Angst als Ursache für Unterrichtsstörungen


Hausarbeit, 2008

15 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


1. Einleitung

Schulangst ist weit verbreitet. Erschreckend hoch sind die Zahlen, wie viele Kinder und auch Lehrer tatsächlich Angst vor der Schule haben. Im Schnitt leiden 70 % der Schülerinnen und Schüler (SuS) an schulischen Ängsten. Die Ängste steigen mit der Dauer des Schulbesuches. So wurde in einer Studie herausgefunden, dass die Zahl der hochmotivierten und lernfreudigen Schülerinnen und Schüler in den Grundschulen mit 44,5 % am höchsten ist. Sie sinkt jedoch mit zunehmender Schulzeit bis zur 13. Klasse auf 8,2 %. (vgl. FAZ Nr. 33 vom 09.02.1988: 10. Zit. in Winkel, 2006: 234) Mit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums (G8) dürften die Zahlen gestiegen sein, auf Grund des zunehmenden Leistungsdrucks auf die SuS (genaue Zahlen sind hier noch nicht bekannt).

Nach Erhebungen, die Rainer Winkel in seinem Buch Der gestörte Unterricht (2006) zitiert, sind die deutschen SuS im internationalen Vergleich die Ängstlichsten. Bezogen auf die prozentuale Verteilung schulischer Angst in verschiedenen Regionen, ist die Angst der deutschen SuS, mit 52 % am höchsten, gefolgt von amerikanischen SuS mit 47 %, europäischen[1] SuS mit 32 % und die am wenigsten ängstlichen SuS stammen aus orientalischen Ländern mit 28 %. Verteilt auf die Schulformen ist die Angst an Gymnasien mit 82 % am weitesten verbreitet, gefolgt von Realschulen (74 %), Hauptschulen (66 %) und Waldorfschulen (43 %). (vgl. Winkel, 2006: 232)

Wie wirkt sich die Schulangst auf das körperliche Befinden der SuS aus? In der Literatur wird die Angst vor Schule oder einzelnen Lehrperson häufig thematisiert. So auch in Benjamin Leberts Roman Crazy.

Der Schweiß läuft mir über die Stirn. Ich will nicht ausgefragt werden. Warum sagt er nicht gleich, wer drankommt? Oder warum trägt er mir nicht gleich einen Sechser ein? Das wäre einfacher. Warum muss er mich so quälen? Ich hasse es vor der Klasse zu rechnen. Ich blamiere mich immer. Ich zittere. Bin nervös... Das Zeug ist ohnehin schwierig. Und Falkenstein kann so richtig gemeine Fragen stellen... (Lebert, 1999. Zit. In Singer, 200: 40)

In dem Roman wird der Lehrer vom Schüler zum Sadisten erklärt und die Schule wird zum Schauplatz eines „Psychokrieges“. Der Lehrer Falkenstein quält lustvoll seine Schüler, so dass sie sich „fast in die Hosen scheißen“ vor Angst. Als „i-Tüpfelchen“ legt der Lehrer in dem Roman nach der Stunde noch nach, indem er dem Schüler mitteilt: „[D]as mit deinem Abschluss kannst du vergessen (...). So wie ich es sehe, müssen wir froh sein, wenn das Kultusministerium für dich keine Note 8 einführt.“ (ebd.: 41) Dabei grinst der Lehrer über beide Ohren und es ist offensichtlich, dass ihm die seelische Demütigung der Schülerinnen und Schüler Spaß bereitet. Das ist die Realität – leider. Solche Lehrpersonen gibt es und es ist schwierig ihnen nachzuweisen dass sie pädagogische Verbrechen an den SuS begehen, wenn sie ihnen z.B. die Zukunft absprechen. Noch schwieriger ist es Berufsverbote für diese Personen zu erwirken. Warum muss Schule so sein, dass 50 % der SuS Angst haben, nach vorne an die Tafel zu kommen, oder 54 % der Gymnasiasten Angst davor haben etwas Falsches zu sagen, wenn sie vom Lehrer drangenommen werden? (vgl. Singer, 2000: 47)

