Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Anwendungsbereichen von Legal Tech im Reiserecht und welche Vor- und Nachteile es hierbei gibt.
Die Digitalisierung stellt in vielen Bereichen des Lebens die Abläufe auf den Kopf. Egal ob man sich online Filme leiht, anstatt in die Videothek zu gehen oder Kontakte über weite Distanzen pflegt, ohne Briefe zu schreiben, der Digitalisierung kann man heutzutage nicht mehr aus dem Weg gehen. Diese Entwicklung macht vor fast keinen Branchen halt und auch der Bereich des Rechts ist mittlerweile betroffen. Rechtssuchende sind heutzutage nicht mehr zwingend auf einen Anwalt angewiesen. Vielmehr gibt es verschiedene Möglichkeiten für einen Zugang zum Recht. Egal ob Rechtsdurchsetzung oder lediglich Information, das Internet und Computer bieten heute eine reichliche Auswahl.
Ein Bereich, in dem diese Entwicklung besonders zu erkennen ist, ist das Reiserecht. Dort gibt es eine Vielzahl von Onlineportalen, die Verbraucher bei ihren rechtlichen Problemen unterstützen. In der Regel verwenden diese Portale automatisierte Prozesse, die unter das Stichwort Legal Tech fallen. Im Folgenden werden der bisherige Lauf, die Gründe des Erfolgs, sowie Alternativen und Probleme dieser Entwicklung betrachtet. Zudem setze ich mich mit der Frage auseinander, ob die Entwicklung eher Vor- oder Nachteile für Verbraucher bringt.
Gliederung
I. Einleitung...1
II. Was ist Legal Tech?...1
1. Definition...1
2. Verschiedene Anwendungsbereiche...2
a) Die aktuellen Anwendungbereiche...2
b) Ein kurzer Ausblick in die Zukunft...2
III. Die konkrete Anwendung im Reiserecht...3
1. Etablierte Methoden...3
a) Das Inkasso Modell...4
b) Das Modell der Sofortentschädigung...4
2. Änderungen durch die Corona Pandemie...4
3. Eine Reform des Entschädigungssystems?...5
a) Ideen der Legislative...5
b) Auswirkungen auf die Beweislast und das Prozessrisiko...6
c) Umsetzbarkeit einer solchen Änderung...7
d) Das Beispiel AXA...8
IV. Der Erfolg von Legal Tech im Reiserecht...9
1. Einführung...9
2. Objektivierbarkeit und Skalierbarkeit...9
3. Vorteile für Verbraucher...10
4. Vorzüge gegenüber der Anwaltschaft...10
a) Vergleich von Legal Tech-Unternehmen und Anwaltschaft...10
b) Der Einfluss der Gesetzeslage...11
V. Die söp als Alternative?...14
VI. Kritik und Probleme...15
1. Keine Rechtsentwicklung...15
2. Grenzen und Wertungsprobleme...16
a) Umgang mit unbestimmten Rechtsbegriffen...16
aa) Möglichkeit der Auslegung durch Legal Tech...16
bb) Das Beispiel der „außergewöhnlichen Umstände“...17
b) Anwendung in wertungsgebundenen Bereichen...17
c) Prognosen für die Zukunft...18
VII. Fazit: Legal Tech im Reiserecht – Fluch oder Segen?...19
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Anmerkung:Sämtliche Internetquellen wurden überprüft und zuletzt aufgerufen am 20.12.2021
I. Einleitung
Die Digitalisierung stellt in vielen Bereichen des Lebens die Abläufe auf den Kopf. Egal ob man sich online Filme leiht, anstatt in die Videothek zu gehen oder Kontakte über weite Distanzen pflegt, ohne Briefe zu schreiben, der Digitalisierung kann man heutzutage nicht mehr aus dem Weg gehen. Diese Entwicklung macht vor fast keinen Branchen halt und auch der Bereich des Rechts ist mittlerweile betroffen. Rechtssuchende sind heutzutage nicht mehr zwingend auf einen Anwalt angewiesen. Vielmehr gibt es verschiedene Möglichkeiten für einen Zugang zum Recht. Egal ob Rechtsdurchsetzung oder lediglich Information, das Internet und Computer bieten heute eine reichliche Auswahl.
Ein Bereich, in dem diese Entwicklung besonders zu erkennen ist, ist das Reiserecht. Dort gibt es eine Vielzahl von Onlineportalen, die Verbraucher bei ihren rechtlichen Problemen unterstützen. In der Regel verwenden diese Portale automatisierte Prozesse, die unter das Stichwort Legal Tech fallen. Im Folgenden werden der bisherige Lauf, die Gründe des Erfolgs, sowie Alternativen und Probleme dieser Entwicklung betrachtet. Zudem setze ich mich mit der Frage auseinander, ob die Entwicklung eher Vor- oder Nachteile für Verbraucher bringt.
II. Was ist Legal Tech?
1. Definition
Bevor man sich anschaut, welche Möglichkeiten Legal Tech im Reiserecht mit sich bringt, stellt sich die Frage, was Legal Tech eigentlich ist und ob es eine Definition für diesen Begriff gibt. Legal Tech steht kurz für Legal Technology, hat einen deutlichen Praxisbezug [1] und steht grundsätzlich für den Einfluss der Digitalisierung auf die Rechtsberatung. [2] Eine genaue Definition stellen diese Eckpunkte jedoch nicht dar. Zudem fällt bei der Betrachtung einzelner Bereiche auf, dass es die unterschiedlichsten Anwendungsmöglichkeiten von digitalen Inhalten im juristischen Alltag gibt, die alle dem Begriff Legal Tech unterfallen. [3]
Aufgrund dieser Vielfältigkeit wirkt es wenig sinnvoll, nach einer einheitlichen Definition zu suchen. Sinnvoller wäre es, sich anhand einzelner Anwendungsbereiche ein Bild von der Nutzung von Legal Tech zu machen. [4]
2. Verschiedene Anwendungsbereiche
a) Die aktuellen Anwendungsbereiche
Auch wenn einige Stimmen sich gegen eine Digitalisierung des Rechts aussprechen, [5] gibt es bereits verschiedene Bereiche der Nutzung von Legal Tech. Die hauptsächliche Nutzung findet hierbei im juristischen Alltagsgeschäft statt. [6]
Die Recherche findet über Online-Datenbanken statt, die mit der Zeit immer konkretere und besser sortierte Ergebnisse liefern. Dokumente können automatisch erstellt und im gewissen Rahmen können Erfolgsaussichten vorhergesagt werden. [7] Das Herstellen von Dokumenten reicht von einfachen Schriftstücken über Schriftsätze [8] bis zum Erstellen von Verträgen durch Vertragsgeneratoren. [9]
Des Weiteren findet Legal Tech Anwendung in der Rechtsdurchsetzung. Einerseits lassen sich einfach strukturierte Sachverhalte mit Hilfe von Technik auch von Laien prüfen. [10] Eine solche Prüfung wird bereits vom Bundesfamilienministerium angeboten, [11] indem rechtsunverbindlich ermittelt wird, ob ein Anspruch auf Elterngeld bestehen könnte. Zudem gibt es verschiedene Online-Plattformen, die einfache Fälle prüfen und gegebenenfalls die Durchsetzung der Ansprüche übernehmen. [12] Ein Beispiel hierfür ist die Prüfung und Durchsetzung von Ausgleichs- und Erstattungsansprüchen bei Flugreisen aus der Fluggastrechte-VO (EG) Nr. 26/2004, [13] auf die später noch eingegangen wird.
