Blaise Pascal - Das Wesen der Eigenliebe


Trabajo, 2009

21 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung: Eigenliebe – ein vorläufiges Verständnis

2 Blaise Pascal – Krankheit und christliche Religion bestimmen sein Leben

3 Eigenliebe – die Textgrundlage

4 Das Wesen der Eigenliebe

5 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1 Einleitung: Eigenliebe – ein vorläufiges Verständnis

Blaise Pascal zählt zu den großen Denkern des 17. Jahrhunderts, der sowohl die naturwissenschaftliche als auch die geisteswissenschaftliche Entwicklung der Neuzeit mitgeprägt hat. Sein Name begegnet den Zeitgenossen, die sich nicht mit Philosophie, Literatur oder Theologie befassen, bspw. in Gestalt der physikalischen Maßeinheit ‘Hektopascal’, womit im internationalen Messsystem der Luftdruck angegeben wird. Pascals diesbezügliche experimentelle Untersuchungen sicherten ihm einen Platz unter den „Großen“ der Physik.

Auch seine exzellenten Kenntnisse auf dem Gebiet der Mathematik riefen Ehrbezeugungen hervor. Die in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte „höhere“ Programmiersprache ‘Pascal’ trägt seinen Namen. Als weiterer Grund kommt hinzu, dass er der Erfinder der ersten funktionstüchtigen Rechenmaschine ist.

Doch liegt die Hauptbedeutung Pascals in seinen literarischen Arbeiten, vor allem den polemischen Briefen an einen Freund in der Provinz (Lettres provinciales), in denen er sich kritisch über die Gnadenlehre und die Moraltheologie der Jesuiten äußert, und die ein klassisches „Denkmal“ der französischen Sprache darstellen.[1]

Als gleichbedeutend mit den Briefen in die Provinz sind die Gedanken über die Religion und andere Gegenstände, die so genannten Pensées zu betrachten. Dieses Werk, das Pascal als große Apologie des Christentums angelegt hatte, jedoch nicht vollenden konnte, wurde erst nach seinem Tod durch seine Verwandten veröffentlicht und besteht aus literarischen Fragmenten.

Die vorliegende Arbeit setzt sich mit dem Thema der Eigenliebe bei Blaise Pascal auseinander. Hierzu sind vor allem seine diesbezüglichen Formulierungen in den Pensées einschlägig. Aber auch andere Texte, wie bspw. die Biographie, die Gilberte Périer, die Schwester Pascals, ihm zu Ehren verfasste, können herangezogen werden, um Aufschluss über das Wesen der Eigenliebe zu gewinnen.

Pascals philosophische Betrachtung der Eigenliebe resultiert nicht aus einem genuinen Interesse an diesem Thema. Vielmehr ergibt es sich als Folge aus seinen Gedanken zur christlichen Religion und seinem persönlichen Streben zu Gott.

‘Eigenliebe’ bedeutet bei ihm eine dem Ich entspringende und auf das Ich sowie auf andere Subjekte gerichtete Überspielung der eigenen Unvollkommenheit, die den Menschen daran hindert, Gott zu erkennen. Ihr Wesen – so wie es Pascal vorschwebt – wird erst verständlich, wenn man seine religiöse, frömmelnde und asketische Lebensführung mit einbezieht. Um einen kleinen Einblick in die Strenge zu gewinnen, mit der Pascal sich selbst hinsichtlich seiner alltäglichen Gewohnheiten und seines Geisteslebens zu disziplinieren pflegte, wird ein Textauszug aus der von seiner Schwester Gilberte verfassten Biographie herangezogen:

„Als er sein zurückgezogenes Leben begann, hatte er die Nahrungsmenge festgelegt, die er für die Bedürfnisse seines Magens brauchte; seitdem ging er nie über dieses Maß hinaus, so groß sein Appetit auch sein mochte, und er zwang sich außerdem dazu, das zu essen, was er festgelegt hatte, so groß seine Abneigung auch sein mochte. Wenn man ihn fragte, warum er das tue, antwortete er, man müsse die Bedürfnisse des Magens und nicht die des Appetits befriedigen. Doch die Abtötung seiner Sinne beschränkte sich nicht allein darauf, daß er sich beim Essen wie bei den Arzneien alles versagte, was den Sinnen angenehm sein konnte: Er hat auch vier Jahre regelmäßig Kraftbrühen zu sich genommen, ohne den geringsten Widerwillen zu zeigen. Es genügte, daß man ihm etwas verordnet hatte, und er nahm es ohne Widerstreben, und wenn ich mich wunderte, daß er es nicht verabscheute, einige sehr widerwärtige Arzneien einzunehmen, machte er sich über mich lustig und sagte, er selbst könne nicht begreifen, wie man Widerwillen zeige, wenn man etwas freiwillig einnehme, nachdem man gewarnt worden sei, daß es schlecht schmecke; denn nur Zwang und Überraschung dürften solche Wirkungen hervorrufen. Im folgenden kann man mühelos feststellen, wie nachdrücklich er auf alle möglichen geistigen Freuden verzichtete, an denen die Eigenliebe beteiligt sein kann. Mit nicht geringer Sorgfalt wendete er die andere Regel an, die er sich vorgenommen hatte und die sich aus der ersten ergibt, nämlich, auf alles Überflüssige zu verzichten… Er hatte sich allmählich damit abgefunden, keine Tapete mehr in seinem Zimmer zu haben, weil er das nicht für notwendig hielt; außerdem war er durch keine Anstandsvorschrift dazu verpflichtet, denn ihn besuchten nur noch Leute, denen er ohne [Unterlaß] die Selbstbeschränkung empfahl und die folglich nicht überrascht waren, wenn sie sahen, daß er ebenso lebte, wie er es den anderen riet.“[2]

