Die Mitgliedschaft in der Pionierorganisation der DDR

Zwischen Förderung und Verhinderung der individuellen Entwicklung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

47 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Die Sachanalyse
der individuellen Entwicklung

2. Die Didaktische Analyse
2.1 Fokussierung auf Vergangenheit
2.1.1 Re-Konstruktion
2.1.2 De-Konstruktion
2.2 Fokussierung auf Geschichte
2.2.1 Re-Konstruktion
2.2.2 De-Konstruktion
2.3 Fokussierung auf Gegenwart/Zukunft
2.3.1 Re-Konstruktion
2.3.2 De-Konstruktion
Zukunft bestehen. In diesem Bereich muss besonders auf die Unterfütterungen von Meinungen mit schlüssigen Argumenten geachtet werden

3. Die Lernziele der gesamten Unterrichtseinheit
3.1 Kognitive Lernziele
3.2 Instrumentelle Lernziele
3.3 Soziale Lernziele

4. Die Methodenanalyse

5. Die Verlaufsskizzen
Klasse: 9
Klasse: 9
Zeit
Methoden / Ablauf
Bemerkungen

6. Stundenzielanalyse
„Blaue Wimpel im Sommerwind“ Defa-Dokumentarfilm 1952

7. Unterrichtsmaterialien
Arbeitsblatt 1. Stunde
Die Pionierorganisation Ernst Thälmann
Allgemeines
Mitgliedschaft
Organisation
Kleidung
Losung/ Gruß
Pionierehrenwort
Lehrervortrag: Die Pionierorganisation Ernst Thälmann
Allgemeines
Mitgliedschaft
Organisation
Kleidung
Losung/ Gruß
Pionierehrenwort
Gelöbnis der Thälmann- Pioniere
Arbeitsblatt 2. Stunde
DEFA-Film „Blaue Wimpel im Sommerwind“
Arbeitsblätter 3. Stunde
Arbeitsblatt 1
Arbeitsblatt 2
Arbeitsblatt 3

8. Reflexion

9. Quellen- und Literaturverzeichnis
Internetquellen:
Die Pionierorganisation International/ Bezug zur Sowjetunion:

1. Die Sachanalyse

Thema: Mitgliedschaft in der Pionierorganisation zwischen Förderung und Verhinderung

der individuellen Entwicklung

Die Pionierorganisation war ein im Sinne des Sozialismus ideologisch unterlegtes, zielgerichtetes Freizeitangebot für die Kinder, welches ihren Alltag entscheidend prägte und so den Weg zur Konformität und Affirmation mit dem politischen System der DDR bereits in jungen Jahren aufbaute.

Es gab Vor- und Nachteile dieser staatlichen Instrumentierung und klare ideologische Maximen, sowie strukturelle Schwächen.

Das Thema die „Pionierorganisation Ernst Thälmann zwischen Förderung und Verhinderung der individuellen Entwicklung“ bezieht sich auf das Lehrplanthema Lebenslinien und Handlungsspielräume in der DDR und in der BRD. Durch das Thema werden insbesondere die Freizeitgestaltungsmöglichkeiten in BRD und DDR problematisiert und die unterschiedlichen Handlungsspielräume die es diesbezüglich in BRD und DDR gab und gibt herausgearbeitet. Während es in der BRD unterschiedlichste Möglichkeiten gibt sich individuell und frei zu entscheiden, welcher außerschulischen Arbeitsgemeinschaft oder welchem der zahlreichen Sportvereine man z.B. beitritt, war jeder Bereich der Freizeitgestaltung in der DDR durch staatliche Organisationen geprägt.

Die Mitgliedschaft in der Organisation war keine Pflicht, aber seit dem Ende der 50ger Jahre gab es Einschränkungen für Nicht-Pioniere und ihre Eltern hinsichtlich ihrer schulischen- und beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten.

Kinder die außerhalb der Pionierorganisation stehen gerieten leicht in eine Außenseiterposition, da die Pioniere gemeinsam Hausaufgaben erledigen, gegenseitige Lernhilfe leisten, Spiel und Kindersport organisieren etc..