Schule muss keine Angst einflößen, im Gegenteil wird das erfolgreiche Lernen durch Angst behindert. Auch Lehrer haben Angst und benutzen die gleichen Mechanismen diese Ängste zu unterdrücken z.B. Aggression gegenüber auffälligen Kindern, das Verachten von Kindern oder Quälen von schwächeren SuS. Allerdings kann in dieser Arbeit die Angst von Lehrern nur am Rande erwähnt werden, jedoch ist es wichtig zu wissen, dass es diese Form der Schulangst der Lehrpersonen ebenso gibt. Und schließlich sagte schon der griechische Philosoph Epikur um 300 v. Chr. „Wer Angst verbreitet ist selbst nicht ohne Angst.“ (zit. in Winkel, 2006: 254)

Angstforschung gibt es erst seit etwa 55 Jahren, obwohl von Schülerängsten berichtet wird, seit es die Schule gibt. Beispiele dafür gibt es genügend in der Literatur z.B. Die Buddenbrooks von Thomas Mann. Welche Merkmale diese Angst kennzeichnet, wodurch sie entstehen kann und welche Mittel man dagegen einsetzen kann soll das Thema dieser Arbeit sein.

Zunächst wird in den folgenden Kapiteln Angst definiert und ihre Einwirkung auf das Lernen skizziert, um danach auf die Ursachen und Merkmale der Angst einzugehen. Schließlich werden Maßnahmen der kommunikativen Didaktik vorgestellt, mittels derer man die Angst lindern und bekämpfen kann.

2. Definitionen von Angst

Der Philosoph Kierkegaard unterschied zunächst zwischen Angst und Furcht (1844), um Angst zu definieren. „[I]ch muss daher darauf aufmerksam machen, dass er [Anm.: der Begriff Angst] ganz und gar verschieden ist von Furcht und ähnlichen Begriffen, die sich auf etwas Bestimmtes beziehen (...).“ (Kierkegaard, 1952: 40)

Angst ist danach ein diffuses Gefühl. „[E]in Unbehagen, das man empfindet, wenn der betreffende Gegenstand unbekannt ist, und die Vorahnung, dass man von einer inneren oder äußeren Macht überwältigt werden wird.“ (Eidelberg, 1968: 37) Furcht hingegen ist zielgerichtet auf ein bestimmtes Objekt oder eine Person hin.

Erforscher der Angst – Freud, Goldstein, Horney, um nur drei zu erwähnen sind sich darüber einig, dass die Angst ein diffuser Begriff ist und dass der Hauptunterschied zwischen Furcht und Angst der ist, dass die Furcht eine Reaktion auf eine spezifische Gefahr ist, während die Angst unspezifisch, ‚vage’, ‚objektlos’ ist. (May, 1977: 205)

Der amerikanische Psychologe Eugene E. Levitt hat Angst wie folgt definiert:

Angst ist ein akut auftretender Zustand oder ein chronisch gewordenes Persönlichkeitsmerkmal, wobei als Folge innerer oder äußerer oder auch eingebildeter Bedrohungen eine qualvolle Unruhe erlebt wird, die sich in mannigfachen – operational definierbaren – Symptomen teilweise abreagiert. (Levitt, 1987. Zit. In: Winkel, 2006: 229)

Die Unterscheidung zwischen Angst und Furcht wird in der Psychopathologie getroffen, in der Pädagogik sowie im allgemeinen Sprachgebrauch werden die beiden Begriffe jedoch synonym benutzt. Die Ängste von denen in dieser Arbeit die Rede sein wird sind objekt- gebunden und die Ursachen sind mal mehr oder mal weniger klar beschreibbar. Klar ist zumindest, dass Schulangst als Signal aufgefasst werden muss, dass in der Schule oder mit dem Schulkind etwas nicht in Ordnung ist.