b) Ein kurzer Ausblick in die Zukunft
Neben den oben beschriebenen Bereichen, könnte Legal Tech in Zukunft eine weitere Rolle spielen. Grund für eine Ausweitung der Anwendung ist die immer weiter steigende Leistungsfähigkeit von Computern, die ermöglichen könnte, dass die Technik in Zukunft Risiken in Verträgen sicher feststellt oder eigenständig Rechtsfragen beantwortet. In den USA lassen sich solche Entwicklungen bereits erkennen. [14]
Zudem wird auch über den Einfluss von Legal Tech auf die Rechtsprechung gesprochen. Während an einigen Stellen überlegt wird, ob Technologie einen menschlichen Richter gar ersetzen könne, [15] wird andererseits zumindest eine Erleichterung der Arbeit an den Gerichten in Betracht gezogen. Demnach sei es zum Beispiel möglich, die Zulässigkeit einer Klage automatisiert festzustellen. [16]
III. Die konkrete Anwendung im Reiserecht
Neben Fluggesellschaften, die beispielsweise Betreuungsleistungen automatisiert ausstellen oder Entschädigungen prüfen, gibt es auch Selbsthilfe Tools. Ein solches ist z.B. die „Flugärger-App“, die dem Verbraucher nach einer Vorprüfung ein fertiges Schreiben an eine Fluggesellschaft ausstellt. [17] Der wohl bekannteste Fall sind jedoch die bereits erwähnten Online-Plattformen, die sich darauf spezialisiert haben, Ansprüche aus der Fluggastrechte-VO (EG) Nr. 26/2004 zu prüfen und durchzusetzen. Doch inwiefern spielt Legal Tech hierbei eine Rolle?
1. Etablierte Methoden
Grundsätzlich zeichnen sich diese Unternehmen durch eine von zwei möglichen Vorgehensweisen aus, das Inkasso-Modell oder das Modell der Sofortentschädigung. [18] Die Durchsetzung beginnt, unabhängig vom Modell, mit einer automatisierten Vorprüfung durch einen Logarithmus. Hierfür ist die Eingabe relevanter Daten in ein Formular erforderlich. [19] Nach diesen Eingaben werden unverbindlich die Erfolgsaussichten geprüft.
Beide Modelle ersparen dem Verbraucher im Vergleich zu anderen Durchsetzungsmethoden Zeit und Risiko, [20] jedoch unterscheiden sie sich in einigen Punkten.
a) Das Inkasso-Modell
Eine Möglichkeit des Vorgehens der Legal Tech Unternehmen ist das Inkasso-Modell. Hierbei wird der Anspruch des Verbrauchers nach einer vorherigen Prüfung an das Legal Tech-Unternehmen abgetreten.
Dieses setzt den Anspruch dann für den Verbraucher durch und übernimmt das vollständige rechtliche Risiko. [21] Sollte die Durchsetzung Erfolg haben, wird dem Verbraucher der Geldbetrag abzüglich einer Provision ausgezahlt. Beim Inkasso-Modell dauert dies in der Regel vier bis zehn Monate, kann jedoch auch mehr Zeit in Anspruch nehmen. [22]
b) Das Modell der Sofortentschädigung
Die zweite Variante der Anspruchsdurchsetzung durch Legal Tech-Unternehmen ist ein Modell, bei dem der Verbraucher sofort entschädigt wird, wenn die Prüfung der Daten ergibt, dass eine Durchsetzung des Anspruchs Aussicht auf Erfolg hat. [23] Das bedeutet, dass das Unternehmen die Forderung i.S.d. §§ 433, 453 BGB kauft. Auch hierbei wird das volle Prozess- und Kostenrisiko vom Unternehmen getragen. Im Vergleich zum Inkasso-Modell warten Verbraucher hierbei ein bis zwei Tage auf ihr Geld. Das Honorar fällt dafür jedoch ein wenig höher aus. [24]
2. Änderungen durch die Corona Pandemie
Mit Eintritt der Corona Pandemie häuften sich Probleme und Stornierungen bei Reisen durch Reisewarnungen, Risikogebiete oder Quarantäne. Bei einer Stornierung wurde den Verbrauchern, neben einer direkten Umbuchung auf einen späteren Zeitpunkt, häufig ein Gutschein oder eine Gutschrift für eine Reise im darauffolgenden Jahr oder in Höhe des Preises der gebuchten Reise angeboten. Der Grund für diese Lösung war, dass die finanziellen Mittel der Veranstalter aufgrund der hohen Anzahl an Rücktritten und den damit verbundenen Rückzahlungspflichten knapp wurden. [25]
An diesem Punkt setzen einige Legal Tech-Unternehmen an und bezeichnen die Gutscheine aufgrund fehlender Insolvenzabsicherung als nachteilig. [26]
Eine Pflicht diese Gutscheine anzunehmen, gibt es weder bei Pauschalreisen noch bei Flügen, [27] wodurch jeder Verbraucher seinen Rückzahlungsanspruch, auch mit Hilfe dieser Websites, geltend machen kann. Seit Juli 2020 besteht jedoch ein solcher Insolvenzschutz bei Pauschalreisen und Verbraucherzentralen riefen dazu auf, zuvor ausgestellte Gutscheine dementsprechend anpassen zu lassen. [28] Ein Tätigwerden von Legal Tech-Unternehmen ist seit dieser gesetzlichen Änderung in Art. 240 § 6 VI EGBGB nicht mehr erforderlich. Andere Portale entschlossen sich, die ausgegebenen Corona-Gutscheine zu kaufen, wobei sie nach dem oben beschriebenen System der Sofortentschädigung handelten. [29]
3. Eine Reform des Entschädigungssystems
Die gesamte Entwicklung der Entschädigungszahlungen und -ansprüche im Reiserecht, ist ein stetiger Prozess. So beschäftigen sich, neben Anwälten und Legal Tech-Unternehmen, auch die Gesetzgebung oder Versicherungen mit diesem Thema. Innerhalb der Arbeit mit dieser Thematik sind sowohl Teilen der Gesetzgebung als auch Privaten Ideen der Reform gekommen.
a) Ideen der Legislative
Im Rahmen der Entschädigungszahlungen gab es Ideen und Ausarbeitungen bezüglich der Automatisierung der Abwicklung. Aus einem Beschluss des Bundesrates vom 14.12.2018 [30] geht hervor, dass man Fahrgastrechte durch automatisierte Entschädigungsansprüche bei Verspätungen und Ausfällen stärken wolle. Hintergrund dieser Idee waren sich häufende Beschwerden über Verspätungen oder Ausfälle im Reiseverkehr. In solchen Fällen seien die Rechte der Verbraucher zwar klar gesetzlich geregelt, jedoch sei die Durchsetzung ein großer Aufwand. Auch die Transportunternehmen kämen den Kunden hierbei nicht entgegen, sondern würden vielmehr abwehrend reagieren. [31]
Der Bundesrat forderte in diesem Beschluss über eine automatisierte Auszahlung der Entschädigungen an Bahn- und Flugkunden nachzudenken und somit Reiseunternehmen mehr in die Pflicht zu nehmen. [32]
Knapp 4 Monate später setzte sich die Bundesregierung mit diesem Thema auseinander. Hierbei beantworteten sie die Frage, ob die Durchsetzung von Passagierrechten im Luftverkehr verbessert werden müsse und wenn ja, wie diese Verbesserung erreicht werden solle. [33] Bei dieser Auseinandersetzung ging es lediglich um den Flug- und nicht um den Bahnverkehr. Grundsätzlich sei die Bundesregierung hierbei der Meinung, dass man die Situation für Verbraucher verbessern müsse und regte hierzu einen Austausch mit den Flugunternehmen an. Ergebnis dieses Austausches war, dass man den Reisenden die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen, zum Beispiel durch Automatisierung, erleichtern wolle. Diesbezüglich hätten die Fluggesellschaften bereits Maßnahmen auf den Weg gebracht. Mit gesetzlichen Regelungen zur Verbesserung sollte man nun warten und schauen, was die Maßnahmen der Unternehmen bewirken. [34] Demnach wurde eine gesetzliche Änderung bislang nicht beschlossen, jedoch erkennt man, dass sich der Gesetzgeber mit der Digitalisierung im Recht auseinandersetzt.
