Durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (im Folgenden: EG) haben
die Mitgliedsstaaten in ihren Grundsätzen festgelegt, dass es Aufgabe der Gemeinschaft ist,
ein System zu schaffen, welches den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor
Verfälschungen schützt und einen hohen Grad an Wettbewerbsfähigkeit fördern soll, vgl.
Art. 3 I lit. g EG und Art. 2 EG.
Wettbewerb entsteht in der Regel dort, wo Rechtssubjekte von ihrer Handlungsfreiheit im
Wirtschaftsverkehr Gebrauch machen1. Ein funktionsfähiger Wirtschaftsverkehr hängt hierbei
entscheidend von dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, Konkurrenz und
Privatautonomie ab. Wettbewerb ist somit ein komplexes System, welches durch die
vorhandene Wirtschaftsordnung und die gewährten wirtschaftlichen Freiheitsrechte
maßgeblich beeinflusst wird. Sobald ein fairer und ausgewogener Wettbewerb zwischen
Konkurrenten am europäischen oder nationalen Markt nicht mehr möglich ist, liegt eine
Wettbewerbsbeschränkung vor.
Das Thema dieser Arbeit setzt sich mit horizontalen und vertikalen
Wettbewerbsbeschränkungen unter Berücksichtigung der Gruppenfreistellungsverordnungen
(im Folgenden: GVO) der Europäischen Kommission auseinander. Hierfür werden die
grundlegenden europäischen Wettbewerbsregeln vorgestellt und ein Überblick über das
Kartellverbot des Art. 81 I EG gegeben, um anschließend auf die horizontalen und vertikalen
Wettbewerbsbeschränkungen und ihren Wirkungen am europäischen Binnenmarkt
einzugehen. Die Arbeit endet dann mit Ausführungen zu einzelnen ausgewählten GVO der
Europäischen Kommission (im Folgenden: Kommission).
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Europäische Wettbewerbsregeln
A. Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates
B. Kartellverbot Art. 81 I EG
1. Adressaten
a. Unternehmen:
b. Öffentliche Unternehmen:
c. Unternehmensvereinigungen:
2. Tatbestandliche Handlung
a. Vereinbarungen:
b. Beschlüsse:
c. Aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen:
3. Bezwecken oder Bewirken einer Wettbewerbsbeschränkung
a. Bezwecken einer Wettbewerbsbeschränkung:
b. Bewirken einer Wettbewerbsbeschränkung:
4. Zusammenfassung
C. Gruppenfreistellungsverordnung
D. Leitlinien der Kommission
E. Reaktion des deutschen Kartellrecht
F. Fazit
III. Wettbewerbsbeeinträchtigungen
A. Horizontale Vereinbarungen
B. Vertikale Vereinbarungen
1. Positive Wirkung von Vertikalvereinbarungen
a. Erschließung neuer Märkte:
b. Vorzüge durch Vertriebsvereinbarungen:
c. Sicherung von Qualitätsstandards:
2. Negative Wirkungen von Vertikalvereinbarungen
a. Beeinträchtigung durch Markenzwang:
b. Beeinträchtigung durch Marktaufteilung:
c. Beeinträchtigung durch Vertriebsvereinbarungen:
d. Beeinträchtigung durch Preisbindungsvereinbarungen:
3. Beurteilung von Vertikalvereinbarungen
C. Fazit
IV. Freistellung durch eine GVO
A. GVO für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen
1. Vertikal-GVO
a. Überblick über einzelne Regelungen der Vertikal-GVO:
aa. Art. 2 Vertikal-GVO:
bb. Art. 3 Vertikal-GVO:
cc. Art. 4 Vertikal-GVO:
Preisbindung:
Beschränkungen durch Gebiets- und Kundenvereinbarungen:
Beschränkung des aktiven und passiven Verkaufs im selektiven Vertriebssystem: ..
