist auf wenige Zellschichten beschränkt. Erst nach einer bestimmten Zeit setzt der Prozeß der Angiogenese des Tumors ein. Dieser Vorgang beschreibt ein Heransprossen von Kapillaren der Blubahn an das Tumorgewebe zur Nährstoffversorgung [44]. Mit Hilfe dieser Blutkapillaren kann der Tumor schneller versorgt werden, entsprechend verstärkt sich sein Wachstum dramatisch.

Die Wände der Blutgefäße bestehen aus zwei unterschiedlichen Schichten, der inneren Epithelschicht und der äußeren Basalmembran. Es lassen sich vier Gefäßtypen beschreiben, die sich in der Permeationseigenschaft für hydrophile und lipophile Stoffe stark unterscheiden. Der Aufbau der Kapillartypen ist in Abbildung 2-4 schematisch gezeigt. Beispiele für den diskontinuierlichen Typ (Typ 1) sind Versorgungsgefäße in Leber, Milz und Knochenmark, für den fenestrierten Typ (Typ 2) finden sich Beispiele im Magen-Darm-Trakt, in der Niere und im Drüsengewebe. Die Größe der Unterbrechungen im Endothel des fenestrierten Typs liegt bei etwa 30 - 60 nm. Weitere Typen sind die kontinuierlichen Gefäße

in der glatten Muskulatur, in Herz- und Skelettmuskeln (Typ 3) sowie der Typ 4 als eine besondere Form des kontinuierlichen Typs, wie er im Gehirn und im Rückenmark gefunden wird. Er ist besonders undurchlässig für hydrophile Substanzen und wird als Blut-Hirn- Schranke bezeichnet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-4: Die vier unterschiedlichen Blutgefäßtypen [6]

Die Gefäßstruktur von malignen Tumoren und Metastasen weist oft ein diskontinuierliches, permeables vaskuläres System auf und kann daher besonders leicht von Teilchen unter 100 nm penetriert werden. Gleichzeitig ist ein Efflux der kleinen Teilchen durch das lymphatische System reduziert, so daß sich SUVs im Tumorgewebe anreichern können.

Vorteile zeigen liposomal verkapselte Wirkstoffe gegenüber den freien Formen auch dadurch, daß die Abschirmung eine geringere Verstoffwechselung bewirkt und somit eine Verlängerung der Bioverfügbarkeit erreicht werden kann. Durch den Einschluß von spezifischen Antikörpern auf der Membranoberfläche kann eine hohe Gewebeselektivität erreicht werden [45].

Die Akkumulation von liposomal verkapseltem Wirkstoff in Tumorzellen hängt von fünf entscheidenden Faktoren ab: zunächst von der Konzentration des liposomalen Wirkstoffs im Blut und der Verweilzeit im Blutkreislauf, vom Transfer der Liposome aus der Blutbahn in das Interstitium (zellumgebender Zwischenraum), von der Verweilzeit in diesem Zwischengeweberaum und vom Rücktransfer aus dem Interstitium in die Blutbahn [52].

2.2.2 DaunoXomeÒ

DaunoXomeÒist die verkapselte Form des Anthrazyklins Daunorubicin. Es enthält das Citratsalz der Base eingeschlossen im inneren, wässrigen Kern von Lipidvesikeln, die aus einer einzigen, doppelschichtigen Membran von Distearoylphosphatidylcholin (DSPC, vergleiche Abbildung 2-5) und Cholesterol (vergleiche Abbildung 2-6) bestehen. Der mittlere

Liposomendurchmesser bei dieser Darreichungsform beträgt 45 nm. Das molare Verhältnis von DSPC zu Cholersterol zu Daunorubicin beträgt 10:5:1.

DSPC - Distearoylphosphatidylcholin

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-6: Cholesterol

Cholesterol

Diese Lipidzusammensetzung führt zu einer besonders hohen Stabilität der Liposome. DSPC hat als vollständig gesättigte Fettsäure einen Phasenübergang bei 58 °C und ist damit unter physiologischen Temperaturen stabil. Die Zugabe von Cholesterol im Verhältnis 1:2 zu DSPC unterbindet den Austausch von Phospholipiden gegen Lipoproteine bei Anwesenheit von Blutserumbestandteilen und verhindert so einen Austritt des Wirkstoffs durch Aufbrechen der Liposome. Die Applikationsform ist eine Emulsionslösung mit roter, leicht opalisierender Farbe, einer Konzentration von 2 mg verkapseltem Daunorubicin pro mL Emulsion und einem pH-Wert zwischen 4,5 und 6,5.

