Am 26. April diesen Jahres standen deutsche Schüler, Lehrer und Eltern unter Schock. Dass Aggression und Gewalt an deutschen Schulen stetig zunimmt und dazu immer brutaler wird, ist regelmäßig aus den Medien zu erfahren. Doch was an diesem Freitagmorgen im Gutenberg-Gymnasium in Erfurt geschah, war in dem Ausmaß bisher nur von Berichten aus Amerika bekannt. Der 19-jährige Schüler Robert Steinhäuser tötete insgesamt 16 Schüler und Lehrer und anschließend sich selbst. Schnell drängte sich die Frage auf, was einen jungen Menschen zu einer solchen Tat bewegen kann.
Entgegen ersten Annahmen handelte es sich bei Robert Steinhäuser keineswegs um einen auffälligen, aggressiven Schüler, der aus schlechten Familienverhältnissen stammte oder unter schwierigen Lebensumständen aufwuchs. Im Gegenteil, seine Eltern führten eine solide Ehe. Familie und Freunde sind sich in Bezug auf Robert einig: „Still war er – aber kein Stück aggressiv“. Seine einstige Lehrerin sagt: „Höflich und freundlich war er“. Dieses Bild passt nicht zu dem Robert, der am besagten Tag das grausame Blutbad anrichtete. Laut Spiegel könne man den Eindruck gewinnen, man habe es mit zwei, drei verschiedenen Menschen zu tun.
Der Amoklauf an sich ist aus psychologischer Sicht ein Sonderfall aggressiven Verhaltens, dessen Typologie nicht erläutert werden soll. Diese schwerwiegende Gewalttat soll vielmehr ein Beispiel für viele andere Formen von Aggression sein, die sich heutzutage in den verschiedensten Alltagssituationen abspielen. In der gleichen Spiegel-Ausgabe findet sich ein Artikel über die Situation an anderen deutschen Schulen: „Schlagen, Würgen, Treten, Randalieren, Erpressen und Demütigen finden täglich statt“ – ein „Kampf mit harten Bandagen“. Die Liste der Ausdrucksformen von Aggression ist nahezu unendlich – die Liste der Ursachen ebenso.
In der vorliegenden Arbeit wird zunächst ein Teilaspekt, der als ein möglicher Verursachungsmoment für aggressives Verhalten in Frage kommt, behandelt. Es geht um die Bedeutung der Identitätsentwicklung bei aggressiven Jugendlichen. Welche Defizite liegen in der Identitätsentwicklung vor? Und warum kann eine gestörte Identitätsentwicklung aggressives Verhalten nach sich ziehen? Diese Fragen werden im Laufe der Arbeit aufgenommen und behandelt.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Die Bedeutung der Identität für aggressives Verhalten
- 2.1 Begriffe und Definitionen
- 2.1.1 Identität
- 2.1.2 Aggression
- 2.2 Erklärungsansätze der Identitätsentwicklung
- 2.2.1 Identitätsentwicklung nach Erikson
- 2.2.2 Identitätsentwicklung nach Mead
- 2.2.3 Weitere Ansätze zur Identitätsentwicklung
- 2.2.4 Identitätsentwicklung und Aggression
- 2.3 Theorien aggressiven Verhaltens aus der Perspektive der Identitätspsychologie
- 2.3.1 Psychoanalytischer Ansatz nach Freud
- 2.3.2 Individualpsychologischer Ansatz nach Adler
- 2.3.3 Lerntheoretischer Ansatz
- 2.3.4 Soziologische Ansätze
- 3 Perspektiven für die Stärkung von Identität im schulischen Kontext: Ausgewählte Beispiele
- 3.1 Lehrerverhalten
- 3.2 Unterrichtsgestaltung
- 3.3 Schulberatung
- 4 Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen gestörter Identitätsentwicklung und aggressivem Verhalten bei Jugendlichen. Ziel ist es, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Defizite in der Identitätsentwicklung erkannt und durch entsprechende Maßnahmen im schulischen Kontext positiv beeinflusst werden können, um aggressives Verhalten zu reduzieren.
- Definition und Abgrenzung der Begriffe „Identität“ und „Aggression“
- Analyse verschiedener Theorien der Identitätsentwicklung (Erikson, Mead, Rogers, Fend)
- Untersuchung von Theorien aggressiven Verhaltens unter Einbezug von Identitätsfaktoren (Psychoanalyse, Individualpsychologie, Lerntheorie, Soziologie)
- Perspektiven zur Stärkung der Identität im schulischen Kontext (Lehrerverhalten, Unterrichtsgestaltung, Schulberatung)
- Zusammenhang zwischen gestörter Identitätsentwicklung und aggressivem Verhalten
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Die Arbeit beginnt mit dem Amoklauf von Erfurt als drastisches Beispiel für aggressives Verhalten bei Jugendlichen. Sie stellt die zentrale Forschungsfrage nach dem Zusammenhang zwischen gestörter Identitätsentwicklung und aggressivem Verhalten und skizziert den Aufbau der Arbeit. Der Fokus liegt auf der Identitätsentwicklung als möglicher Ursachenfaktor für Aggression, wobei die Arbeit die Komplexität der Thematik hervorhebt und eine vereinfachende Darstellung von Schüler*innen und Lehrer*innen ankündigt.