Beschränkung von Querlieferungen:
Beschränkungen von Reparaturwerkstätten:
dd. Art. 5 Vertikal-GVO:
b. Beurteilung der Vertikal-GVO:
2. VO Nr. 1400/2002 über vertikale Vereinbarungen im Kfz-Sektor
a. Überblick über einzelne Regelungen der GVO 1400/02:
aa. Art. 2 GVO 1400/02:
bb. Art. 3 GVO 1400/02:
cc. Art. 4 GVO 1400/02:
dd. Art. 5 GVO 1400/02:
b. Wirkung der GVO 1400/02 für die Händler:
c. Wirkung der GVO 1400/02 für die Hersteller:
d. Beurteilung der GVO 1400/02:
3. GVO Nr. 772/2004 über Technologietransfer-Vereinbarungen
a. Überblick über einzelne Regelungen der TT-GVO:
aa. Art. 2 TT-GVO:
bb. Art. 3 TT-GVO:
cc. Art. 4 TT-GVO:
dd. Art. 5 TT-GVO:
b. Beurteilung der TT-GVO:
B. GVO für horizontale Vereinbarungen
1. GVO Nr. 2658/2000 über Spezialisierungsvereinbarungen
a. Überblick über einzelne Regelungen der GVO 2658/00:
aa. Art. 1 GVO 2658/00:
bb. Art. 3 GVO 2658/00:
cc. Art. 4 GVO 2658/00:
dd. Art. 5 GVO 2658/00:
b. Beurteilung der GVO 2658/00:
2. GVO Nr. 2659/2000 über Vereinbarungen über FuE
a. Überblick über einzelne Regelungen der GVO 2659/00:
aa. Art. 1 GVO 2659/00:
bb. Art. 3 GVO 2659/00:
cc. Art. 4 GVO 2659/00:
dd. Art. 5 GVO 2659/00:
b. Beurteilung der GVO 2659/00:
C. Fazit
V. Fazit
I. Einleitung
Durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (im Folgenden: EG) haben die Mitgliedsstaaten in ihren Grundsätzen festgelegt, dass es Aufgabe der Gemeinschaft ist, ein System zu schaffen, welches den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen schützt und einen hohen Grad an Wettbewerbsfähigkeit fördern soll, vgl. Art. 3 I lit. g EG und Art. 2 EG.
Wettbewerb entsteht in der Regel dort, wo Rechtssubjekte von ihrer Handlungsfreiheit im Wirtschaftsverkehr Gebrauch machen1. Ein funktionsfähiger Wirtschaftsverkehr hängt hierbei entscheidend von dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, Konkurrenz und Privatautonomie ab. Wettbewerb ist somit ein komplexes System, welches durch die vorhandene Wirtschaftsordnung und die gewährten wirtschaftlichen Freiheitsrechte maßgeblich beeinflusst wird. Sobald ein fairer und ausgewogener Wettbewerb zwischen Konkurrenten am europäischen oder nationalen Markt nicht mehr möglich ist, liegt eine Wettbewerbsbeschränkung vor.
Das Thema dieser Arbeit setzt sich mit horizontalen und vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen unter Berücksichtigung der Gruppenfreistellungsverordnungen (im Folgenden: GVO) der Europäischen Kommission auseinander. Hierfür werden die grundlegenden europäischen Wettbewerbsregeln vorgestellt und ein Überblick über das Kartellverbot des Art. 81 I EG gegeben, um anschließend auf die horizontalen und vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen und ihren Wirkungen am europäischen Binnenmarkt einzugehen. Die Arbeit endet dann mit Ausführungen zu einzelnen ausgewählten GVO der Europäischen Kommission (im Folgenden: Kommission).
II. Europäische Wettbewerbsregeln
Um Beeinträchtigungen am europäischen Binnenmarkt zu verhindern und die Handlungsfreiheit zu gewährleisten sind die Rechtssubjekte in der Europäischen Gemeinschaft den geltenden Vorschriften über das Wettbewerbsrecht unterworfen - namentlich dem Kartellverbot des Art. 81 I EG, dem Verbot des Missbrauchs einer den Markt beherrschenden Stellung nach Art. 82 EG, sowie der Zusammenschlusskontrolle des Art. 2 FKVO. Die maßgeblichen Vorschriften auf deutscher Ebene sind außerdem das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).
Art. 81 EG ist hierbei seinem Wesen nach und unter Berücksichtigung der Grundsätze des EG die ausschlaggebende Norm, um den Wettbewerb vor Verfälschungen zu schützen. Er legt fest, welche Handlungen und Verhaltensweisen den Binnenmarkt schädigen und somit den Zielen der Europäischen Gemeinschaft zuwider laufen.
