Diese Arbeit analysiert aus salutogenetischer Sicht die Entstehung süchtigen Tabakkonsums und geht der Frage nach, warum es einigen Personen leichter gelingt, ihr Risikoverhalten aufzugeben, während andere notorisch rückfällig werden. Ziel der Arbeit ist es, die traditionell dichotom und pathologisch ausgerichtete Perspektive auf 'Tabakkonsum' zu erweitern und neue Impulse für das Beratungsangebot zu geben.
Zentrale Punkte sind, dass Rauchen als Verhalten und die Zigarette als Objekt für Raucher in erster Linie als Ressource fungieren. Dafür wird das Risikoverhalten im Kontext der Entwicklungsaufgaben der Lebensphasen, in der das Verhalten anfänglich praktiziert wird, sowie im Spiegel der Identitätsbildung analysiert. Es wird verdeutlicht, dass Rauchen als Verhalten bzw. die Zigarette als Objekt einer individuell spezifischen Bedeutungszuschreibung unterliegen. Diese folgt einem Kontinuum mit zunehmender Intensität von selbstrelevanten Aspekten und bedingt dadurch individuell unterschiedliche Affinitäten: Das eine Extrem kennzeichnet ein situativ euthymes Raucherleben. Der andere Pol ist durch ein Raucherleben markiert, welches identitätsrelevante und emotionsregulierende Funktionen erfüllt. Zwischen den Polen befinden sich in unterschiedlicher Intensität Raucherleben, die z.B. an Teilidentitäten gebunden und somit zeitlich begrenzt sind.
Je intensiver Rauchen als Verhalten mit zentralen identitätsrelevanten Aspekten und Emotionen ursächlich verknüpft wurde, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines 'unerklärlichen' Rückfalls/notorischer Rückfälligkeit, und zwar so lange, bis die individuelle Bedeutungszuschreibung dem Betroffenen bewusst ist. Besonders bei notorischer Rückfälligkeit kann eine stark ausgeprägte emotionsregulierende Verknüpfung vermutet werden, die in den Anfängen des Verhaltens motivdienlich mit einem Interesse verbunden wurde, welches nicht der Konsum von Nikotin war.
Eine verhaltenstherapeutische Entwöhnungstherapie kann zwar zu einer Abstinenz führen, sie endet jedoch in Rückfälligkeit, wenn das bis dahin noch unbewusste Identitätsmerkmal situativ kritisch in Frage gestellt wird. Dieser Ansatz bedingt notwendige Veränderungen in der Unterstützung bei Raucherentwöhnung. Eine auf dem Konzept der Salutogenese aufbauende Beratungshaltung und -praxis kann abstinenzinteressierte Raucher/notorische Rückfaller erreichen und motivierend unterstützen, sich mit ihrem Risikoverhalten erneut auseinander zu setzen, um rauchfrei zu werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung und Problemstellung
- 2. Tabakentwöhnung und Rückfälligkeit - Eine Bestandsaufnahme
- 2.1 Sucht-, Abhängigkeitsforschung und Tabakentwöhnung aus salutogenetischer Perspektive
- 3. Das Salutogenesemodell in Gesundheitspsychologie und Suchtforschung
- 4. Risikoverhalten im Kontext von Lebensphasen und Selbstkonzept
- 4.1 Risikoverhalten im Kontext der Entwicklungsaufgaben der Lebensphasen Jugend und frühes Erwachsenenalter
- 4.2 Risikoverhalten im Spiegel von Identität und Kohärenzgefühl
- 5. Risikoverhalten 'Tabakkonsum' als Teil des Selbstkonzepts und resultierende Konsequenzen für die Gesundheitsberatung
- 5.1 Wenn identitätsrelevante Ressourcen zu Stressoren werden
- 5.2 Konsequenzen für die Gesundheitsberatung von Rauchern
- 6. Zusammenfassung
- 7. Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Phänomen der Tabakabhängigkeit und insbesondere mit der Rückfälligkeit von ehemaligen Rauchern. Ziel der Studie ist es, ein tieferes Verständnis für die Ursachen der Rückfälligkeit zu entwickeln, indem das Salutogenesemodell von Antonovsky als theoretischer Rahmen herangezogen wird. Dabei wird die Rolle des Selbstkonzepts im Kontext von Risikoverhalten, insbesondere dem Tabakkonsum, im Vordergrund stehen.
- Salutogenesemodell und seine Anwendung auf die Suchtforschung
- Risikoverhalten im Zusammenhang mit der Entwicklung des Selbstkonzepts
- Identität und Kohärenzgefühl als Einflussfaktoren auf das Tabakkonsumverhalten
- Die Bedeutung des Selbstkonzepts für die Gesundheitsberatung von Rauchern
- Strategien zur Bewältigung von Stressoren und zur Förderung von Gesundheitsverhalten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die zentrale Forschungsfrage der Arbeit vor: Warum fällt es einigen Rauchern schwerer als anderen, ihr Tabakkonsumverhalten zu ändern, und welche Faktoren beeinflussen die Rückfälligkeit?
Kapitel 2 bietet einen Überblick über die Forschung zu Tabakentwöhnung und Rückfälligkeit, wobei der Fokus auf die salutogenetische Perspektive gelegt wird. Kapitel 3 erläutert das Salutogenesemodell von Antonovsky und seine Relevanz für die Gesundheitspsychologie und die Suchtforschung.
Kapitel 4 untersucht den Zusammenhang zwischen Risikoverhalten und den Entwicklungsaufgaben in der Jugend und im frühen Erwachsenenalter sowie die Rolle von Identität und Kohärenzgefühl.
Kapitel 5 analysiert das Tabakkonsumverhalten als Teil des Selbstkonzepts und die Konsequenzen für die Gesundheitsberatung von Rauchern.
Schlüsselwörter
Tabakkonsum, Rückfälligkeit, Salutogenese, Selbstkonzept, Identität, Kohärenzgefühl, Risikoverhalten, Gesundheitsberatung, Suchtforschung, Lebensphasen, Entwicklungsaufgaben
- Arbeit zitieren
- Birte Erichsen (Autor:in), 2007, Tabakkonsum im Kontext des Selbstkonzepts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145217