b) Auswirkungen auf die Beweislast und das Prozessrisiko
Betrachtet man die oben thematisierten Ideen zur Reform des Entschädigungssystems, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf das Rechtssystem und eine eventuelle gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen hätte.
Grundsätzlich würde eine automatisierte Auszahlung von Entschädigungen wohl über Smart Contracts laufen. Kaulartz und Heckmann unternahmen den Versuch den Begriff „Smart Contract“ zu definieren und kamen zu dem Schluss, dass ein Smart Contract eine Software ist, die rechtlich relevante Handlungen in Abhängigkeit von digital prüfbaren Ereignissen steuert, kontrolliert und/oder dokumentiert. Unter Umständen sei auch ein Vertragsschluss über Smart Contracts möglich. [35] Vereinfacht dargestellt führt die Software Leistungen nach dem Wenn-Dann-Schema durch.
Für den beschriebenen Fall der Entschädigungszahlungen hieße dies: Wenn der Flug ausfällt oder verspätet ist, dann wird eine Zahlung auf das Konto des Reisenden in Höhe der Entschädigung durchgeführt.
Eine solche Umsetzung würde sich jedoch erheblich auf die Beweislast und das Prozessrisiko auswirken. Während jetzt der Reisende Klage erheben und beweisen muss, dass er einen Anspruch auf Entschädigung hat, müssten die Fluggesellschaften auf Rückzahlung klagen und beweisen, dass die Gesellschaft einen Rückzahlungsanspruch hat. [36] Durch diese Veränderung dreht sich das ganze Verhältnis der Parteien um.
Betrachtet man hierbei vor allem das Prozessrisiko könnte dies für die Verbraucher jedoch einen erheblichen Vorteil bieten, denn auch wenn man im Recht ist, kann es sinnvoll sein, keinen Prozess zu führen. Einerseits stellt das Erheben einer Klage zunächst einen finanziellen Aufwand dar, da man einen Gerichtskostenvorschuss leisten muss und zum anderen ist der Ausgang des Prozesses nie zu 100 Prozent sicher. Es besteht immer das Risiko den Prozess zu verlieren und dadurch auf weiteren Kosten zu sitzen. [37] Würde man eine automatisierte Entschädigung einführen, läge dieses Kostenrisiko bei den großen Gesellschaften und nicht mehr beim Verbraucher.
c) Umsetzbarkeit einer solchen Änderung
Bevor man eine solche grundlegende Änderung mit erheblichen Auswirkungen auf die Prozessführung jedoch tatsächlich vornehmen würde, stellt sich die Frage, ob dies in der Praxis überhaupt umsetzbar ist.
Grundsätzlich müsste hierfür eine Software im Wenn-Dann-Schema bereitstehen, die Zugriff auf die Flug- und Kundendaten hat. Diese Software könnte dann, im Falle eines Ausfalls oder einer Verspätung, eine Überweisung auf das Konto, welches in den Kundendaten hinterlegt ist, einleiten. Ein solches Handeln funktioniert gut, solange es lediglich auf eine Verspätung oder einen Ausfall ankommt. Problematisch ist jedoch, dass eine Fluggesellschaft keine Entschädigungszahlungen leisten muss, wenn außergewöhnliche Umstände der Grund für den Ausfall oder die Verspätung waren. [38]
Dadurch, dass Smart Contracts bislang nur auf einfache Sachverhalte anzuwenden sind, herrscht Uneinigkeit über eine Umsetzbarkeit im Reiserecht. Während einige Stimmen sagen, dass die Auslegung, ob ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt, zu komplex für einen Smart Contract sei, [39] vertreten andere die Position, dass die Anwendung von Smart Contracts durchaus möglich wäre. [40]
Demnach sei eine solche Lösung sehr effektiv und würde den Passagieren zu ihrem Recht verhelfen. Unabhängig von dieser Uneinigkeit sei eine finanzielle Belastung der Unternehmen bei einer Umsetzung auszuschließen, da man einerseits nur bestehende Ansprüche befriedigen und andererseits Geld für Schlichtungsstellen sparen würde. [41]
Ein Bereich, in dem eine solche automatisierte Auszahlung problemlos funktionieren würde, wäre der Zugverkehr. Denn während sich Fluggesellschaften auf außergewöhnliche Umstände berufen können, gibt es im Bahnverkehr keinen solchen Ausschlussgrund. [42] Somit wäre eine Diskussion darüber, ob eine Software intelligent genug sei, um einen Ausschlussgrund festzustellen hier hinfällig. Dies gilt zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, denn auch hier ist eine Änderung bereits in Sicht.Das Europäische Parlament beschloss bereits Regelungen, die die seit Dezember 2009 geltenden Rechte der Fahrgäste überarbeiten und eine Entschädigung bei außergewöhnlichen Umständen ausschließen sollen. [43] Nach Umsetzung dieser Änderung stellt sich auf den Schienen das gleiche Problem mit Smart Contracts wie in der Luft.
Die Möglichkeit einer Umsetzung ist somit heute noch unsicher. Welche Möglichkeiten der technische Fortschritt im Hinblick auf Smart Contracts bringt, bleibt abzuwarten.
d) Das Beispiel AXA
Einen Versuch, Entschädigungszahlungen zu automatisieren, gab es bereits. Dieser kam nicht von Fluggesellschaften oder vom Gesetzgeber, sondern von einer Versicherung. AXA startete 2017 mit ihrem Projekt „fizzy“ und sicherte ihren Versicherungsnehmern eine automatisch über Smart Contracts ausgezahlte Entschädigung zu, sollte ihr Flug ausfallen oder mindestens zwei Stunden Verspätung haben. [44] Der Versuch brachte jedoch keinen Erfolg. Bereits zwei Jahre später nahm AXA das Projekt wegen zu schwacher Nachfrage wieder vom Markt. [45]
Dennoch ist „fizzy“ ein Beispiel dafür, dass eine automatisierte Entschädigung grundsätzlich möglich ist. AXA umging das Problem der außergewöhnlichen Umstände jedoch, indem die Zahlung unabhängig vom Grund der Störung getätigt wurde.
IV. Der Erfolg von Legal Tech-Unternehmen im Reiserecht
1. Einführung
Nachdem man sich die zahlreichen Anwendungsbereiche und Anwendungsmöglichkeiten von Legal Tech vor Augen geführt hat, stellt sich die Frage, warum die Technologie und Unternehmen wie „flightright“ oder „fairplane“ im Reiserecht so erfolgreich sind. Zudem steigen Anzahl und Größe der Unternehmen weiter. [46] Denn auch wenn ein Vorzug dieser Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung vielleicht ist, dass man es von zu Hause und schnell im Internet erledigen kann, gibt es ja immer noch Anwälte, die im Reiserecht tätig sind und somit ja auch eine Möglichkeit darstellen, Ansprüche gegen Fluggesellschaften durchzusetzen.