Ergänzungen zum Wettbewerbsrecht findet man in der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Europäischen Rates (im Folgenden: Rat), in den GVO und Leitlinien der Kommission.
A. Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates
Die Ermächtigung für den Erlass einer Verordnung durch den Rat ergibt sich aus Art. 83 I EG. Danach darf er zur Verwirklichung der in Art. 81 und 82 EG niedergelegten Grundsätze auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments zweckdienliche Verordnungen und Richtlinien erlassen.
Die wohl wichtigste Verordnung für das Kartellverbot ist die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zur Durchführung der in den Art. 81 EG und 82 EG niedergelegten Wettbewerbsregeln (im Folgenden: VO Nr. 1/2003). Darin wurde festgelegt, dass die Art. 81 ff. EG unmittelbar anwendbar sind und absoluten Vorrang vor den nationalen Kartellrechtsbestimmungen haben, sofern kein rein innerstaatlicher Bezug gegeben ist. Hauptzweck der VO Nr. 1/2003 ist hierbei die Festlegung von einheitlich verbindlichen Vorschriften für den gemeinschaftlichen Binnenmarkt sowie die Schaffung des Systems der Legalausnahme.
Ursprünglich galt die Verordnung (EG) Nr. 17 aus dem Jahre 1962. Diese Verordnung hat ein zentralisiertes System geschaffen2, bei der sich jedes Unternehmen bei der Kommission eine Genehmigung für die Durchführung einer wettbewerbsbeschränkenden Maßnahme erteilen lassen musste3. Mit dem Zuwachs an neuen Mitgliedsstaaten wurde dieses System jedoch zu einer Belastung für die Europäische Gemeinschaft, da immer mehr Anmeldungen vorlagen und die Verfolgung schwerwiegender Verstöße erlahmte. Mit der VO Nr. 1/2003 wurde das zentralisierte System zu einem dezentralisierten System umgewandelt. Die Pflicht zur Anmeldung und Genehmigung wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen (Verbotstatbestand mit Erlaubnisvorbehalt) wurde dabei durch ein System der Legalausnahme abgelöst. Das bedeutet, dass bei Verwirklichung des Art. 81 I EG nun eine Freistellung bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 81 III EG kraft Gesetz und ohne Mitwirkung der Kommission erfolgt.
Ziel war ist, den Verwaltungsapparat der Kommission zu erleichtern und eine einheitliche Anwendung der europäischen Wettbewerbsvorschriften für die Verbraucher und Teilnehmer am Markt zu gewährleisten. Da damit alle Mitgliedsstaaten dieselben Rechtsvorschriften anwenden und eine dahingehend einheitliche Rechtssprechung entsteht, haben die Teilnehmer des Binnenmarktes die gleichen Voraussetzungen und Chancen. Allerdings haben die Unternehmen selbst zu entscheiden, ob ihre Maßnahme verboten ist und freigestellt werden kann. Sie tragen somit das Subsumtionsrisiko4.
Des Weiteren entstand durch die VO Nr. 1/2003 das europäische Wettbewerbsnetz oder auch European Competition Network (im Folgenden: ECN). Da die Art. 81 ff. EG nun unmittelbar geltendes Recht sind, sind die nationalen Behörden für die Beurteilung der Freist]ellung zuständig. Ein uneingeschränktes Informationsnetzwerk zwischen den nationalen Behörden und der Kommission soll hierbei gewährleisten, dass eine einheitliche und effektive Rechtsanwendung innerhalb der EU erfolgt. Dies wird u. a. dadurch gewährleistet, dass in den Mitgliedsstaaten bereits erlangte Beweise untereinander verwertet werden dürfen (vgl. Art. 12 VO Nr. 1/2003) und eine zwischenstaatliche Amtshilfe zur Aufdeckung von Verstößen normiert ist. Auch können durch die Zusammenarbeit im Netzwerk gegebenenfalls doppelte Bearbeitungen von Sachverhalten verhindert werden, vgl. Art. 11 ff. VO Nr. 1/20035.