2 Die Bedeutung der Identität für aggressives Verhalten: Dieses Kapitel definiert die zentralen Begriffe „Identität“ (soziale, persönliche, Ich-Identität, Selbstkonzept, Selbstbild) und „Aggression“ (expressive, verbale, körperliche Aggression). Es werden verschiedene Theorien der Identitätsentwicklung (Erikson, Mead, Rogers, Fend) vorgestellt und ihre Relevanz für das Verständnis aggressiven Verhaltens diskutiert. Die Kapitel beleuchtet verschiedene psychologische und soziologische Ansätze zur Erklärung von Aggression, die Identitätsaspekte einbeziehen oder berücksichtigen. Es wird gezeigt, wie Mangel an Identität, beispielsweise durch unzureichende soziale Integration, zu aggressiven Verhaltensweisen führen kann.
3 Perspektiven für die Stärkung von Identität im schulischen Kontext: Ausgewählte Beispiele: Das Kapitel konzentriert sich auf präventive Maßnahmen zur Stärkung der Identität im schulischen Umfeld. Es werden Ansätze zur Verbesserung des Lehrerverhaltens, der Unterrichtsgestaltung und der Schulberatung (Schullaufbahn-, Berufsbildungs- und Studienberatung, psychologische Einzelfallhilfe) vorgestellt, die dazu beitragen können, die Identitätsentwicklung Jugendlicher positiv zu beeinflussen und damit aggressives Verhalten zu reduzieren oder zu verhindern. Es werden konkrete Beispiele und Strategien aufgezeigt, wie Schule zur positiven Identitätsfindung beitragen kann.
Schlüsselwörter
Aggression, Identitätsentwicklung, Jugendliche, Erikson, Mead, Psychoanalyse, Lerntheorie, Soziologie, Schulische Prävention, Lehrerverhalten, Unterrichtsgestaltung, Schulberatung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Zusammenhang zwischen gestörter Identitätsentwicklung und aggressivem Verhalten bei Jugendlichen
Was ist der zentrale Gegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen einer gestörten Identitätsentwicklung und aggressivem Verhalten bei Jugendlichen. Sie fokussiert darauf, wie Defizite in der Identitätsentwicklung erkannt und durch schulische Maßnahmen positiv beeinflusst werden können, um aggressives Verhalten zu reduzieren.
Welche Begriffe werden definiert und abgegrenzt?
Die Arbeit definiert und grenzt die Begriffe „Identität“ (inklusive sozialer, persönlicher, Ich-Identität, Selbstkonzept und Selbstbild) und „Aggression“ (expressive, verbale und körperliche Aggression) klar voneinander ab.
Welche Theorien der Identitätsentwicklung werden analysiert?
Die Arbeit analysiert verschiedene Theorien der Identitätsentwicklung, darunter die Ansätze von Erikson, Mead, Rogers und Fend. Die Relevanz dieser Theorien für das Verständnis aggressiven Verhaltens wird diskutiert.
Welche Theorien aggressiven Verhaltens werden betrachtet?
Die Arbeit untersucht Theorien aggressiven Verhaltens unter Einbezug von Identitätsfaktoren. Dies beinhaltet psychoanalytische (Freud), individualpsychologische (Adler), lerntheoretische und soziologische Ansätze.
Welche Perspektiven zur Stärkung der Identität im schulischen Kontext werden vorgestellt?
Die Arbeit präsentiert präventive Maßnahmen zur Stärkung der Identität in der Schule. Dies umfasst Ansätze zur Verbesserung des Lehrerverhaltens, der Unterrichtsgestaltung und der Schulberatung (Schullaufbahn-, Berufsbildungs- und Studienberatung, psychologische Einzelfallhilfe).
Wie wird der Zusammenhang zwischen gestörter Identitätsentwicklung und aggressivem Verhalten dargestellt?
Die Arbeit zeigt auf, wie ein Mangel an Identität, beispielsweise durch unzureichende soziale Integration, zu aggressiven Verhaltensweisen führen kann. Sie betont jedoch auch die Komplexität der Thematik und vermeidet vereinfachende Darstellungen von Schülern und Lehrern.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Aggression, Identitätsentwicklung, Jugendliche, Erikson, Mead, Psychoanalyse, Lerntheorie, Soziologie, Schulische Prävention, Lehrerverhalten, Unterrichtsgestaltung, Schulberatung.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zur Bedeutung der Identität für aggressives Verhalten (mit Unterkapiteln zu Definitionen, Theorien der Identitätsentwicklung und Theorien aggressiven Verhaltens), ein Kapitel zu Perspektiven zur Identitätsstärkung im schulischen Kontext und eine Schlussbetrachtung.
Wie beginnt die Arbeit?
Die Arbeit beginnt mit dem Amoklauf von Erfurt als drastisches Beispiel für aggressives Verhalten bei Jugendlichen und formuliert die zentrale Forschungsfrage nach dem Zusammenhang zwischen gestörter Identitätsentwicklung und aggressivem Verhalten.
Was ist das Fazit der Arbeit (in Kurzfassung)?
Die Arbeit zeigt den komplexen Zusammenhang zwischen gestörter Identitätsentwicklung und aggressivem Verhalten auf und bietet konkrete Ansätze zur Stärkung der Identität im schulischen Kontext, um aggressives Verhalten zu reduzieren oder vorzubeugen.
- Arbeit zitieren
- Verena Ick (Autor:in), 2002, Aggression als mögliche Ausdrucksform einer gestörten Identitätsenwicklung bei Jugendlichen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14514