2. Objektivierbarkeit und Skalierbarkeit
Zunächst lässt sich festhalten, dass sich die meisten Fälle, in denen die Legal Tech-Unternehmen tätig werden, auf einfache Sachverhalte beziehen. In der Regel lässt sich unkompliziert feststellen, ob eine Verspätung oder eine Annullierung eines Fluges vorliegt. Aufgrund dieser einfachen Sachverhalte könnte man davon ausgehen, dass in diesem Bereich keinerlei Probleme rechtlicher Art entstünden. [47]
Fraglich ist jedoch, ob dies tatsächlich der Fall ist. Zwar erkennt jeder Laie, ob ein Flug Verspätung hat oder ob dieser ausfällt, jedoch hört die juristische Arbeit hier nicht auf. Oben wurde bereits beschrieben, dass die Feststellung außergewöhnlicher Umstände der Auslegung bedarf und dass auch die Technik hier an ihre Grenzen stoßen kann. Diese Auslegung beschäftigt sogar höchste nationale Gerichte, sowie den EuGH. [48] Somit handelt es sich im Reiserecht nicht immer um einfache Fälle ohne Probleme und man erkennt deutlich, warum die Unternehmen sich häufig für eindeutige Fälle entscheiden, und weniger eindeutige ablehnen. [49] Insofern ist auch die Vermutung der Simplizität korrekt. Dass jedoch das vollständige System einfach veranlagt ist, halte ich für falsch.
3. Vorteile für Verbraucher
Ein ausschlaggebender Punkt für den Erfolg von Legal Tech könnten die Vorteile für die Verbraucher sein. Versucht eine Person selbst ihren Anspruch geltend zu machen, erwartet sie nach aufwendiger Bürokratie häufig eine abweisende Fluggesellschaft, die eine Zahlung dennoch ablehnt. [50] Von dieser abweisenden Haltung der Gesellschaften lassen sich die Legal Tech-Unternehmen jedoch nicht einschüchtern. Vielmehr setzen sie sich für die Verbraucher ein und sorgen für eine Durchsetzung von einer Vielzahl solcher Ansprüche. [51] Zudem sind Verbraucher heutzutage gut informiert und eine ausführliche Beratung ist unerwünscht. Vielmehr ist er daran interessiert, eine schnelle und effiziente Leistung zu einem guten Preis zu erhalten. Eine solche Leistung bieten die Legal Tech-Unternehmen. [52] Kunden dieser Plattformen erhalten in einer absehbaren Zeit eine Entschädigung für ihre Flugstörung und tragen hierbei kein Kostenrisiko. Kosten treffen die Kunden erst bei Erhalt der Zahlung (vgl. S. 3f.). Also entweder nach erfolgreicher Geltendmachung (Inkasso-Modell) oder bei Auszahlung durch das Unternehmen abzüglich der Provision (Sofortentschädigung).
Aus dem Erfolg der Unternehmen ergibt sich, dass die Kunden die Provision in Kauf nehmen und wohl auch für berechtigt halten. Ob diese Akzeptanz der Verbraucher jedoch einen Vorteil begründet, ist fraglich.
4. Vorzüge gegenüber der Anwaltschaft
Doch auch wenn Legal Tech-Unternehmen Vorteile in der Durchsetzung bieten, stellt sich die Frage wo die konkreten Vorzüge gegenüber der Anwaltschaft liegen. Denn auch ein gut informierter Kunde kann sich einem Anwalt anvertrauen, diesen beauftragen und ihm verdeutlichen, dass er lediglich eine Durchsetzung seiner Entschädigungsansprüche wünscht.
a) Vergleich von Legal Tech und Anwaltschaft
Um hierbei den genauen Unterschied auszumachen, bedarf es einem Vergleich von Legal Tech-Unternehmen und der traditionellen Anwaltschaft. Hierbei muss man sich immer vor Augen führen, dass es sich bei der zentralen Tätigkeit um den, nicht immer aber in vielen Fällen, einfach zu prüfenden Entschädigungsanspruch aus Art. 7 Fluggastrechte-VO handelt.
Die Durchsetzung dieser Ansprüche rechnet sich in den meisten Fällen für Anwälte nicht oder nur bedingt, weshalb die Legal Tech-Unternehmen bereits einen wirtschaftlichen Vorteil haben. Für die Onlineplattformen ist eine Übernahme der Ansprüche wirtschaftlich sinnvoll, da die angewandte Software eine einmalige Investition darstellt und dann eine Vielzahl von Fällen in einer kurzen Zeit bearbeiten kann. Somit sorgt die Masse der Fälle für einen wirtschaftlichen Erfolg. [53] Dadurch, dass die Software in vielen Fällen sehr gut funktioniert, sind die Unternehmen bei verhältnismäßig leichten Fällen bereits eine Konkurrenz für die Anwälte. [54]
Ein weiterer Unterschied, der auch wieder die Finanzen betrifft, ist das Kostenrisiko für den Verbraucher. Wendet man sich an ein Onlineportal, muss man eine Provision zahlen, Wendet man sich hingegen an einen Anwalt, steht, wenn keine außergerichtliche Einigung erzielt wird, der Weg zu Gericht bevor. Vor Gericht lässt sich der Ausgang des Prozesses nie zu 100 Prozent hervorsagen. Deshalb haben vor allem Passagiere ohne Rechtsschutzversicherung Angst davor, sich an einen Anwalt zu wenden und somit im Falle einer Niederlage auf noch höheren Kosten zu sitzen. [55]
Auch wenn ein Sieg im Prozess dazu führen würde, dass die Fluggesellschaften die Kosten tragen, erscheint die Provision für viele Verbraucher im Vergleich zum sonstigen Risiko vorteilhafter.
b) Der Einfluss der Gesetzeslage
Eine entscheidende Rolle bei diesen Unterschieden spielte bislang geltendes Recht. Der wohl ausschlaggebendste Punkt war hierbei, dass es Rechtsanwälten gemäß § 4a I 1 RVG a.F. untersagt war, ein Erfolgshonorar (vgl. § 49b II 1 BRAO) zu vereinbaren. Eine Ausnahme hierfür lag nur vor, wenn der Rechtssuchende aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse ohne ein Erfolgshonorar auf die Rechtsverfolgung verzichtet hätte. Dadurch, dass diese Regelungen nicht für Inkassodienstleister und Legal Tech-Unternehmen gelten, [56] hatten diese dadurch einen enormen Vorteil gegenüber der Anwaltschaft. Denn wie beschrieben ist die Ausgleichszahlung im Verhältnis zum Kostenrisiko bei der Durchsetzung eher gering. Vereinbart man jedoch ein Erfolgshonorar, bleibt das Risiko aus und man erhält zwar weniger als einem eigentlich zusteht, ist hierbei jedoch auf der sicheren Seite.