Es handelte sich um einen Zusammenschluß „auf freiwilliger Grundlage“. Dies ist in soweit richtig, als es in der DDR kein Gesetz und keine Verordnung gibt, die Eltern verpflichten, ihr Kind im Pionierverband anzumelden. Die Mitgliederzahlen zeigen, das es in der Tat für einen kleinen Teil der Kinder noch immer möglich war ohne Pionierorganisation heranzuwachsen.[1]

1972 zählte die Pionierorganisation 1957980 Mitglieder, davon 831398 Jungpioniere und 1126582 Thälmann-Pioniere. Zu diesem Zeitpunkt gab es 22451006- bis unter 14- jährige. berücksichtigt man, dass die 13- bis 14- jährigen (ca. 276000) zumeist Schüler der 8. Klasse sind und als solche aus der Pioniergruppe ausscheiden, so liegt der Organisationsgrad bei nahezu 100 von Einhundert.[2]

1981 waren 1,6 Mio. Kinder im Alter von sechs bis dreizehn Jahren Mitglieder der FDJ unterstellten „Pionierorganisation Ernst Thälmann“; das sind 87 Prozent aller Schulkinder.

Dennoch zeigt sich beim Pionierverband eine leicht rückläufige Tendenz in der Organisationsdichte, gegenüber den 70-ger Jahren.[3]

Die Pionierorganisation Ernst Thälmann, ist die sozialistische Massenorganisation der Kinder.

Unter Leitung der FDJ sollte sie Helfen, unter Verwendung altersspezifischer Methoden die Kinder vom 6. Lebensalter an zu „ jungen Sozialisten“ zu erziehen.

Das geschah durch vielfältige Aktivitäten, vom wöchentlichen Pioniernachmittag über gemeinsam zu bewältigende Pionieraufträge (Altmaterialsammlung, Versorgung alter Menschen, Pflege kommunaler Anlagen etc.) bis hin zu großen Pioniertreffen.[4]

Im „Jugendgesetz der DDR“ wurde 1974 verbindlich definiert, was eine „sozialistische Persönlichkeit“ ausmacht:

„Vorrangige Aufgabe bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft ist es, alle jungen Menschen zu Staatsbürgern zu erziehen, die den Ideen des Sozialismus treu ergeben sind, als Patrioten und Internationalisten denken und handeln, den Sozialismus stärken und gegen alle Feinde zuverlässig schützen. Die Jugend selbst trägt hohe Verantwortung für die Entwicklung zu sozialistischen Persönlichkeiten [...].“[5]

Bei den kommunalen Jugendausschüssen wurden bereits 1945 erste Kindergruppen gebildet, die 1946 den Namen „Kinderland“ annahmen. Das II. Parlament der FDJ (23.-26. Mai 1947) in Meißen gründete eine „Kindervereinigung der FDJ“, die sowohl in den Wohngebieten als auch in den Schulen tätig werden sollte. Auf 17. Tagung des Zentralrates (ZR) der FDJ am 13. Dezember 1948 wurde unter Anlehnung an das Vorbild der sowjetischen Pioniere die Bildung der „Organisation der jungen Pioniere“ beschlossen. Im August 1990 wurde die Organisation aufgelöst..

Anläßlich des ersten Pioniertreffens in Dresden, am 19. August 1952 erhielt die Pionierorganisation vom ZK der SED den Namen „Ernst Thälmann“ zu tragen. In den Jahren 1957-1966 war die Pionierorganisation organisatorisch eigenständig unter Beibehaltung der Anleitung durch die FDJ. Das geänderte Statut der Pionierorganisation vom 9. April 1968 bezog sie wieder in die FDJ-Arbeit ein und betonte ihren politischen Charakter.[6]

Die Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ war straff durch organisiert, Grundeinheit der Pionierorganisation ist die Pionierfreundschaft, die an jeder Schule gebildet wird. Sie faßt die in allen 1.-7. Klassen bestehenden Pioniergruppen zusammen. Die Mitglieder einer Schulklasse wählten einen Gruppenrat. Der Gruppenratsvorsitzende arbeitete mit dem Pionierleiter zusammen. Weiterhin gab es einen stellvertretenden Gruppenratsvorsitzdenden, einen Schriftführer, einen Kassirer und einen Agitator, der die Klasse über die neuesten Entwicklungen im Weltgeschehen auf dem Laufenden halten sollte, ein Freundschaftsratsmitglied sowie weitere Pioniere, die für bestimmte Aufgaben verantwortlich waren, wie z.B. Kultur und Sport.

