Resilienz: Wie Kinder und Jugendliche Krisen bewältigen

Anerziehbar oder Folge einer Krise?


Hausarbeit, 2009

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichni

1 Einleitunq

2 Das Phanomen der Resilienz Definition, Voraussetzunqen und Wirkunqsweisen

3 Wie Resilienz entsteht
3.1 In Auseinandersetzunq mit einer Krise
3.2 Durch entsprechende Erziehunq

4 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Sie sind resilient" — eine Charaktereigenscha ft, die viele Menschen teilen. Gerhard Schroder und Fritz Pleitgen, Arnold Schwarzenegger, Willi Brandt und auch Nelson Mandela und Bill Clinton sind resilient.1 Sie kommen, wie Pleitgen aus widrigen Verhaltnissen: Geboren als das funfte Kind eines technischen Zeichners, lebte er zwei Jahre im Heim, seine Mutter war oft krank. Als Jugendlicher lebte er zeitweilig auf der Strage. Ohne Abitur und ohne Studium ist er seinen Weg bis in die Position des WDR-Intendanten und noch weiter gegangen — trotz oder vielleicht genau wegen seiner Geschichte so unbeirrt.2 Diese Personlichkeiten haben sich, wie auch viele nicht beruhmte Menschen, trotz der schwierigen Verhaltnisse, in denen sie au fgewachsen sind, zu psychisch gesunden Erwachsenen entwickelt. „Sie sind resilient." Auch mir wurde dieser Satz einst von einer Psychologin gesagt. Vor diesem Hintergrund begann ich mich zu fragen, was Resilienz auslost und welche Faktoren eintreten mussen, um dieses Phanomen in einem Kind entstehen zu lassen. Besonders beschaftigt und bewegt hat mich hier die Frage, ob Resilienz von Erziehern, aber auch von um die Resilienz wissenden Eltern, jedem Kind bewusst anerzogen werden kann oder ob die Grundvoraussetzungen fur das Entwickeln von Resilienz im Charakter des Kindes liegen oder gar in der Art von Krisen und Risiken, denen es ausgesetzt ist. Im Rahmen dieser Hausarbeit mochte ich beide in der Literatur vertretenden Sichtweisen darstellen und diskutieren.

2 Das Phänomen der Re silienz Definition, Vorau ssetzungen und Wirkung swei sen

Es gibt Kinder, die in ihrem Leben mit grollen Problemen kon frontiert sind, es stellen sich ihnen Heraus forderungen, die unüberwindbar erscheinen. Und doch nehmen viele dieser Kinder grolle Anstrengungen auf sich, um sich einen Weg ein erfolgreiches Leben zu ebnen, während andere an den Umständen, in denen sie leben, scheitern. Resilienz nennt sich die Kompetenz, die es einem Kind ermöglicht, sicht unter widrigen Umständen zu einem gesunden Erwachsenen zu entwickeln.3 In diesem Sinn bedeutet Resilienz psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber physiologischen, psychologischen oder sozialen Risiken, die einer gesunden Entwicklung entgegenstehen. Gemeint ist ebenso eine ausgeprägte Fähigkeit resilienter Kinder, sich an widrige Lebensumstände anzupassen und die genannten Risiken zu bewältigen, ohne psychischen Schaden zu nehmen.4

Wichtig hierbei ist zu sehen, dass es sich bei Resilienz nicht um einen Wesens- oder Charakterzug eines Kindes handelt, sondern um Verhaltensmuster, die der einzelne während und durch die Bewältigung der ungünstigen Lebensumstände entwickelt.5

Resilient zu sein, bedeutet allerdings nicht, unverwundbar zu sein. Es heillt mehr, dass der Einzelne gezielt und erfolgreich gegen die widrigen Umstände in seinem Leben angehen kann.6 Für die Entwicklung der da für nötigen Fähigkeiten und Kompetenzen sind Schutzfaktoren ausschlaggebend.7 Im Rahmen der Resilienzforschung wurde eine Vielzahl solcher Schutzfaktoren ge funden. Da dieses Phänomen interdisziplinär erforscht wird, scheint eine vollzählige Au flistung nahezu unmöglich. Dennoch lassen sich Schwerpunkte und Kategorien bilden. 8 9