Doch können diese Unternehmen die Ansprüche überhaupt für andere durchsetzen? Grundsätzlich gilt gemäß § 3 RDG, dass Rechtsdienstleistungen verboten sind, solange diese nicht ausdrücklich durch eine andere Vorschrift erlaubt sind. Für Inkassounternehmen findet sich eine solche Erlaubnis im § 10 I 1 Nr. 1 RDG. Dieser setzt eine Registrierung der Unternehmen voraus. Im Rahmen dieser Regeln stellte sich bei den neuen Legal Techs allerdings die Frage, ob die Arbeit der Unternehmen nicht über die eigentliche und ursprüngliche Inkassodienstleistung hinaus gehe. Wäre dies der Fall, würden die Unternehmen außerhalb des Erlaubnistatbestandes des § 10 I 1 Nr. 1 RDG handeln. [57]
Ende 2019 legte der BGH in der Entscheidung zu „wenigermiete.de“ den Begriff der Inkassodienstleistung weit aus und schaffte somit Boden für die Legal Tech-Portale. In dieser Entscheidung wurde ausgeführt, dass das Portal „wenigermiete.de“ auch dann noch innerhalb der Befugnis handle, wenn ein Anspruch zunächst außergerichtlich durchgesetzt wird und das Portal bei Erfolglosigkeit einen Vertragsanwalt mit der gerichtlichen Durchsetzung beauftragt. [58]
Diese Entscheidung bezieht sich zwar auf ein Portal aus dem Mietrecht, lässt sich jedoch auch auf das Reiserecht anwenden, da die Maßstäbe für Inkassodienstleistungen unabhängig vom Rechtsgebiet gelten. Somit lag Ende 2019 eine großzügige Auslegung des Tätigkeitsbereiches von Inkassounternehmen vor, die den Unternehmen einen erheblichen Spielraum bot.
Nach diesen Entwicklungen wurde der Gesetzgeber tätig, da sich immer mehr Verbraucher gegen Anwälte entschieden und sich anderen Rechtsdienstleistern zuwandten. Dies sei vor allem bei Ansprüchen aus der Fluggastrechte-VO zu bemerken. [59] Mittlerweile gilt seit dem 01.10.2021 das Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt. In diesem Gesetz finden sich einige Änderung der oben beschriebenen Normen, die sich sowohl auf die Anwaltschaft als auch die Legal Tech- Unternehmen auswirken.
Zum einen wurde der Inkassodienstleistungsbegriff aus § 2 II 1 RDG angepasst. Während die alte Fassung den Rahmen der Dienstleistung nicht hinreichend festlegte und der BGH eine sehr weite Auffassung des Begriffs vertreten hat, findet sich die neue Regelung zwischen den beiden ein. [60]
§ 2 II 1 n.F. definiert die Inkassodienstleistung, wie die alte Fassung, über die Einziehung einer Forderung und ergänzt das um die „auf die Einziehung bezogene rechtliche Prüfung und Beratung“. Diese Ergänzung zeigt, dass die rechtliche Prüfung durchaus zur Inkassodienstleistung gehört. Sollte diese sich jedoch nicht auf die einzuziehende Forderung beziehen oder sollte das Unternehmen weitergehende Tätigkeiten unternehmen, überschreite es den Begriff der Inkassodienstleistung. Zusätzlich wurden die Regelungen zu Nebentätigkeiten und Registrierung in Bezug auf Inkassounternehmen geändert. [61]
Weitere Änderungen beziehen sich direkt auf die Möglichkeiten der Anwälte und schmälert einige der bestehenden Nachteile. Eine solche Änderung des Berufsrechts der Anwälte wurde bereits gefordert. [62] Doch was genau hat sich hier geändert?
Eine Neuerung, die den Anwälten erheblich entgegenkommt, ist die Erlaubnis ein Erfolgshonorar zu vereinbaren. Gemäß § 4a RVG n.F. ist es Anwälten nun erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen Erfolgshonorare zu verhandeln. Demnach ist ein solches Honorar gemäß § 4a I 1 Nr.1 RVG gestattet, wenn eine Geldforderung in Höhe von bis zu 2000 Euro geltend gemacht wird, gemäß § 4a Nr.2 RVG, wenn es sich um außergerichtliche Inkassodienstleistungen (Tätigkeitsbereich der Legal Tech-Unternehmen) oder um Mahn-/Zwangsvollstreckungsverfahren i.S.d. § 79 II 2 Nr. 4 ZPO handelt und gemäß § 4a I 1 Nr. 3 RVG, wenn der Mandant ohne ein Erfolgshonorar, bei Betrachtung der Umstände, von einer Rechtsverfolgen absehen würde. Die Möglichkeit, die Nr. 3 eröffnet, besteht, anders als die bisherige Ausnahme, unabhängig von der wirtschaftlichen Situation des Mandanten. [63] Sinn dieser Änderung war es, Anwälten bei gleicher Tätigkeit Chancengleichheit gegenüber Inkassounternehmen zu gewähren, ohne die anwaltliche Unabhängigkeit und den Schutz der Mandanten zu gefährden. [64]
Des Weiteren wurde es den Anwälten gestattet, Kosten für Gericht, Verwaltung oder andere Beteiligte zu übernehmen. Dies ermöglicht der neue § 49b II 1 BRAO, indem festgelegt wird, dass ein Anwalt in Fällen der außergerichtlichen Inkassodienstleistung oder in einem Mahn-/Zwangsvollstreckungsverfahren (§ 4a I 1 Nr. 2 RVG) Vereinbarungen über die Übernahme solcher Kosten treffen kann.
Voraussetzung ist neben dem Vorliegen eines Falles des § 4a I 1 Nr. 2 RVG, dass Mandant und Anwalt ein Erfolgshonorar beschlossen haben. Den Grund für diese Änderung sah der Gesetzgeber darin, den Zugang zum Recht nicht durch ein zu hohes Kostenrisiko zu erschweren. [65]
Ein weiterer Punkt, der die Unterschiede zwischen der Anwaltschaft und den Legal Tech-Unternehmen minimiert, ist die Möglichkeit, dass Anwälte zum Teil oder vollständig auf Gebühren verzichten. [66] Eine Ausnahme ist jedoch zu beachten. Handelt es sich bei der Tätigkeit nicht um eine Inkassodienstleistung, so ist es nur zulässig eine Minderung der Vergütung bei Misserfolg zu vereinbaren, wenn für den Erfolgsfall ebenso eine Erhöhung der Vergütung vereinbart wird (vgl. § 4a II RVG). [67]
Anhand dieser Änderungen lässt sich sehen, dass der Gesetzgeber die Entwicklung auf dem Rechtsdienstleistungsmarkt wahrgenommen hat. Die neuen Regelungen bieten Anwälten ähnliche Voraussetzungen in den entscheidenden Bereichen wie Legal Tech-Unternehmen. Zudem ist der Verbraucherschutz von Bedeutung. Dem Gesetzesentwurf lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber die Regelungen auch getroffen hat, um Verbrauchern den Zugang zum Recht zu erleichtern, ohne auf nötigen Schutz zu verzichten. [68]
V. söp als Alternative?
Verbraucher können sich mit ihren Problemen im Flugverkehr neben Anwälten und Onlineportalen auch an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp) wenden. Die söp ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Berlin, der sich für die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten zwischen Reisenden und Verkehrsunternehmen einsetzt. [69] Der Verein bietet den Reisenden eine kostenlose Schlichtung [70] in Fällen, in denen es um Geldforderungen eines Verbrauchers (§ 13 BGB) bis 5000 Euro geht. Entscheidend bei Flügen ist, dass zumindest Start oder Landung in Deutschland stattfanden. Hierbei verfolgt die söp kein wirtschaftliches Interesse und strebt nicht nach Gewinnen. Entscheidet sich ein Verbraucher für die söp, wird der Rechtsweg hierdurch nicht ausgeschlossen. [71]
Erleiden Verbraucher Störungen bei ihrer Flugreise, können sie einen sog. Schlichtungsantrag stellen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Verbraucher bereits versucht hat, den Anspruch direkt bei der Gesellschaft geltend zu machen und innerhalb von 2 Monaten keine oder keine zufriedenstellende Antwort erhalten hat (vgl. § 57b II Nr. 6 LuftVG). [72]
Dieser Schlichtungsantrag wird dann an das Reiseunternehmen weitergeleitet.