In dieser Beschreibung wird deutlich, wie diszipliniert Pascal in seiner Lebensführung vorzugehen vermochte. Diese Charakterisierung trifft hauptsächlich auf seine letzten Lebensjahre zu. Religion und Selbstzüchtigung waren jedoch nicht zu jedem Zeitpunkt sein Lebensinhalt. Sein Wille Gott zu folgen erwuchs erst mit der Zeit und kann an wenigstens einem „Bekehrungs-Ereignis“ festgemacht werden, auf das später eingegangen wird (Kap. 2).

Zudem gibt das Zitat einen kleinen Ausblick auf die praktische Bedeutung und den Umgang mit der Eigenliebe. Sie wird von Gilberte als etwas Negatives, als etwas, das es zu vermeiden gilt, dargestellt und ihr zufolge war ihr Bruder stets darauf bedacht sich an diesen Leitfaden zu halten.

Es ist erstaunlich, in welchem Maße bei Pascal eine Übereinstimmung zwischen seinen in den Pensées vertretenen religiös-anthropologischen Überzeugungen, zu denen das Thema der Eigenliebe zu zählen ist, und seinem praktischen Handeln im Umgang mit seinen Mitmenschen besteht.

Diese Arbeit baut sich wie folgt auf:

Um das Wesen der Eigenliebe zu verstehen, ist es notwendig den Menschen Pascal zu verstehen – vor allem den durch die christliche Religion und durch Krankheiten Geprägten (Kap. 2). Danach sind die Textstellen zu lokalisieren und kritisch einzuordnen, in denen Pascal sich über die Eigenliebe äußert (Kap. 3). Anschließend erfolgt eine konkrete Auseinandersetzung mit dem Wesen der Eigenliebe und ihrer praktischen Bedeutung für Pascal (Kap. 4). Abschließend kommt es zu einer Zusammenfassung (Kap. 5).

2 Blaise Pascal – Krankheit und christliche Religion bestimmen sein Leben

Im Zusammenhang mit dem Thema dieser Arbeit wäre es hinsichtlich des Lebenslaufes Pascals unangebracht eine reine Auflistung seiner Lebensdaten anzuführen. Wann stellte er seine experimentellen Untersuchungen zum Luftdruck an? Wann hat er seine Abhandlung über die Leere verfasst? Wann traf er mit René Descartes zusammen?

Dies sind Fragen, deren Antworten in jeder beliebigen Biographie Pascals nachgelesen werden können und die vor allem deshalb keine Berücksichtigung innerhalb dieser Arbeit finden, weil sie (beinahe) nichts zur Klärung des Begriffs der Eigenliebe beitragen.

Es sind genau zwei Aspekte auf die dieses Kapitel sich in der Lebensbeschreibung Pascals beschränkt – Pascal als kranker und als streng religiöser Mensch. Der Autor dieser Arbeit erachtet diese beiden Lebensumstände als besonders wichtig, da sie den Hintergrund bilden, auf dem Pascals Denken und Handeln hinsichtlich der Eigenliebe besser verständlich wird. Die Eigenliebe selbst wird jedoch erst im 4. Kapitel thematisiert, sodass die folgenden Ausführungen erst dort mit ihr in einen konkreten Zusammenhang gebracht werden können. Pascal wurde Zeit seines Lebens von Krankheiten begleitet. Schon als kleines Kind muss er unter besonderer Schwäche gelitten haben, denn 1624 – er war erst ein Jahr alt – wird von einer „Entkräftung“ berichtet, die jedoch auf den Zauber einer Hexe zurückgeführt wurde.[3]

Während der Jugendzeit hatte Pascal seine größte wissenschaftliche Forschungstätigkeit und Schaffenskraft. Er war von schwächlicher Statur, dennoch schonte er sich selten. Religiöse Fragen standen für ihn zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Vordergrund. Die Familie Pascal, bestehend aus seinem Vater Étienne, seiner älteren Schwester Gilberte sowie seiner jüngeren Schwester Jacqueline lebten ein Durchschnitts-Christentum, das den Quellen zufolge mit allen Vorurteilen der Zeit – bis zum Aberglauben – behaftet war.[4]

In den Jahren 1642-44 arbeitete er an der Entwicklung einer vollautomatischen Rechenmaschine. Er konnte dieses Projekt erfolgreich zu Ende führen, jedoch erschöpfte er zunehmend und auch sein Gesundheitszustand muss schlecht gewesen sein, denn seine Schwester Gilberte berichtet hierzu:

„Doch diese Erschöpfung [die Arbeit an der Rechenmaschine] und seine damalige, seit einigen Jahren andauernde Gesundheitsschwäche brachten ihm Beschwerden, die ihn nicht mehr verlassen haben, und darum hat er uns manchmal gesagt, seit seinem achtzehnten Lebensjahr hätte er keinen Tag ohne Schmerzen zugebracht.“[5]

Als Pascal zu einem jungen Mann herangereift war, änderte sich sein Verhältnis zur Religion. Im Januar 1646 hatte sein Vater sich einen Beinbruch zugezogen. Die beiden ihn pflegenden Ärzte, zu denen die Familie ein freundschaftliches Verhältnis aufbaute, brachten Pascal in Berührung mit der damals neuartigen religiösen Strömung des Jansenismus.[6] Die Beschäftigung mit dieser Lehre und die damit verbundene Frage nach der Gnade Gottes sollte Pascal bis zu seinem Lebensende nicht mehr loslassen. Seine Schwester schildert den Vorfall wie folgt:

„Unmittelbar danach, als er noch nicht vierundzwanzig Jahre alt war, sorgte die göttliche Vorsehung für einen Anlaß, der ihn nötigte, fromme Schriften zu lesen. Gott erleuchtete ihn durch diesen heiligen Lesestoff so sehr, daß er vollkommen verstand, daß uns die christliche Religion verpflichtet, nur für Gott zu leben und kein anderes Ziel als ihn zu haben. Und diese Wahrheit erschien ihm so offenkundig, so notwendig und so nützlich, daß sie allen seinen Forschungen ein Ende machte.“[7]

Somit war Pascals „Bekehrung“ folgenreicher als man zunächst annehmen mag. Es ist unglaublich, dass dieser junge, talentierte Mann von 24 Jahren, der bis zu diesem Zeitpunkt bereits so viel wissenschaftliche Forschung erfolgreich betrieben hatte, dieser Beschäftigung einfach ein Ende setzte und sein ganzes Leben auf Gott hin ausrichtete.

Konsequenzen hatte diese Neuorientierung auch im Umgang mit seinen Krankheiten, denn Pascal verband seine körperlichen Leiden in der Folge mit seinem christlichen Glauben. Die Krankheiten – von denen bis heute nicht bekannt ist, um welche es sich genau handelte – waren für Pascal unausweichlich. Doch anstatt zu resignieren suchte er die offene Auseinandersetzung mit ihnen. Er machte sie sich sogar zu nutzen, indem er sie als ein Martyrium auffasste, das ihn zu der Erkenntnis Gottes über die Erfahrung der Leiden Jesu Christi führen würde.

Hierzu und zu Pascals Gesundheitszustand gibt die Biographie seiner Schwester Gilberte eine anschauliche Beschreibung:

[...]


[1] Vgl. Raffelt, Albert: Wieviel Gedanken braucht eine Bibliothek – zu den Ausgaben der Pensées, S. 50.

[2] Das Leben Monsieur Pascal…, in: Raffelt, Albert (Hrsg.): Blaise Pascal – Kleine Schriften zur Religion und Philosophie, S. 18f.

[3] Vgl. Schmidt-Biggemann, Wilhelm: Blaise Pascal, S. 9.

[4] Vgl. Raffelt, Albert (Hrsg.): Blaise Pascal – Kleine Schriften zur Religion und Philosophie, S. 14.

[5] Das Leben Monsieur Pascal…, S. 10.

[6] Vgl. Attali, Jacques: Blaise Pascal – Biographie eines Genies, S. 185; Der Jansenismus ist eine katholische Reformbewegung des 17. und 18. Jahrhunderts, die auf die Theologen Abbé Saint-Cyran und Cornelius Jansen zurückgeht. Das Kernstück des Jansenismus ist die auf einer strengen Augustinusauslegung basierende Gnadenlehre, die jeglichen Synergismus ablehnt. Dem Synergismus zufolge ist es dem Menschen möglich neben der Gnade Gottes an seinem eigenen Seelenheil mitzuwirken. Somit stand der Jansenismus der scholastischen und jesuitischen Theologie seinerzeit entgegen, die mit ihrer Abschwächung der Bedeutung der Erbsünde einen Synergismus vertrat.

[7] Das Leben Monsieur Pascal…, S. 11.

Final del extracto de 21 páginas

Detalles

Título
Blaise Pascal - Das Wesen der Eigenliebe
Universidad
Ernst Moritz Arndt University of Greifswald  (Institut für Philosophie)
Curso
Reflexion und Selbsterfahrung
Calificación
1,3
Autor
Año
2009
Páginas
21
No. de catálogo
V145782
ISBN (Ebook)
9783640565856
ISBN (Libro)
9783640566440
Tamaño de fichero
491 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Blaise, Pascal, Wesen, Eigenliebe
Citar trabajo
Hermann Sievers (Autor), 2009, Blaise Pascal - Das Wesen der Eigenliebe , Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145782

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Título: Blaise Pascal - Das Wesen der Eigenliebe



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