Alle Pioniere einer Schule wählten ein Freundschaftsratsmitglied, diese bildeten den Freundschaftsrat für die Schule mit einem von ihnen gewählten Feundschaftsratsvorsitzenden als obersten Pionier nach dem hauptamtlichen Pionierleiter, dieser wiederum (zumeist ein diplomierter Fachlehrer) wurde von der FDJ benannt und war für die Anleitung der Gruppenräte der Klassen und des Freundschaftsrates zuständig.[7]

Eine wichtige Rolle in der Erziehungsarbeit der Pionierorganisation spielen die Formen der Teilnahme am Organisationsleben. Die Uniform, das Emblem, der Wimpel und die Fahne, der Pioniergruß werden zu Symbolen aufgewertet. Die 10 Gebote der Jungpioniere haben verpflichtenden programmatischen Charakter. Sie enthalten u.a. ein Bekenntnis zu DDR und zur Freundschaft mit der UdSSR, Verpflichtungen zu Fleiß, Disziplin und Ordnung, Sauberkeit, gegenseitiger Hilfe, zur Liebe zu den Eltern und Beteiligung am Sport. Für die älteren Kinder werden sie zu „Gesetzten der Thälmann-Pioniere“ erweitert und enthalten eine Parteinahme für den Sozialismus, ein Bekenntnis zum Haß „gegen die Kriegstreiber“, daneben Verpflichtungen zur Arbeit für die Allgemeinheit, zum Schutz des Volkseigentums usw. .

Schon im Kindergarten waren die Kinder auf ihre Mitgliedschaft bei den Pionieren vorbereitet worden, die dann durch den Eintritt in die Schule durch ein feierliches Gelöbnis bekräftigt wurde.

Die Jungpioniere legen beim Eintritt in die Pionierorganisation ein Versprechen ab, nach den „Geboten“ zu handeln, das bei der Übernahme in die Thälmann-Pioniere erneuert wird. Durch die Übertragung kleinerer und größerer Verantwortung im überschaubaren Raum der Schule die durch Auszeichnungen und Rangabzeichen gesellschaftlich anerkannt wird, sollen frühzeitig die Bereitschaft zum gesellschaftlichen Engagement und das Gefühl für die Notwenigkeit von Ein-, Unter- und Überordnung geweckt werden.

Alljährlich wird vom Zentralrat der FDJ und Pionierorganisation als Arbeitsgrundlage eine Losung ausgegeben, die für die verschiedenen Aufgaben der einzelnen Organisationsbereiche als „Auftrag“ für ein Schuljahr präzisiert wird. Der Pionierauftrag für das Schuljahr 1973/ 74 lautet z.B.: „Lernt und handelt nach dem Vorbild Ernst Thälmanns - stärkt unsere DDR !“. In 5 Etappen wird die Tätigkeit der Pioniere auf bestimmte Gedenktage, die Messen der Meister von Morgen, das Deutsche Turn- und Sportfest u.a. ausgerichtet und damit die Voraussetzung geschaffen, Selbstverpflichtungen, Pionieraufträge, Wettbewerbe an bestimmte Termine zu binden.

Intensiv wird für die Beteiligung an verschiedenen Arbeits- und Interessengemeinschaften geworben, in denen besonders die technisch-naturwissenschaftlichen Kenntnisse vertieft werden sollen. Die Arbeitsgemeinschaften bestehen teils bei den Schulen, teils bei den häufig gut ausgerüsteten Stationen der jungen Naturforscher und Jungen Techniker sowie bei den Pionierhäusern. Pionierhäuser gibt es vorwiegend in großen Städten. Es sind Klubhäuser, die z.B. Kindertheater, Vortragssäle, Werkräume, Räume für Arbeitsgemeinschaften, Büchereien, Lesezimmer, Fernseh-, Spiel- und Filmräume u.a.m. enthalten und nur für Kinder bis 14 Jahren bestimmt sind. Das Pionierhaus Dresden wird als „Pionierpalast“ bezeichnet. Im „Zentralhaus der Jungen Pioniere“ in Berlin Lichtenberg arbeitet der Lenkungsstab für alle anderen Pionierhäuser.