B. Kartellverbot Art. 81 I EG
Nach dem europäischen und dem deutschen Recht liegt ein Kartellverbot nur dann vor, wenn Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen unter den Verbotstatbestand des Art. 81 I EG und § 1 GWB fallen. Sofern die Vereinbarung nicht durch Art. 81 III EG, §§ 2, 3 GWB oder eine GVO gerechtfertigt wird, ist sie gemäß Art. 81 II EG und §§ 32 ff. GWB, § 134 BGB nichtig. Der Art. 81 I EG und § 1 GWB beinhalten fast gleichlautend dieselben Tatbestandsmerkmale. Lediglich auf die Bedingung vom Handel zwischen den Mitgliedsstaaten (sogenannte Zwischenstaatlichkeitsklausel) wird in § 1 GWB verzichtet, da hierfür ausschließlich die Art.
81 ff. EG anwendbar sind. Sie sind somit dann anwendbar, sobald die Handlungen der Adressaten geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten spürbar zu beeinträchtigen. Die maßgebliche Beurteilung erfolgt anhand der Wirkung der Maßnahme, unabhängig davon, ob es sich um eine nationale oder europäische Vereinbarung handelt. Zwischenstaatlichkeit ist daher dann zu bejahen, wenn eine Maßnahme geeignet ist, den gemeinsamen Binnenmarkt zu beeinträchtigen. Obwohl hierbei der Begriff der Zwischenstaatlichkeit sehr weit gefasst werden muss, erfolgt durch das Kriterium der „Spürbarkeit“ eine Einschränkung.
Eine Maßnahme ist spürbar für den Binnenmarkt, wenn und soweit eine konkret feststellbare Veränderung der Produktions- oder Marktverhältnisse zu einer Beschränkung der Handlungen, in der Regel zulasten Dritter, am Markt führt6. Im Umkehrschluss ergibt sich, dass Vereinbarungen, die zwar den zwischenstaatlichen Bereich tangieren, aber kaum spürbare Auswirkungen haben, von den Art. 81 ff. EG ausgenommen werden. Für die Beurteilung der Spürbarkeit sind insbesondere qualitative und quantitative Kriterien maßgeblich, wie Umsatz oder Marktanteil7. Ausgenommen werden sollen hierdurch insbesondere Bagatellhandlungen oder Vereinbarungen zwischen kleineren und mittleren Unternehmen (im Folgenden: KMU), da diese schon vom Verständnis her nicht geeignet sind, den Wettbewerb spürbar zu beeinträchtigen.
1. Adressaten
Die Vorschriften der Art. 81 ff. EG beziehen sich auf Unternehmen und Unternehmensvereinigungen.
a. Unternehmen:
Eine Legaldefinition des Unternehmensbegriffs ist im EG nicht normiert. Um den Wirkungskreis der Art. 81 ff. EG jedoch nicht zu beschränken, muss der Unternehmensbegriff weit ausgelegt werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte umfasst der Begriff des Unternehmens demnach „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und Finanzierung“8.
Zu Fragen ist somit, ob das Unternehmen wirtschaftlich oder nicht wirtschaftlich am Wettbewerbsgeschehen teilnimmt. Grundsätzlich kann man eine wirtschaftliche Betätigung in dem Angebot oder der Nachfrage von Gütern und Dienstleitungen sehen9. Unter diese Bedingungen fallen jedoch auch marktvorbereitende bzw. marktabschließende Maßnahmen10, da eine Verfälschung des Binnenmarktes auch schon während der Produktionsphasen und der Fertigung entstehen kann.
Negativ formuliert fehlt es an der wirtschaftlichen Betätigung, soweit sie keinen Bezug zum Wirtschaftsleben aufweist. Dies ist unstrittig der Fall bei privaten Verbrauchern und Teilnehmern am Arbeitsmarkt11, da es hier grundsätzlich an der Einflussnahme auf den Binnenmarkt fehlt, sowie bei öffentlichen Unternehmen, sofern sie im Rahmen ihrer hoheitlichen Aufgaben tätig werden.
b. Öffentliche Unternehmen:
Bei öffentlichen Unternehmen erscheint die Grenze zwischen hoheitlichem und wirtschaftlichem Handeln problematisch. Wie oben festgestellt kommt es für den Unternehmensbegriff nicht auf die Rechtsform und die Art der Finanzierung, sondern auf die wirtschaftliche Betätigung an.