Von nun an kann das Unternehmen die Forderung entweder sofort anerkennen, was dazu führt, dass das Verfahren beendet wird, oder ablehnen, wodurch die söp ausführlich prüft, ob ein Anspruch besteht. Am Ende ergeht entweder eine begründete Absage (sog. Kurzentscheid) oder eine Schlichtungsempfehlung. [73]
Auch die söp verwendet Legal Tech, jedoch nur an Stellen, an denen es zu Zeitersparnis führt und ohne, dass die Qualität darunter leidet. Im Vergleich zu den Legal Tech-Unternehmen wählt der Verein nicht nur die einfachen Fälle mit wenig Risiko, sondern steht dem Verbraucher auch bei komplizierteren Fällen zur Seite. [74] Die söp weist eine Einigungsquote von circa 80 Prozent und eine stetig steigende Anzahl von Anträgen im Bereich der Flugreisen auf. [75] Festzuhalten ist, dass es durch die söp eine Alternative zu Anwälten und Onlineportalen gibt.
VI. Kritik und Probleme
Auch wenn sich die Anwendung von Legal Tech bereits in einigen Bereichen etabliert hat, gibt es Stimmen, die sich gegen eine Digitalisierung aussprechen. Zudem werden einige Grenzen von Legal Tech thematisiert.
1. Keine Rechtsentwicklung
Ein Beispiel für einen Kritikpunkt ist die fehlende Rechtsentwicklung bei der Verwendung von Legal Tech. Demnach lebe das Recht und die Juristerei vom Austausch, der Rechtsprechung und der Erweiterung bzw. Reduzierung von Normen. Es sei notwendig, das Recht als System und Einheit zu verstehen. [76] Grundsätzlich ist diese Kritik nicht von der Hand zu weisen. Der Gesetzgeber kann nicht von vornherein jeden erdenklichen Fall regeln und muss die Vorschriften demnach abstrakt fassen, um eine Anwendung auf die Einzelfälle zu ermöglichen.
Dadurch entstehen Regelungslücken oder Unsicherheiten, die durch die Auseinandersetzung in Wissenschaft und Rechtsprechung überwunden werden können. Eine Software kann an diesem Diskurs bislang nicht teilnehmen.
Bezieht man diese Kritik jedoch auf das Reiserecht, lässt sich feststellen, dass die meisten Sachverhalte und Fälle einfach gestrickt und nicht interessant für die Rechtsfortbildung sind. Bei diesen einfachen Fällen setzt Legal Tech an.
Demnach bleibt bei der Verwendung von Legal Tech in solchen Fällen die Rechtsfortbildung nicht aus. Vielmehr wird ein Prozess, in dem es ohnehin keine Fortbildung gäbe, vereinfacht und beschleunigt. [77] Des Weiteren landen auch Fälle, in denen Legal Tech-Unternehmen tätig sind bei hohen Gerichten. [78] Aus solchen Verfahren lässt sich ableiten, dass zwar nicht die Software, aber die Legal Tech-Unternehmen an der Fortbildung des Rechts mitwirken. [79]
2. Grenzen und Wertungsprobleme
Neben der Rechtsfortbildung gibt es weitere Bereiche, in denen Grenzen von Legal Tech gesehen werden.
a) Umgang mit unbestimmten Rechtsbegriffen
Hierzu zählt vor allem der Umgang mit unbestimmten Rechtsbegriffen. Im geltenden Recht trifft man immer wieder auf Begriffe, die vom Rechtsanwender auszulegen sind, um diese dann auf den vorliegenden Fall anzuwenden. In manchen Fällen kann man sich hierbei auf die Rechtsprechung oder auf Literaturmeinungen beziehen, die dauerhaft an der Rechtsfortbildung mitwirken. Es gibt jedoch auch Fälle in denen Uneinigkeit über einen Begriff oder ein Problem besteht. In einem solchen Moment bleibt nur die Möglichkeit auf die Auslegungsmethoden (Wortlaut, Systematik, Historie, Sinn und Zweck[80]) zurückzugreifen.
aa) Möglichkeit der Auslegung durch Legal Tech
In diesem Rahmen stellt sich die Frage, ob eine Software zu einer solchen Auslegung in der Lage ist. Um die digitale Prüfung von Normen zu ermöglichen, müssen diese abstrakt in das Programm übernommen werden. Gelingt dies erfolgreich, erfolgt auch eine ordentliche Prüfung. Gelingt dies jedoch nicht, kann das Programm auch nicht vernünftig mit den Vorgaben arbeiten.
Das Problem ist, dass eine eindeutige Eingabe in das Programm wohl daran scheitert, dass selbst der Mensch, der einen unbestimmten Rechtsbegriff eingeben möchte, nicht weiß, wie er diesen formalisieren soll. Die juristische Sprache ist an vielen Stellen zu unpräzise und vage. Häufig basieren Probleme der Entscheidung nicht auf dem Fall, sondern auf der sprachlichen Ebene der Vorschriften. [81] Dass Computer diese sprachlichen Hürden überwinden, ist bislang nicht zu erkennen. [82]
bb) Beispiel der „außergewöhnlichen Umstände“
Im Reiserecht tritt dieses Problem häufig beim Ausschlussgrund der „außergewöhnlichen Umstände“, ein Paradebeispiel für einen unbestimmten Rechtsbegriff, auf (vgl. S. 8 f.). Wann außergewöhnliche Umstände vorliegen, wird nach und nach durch die Rechtsprechung und Rechtsanwendung konkretisiert. Eine Definition, die alle erdenklichen Fälle abdeckt, gibt es nicht. Bei der Feststellung eines außergewöhnlichen Umstands, treffen auch Juristen auf Schwierigkeiten, denn hier spielen sämtliche Details des entscheidenden Sachverhalts eine Rolle. [83] Diese Unsicherheit lässt sich nicht in einem Programmcode widerspiegeln. Das ist auch der Grund dafür, dass die Onlineplattformen komplizierte Fälle in der Regel ablehnen oder die Prüfung Juristen überlassen und dass die söp Legal Tech nur innerhalb bestimmter Grenzen verwendet.
b) Anwendung in wertungsbezogenen Bereichen
Ein ähnliches Problem findet sich in wertungsbezogenen Bereichen. Steinrötter nennt hierfür den § 651n II BGB aus dem Reiserecht. [84] Demnach steht dem Reisenden eine angemessene Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit zu. In solchen Fällen sind mehrere Bewertungen erforderlich. Einerseits stellt sich die Frage, ob die genommenen Urlaubstage zu 100 Prozent nutzlos waren oder ob eine andere Reise oder Tätigkeit einen Teil der Urlaubszeit ausgleicht. Andererseits stellt sich die Frage, was eine angemessene Vergütung für solche Urlaubstage ist. Ist der Reisende so zu stellen, als hätte er keinen Urlaub genommen oder ist die Erholung, die er durch seine Urlaubstage hatte entgegenzurechnen? Solche Fragen lassen sich, Stand jetzt, nicht durch eine Software beantworten. Um hier eine Antwort zu finden, bedarf es der konkreten Auseinandersetzung mit dem Einzelfall unter Betrachtung sämtlicher Umstände und der Diskussion.