Das Jugendwandern fördern die „Stationen Junger Touristen“. Sportliche Wettkämpfe, regionale und überregionale Spartakiaden sollen zu außerschulischer, sportlicher Betätigung anregen. Musische Arbeitsgemeinschaften führen die Kinder an die Volkskunstbewegung heran. Die Beteiligung an den „Messen der Meister von Morgen“ soll ebenso wie die Mitarbeit von Angehörigen der Patenbetriebe in den Arbeitsgemeinschaften den Praxisbezug des Schulstoffes herstellen oder verdeutlichen. In den zentralen Pionierferienlagern werden die außerschulischen Arbeitsgemeinschaften, das Geländespiel u.s.w. besonders gepflegt. Pioniervorhaben zur Verschönerung und Instandhaltung von Klassenräumen, Schulen und örtlichen Gemeinschaftseinrichtungen werden als „gesellschaftlich nützliche“ Taten gefordert und anerkannt.

Im Schuljahr 1972/ 73 arbeiteten „nahezu eine Million“ Jung- und Thälmannpioniere in 18766 Pionierobjekten an der Verschönerung ihrer Schulen und Wohngebiete. “Mehr als eine Million Pioniere“ nahm im Februar 1973 am wehrsportlichen „Poniermanöver Freundschaft“ teil. Über 800000 Schüler der 1.-8. Klassen beteiligten sich im Schuljahr 1971/ 72 an den Arbeitsgemeinschaften (ohne Sportgemeinschaften). Am außerschulischen Sport nahmen regelmäßig ca. 50 von Einhundert der Schüler teil. 1972 verbrachten 10000 Thälmann-Pioniere ihre Ferien in den zentralen Pionierlagern.[8]

Mitglied der Pionierorganisation kann jedes Kind vom 6. Bis zum 14. Lebensjahr werden. Die Schüler 1.-3. Klassen sind Jungpioniere und die Schüler der 4.-7. Klasse werden als Thälmann Pioniere bezeichnet. In den 8. Klassen werden die Pioniergruppen aufgelöst, die 14- jährigen bilden eine FDJ-Organisation, in der die jüngeren Schüler, die noch Pioniere bleiben, mitarbeiten. Diese Regelung wurde eingeführt, um die Pioniere möglichst vollzählig in die FDJ zu übernehmen.

Im Verlag der FDJ „Junge Welt“ werden neben einer Reihe von Kinderzeitschriften für die Jungpioniere die „ABC-Zeitung“, für die Thälmann-Pioniere „Die Trommel“, für die Gruppenleiter und Pionierleiter der „Pionierleiter“ herausgegeben.[9]

2. Die Didaktische Analyse

Die Unterrichtseinheit mit dem Thema „Mitgliedschaft in der Pionierorganisation zwischen Förderung und Verhinderung der individuellen Entwicklung“ ist eingebettet in den Lehrplan des Freistaates Sachsen ... Die Spezialisierung erfolgte aus dem Grund der unmittelbaren Nähe zur Lebenswelt der Schüler und dem zu erwartenden daraus folgenden besonderen Interesse am Stoff.

Basis der folgenden Analyse ist die sogenannte „Sechsermatrix“[10], dessen Ziel die idealtypische Abbildung historischen Denkens ist. Entscheidend innerhalb dieses Modells ist, dass es sich nicht lediglich mit der Vermittlung historischen Wissens beschäftigt, sondern vorrangig mit den Teilaspekten eines Geschichtsbewusstseins. Als grundlegend stellt sich die Unterscheidung von Vergangenheit und Geschichte –als Darstellung der Vergangenheit-[11] dar, die zusammen mit einer Zukunftsfokussierung eine Dreiteilung des Schemas ergibt. Werden diese Teilbereiche des Geschichtsbewusstseins mit den basalen Operationen Re- und De-Konstruktion von Geschichte kombiniert, so ergeben sich sechs Säulen, auf denen das historische Denken idealtypischer Art fußt.