Ein hoheitliches Handeln kann angenommen werden, sofern der Staat im Rahmen seiner Staatsaufgaben agiert und es dem öffentlichen Interesse dient12. Handeln die öffentlichen Unternehmen im wirtschaftlichen Interesse, so gilt für sie gleichermaßen das europäische Kartellrecht. Die Einbeziehung der öffentlichen Unternehmen in die Art. 81 ff. EG ist notwendig, da die Anwendung des Kartellrechts sonst in der Disposition der jeweiligen einzelnen Mitgliedsstaaten läge und gegebenenfalls eine Beeinträchtigung des Binnenmarktes nach sich ziehen könnte. Weiterhin sind öffentliche Unternehmen schon begrifflich gesehen in die Rechtsordnung des Staates zu integrieren, sodass sie nicht nur Adressaten der Art. 81 ff. EG, sondern auch Adressaten des an die Mitgliedsstaaten gerichteten Gemeinschaftsrechts sind13. Ferner ist die Anwendung der Art. 81 ff. EG auch auf nationaler Ebene sinnvoll, um eine Bevorteilung öffentlich-rechtlicher Unternehmen zu verhindern. Ein entsprechendes Verbot ist in Art. 86 I EG i. V. m. Art. 12 EG normiert. Danach sind Handlungen des Staates verboten, bei denen Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen bevorteilt werden. Die zugrunde liegende Chancengleichheit soll somit eine Besserstellung durch den Staat von einzelnen privaten oder öffentlich-rechtlichen Unternehmen gegenüber anderen privaten Unternehmen verhindern.
c. Unternehmensvereinigungen:
Unternehmensvereinigungen sind Zusammenschlüsse mehrerer Unternehmen, die zum Zweck haben, die Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen14.
Unternehmen und Unternehmensvereinigungen werden gemäß Art. 81 I EG nebeneinander normiert, sodass die gleichen Anforderungen wie bei dem Unternehmensbegriff gelten. Mithin ist auch hier die wirtschaftliche Betätigung am Markt ausschlaggebend; Zweck, Rechtsform oder Dauer sind dagegen irrelevant.
2. Tatbestandliche Handlung
Als tatbestandliche Handlung normiert Art. 81 I EG, dass Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen (im Folgenden: Unternehmen) mittels Vereinbarungen, Beschlüssen oder aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen zulasten der Mitbewerber zusammenwirken. Alle drei Handlungsarten stehen alternativ nebeneinander. Sofern eine Tathandlung durch ein Unternehmen bezweckt oder bewirkt wurde, kann anschließend geprüft werden, ob eine Freistellung oder Nichtigkeit gemäß Art. 81 II EG in Betracht kommt.
a. Vereinbarungen:
Eine Vereinbarung liegt vor, wenn die Parteien ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck bringen, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten15. Die hierbei gewählte Vertragsart spielt keine Rolle. Vielmehr ist nach dem Schutzzweck der Art. 81 ff. EG der Begriff weit auszulegen. Eine Vereinbarung kann somit mündlich, schriftlich oder konkludent, sowie auf horizontaler und vertikaler Ebene erfolgen16.
b. Beschlüsse:
Unter Beschlüsse versteht man alle Rechtsakte, durch die eine Unternehmensvereinigung ihren Willen bildet17. Da jeder Akt der Willensbildung unter dem Begriff subsumiert werden kann, unterfallen ihm alle Maßnahmen, die eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung haben. In Betracht kommen somit auch Empfehlungen oder Rundschreiben18.
c. Aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen:
Eine eindeutige Abgrenzung zu Vereinbarungen und Beschlüssen ist in der Praxis häufig nicht möglich, denn auch die dritte tatbestandsmäßige Handlung des Art. 81 I EG setzt eine Koordinierung des Verhaltens am Markt von mindestens zwei Unternehmen voraus19. Die Koordinierung muss hierbei durch eine Abstimmung erfolgen. Sie kann in beliebiger Form erfolgen, muss aber nicht - anders als bei der Vereinbarung - eine rechtliche oder faktische Bindung bewirken. Vielmehr ist ausreichend, dass die Beteiligten bewusst auf eine praktische Zusammenarbeit hinwirken20, sei es durch gemeinschaftlichen Informationsaustausch oder durch ein „gentlemen’s agreement“.