Für eine solche Auseinandersetzung sind Menschen unabdingbar.
c) Prognosen für die Zukunft
Auch wenn die aufgeführten Kritikpunkte heute nachvollziehbar sind, muss man die Entwicklung der Technik im Blick behalten. Zwar bezieht sich die Kritik schon jetzt nur auf gewisse Teile und auf die komplizierten Fälle des Reiserechts, jedoch ist aufgrund der exponentiellen Leistungssteigerung der Computer [85] nicht auszuschließen, dass auch diese Kritik bald hinfällig ist. Geht man davon aus, dass künstliche Intelligenz bald verbreitet ist, lässt sich auch annehmen, dass diese auch in der Lage ist, gewisse Wertungen zu treffen oder Rechtsbegriffe auszulegen. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die Zukunft auf Legal Tech im Reiserecht, aber auch im Recht allgemeinen, hat.
VII. Fazit: Legal Tech im Reiserecht – Fluch oder Segen?
Auf den vorherigen Seiten habe ich ausführlich präsentiert, in welchen Bereichen Legal Tech im Reiserecht eine Rolle spielt. Dass Legal Tech sich dort bereits erfolgreich etabliert hat (vgl. S. 3 f.), ist zu erkennen. Vor allem bei den Legal Tech-Unternehmen liegt das daran, dass der Verbraucher schnell und mit wenig Aufwand zu seinem Recht kommt (vgl. S. 9 ff.). Aber auch die söp nutzt Legal Tech dort, wo es für die Parteien vorteilhaft ist (vgl. S. 15 f.). Bei der Bewertung, ob die Entwicklung von Legal Tech im Reiserecht positiv oder negativ ist, ist jedoch nicht nur die schnelle Durchsetzung zu beachten.
Sieht man alle Möglichkeiten zur Rechtsdurchsetzung, so scheint es für den Verbraucher ein großer Vorteil, sich an einen der verschiedenen Onlineanbieter zu wenden. Sollte es sich um einen einfachen Fall halten, erhält er in der Regel in einer kurzen Zeit eine Entschädigung. Betrachtet man jedoch, dass er dadurch eine nicht unerhebliche Provision zahlen muss, erscheint die Situation schon anders. Grundsätzlich hat der Reisende Anspruch auf die volle Entschädigung. Würde er diese von einem Gericht zugesprochen bekommen, kämen 100 Prozent bei ihm an, während die andere Partei die Kosten tragen würde. Die klassischen Legal Tech Unternehmen mindern jedoch die Entschädigung, denn bei Erfolg bekommen sie ihre Provision. Diese trägt jedoch nicht die Airline, sondern der Verbraucher.
Insofern hat auch die positiv scheinende schnelle Durchsetzung eine Schattenseite.
Noch schwerwiegender erscheint es, wenn man bedenkt, dass es mit der söp eine kostenlose Anlaufstelle gibt, die sich für den Verbraucher einsetzt und dem Verbraucher auch in komplizierten Fällen und mit Hilfe von Legal Tech zur Seite steht. Dass sich dennoch viele Reisende an die gewinnorientierten Onlineportale wenden, kann zwar auch mit dem Faktor Zeit zusammenhängen, jedoch denke ich, dass es eine Frage der Popularität ist.
Haben Laien ein Problem mit ihrem Flug und streben nach einer Entschädigung, ist die erste Anlaufstelle Google (oder in Ausnahmefällen der Anruf beim Anwalt). Ich gehe davon aus, dass in einem solchen Fall nicht speziell nach einer Schlichtungsstelle, sondern vielmehr abstrakt gesucht wird (z.B. „Flugausfall Entschädigung“).
Gibt man dies in die Suchzeile bei Google ein, erhält man in den ersten Zeilen drei Anzeigen von „flightright“, „airhelp“ und „euflight“. Bei allen drei Plattformen handelt es sich um Legal Tech-Unternehmen. Während von der söp auf den ersten Seiten nichts zu finden ist, tauchen weitere Legal Tech-Unternehmen wie „flugrecht.de“ oder „fairplane“ auf. [86] Aufgrund dieser Tatsache lässt sich davon ausgehen, dass zumindest ein Teil der Reisenden auf ein Legal Tech-Unternehmen zurückgreift, ohne zu wissen, dass es eine kostenlose Alternative gibt. Behält man diese Annahme im Blick, kann man in den verschiedenen Onlineplattformen nicht nur einen schnellen Weg zum Recht und eine Möglichkeit, der Airline auf Augenhöhe gegenüberzutreten sehen. Vielmehr lässt sich auch eine gewisse Ausnutzung der Lage und Unwissenheit des Verbrauchers erkennen, um aus dieser Situation Profit zu schlagen. Immerhin handelt es sich bei der Provision um einen nicht unerheblichen Anteil der Entschädigung.
Betrachtet man den Fakt, dass es sich in den meisten Fällen nicht lohnt einen Anwalt zu beauftragen und vor Gericht zu gehen (vgl. Kosten-, Prozessrisiko) und dass es sich auch für die Anwaltschaft nicht lohnt solche Fälle zu übernehmen, stellt Legal Tech in meinen Augen eine notwendige Alternative für den Verbraucher dar, die eine vorhandene Lücke in der Rechtsdurchsetzung füllt. Meiner Meinung nach handelt es sich jedoch nur bei der söp um einen Segen für das Reiserecht. Die Onlineplattformen betrachte ich aufgrund der Kosten eher skeptisch.
Zwar entscheidet sich der Reisende freiwillig für einen Weg mit Provision, jedoch stellt sich mir hierbei die Frage, ob die Plattformen dem Verbraucherschutz guttun oder ob der Verbraucher nicht eher vor diesen geschützt werden müsste. Der Verbraucherschutz war einer der Gründe der Gesetzesänderung (vgl. S. 12 ff.). [87] Was diese Änderung bewirkt, bleibt abzuwarten.
Abschließend lässt sich sagen, dass Legal Tech im Reiserecht Vor- und Nachteile mit sich bringt. Die Entwicklung in diesem Bereich wird weitergehen und weitere Möglichkeiten bringen. Es bleibt ein spannender Prozess, der den Gesetzgeber dazu zwingt, sich den Entwicklungen weiter anzupassen und Risiken zu minimieren. Die Thematik wird weiterhin Juristen beschäftigen. Es gilt abzuwarten, was die Zukunft bringt.
[1] Steinrötter, RRa 2020, 259 (259).
[2] Wettlaufer, MMR 2018, 55 (55).
[3] Hartung, NJW 2020, 2611 (2612).
[4] Steinrötter, RRa 2020, 259 (259); Hartung, NJW 2020, 2611 (2612).
[5] So z.B. Kotsoglou, JZ 2014, 451; Kotsoglou, JZ 2014, 1100.
[6] Steinrötter, RRa 2020, 259 (260).
[7] Freese, NJW 2015, 2090 (2091); Grupp, AnwBl 2014, 660 (662).
[8] Steinrötter, RRa 2020, 259 (260); Freese, NJW 2015, 2090 (2091).
[9] Dahns, NJW-Spezial 2019, 766.