Angst, Aggression, Stress und Flucht lassen sich als Signale interpretieren, die auf bestimmte Geschehnisse hinweisen. Die Flucht ist ein Vermeidungssignal, der Stress ein Überforderungssignal, die Aggression ein Erkundungs- oder auch ein Vernichtungssignal und die Angst ein Gefahrensignal. (Winkel, 2006: 229)

Diese Zeichen müssen von der Lehrperson frühzeitig erkannt werden, um Unterrichts-störungen zu vermeiden. Und es müssen, zusammen mit den Eltern und evtl. mit professionellen Helfern, die Ursachen für die Ängste ermittelt werden. Denn nur so kann eine Lösung gefunden werden, um die Ängste zu bekämpfen und lindern zu können.

Meist tritt Schulangst im sozialen Kontext auf, also im Zusammenhang mit anderen Personen.

Gerichtete Angst ist eine vom Menschen bei anderen Menschen hervorgerufene Reaktion, die als Gefühl des Bedrohtseins wahrgenommen wird (der ängstigenden Person ist ihre Wirkung allerdings nicht in jedem Falle bewusst). Im engeren Sinne (...) bedeutet soziale Angst die Befürchtung, den Anforderungen und Verhaltenserwartungen des familiär-sozialen und des schulisch-sozialen Umfeldes nicht zu entsprechen und dadurch die Fürsorge, Liebe und Anerkennung der Bezugspersonen und –gruppen zu verlieren. Soziale Angst hat u. a. sehr viel mit dem Selbstwertgefühl eines Kindes zu tun, mit dem Zutrauen zu sich und dem Vertrauen in die anderen. (Vernooij, 1994: 129)

3. Die Einwirkung der Angst auf das Lernen

Angst wird häufig als vermeintlich leistungssteigerndes Mittel von Lehrern gegenüber Schülern eingesetzt. Zum Beispiel kann ein gewisser Druck bei manchen Schülern dazu führen, dass sie besser im Unterricht mitarbeiten, um etwa eine gute Note in der nächsten Klassenarbeit zu bekommen oder auch, um eine erfolgreiche mündliche Mitarbeit bescheinigt zu bekommen. „ Angst ist das Disziplinierungsmittel schlechthin, und wer junge Menschen an bestimmte und von ihnen abgelehnte Verhaltensweisen dennoch anpassen will, hat in der Angst das wirkungsvollste Medium parat.“ (Winkel, 2006: 231)

Bei zuviel Angsteinflößung seitens der Lehrer oder auch der Eltern kann es dazu führen, dass das Kind im Gegenteil die Leistung verweigert oder dass es sogar vor lauter Angst, wie gelähmt erscheint und somit unfähig wird am Unterricht teilzunehmen.

Die erfolgreichsten Theorien, die sich mit der Einwirkung von Angst auf das Lernen beziehen, sind die so genannte „Iowa-Theorie“ (auch bekannt als „Drive-Modell“), die in den 1960er Jahren an der Universität von Iowa entwickelt wurde und die „Yale-Theorie“, die von Psychologen der Universität Yale erarbeitet wurde.

[...]


[1] Hier sind die Zahlen aus ganz Europa gemeint.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Angst als Ursache für Unterrichtsstörungen
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Erziehungswissenschaften)
Veranstaltung
Unterrichtsstörungen
Note
1,8
Autor
Jahr
2008
Seiten
15
Katalognummer
V145021
ISBN (eBook)
9783640561025
ISBN (Buch)
9783640561797
Dateigröße
526 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die deutschen Schülerinnen und Schüler (SuS) sind im internationalen Vergleich die Ängstlichsten. Bezogen auf die prozentuale Verteilung schulischer Angst in verschiedenen Regionen, ist die Angst der deutschen SuS, mit 52 % am höchsten, gefolgt von amerikanischen SuS mit 47 %, europäischen SuS mit 32 % und die am wenigsten ängstlichen SuS stammen aus orientalischen Ländern mit 28 %. Verteilt auf die Schulformen ist die Angst an Gymnasien mit 82 % am weitesten verbreitet, gefolgt von Realschulen (74 %), Hauptschulen (66 %) und Waldorfschulen (43 %).
Schlagworte
Rainer Winkler, Kommunikative Didaktik
Arbeit zitieren
M.A. Christine Ganser (Autor:in), 2008, Angst als Ursache für Unterrichtsstörungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145021

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