Insofern handelt es sich bei dem Tatbestandsmerkmal des „aufeinander abgestimmten Verhaltens“ auch um einen Auffangtatbestand21.
Eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise liegt vor, wenn durch das Zusammenwirken von Unternehmen die Wettbewerbsbedingungen verändert werden und somit die typischen Risiken des Wettbewerbs, beispielweise das Konkurrentenverhalten, vermindert werden. Durch das Zusammenwirken können die Beteiligten regelmäßig ihr Verhalten am Markt nicht mehr autonom bestimmen (das sogenannte Selbständigkeitspostulat)22. Dadurch, dass sie an Selbständigkeit einbüßen, verstoßen sie gegen die Grundsätze des EG, wodurch Wettbewerbsverzerrungen angenommen werden können und der Anwendungsbereich des Kartellrechts eröffnet ist.
3. Bezwecken oder Bewirken einer Wettbewerbsbeschränkung
Des Weiteren sind gemäß dem Wortlaut des Art. 81 I EG Verhinderungen, Einschränkungen oder Verfälschungen des Wettbewerbs verboten. Alle drei Tatbestandsmerkmale werden unter dem Oberbegriff der Wettbewerbsbeschränkung zusammengefasst. Sie können durch horizontale und vertikale Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen (im Folgenden: Vereinbarungen) erfolgen. Exemplarisch beinhaltet Art. 81 I EG einen Katalog von Regelungen, die unter das Kartellverbot fallen können. Dieser ist nicht abschließend geregelt, vgl. Wortlaut des Art. 81 I EG „insbesondere“ und ist somit lediglich ein Maßstab für die Beurteilung. Es handelt sich hierbei um sogenannte „Hardcore-Kartelle“.
Die Wettbewerbsbeschränkungen müssen des Weiteren durch die Unternehmen bezweckt oder bewirkt werden.
a. Bezwecken einer Wettbewerbsbeschränkung:
Eine Maßnahme ist bezweckt, wenn sie „ihrem Wesen nach“ dazu geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken23. Beispielsweise sind Vereinbarungen über die Aufteilung von Märkten „ihrem Wesen nach“ dazu geeignet, eine Wettbewerbsbeschränkung zu ermöglichen. Sofern der Zweck der Maßnahme auf eine Wettbewerbsbeschränkung gerichtet war, ist eine Überprüfung anhand der tatsächlichen Auswirkungen auf dem Markt nicht mehr notwendig24. Dies ergibt sich daraus, dass die Eignung der Maßnahme als Beschränkung offensichtlich ist und somit die Tathandlung des Art. 81 I EG verwirklicht wurde.
b. Bewirken einer Wettbewerbsbeschränkung:
Sofern eine Maßnahme nicht bezweckt wurde, ist zu beurteilen, ob eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt wurde.
Das Merkmal „bewirken“ verlangt begrifflich ein Effekt nach außen, also eine Beschränkung gegenüber den Beteiligten oder Dritten im Wettbewerb. Maßgeblich sind hier die potenziellen und tatsächlichen negativen Auswirkungen am Markt, insbesondere die Stellung der Beteiligten und Dritten unter Berücksichtigung der daraus resultierenden Einflussnahme auf den Markt. Voraussetzung ist jedoch, dass sich die Wirkung hierbei in einer spürbaren Weise am relevanten Markt niederschlagen muss25.
Sofern mehrere unabhängige Vereinbarungen vorliegen, die jeweils für sich keine Auswirkung auf dem Markt haben, ist abschließend zu schauen, ob sie sich in ihrer Gesamtkonstellation negativ auf den Wettbewerb auswirken (sog. Bündeltheorie). Entscheidend ist hierbei, inwieweit sich durch das Bündel an Vereinbarungen der Zugang zum Markt verschlechtert und wie hoch der Einfluss der Beteiligten an dieser Marktabschottung ist26.