2.1 Fokussierung auf Vergangenheit

2.1.1 Re-Konstruktion

Hauptaufgabe innerhalb dieses Bereichs ist die Re-Konstruktion von Vergangenem. Die ausgewählten Quellen sollten den Schülern die Möglichkeit zum Sammeln der wichtigsten Fakten zum Thema geben. Diese umfassen vorrangig Aussagen über relevante Ereignisse, Daten, Personen und Handlungen.

Einen weiteren Arbeitsschritt stellt das Erkennen des Stellenwerts dar, der den unterschiedlichen Fakten beigemessen wurde. Galt ein Faktum als besonders bedeutend oder eher unwichtig? Wurde es durch Wiederholungen besonders hervorgehoben oder eher beiläufig erwähnt? Aus den vorliegenden Quellen zum Thema ist ersichtlich, dass es einige Begriffe gibt, die des öfteren wiederholt werden, so beispielsweise „Heimat“, „Jugend“ oder „Zukunft“ oder Personennamen wie „Ernst Thälmann“. Wortfelder, die außerhalb des Kosmos der DDR liegen, werden eher selten verwendet. Nach der Analyse der Bedeutungshierarchie des gesammelten Materials ist es wichtig, sich mit der Frage nach den Gründen für diese Hierarchisierung zu beschäftigen und offen zu legen, ob das Herausstellen oder Vernachlässigen bestimmter Fakten einem Zweck dient und falls ja, welchem. Die mehrmalige Wiederholung bestimmter Schlagwörter sollte den Adressaten der Quellen ihre Wichtigkeit demonstrieren und ihre Präsentation als Leitwerte für die gesamte Bevölkerung bekräftigen. Durch die permanente Erinnerungen an Personen wie Ernst Thälmann sollte deren Vorbildcharakter für die Jugend betont werden. Dass beispielweise in einem Film wie „Blaue Wimpel im Sommerwind“ nur einmal kurz auf die USA eingegangen wird, ist nicht unbedingt mit einer Bedeutungslosigkeit gleichzusetzen, da diese einmalige Erwähnung gleich zu Beginn des Films mit einer äußerst eindrücklichen negativen Koloratur geschieht und somit eine deutliche Ablehnung darstellt.

2.1.2 De-Konstruktion

Ziel dieses Abschnitts ist die Erhebung von Aussagen historischer Erzählungen über Vergangenes. Innerhalb dieses Arbeitsschritts beschäftigen sich die Schüler mit der Frage nach der Aussagekraft des Erzählten und in den Quellen Dargestellten bezüglich des Vergangenen. Was lässt sich daraus schließen, dass ein Sachverhalt in einer bestimmten Weise und nicht anders vorgebracht wurde? Welches Bild der Vergangenheit wird für denjenigen gezeichnet, der sich mit der Quelle beschäftigt? Von der Staatsführung der DDR herausgebrachte oder beeinflusste Quellen betreffend ist dies die Gegenüberstellung von Orientierung an guten und richtigen moralischen Werten wie Solidarität und Gemeinschaftssinn innerhalb des sozialistischen Systems und ein Mangel der selben außerhalb.

Die Schüler klären außerdem ab, inwiefern das Berichtete innerhalb des betreffenden Fachbereichs triftig ist. Wird der Quelleninhalt als bedeutsam oder unwichtig empfunden?

Abschließend stellen die Schüler fest, ob die Aussagen der Quelle über das historische Phänomen repräsentabel sind oder nicht. Quellen aus der DDR über ihre Jugendorganisationen sind samt ihrem Inhalt zwar triftig, da sie direkten Einblick in die Sichtweise und Ziele der Staatsführung ermöglichen. Jedoch muss ihnen die Repräsentabilität abgesprochen werden, da ohne Berücksichtigung des Blickwinkels von außen auf die DDR gewissermaßen Befangenheit im juristischen Sinne vorliegt.