2.2.3 Anwendung und Vorteile von DaunoXomeÒin der Chemotherapie

Anwendung findet DaunoXomeÒzur Zeit besonders in der Behandlung von soliden Tumoren des AIDS-assoziierten Kaposi-Sarkoms. Das Kaposi-Sarkom (KS) ist der bei HIV-infizierten Patienten am häufigsten auftretende Tumor und stellt eines der diagnostischen Kriterien für

AIDS dar. Seit der erstmaligen Beschreibung von AIDS 1981 wird dieser neue Krankheits- komplex als globales Problem erkannt. Schätzungen gehen von mindestens 1,4 Millionen Kaposi-Sarkom-erkrankten Menschen aus [47]. Die konventionellen Behandlungsschemata bedienen sich der bereits zuvor beschriebenen Möglichkeiten der Strahlentherapie, der chirurgischen Entfernung und der Chemotherapie. Da Kaposi-Sarkome keine Todesursache bei AIDS sind, ist eine Behandlung nur dann erforderlich, wenn die KS-Läsionen starke Schmerzen hervorrufen oder entstellend sind und somit kosmetische Probleme verursachen.

Eine Phase-II-Studie kam zu dem Schluß, daß liposomales Daunorubicin sicher und wirksam gegen HIV-assoziiertes fortgeschrittenes Kaposi-Sarkom ist und die Lebensqualität deutlich verbessert. Die Behandlung zeigte sogar bei Patienten Wirkung, die gegenüber anderen Chemotherapeutika resistent waren. Diese Beobachtung deckt sich mit der Erwartung, durch liposomal verkapselte Wirkstoffe Resistenzen umgehen zu können [41].

Eine vergleichende Phase-III-Studie konnte bei gleicher Wirksamkeit wie eine Kombinations- chemotherapie ein insgesamt besseres Sicherheitsprofil zeigen. Die bewertete Lebensqualität war durchweg besser als beim konventionellen Therapieschema, die kumulative Dosismenge konnte um das 2 - 3 fache höher gewählt werden als beim freien Wirkstoff. Im Einzellfall wurden kumulative Dosen von 1000 mg/m2verabreicht, ohne daß Zeichen einer Kardio- myopathie auftraten.

Die derzeitigen Verabreichungsempfehlungen gehen von einer 30 - 60 minütigen Infusion der mit 5 %iger Glukose auf 0,2 bis 1 mg/mL verdünnten DaunoXomeÒ-Lösung aus. Die Dosis sollte mit 40 mg/m2alle zwei Wochen begonnen werden und kann solange fortgesetzt werden, wie die Erkrankung beherrscht werden soll.

DaunoXomeÒbefindet sich zur Zeit in der Erprobungsphase für weitere Anwendungsgebiete, insbesondere im Bereich der Leukämien und Behandlungen lokaler Tumore hofft man, die positiven Eigenschaften der Liposome mit den bekannten Wirkungen des Daunorubicin verknüpfen zu können.

2.2.4 Pharmakokinetik von DaunoXomeÒ

Die Pharmakokinetik von liposomal verkapseltem Daunorubicin scheint sich deutlich von der des freien Wirkstoffs zu unterscheiden. Da bisher nur wenige Studien durchgeführt worden sind, können noch keine abschließenden Bewertungen vorgenommen werden. Der Wirkmechanismus bei DaunoXomeÒverläuft weniger über eine verzögerte Abgabe des Wirkstoffs in die Blutbahn (Depotwirkung der Liposome, verstecktes Kompartiment), als vielmehr über eine gezielte Ansteuerung des Tumors und Abgabe des Inhaltstoffes in das

Tumorgewebe. Dieser Effekt konnte im Tiermodell für solide Tumore nachgewiesen werden [48]. Entscheidend hierfür ist die Größe der Liposome mit einem Durchmesser von 45 nm, da nur solche Teilchen durch die Blutgefäßkapillaren zum Tumor transportiert und im Interstitium zurückgehalten werden. Studien am P-1798 Tumor, die bei der Anwendung von DaunoXomeÒim Tumorgewebe eine 10-fach höhere AUC gemessen haben als bei der Anwendung von freiem Daunorubicin, scheinen diese Erklärung zu bestätigen.

Die direkte Konzentrationsbestimmung des liposomal verkapselten Daunorubicin als liposomaler Wirkstoff erfolgte bisher ausschließlich über bildgebende Fluoreszenzverfahren, bei denen die Gesamtfluoreszenzintensität als Konzentrationsmaß bestimmt wurde. Problematisch hierbei ist, daß diese Fluoreszenzbestimmung auch die nicht verkapselten Wirkstoffe und die Metaboliten erfaßt [49]. Alternativ hierzu wurden Untersuchungen durchgeführt, die die Gesamtkonzentration von Daunorubicin mittels HPLC-FD und CE-LIF bestimmen, ohne jedoch eine Differenzierung zwischen freier und liposomal verkapselter Form vorzunehmen.

Die Liposome des DaunoXomeÒakkumulieren langsamer im Tumorgewebe als freies Daunorubicin. Entscheidend scheint jedoch die gesteigerte Ausschüttung des zuvor verkapselten Wirkstoffs in den Tumor zu sein. Dies wird durch den anhaltenden Daunorubicin-Plasmaspiegel begünstigt, der durch den Liposomencarrier aufrechterhalten wird. Insgesamt zeigt DaunoXomeÒeine höhere antineoplastische Wirkung als freies Daunorubicin. Im Mausmodell konnte die geringere toxische Wirkung von liposomal verkapseltem Wirkstoff im Vergleich zum freien Wirkstoff bei gleicher Gesamtdosis festgestellt werden. Die Rate der langzeitüberlebenden Mäuse war bei Behandlung mit DaunoXomeÒdeutlich höher [50].