4. Zusammenfassung
Wird eine Wettbewerbsbeschränkung durch die Adressaten des Art. 81 EG bezweckt, so kommt präventiv und somit ohne Überprüfung der tatsächlichen Marktwirkungen das Kartellverbot zur Anwendung. Wird ein Zweck in der Vereinbarung verneint oder ergibt sich die Beschränkung durch andere verfolgte Maßnahmen, so ist zu prüfen, ob dadurch eine Beschränkung bewirkt wurde. Sofern eine Beschränkung im Sinne des Art. 81 I EG bejaht wird, ist die Maßnahme ipso iure verboten. Sie kann aber gegebenenfalls durch eine GVO freigestellt werden oder erfüllt die Voraussetzungen des Art. 81 III EG.
C. Gruppenfreistellungsverordnung
Durch die VO Nr. 1/2003 wurde der Kommission die Befugnis erteilt, GVO zu erlassen. Die Zulässigkeit der Kommission ergibt sich hierbei aus Art. 83 I EG i. V. m. der Ermächtigungsverordnung des Rates und Art. 211 Spiegelstrich 4 EG.
GVO sind Verordnungen im Sinne der Art. 249 II EG und somit von den Mitgliedsstaaten zu beachten27. Sie ermöglichen ganzen Gruppen von Vereinbarungen eine Freistellung von dem Verbot des Art. 81 I EG ohne weitere Mitwirkung der Kommission und ohne Berücksichtigung des Art. 81 III EG.
Eine „Gruppe“ ist hierbei eine abstrakte Konstruktion von gleichen oder vergleichbaren Merkmalen, bei der die Kommission aufgrund langjähriger Erfahrung eine Freistellung bestimmt hat28.
Unternehmen, die unter eine „Gruppe“ fallen, werden jedoch nicht zu einem bestimmten Handeln verpflichtet. Vielmehr dient eine GVO als Orientierung, um das unternehmerische Handeln am Markt wettbewerbskonform auszurichten. Auch hier tragen die Unternehmen das Subsumtionsrisiko. Hintergrund für die Entwicklung der GVO war, wie oben erwähnt, die ursprüngliche Monopolstellung der Kommission für Genehmigungen vom Kartellverbot des Art. 81 I EG und der daraus resultierenden Überbelastung und Verlangsamung der Entscheidungsfindung. Mit den GVO wird somit ebenfalls das Ziel verfolgt, die Effizienz der Behörden zu verbessern.
D. Leitlinien der Kommission
Leitlinien oder sogenannte „guidelines“ beinhalten die Auffassung der Kommission zu den sachlichen Bewertungskriterien einer von der Kommission erlassenen Verordnung29.
Leitlinien legen hierbei die allgemeinen Grundsätze dar, sowie deren Anwendungsbereich, Voraussetzungen, Beschränkungen und Analysen. Hauptzweck ist hierbei, durch angegebene Bewertungskriterien den Unternehmen aufzuzeigen, welche Qualität ihre Vereinbarungen haben und welche Folgen damit verbunden sind.
Ähnlich wie ein Kommentar sind sie somit ein nützliches Instrument für die Anwendung der GVO und deren Verständnis, um den Unternehmen zu ermöglichen, selbst nach Maßgabe der Wettbewerbsregeln Vereinbarungen beurteilen können30.
Zu beachten ist, dass Leitlinien keine verbindliche Wirkung haben. Im Gegensatz zu einer Verordnung, die gemäß Art. 249 II EG unmittelbare Wirkung in den Mitgliedsstaaten entfaltet, wirken Leitlinien eher wie Verwaltungsvorschriften31. Das bedeutet, dass eine Bindung durch Leitlinien höchstens unter Berücksichtigung der Gleichanwendung durch die Kommission möglich ist. Als nicht unbeachtlichen Nebeneffekt beeinflussen die Leitlinien aber auch die Entscheidungsfindung der nationalen Behörden, sodass man durchaus von einer faktischen Bindung der nationalen Behörden ausgehen kann.
Im Endergebnis wirken Leitlinien zumindest mittelbar in den nationalen Behörden.