1. Personale Re ssourcen

Ein Kind trägt durch seine Fähigkeiten und Fertigkeiten zu der Resilienzentwicklung bei. Temperamentseigenscha ften, die da für sorgen, dass es Unterstützung und Au fmerksamkeit erhält, zählen hierzu wie intellektuelle Fähigkeiten. Ebenso hel fen die Problemlöse fähigkeiten des Kindes, die Uberzeugung der Selbstwirksamkeit, ein gut ausgeprägtes Selbstbewusstsein, die Fähigkeit, die eigenen Ge fühle zu regulieren und hohe Sozialkompetenz, was Empathie wie auch Kontaktfähigkeiten und Verantwortungsübernahme einschliellt, einem Kind, Resilienz zu entwickeln. Sicher gebunden zu sein, gerne und gut zu lernen, optimistisch zu sein, Talente, Interessen und Hobbys zu haben und kreativ zu sein, sind eben falls Faktoren, die dem Kind hel fen, angesichts der Probleme, die sich ihm stellen, seinen Weg erfolgreich zu gehen10.

2. Soziale Re ssourcen

Hier findet eine Unterscheidung in Faktoren innerhalb der Familie, im weiteren sozialen Um feld sowie in den Bildungseinrichtungen, die das Kind besucht, statt.

Innerhalb der Familie des Kindes fördern ein demokratischer Erziehungsstil der Eltern, Kohäsion, enge Geschwisterverbindungen und das Vorhandensein von mindestens einer stabilen Bezugsperson, die Vertrauen und Autonomie fördert, Resilienz. Dieser so genannte charismatische Erwachsene11 kann ebenso im Rahmen der Faktoren, die sich im weiteren sozialen Um feld des Kindes finden, von Bedeutung sein. Nachbarn, Freunde, Erzieher und Lehrer werden hier als mögliche kompetente und fürsorgliche Erwachsene beschrieben, die aullerhalb der Familie Sicherheit vermitteln, Vertrauen fördern und als positive Rollenmodelle dienen.12 Hier ist besonders das Talent der Kinder ausschlaggebend, neben den Eltern weitere Bindungs- und P flegepersonen zu finden und diese zu einer Art Ersatzeltern zu machen.13

Klare und transparente Regeln hel fen Kindern im Rahmen von Bildungseinrichtungen, Resilienz zu entwickeln. Auch ein Klima, das Wertschätzung vermittelt, und damit dem Kind Respekt und Akzeptanz entgegenbringt, fördert die Widerstandskra ft der Kinder.14

Auch wenn sich die Au fzählung der Schutzfaktoren nahezu beliebig erweitern lielle, 15 muss jedoch bei der Betrachtung des Phänomens der Resilienz beachtet werden, dass es nicht die einzelnen Schutzfaktoren sind, die Widerstandskra ft in den Kindern entstehen lässt.16 Es sind immer Wechselwirkungsprozesse zwischen den Schutzfaktoren, aber auch der Schutz- mit den Risiko faktoren,17 die die Reaktion des betro ffenen Kindes auf die Problemlagen abschwächen und so eine bessere Anpassung an die jeweilige Situation ermöglicht.18 In diesem Sinne sind Faktoren, Prozesse und E ffekte, die Belastungen au fheben, nicht universell wirksam, sondern immer kontextspezi fisch und damit situativ zu interpretieren. Wie ein Problem erst dann zu einem Problem wird, wenn es der Betre ffende auf diese Weise de finiert, wird auch ein Risiko nur bei Leidensdruck zu einer Ge fährdung. Hier spielt die Wahrnehmung der Kinder eine zentrale Rolle. Daher muss auch immer der soziale und kulturelle Kontext betrachtet werden.19