2.2 Fokussierung auf Geschichte

2.2.1 Re-Konstruktion

Hier wird das Hauptaugenmerk auf die spezifische Darstellungsweise von Vergangenem in einer Geschichte gelegt. Zu einer gründlichen Beschäftigung mit dieser Darstellungsweise müssen mehrere Dinge berücksichtigt werden. Zum einen ist dies die Frage danach, welche Funktionen die Narration erfüllen sollte. Sollte damit etwas gerechtfertigt oder erklärt werden? Diente die Erzählung dem Zweck der Identitätsbildung? Was die vorliegenden Quellen zum Thema der Pionierorganisationen angelangt, so können beide Fragen bejaht werden: Ihre Narration sollte sowohl das Bestehen und die Vorgehensweise der staatlichen Organisationen als auch die Abschottung der DDR von großen Teilen der übrigen Welt rechtfertigen. Erziehung der Jugend zu Menschen mit hohen moralischen Werte und gewünschte Distanz zur Wertelosigkeit innerhalb des Kapitalismus bieten hierfür schlüssige Begründungen. Zur Beantwortung der aufkommenden Fragen hierzu von Geschichtswissenschaftlern aufgestellte, aber auch aus anderen Fachbereichen stammende bzw. mehrere Fachbereiche umfassende Theorien herangezogen werden. Welcher Erklärungsansatz wird hier geliefert ?

Wichtig ist es auch, die Besonderheiten der Adressaten zu berücksichtigen, da die selben Aussagen von verschiedenen Gruppen unterschiedlich aufgenommen und bewertet werden bzw. die Aussagen der Zusammensetzung des Publikums angepasst werden können. Außerdem kann die Intention der Quellenherausgeber je nach Publikum variabel sein. Was zeichnet die Adressaten also aus? Sind es beispielsweise Alter, Geschlecht, gesellschaftliche Stellung, politische Gesinnung? Die Quellen rund um die Pionierorganisationen waren vorwiegend an Kinder und Jugendliche gerichtet, die die Mitglieder darstellten und somit zumindest dem äußeren Schein nach alle die von der Staatsführung vertretenen politischen Gesinnung befürworteten.

Des weiteren sollte deutlich gemacht werden, was das zur Darstellung gewählte Medium auszeichnet und von anderen Alternativen unterscheidet. Das bei „Blaue Wimpel im Sommerwind“ gewählte Medium des Films zeichnet sich durch seine Wirkung auf mehreren Ebenen –derjenigen er Erzählung, der musikalischen Untermalung und der Bilder- und die damit verbundene Eindrücklichkeit aus. Im Vergleich hierzu wirken Medien wie Audio- oder Printerzeugnisse eindimensionaler; sie zeichnen sich jedoch durch die rasche und häufige Wiederholbarkeit ihrer Anwendung aus.

2.2.2 De-Konstruktion

Ziel dieses Arbeitsschritts ist es, festzustellen, in welchen Zusammenhang die Ausschnitte aus der Vergangenheit in der jeweiligen Geschichte gestellt werden und auf welche Weise die Erzählung der Geschichte erfolgt. Die Schüler legen offen, welche Fragestellungen grundlegend sind und erlangen Einsicht in die Struktur der Argumentation. Wie sollten die Adressaten einer Quelle von der Richtigkeit bestimmter Aussagen oder Weltanschauungen überzeugt werden? Die Quellen rund um sie Pionierorganisationen betreffend, erlangen sie ihre Überzeugungskraft zum einen durch die Nutzbarmachung allgemein zweifelsfrei anerkannter Werte von hohem moralischem Rang und zum anderen durch den Vertrauensvorschuss, der den durch eine Gemeinschaft vertretenen Aussagen zumindest grundsätzlich und anfangs gewährt wird. Sind die verwendeten Argumente eher auf der Sach- oder der Gefühlsebene anzusiedeln und erfolgte ihre Präsentation offen oder versteckt ? In den zum Thema vorliegenden Quellen erfolgt die Argumentation primär auf der Gefühlsebene oder ist stark von ihr beeinflusst. Wenn sich die Schüler mit einer bestimmten Darstellungsweise von Geschichte beschäftigen, ist des weiteren die Offenlegung des Standpunkts der Quellenautoren und der Einflüsse, denen sie unterlagen, von großer Bedeutung. Konnte eine Meinung frei dargestellt werden oder unterlagen die Autoren Steuerung und Zwängen von anderer Seite? Musste eine bestimmte Darstellungsweise gewählt werden und falls ja, warum ? Wenn man sich innerhalb der DDR mit den Pionierorganisationen beschäftigte, so war eine freie Meinungsdarstellung nicht möglich, da man einer starken Steuerung von Seiten der Staatsführung unterlag. Die Beantwortung der Frage nach dem Standpunkt derjenigen, die eine Geschichte erzählen, ist ebenfalls bedeutungsvoll: Erfolgt eine Identifizierung mit oder eine Distanzierung vom Erzählten und den damit verbundenen Aussagen? Die über die verschiedenen Medien verbreiteten Quellen zu den Pionierorganisationen zeichnen sich durch einen Mangel an kritisch-sachlicher Distanz zu den enthaltenen Aussagen und den intendierten Identifizierungseffekt aus.