E. Reaktion des deutschen Kartellrecht
Mit der 7. Kartellnovelle32 erfolgte eine Angleichung des nationalen Rechts an das europäische Kartellrecht. Hierbei wurde das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) grundsätzlich identisch zu den Vorschriften des europäischen Kartellrechts erstellt. Der § 1 GWB entspricht somit - mit Ausnahme des Europabezugs - Art. 81 EG, die §§ 19 ff. GWB regeln den Missbrauch einer den Markt beherrschenden Stellung im Sinne des Art. 82 EG und die nationale Zusammenschlusskontrolle erfolgt durch die §§ 35 ff. GWB.
Ziel der 7. Kartellnovelle war insbesondere der Ausbau der kartellrechtlichen Befugnisse, die Verbesserung des Rechtsschutzes gegen Kartellverstöße, sowie Verfahrens- und Verwaltungserleichterungen zu bewirken. Unter Berücksichtigung des ECN bedeutet dies für die nationalen Wettbewerbsbehörden jedoch auch, dass sie grundsätzlich ihre Zuständigkeiten verlieren, sofern die Kommission Verfahren einleitet oder eine andere mitgliedsstaatliche Behörde denselben Fall bearbeitet33. Andererseits ist es den innerstaatlichen Behörden nicht verwehrt, gegebenenfalls strengeres innerstaatliches Recht anzuwenden, sofern sie dadurch nicht den Grundsätzen der Europäischen Gemeinschaft widersprechen, vgl. Art. 3 II, S. 2 VO Nr. 1/2003, § 22 GWB.
[...]
1 Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 2, Rn. 73.
2 VO Nr. 1/2003, Erwägungsgründe VO Nr. 1/2003, S. 323, Rn. 3.
3 Lettl, Kartellrecht, 2. Auflage, § 1, Rn 12.
4 Zäch, Grundzüge des Europäischen Wirtschaftsrechts, 6. Teil, Rn. 641.
5 VO Nr. 1/2003, Erwägungsgründe VO Nr. 1/2003, S. 329, Rn. 22.
6 Hönn, Wettbewerbs- und Kartellrecht, 1. Auflage, § 5, Rn. 246.
7 Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 10, Rn. 83.
8 Zäch, Grundzüge des Europäischen Wirtschaftsrechts, 6. Teil, Rn. 593.
9 Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 8, Rn. 5.
10 Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 8, Rn. 5.
11 Zäch, Grundzüge des Europäischen Wirtschaftsrechts, 6. Teil, Rn. 593.
12 Emmerich, Kartellrecht, 10. Auflage, § 3, Rn. 37.
13 Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 1. Auflage, § 7, Rn. 496.
14 Zäch, Grundzüge des Europäischen Wirtschaftsrecht, 6. Teil, Rn. 598.
15 Lettl, Kartellrecht, 2. Auflage, § 2, Rn. 18.
16 Lettl, Kartellrecht, 2. Auflage, § 2, Rn. 19.
17 Emmerich, Kartellrecht, 10. Auflage, § 4, Rn. 16.
18 Emmerich, Kartellrecht, 10. Auflage, § 4, Rn. 17.
19 Zäch, Grundzüge des Europäischen Wirtschaftsrechts, Rn. 602.
20 Lettl, Kartellrecht, 2. Auflage, § 2, Rn. 32.
21 Lettl, Kartellrecht, 2. Auflage, § 2, Rn. 31.
22 Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 9, Rn. 20.
23 Zäch, Grundzüge des Europäischen Wirtschaftsrechts, Rn. 631.
24 Zäch, Grundzüge des Europäischen Wirtschaftsrechts, Rn. 630.
25 Emmerich, Kartellrecht, 10. Auflage, § 4, Rn. 82.
26 Lettl, Kartellrecht, 2. Auflage, § 2, Rn. 105.
27 Lettl, Kartellrecht, 2. Auflage, § 1, Rn. 18.
28 Lettl, Kartellrecht, 2. Auflage, § 1, Rn. 18.
29 Europäische Kommission, Bekanntmachung 2004 a, S. 97, Rn. 3.
30 Europäische Kommission, Mitteilung 2008, S. 397, Rn. 3.
31 Scheerer, Rechtsfragen der GVO 2780/90, Teil 1, S. 9.
32 Fassung vom 15.07.2005.
33 VO Nr. 1/2003, Erwägungsgründe VO Nr. 1/2003, S. 328, Rn. 17.
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