Hat ein Kind Resilienz ausgebildet, ist es im Stande, die Sicht, die es auf die Welt und sich selbst hat, in konkrete und wirksame Handlungen zu übersetzen. Es geht optimistisch an die Welt heran und hat zudem ein sehr ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Ein resilientes Kind fühlt sich angenommen und wertgeschätzt, hat gelernt, sich realistische Ziele zu setzen und weder ubersteigerte noch zu niedrige Erwartungen an sich zu stellen. Zudem ist es in der Lage, Probleme zu lösen, Entscheidungen zu tre ffen und damit Fehler oder widrige Umstände tendenziell eher als Herausforderung denn als Belastung zu sehen. Ein resilientes Kind ist sich zudem Ober seine Schwächen wie auch seine Stärken bewusst. In seinem Selbstkonzept herrscht die Vorstellung von Kompetenz und Stärke vor. Kommt es in manchen Situationen nicht zurecht, ist es in der Lage, sich bei Gleichaltrigen oder Erwachsenen addquate Hil fe zu holen. Das resiliente Kind ist ein emotional gesundes Kind, das sich nach einem Rückschlag rasch wieder fängt und Herausforderungen erfolgreich angeht.20

Empirisch klar und anschaulich nachzuvollziehen, sind diese Ergebnisse anhand der Kauai-Studie. Au fgelegt von Emmy Werner wurden alle 698 Kinder, die im Jahr 1955 auf der hawaiianischen Insel Kauai geboren wurden, 40 Jahre lang begleitet. Werner war auf der Suche nach den Langzeitfolgen von moglichen pra- und perinatalen Risikobedingungen sowie ungunstigen Lebensumstande in der fruhen Kindheit auf die psychische, physische und kognitive Entwicklung.21 Ge funden hat sie die Resilienz.22 Zwei Drittel der Kinder, die vier und mehr Risiko faktoren ausgesetzt waren, entwickelten bis zum zehnten Lebensjahr Lern- oder Verhaltensprobleme, oder aber wurden bis zum 18. Lebensjahr psychisch krank oder straffallig. Ein Drittel zeigten weder Lern- noch Verhaltensschwierigkeiten und entwickelte sich zu fursorglichen, kompetenten und selbstbewussten Erwachsenen. Schulbildung, Beru fswahl und -Ausbildung wie auch das private und gesellscha ftliche Leben bewaltigten sie ohne Probleme. Die Wahrscheinlichkeit, chronisch oder todlich zu erkranken oder sich scheiden zu lassen, lag bei dieser Gruppe immens niedriger als bei einer gleichaltrigen Kontrollgruppe, die keinen Risiko faktoren ausgesetzt war.

Die zwei Drittel, die im Kindes- und Jugendalter gefahrdet waren, hatten ihr Leben durch Wendepunkte wie Bildungsmoglichkeiten, Eheschliellung mit einem stabilen Partner oder Hinwendung zu einer Glaubensgemeinscha ft stabilisiert und verbessert. Dies bedeutet, dass alle Kinder, die vier und mehr Risiko faktoren ausgesetzt waren, sich im Lau fe ihres Lebens erholten — je nachdem, wann eine ausreichende Zahl und Intensität an Schutzfaktoren gegeben war.23

[...]


1 Vgl. Thimm, Katja: „Die Kraft der Widerstandigen", Der Spiegel, Ausgabe 15 vom 06.04.2009, Seite 65ff.

2 Ebenda.

3 Brooks, Robert/Goldstein, Sam: „Das Resilienz-Buch — Wie Eltern ihre Kinder fürs Leben stärken", 2007, Seite 21.

4 Vgl. Zander, Margherita: „Armes Kind — starkes Kind? Die Chance der Resilienz", 2008, Seite 18.

5 Vgl. Hildenbrand, Bruno: „Resilienz, Krise und Krisenbewältigung" erschienen in Hildenbrand, Bruno / Welter-Enderlin, Rosemarie (Hg.): „Resilienz — Gedeihen trotz widriger Umstände", 2006, Seite 205.