[...]


[1] Vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.): Freie Deutsche Jugend und Pionierorganisation Ernst Thälmann in der DDR. Bonn 1984, S. 13f.. Siehe auch: vgl.: Dietrich, Christian: Sozial-kulturelle Einrichtungen in der DDR für die Kinder und Jugendliche- und ihr Verlust nach 1989. Auswirkungen auf das sozio-politische Bewußtsein der 15- bis 30jährigen. In: Bollinger, Stefan; Vilmar, Fritz (Hrsg.): Die DDR war anders. Berlin 2002 , S. 177. Ebd.: “Ein politisches System von der Stringenz und Dauer der DDR prägte nachhaltig jegliche Lebensformen der darin Lebenden Jugendlichen.“

[2] Vgl. Ludz, Peter C.; Kuppe, Johannes (Hrsg.): DDR-Handbuch, Köln 1975, S. 636.

[3] Vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Bonn 1984, S. 14.

[4] Vgl. Ludz, Peter C.; Kuppe, Johannes (Hrsg.), Köln 1975, S. 635. Siehe auch: vgl.: www.dhm.de/ausstellungen/lebensstationen/ddr_1.htm [20.01.2007]

[5] Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Bonn 1984, S. 8.

[6] Vgl. Ludz, Peter C.; Kuppe, Johannes (Hrsg.), Köln 1975, S. 635f.. Siehe auch: vgl.: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Bonn 1984, S. 18ff..

[7] Vgl. Ludz, Peter C.; Kuppe, Johannes (Hrsg.), Köln 1975, S. 635f.

[8] Vgl. ebd. S. 636. Siehe auch: vgl.: www.dhm.de/ausstellungen/lebensstationen/ddr_1.htm [20.01.2007]

[9] Vgl. ebd.: S.637.

[10] Siehe Schreiber, Waltraud/Mebus, Sylvia (Hgg.): Durchblicken. Dekonstruktion von Schulbüchern. Neuried ²2006, S. 20

[11] Eine treffende Formulierung dieser Feststellung im Bezug auf Schulbücher liefert Axel Doßmann in dem Aufsatz „Hinweise zur Projektarbeit im Förderprogramm Geschichtswerkstatt Europa“: „Ein junger Schüler vertraut in der Regel dem, was das Geschichtsbuch erzählt. Dabei gewinnen rasch auch die (nationalen) „Lehren“, die aus dieser Geschichte für die Gegenwart gezogen werden sollen, objektiven Charakter. Das Lehrbuch erzählt und zeigt, „wie es gewesen ist“ – das glauben nicht nur viele junge Menschen. Doch was erfahren Schüler über die Sicht in anderen Ländern Europas auf diese Ereignisse? Darum ist es wichtig, dass Lehrer und Studenten Geschichtslehrbücher als eine Interpretation des Vergangenen unter möglichen anderen begreifen und analysieren.

Ende der Leseprobe aus 47 Seiten

Details

Titel
Die Mitgliedschaft in der Pionierorganisation der DDR
Untertitel
Zwischen Förderung und Verhinderung der individuellen Entwicklung
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Didaktik der Geschichte)
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
47
Katalognummer
V145521
ISBN (eBook)
9783640564057
ISBN (Buch)
9783640563975
Dateigröße
584 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mitgliedschaft, Pionierorganisation, Zwischen, Förderung, Verhinderung, Entwicklung
Arbeit zitieren
Franziska Zschornak (Autor:in), 2007, Die Mitgliedschaft in der Pionierorganisation der DDR , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145521

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