Die Pharmakokinetik von DaunoXomeÒist bisher mit einer Halbwertzeit von 5 Stunden in einem monoexponentiellen Modell beschrieben worden. Die Clearance liegt bei etwa 1 L pro Stunde und m2Hautoberfläche. Diese Werte zeigen die im Vergleich zur freien Form längere Zirkulationszeit im Blut. Alle diese Angaben beziehen sich auf die Untersuchungen von FORSSEN et al., wobei aufgrund der undifferenzierten Analysenmethode diese Ergebnisse als vorläufige Beobachtungen zu werten sind [49].

Die liposomalen Träger haben einen geringen Einfluß auf die Metabolisierung der Anthrazykline. Der Abbau der freien Wirkstoffe erfolgt wie zuvor beschrieben (vergleiche Kapitel 2.1.4). Eine Metabolisierung und Ausscheidung des kompletten Liposoms erfolgt nur in sehr geringem Maße durch unspezifische Aufnahme in das retikuloendotheliale System (RES) mittels Makrophagen in Leber und Milz. Eine Diffusion der Liposome durch Epithelbereiche von Zellen scheint gänzlich ausgeschlossen, wenn es sich um große

Liposome mit einem Durchmesser über 500 nm handelt, wird aber wahrscheinlicher, wenn die Durchmesser 200 nm unterschreiten [51].

Auf welche Weise Tumorzellen die Liposome von DaunoXomeÒaufnehmen ist noch nicht abschließend geklärt. Erklärungsansätze gehen wie bei der Metabolisierung im RES von einer Phagozytose des vollständigen Liposoms in die Zelle aus, verbunden mit einer anschließenden Freisetzung des Wirkstoffs innerhalb der Tumorzelle [49].

2.3 Festphasenextraktion von Pharmaka aus biologischen Matrizes

Die Probenvorbereitung und ihre Automation ist noch immer der zeitaufwendigste und fehleranfälligste Verfahrensschritt in der analytischen Chemie. Nach einer Umfrage von MAJORS beurteilen 85 % der befragten Laborleiter die Probenvorbereitung als wichtig oder sehr wichtig, 61 % halten sie für den zeitaufwendigsten Schritt und 30 % sind der Ansicht, daß die Probenvorbereitung von neun Verfahrensschritten derjenige ist, in dem die meisten Fehler entstehen [52].

2.3.1 Off-line Festphasenextraktion

Die Festphasenextraktion (solid phase extraction, SPE) verbessert die Probenvorbereitung deutlich. Im Vergleich zu der herkömmlichen Variante einer flüssig-flüssig Extraktion (liquid-liquid extraction, LLE) kommt die SPE mit einem wesentlich geringeren Lösemittelbedarf aus, bietet eine bessere Reproduzierbarkeit und läßt sich leichter automatisieren. Ähnlich wie in der Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie wird eine funktionelle Gruppe auf einem Silica-Material aufgebracht und das modifizierte Kieselgel in eine Kartusche eingefüllt, wie sie in Abbildung 2-7 gezeigt ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-7: Festphasenextraktionskartusche [53]

Die aus Glas oder Polypropylen bestehende Kartusche ist ober- und unterhalb des Silica- Materials mit einer inerten Fritte versehen und hält oberhalb der Packung ein Reservoir für die Aufnahme der Probe bereit. Neben Festphasen auf Basis von Silica-Material wurden auch verschiedene Polymerphasen entwickelt [54]. Die Funktionalisierung umfaßt auch die in der HPLC üblichen Phasen. Hierbei unterscheidet man unpolare Phasen wie -C18, -C8, -C4

Kohlenwasserstoffketten und Phenyl-Gruppen von mittelpolaren Phasen wie -C2und -CN. Zu den polaren Phasen zählen -OH, -NH2 oder -Si. Weitere - zum Teil sehr komplexe Phasen - werden entwickelt, um noch selektiver Analyten aus anspruchsvollen Matrizes extrahieren zu können. Im Unterschied zu HPLC-Phasen sind die Durchmesser der Silica-Teilchen größer und die Packung insgesamt weniger dicht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 130 Seiten

Details

Titel
Entwicklung eines Bestimmungsverfahrens für liposomal verkapseltes Daunorubicin (DaunoXome)
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Institut für Makromolekulare-, Physikalische- und Kernchemie)
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2000
Seiten
130
Katalognummer
V145
ISBN (eBook)
9783638101042
Dateigröße
1732 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Alternative Einordnung in die Kategorie Medizin-Onkologie, da Arbeit auf dem Grenzgebiet Medizin - Pharmakologie - Analytische Chemie.
Schlagworte
Entwicklung, Bestimmungsverfahrens, Daunorubicin
Arbeit zitieren
Daniel Eikel (Autor:in), 2000, Entwicklung eines Bestimmungsverfahrens für liposomal verkapseltes Daunorubicin (DaunoXome), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145

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