6 Vgl. Walsh, Froma: „Ein Modell familialer Resilienz und seine klinische Bedeutung" erschienen in Hildenbrand, Bruno / Welter-Enderlin, Rosemarie (Hg.): „Resilienz — Gedeihen trotz widriger Umstände", 2006, Seite 43.

7 Ebenda, Seite 45.

8 Vgl. Zander, Margherita: „Armes Kind — starkes Kind? Die Chance der Resilienz", 2008, Seite 13.

9 Vgl. Wustmann, Corina: „Resilienz — Widerstandsfähigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern", 2004, Seite 115.

10 Vgl. Wustmann, Corina: „Resilienz — Widerstandsfähigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern", 2004, Seite 116.

11 Vgl. Walsh, Froma: „Ein Modell familialer Resilienz und seine klinische Bedeutung" erschienen in Hildenbrand, Bruno / Welter-Enderlin, Rosemarie (Hg.): „Resilienz — Gedeihen trotz widriger Umstände", 2006, Seite 46.

12 Vgl. Wustmann, Corina: „Resilienz — Widerstandsfähigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern", 2004, Seite 116.

13 Vgl. Werner, Emmy 1999, nach Hildenbrand, Bruno: „Resilienz in sozialwissenschaftlicher Perspektive" erschienen in Hildenbrand, Bruno / Welter-Enderlin, Rosemarie (Hg.): „Resilienz — Gedeihen trotz widriger Umstände", 2006, Seite 22.

14 Vgl. Wustmann, Corina: „Resilienz — Widerstandsfähigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern", 2004, Seite 116

15 Vgl. Zander, Margherita: „Armes Kind — starkes Kind? Die Chance der Resilienz", 2008, Seite 38.

16 Ebenda, Seite 45.

17 Vgl. Walsh, Froma: „Ein Modell familialer Resilienz und seine klinische Bedeutung" erschienen in Hildenbrand, Bruno / Welter-Enderlin, Rosemarie (Hg.): „Resilienz — Gedeihen trotz widriger Umstände", 2006, Seite 45. 18Vgl. Werner, Emmy: „Wenn Menschen trotz widriger Umstände gedeihen — und was man daraus lernen kann" erschienen in Hildenbrand, Bruno / Welter-Enderlin, Rosemarie (Hg.): „Resilienz — Gedeihen trotz widriger Umstände", 2006, Seite 29.

19 Vgl. Zander, Margherita: „Armes Kind — starkes Kind? Die Chance der Resilienz", 2008, Seite 45.

20 Vgl. Brooks, Robert / Goldstein, Sam: „Das Resilienz-Buch — Wie Eltern ihre Kinder furs Leben stdrken", 2007, Seite 26.

21 Vgl. Wustmann, Corina: „Resilienz — Widerstandsfdhigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern", 2004, Seite 87.

22 Vgl. Werner, Emmy: „Wenn Menschen trotz widriger Umstdnde gedeihen — und was man daraus lernen kann" erschienen in Hildenbrand, Bruno / Welter-Enderlin Rosmarie: „Resilienz — Gedeihen trotz widriger Umstdnde", 2006, Seite 30.

23 Vgl. Werner, Emmy: „Wenn Menschen trotz widriger Umstdnde gedeihen — und was man daraus lernen kann" erschienen in Hildenbrand, Bruno / Welter-Enderlin Rosmarie: „Resilienz — Gedeihen trotz widriger Umstdnde", 2006, Seite 30 ff.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Resilienz: Wie Kinder und Jugendliche Krisen bewältigen
Untertitel
Anerziehbar oder Folge einer Krise?
Hochschule
Hochschule Darmstadt  (Gesellschaftswissenschaften und Soziale Arbeit)
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
20
Katalognummer
V145570
ISBN (eBook)
9783640538393
ISBN (Buch)
9783640538461
Dateigröße
443 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Resilienz, Kindern, Jugendlichen, Anerziehbar, Folge, Krise
Arbeit zitieren
Diplom-Betriebswirt Sabrina Kohnke (Autor:in), 2009, Resilienz: Wie Kinder und Jugendliche Krisen bewältigen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145570

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