[10] Engel, JZ 2014, 1096 (1099).
[11] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Elterngeldrechner (abrufbar unter: https://familienportal.de/familienportal/meta/egr).
[12] Engel, JZ 2014, 1096 (1099).
[13] Eine solche Plattform ist beispielsweise Flightright (Plattform abrufbar unter: https://www.flightright.de/).
[14] Freese, NJW 2015, 2090 (2091).
[15] Hartung, LTO-Karriere, Künstliche Intelligenz und die Zukunft juristischer Arbeit, 31.03.2015 (abrufbar unter https://www.lto-karriere.de/beruf/stories/detail/kuenstliche-intelligenz-bots-technologie-anwaltsberuf-rechtsberatung-industrie-zukunft).
[16] Engel, JZ 2014, 1096 (1100).
[17] Tavakoli, ZRP 2020, 46 (48).
[18] Steinrötter, RRa 2020, 259 (262).
[19] Quarch, LR 2020, 111 (113).
[20] Hoch/Hendricks, VuR 2020, 254 (256).
[21] Römermann, VuR 2020, 43 (43).
[22] Steinrötter, RRa 2020, 259 (262).
[23] Römermann, VuR 2020, 43 (43).
[24] Steinrötter, RRa 2020, 259 (262).
[25] Staudinger/Achilles-Puyol, RRa 2020, 154 (155).
[26] So z.B. Flightright, abrufbar unter https://www.flightright.de/pauschalreise-abgesagt-corona.
[27] Staudinger/Achilles-Puyol, RRa 2020, 154 (155, 160).
[28] dpa, Weser Kurier, Corona-Reisegutschein gegen insolvenzgeschützten tauschen, 21.07.2020 (abrufbar unter: https://www.weser-kurier.de/ratgeber/corona-reisegutschein-gegen-insolvenzgeschuetzten-tauschen-doc7e4glnafjy01h6bgi2q5).
[29] Steinrötter, RRa 2020, 259 (263).
[30] BR-Drucks. 571/18 v. 14.12.2018.
[31] BR-Drucks. 571/18 v. 14.12.2018, Anlage S. 2.
[32] BR-Drucks. 571/18 v. 14.12.2018, Anlage S. 1.
[33] BT-Drucks. 19/9543 v. 17.04.2019, S. 6.
[34] BT-Drucks. 19/9543 v. 17.04.2019, S. 7.
[35] Kaulartz/Heckmann, CR 2016, 618 (618).
[36] Bernzen/Kehrberger, RW 2019, 374 (398 f.).
[37] Bernzen/Kehrberger, RW 2019, 374 (399 f.).
[38] Guggenberger in: Schulze u.a., Contracts for the Supply of Digital Content: Regulatory Challenges and Gaps, 83 (95).
[39] Steinrötter, RRa 2020, 259 (261).
[40] Blocher, AnwBl. 2016, 612 (618); Tavakoli, ZRP 2020, 46 (48 f.).
[41] Tavakoli, FAZ, Fluggagstrecht – Automatisch Geld zurück, 02.07.2019 (abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/politik/fluggastrecht-automatisch-geld-zurueck-16265191.html).
[42] Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr.
[43] Presseartikel Europäische Kommission, EU-Gesetzgeber einig über moderne Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr, 02.10.2020 (abrufbar unter: https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-gesetzgeber-einig-uber-moderne-fahrgastrechte-im-eisenbahnverkehr-2020-10-02_de);
FAZ, Zugverspätungen – ab 2023 keine Entschädigung mehr bei höherer Gewalt, 29.04.2021 (abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/geld-ausgeben/zugverspaetung-keine-entschaedigung-bei-hoeherer-gewalt-17318435.html).
[44] AXA, AXA goes blockchain with fizzy, 13.09.2017, abrufbar unter: https://www.axa.com/en/magazine/axa-goes-blockchain-with-fizzy (zuletzt aufgerufen am 11.12.2021).
[45] Wood, Ledger Insights, AXA withdraws blockchain flight dely compensation experiment, 11.11.2019 (abrufbar unter: https://www.ledgerinsights.com/axa-blockchain-flight-delay-compensation/).
[46] Tavakoli, ZRP 2020, 46 (47).
[47] So: Hähnchen/Bommel, JZ 2018, 334 (336 ff.).
[48] z.B. EuGH, Urteil vom 19.11.2009 – C-402, C-432/07.
[49] Tavakoli, ZRP 2020, 46 (47).
[50] Tavakoli, ZRP 2020, 46 (46f.).
[51] Steinrötter, RRa 2019, 149.
[52] Steinrötter, RRa 2020, 259 (264).
[53] Steinrötter, RRa 2020, 259 (264).
[54] Steinrötter, RRa 2019, 149.
[55] Tavakoli, ZRP 2020, 46 (48).
[56] Günther, MMR 2021, 764 (766).
[57] Henssler, NJW 2019, 545 (545 f.).
[58] BGH, Urteil vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, Rn. 170 ff.
[59] Stadler, VuR 2021, 123 (123 f.).
[60] Lührig, Anwaltsblatt, Gesetz zum Legal Tech-Inkasso gilt ab 1. Oktober 2021: Erfolgshonorar auch für Anwaltschaft, 25.06.2021 (abrufbar unter: https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/anwaeltinnen-anwaelte/berufsrecht/erfolgshonorar-legal-tech-inkasso-gesetz).
[61] Günther, MMR 2021, 764 (767).
[62] So z.B. Steinrötter, RRa 2020, 259 (265).
[63] Günther, MMR 2021, 764 (766).
[64] BT-Drucks. 19/27673 v. 17.03.2021, S. 16 ff.
[65] BT-Drucks. 19/27673 v. 17.03.2021, S. 18.
[66] Günther, MMR 2021, 764 (766 f.).
[67] Von Seltmann in: BeckOK RVG, § 4a Rn. 13.
[68] BT-Drucks. 19/27673 v. 17.03.2021, S. 13.
[69] Berlin, RRa 2019, 50 (50).
[70] Isermann, RRa 2016, 106 (107).
[71] Berlin, RRa 2019, 50 (51).
[72] söp, Ihr Schlichtungsantrag (abrufbar unter: https://soep-online.de/ihre-beschwerde/).
[73] Ausführlich zum Verfahren: Isermann, RRa 2016, 106 (109 ff.); Berlin, RRa 2019, 50 (52 ff.).
[74] Berlin, RRa 2019, 50 (55).
[75] Berlin, RRa 2019, 50 (54 ff.); Berlin, RRa 2019, 50 (Abb. 1, S. 57).
[76] Kotsoglou, JZ 2014, 451 (455).
[77] Ähnlich: Engel, JZ 2014, 1096 (1098 ff.).
[78] Z.B. EuGH, Beschluss v. 13.02.2020 – C-606/19.
[79] Steinrötter, RRa 2020, 259 (264).
[80] Muthorst, JA 2013, 721 (721).
[81] Kilian, CR 2017, 202 (210).
[82] So auch: Bernzen/Kehrberger, RW 2019, 374 (383).
[83] Steinrötter, RRa 2020, 259 (265).
[84] Steinrötter, RRa 2020, 259 (265).
[85] Frese, NJW 2015, 2090 (2091).
[86] Eigene Suche vom 17.12.2021
[87] Vgl. BT-Drucks. 19/27673 v. 17.04.2019.
- Arbeit zitieren
- Marc-Oliver de Vries (Autor:in), 2021, Legal Tech im Reiserecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1450613