Die vorliegende Arbeit widmet sich der Fragestellung, warum sich die vier geographisch dicht beieinander liegenden Städte nicht der allgemeinen Vertreibungswelle um 1500 anschlossen und wie sich gerade in diesen Städten die einzelnen Judengemeinden ihren Aufenthalt in einer allgemeinen Vertreibungszeit sichern konnten. Erklärungsbedürftig ist dabei auch, wie sich die vier jüdischen Gemeinden in innerstädtischen Konflikten verhalten haben, um ihren Status im 16ten und in der ersten Hälfte des 17ten Jahrhunderts zu sichern. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf den Möglichkeiten der jüdischen Gemeinden, um ihr kaiserliches Schutzprivileg gegenüber einem teils hochkomplexen städtischen Machtgefüge aus Stadtrat, Bürgerschaft, Bischof, Kurfürst und Kaiser durchzusetzen und sich in diesem zu behaupten.
Zunächst soll nach der Einleitung die rechtlich-normative Stellung der Juden im Reich analysiert werden. Das Kapitel behandelt, neben dem Speyrer Privileg von 1544, die Reichspolizeiordnungen des 16. Jahrhunderts und geht den Fragen nach, wie es um den kaiserlichen Schutz der Juden im Reich bestellt und wie die generelle Stellung der Städte zum Kaiser beschaffen war. Dafür wird ein Blick in die Quellen der Reichspolizeiordnungen geworfen, die Matthias Weber veröffentlicht hat. Ferner wird untersucht, in welchem Funktionszusammenhang das Speyrer Judenprivileg und die Reichspolizeiordnungen des 16. Jahrhunderts mit den städtischen Judenordnungen von Frankfurt, Friedberg, Fulda und Worms
standen. An dieser Stelle sind die Thesen Karl Härters und Matthias Webers zu nennen, die sich beide mit dem Einfluss der Reichs- auf die Lokalgesetzgebung befasst haben. Härter konstatiert stellvertretend für die Forschung im Bereich der
deutschen Gesetzgebung und Rechtsgeschichte, dass die Reichsgesetzgebung in ihrer Funktion als obligatorische Richtschnur für territoriale und städtische Gesetzgebung im 16. Jahrhundert versagt habe. Die Territorien respektive die Städte übten eine weitgehend autonome Gesetzgebung aus. Matthias Weber vertritt die These, dass es zwischen Reichspolizeiordnung und städtischer Ordnung zu keinen „sich in funktionaler Hinsicht widersprechenden Regelungen“ gekommen sei.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die rechtlich-normative Stellung der Juden im Reich
- Die Juden als kaiserliche Kammerknechte
- Das Judenrecht der Frühen Neuzeit
- Der Augsburger Reichstag 1530
- Der Augsburger Reichstag 1548
- Der Frankfurter Reichstag 1577
- Die Ausgangslage jüdischen Rechtes – eine Zusammenfassung
- Frankfurt
- Der Frankfurter Rat als Inhaber des Judenregals
- Kaiser und Stadtrat streiten um die Stadthoheit (1500-1650)
- Der Kaiser erhebt steuerliche Forderungen an die Judenschaft
- Der Stadtrat versucht die Judenschaft zu vertreiben
- Der Kaiser gewinnt an Einfluss
- Der Kaiser stärkt seine Position im Fettmilchaufstand
- Der Stadtrat greift in den innergemeindlichen Konflikt ein
- Ein Fazit der jüdischen Situation in Frankfurt
- Friedberg
- Die Vormachtstellung des Burggrafen in der Stadt
- Kaiser, Burg und Rat ringen um das Judenregal (1500-1650)
- Burg und Stadtrat im innerstädtischen Konflikt
- Der Kaiser versucht den Goldenen Opferpfennig einzuziehen
- Der Stadtrat nutzt die Frankfurter Rabbinerversammlung
- Der Stadtrat erlangt die Vormachtstellung
- Ein Fazit der jüdischen Situation in Friedberg
- Fulda
- Der Abt als Inhaber des Judenregals
- Fürstäbte und Kaiser treten als Schutzherren auf (1500-1650)
- Der Fürstabt stimmt gegen den Vertreibungsversuch
- Der Fürstabt verliert seine Stadthoheit
- Der Kaiser kann seine Stellung festigen
- Ein Fazit der jüdischen Situation in Fulda
- Worms
- Bischof und Stadt ringen um das Judenregal
- Der Bischof muss sich mit dem Stadtrat auseinandersetzen (1500-1650)
- Der Stadtrat usurpiert Bischofsrechte
- Der Stadtrat versucht die Judenschaft zu vertreiben
- Der Stadtrat ändert seine judenfeindliche Politik
- Der Stadtrat gerät durch die Bürger in Bedrängnis
- Der Stadtrat erhebt übermäßige Kontributionen
- Ein Fazit der jüdischen Situation in Worms
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Masterarbeit befasst sich mit den Hintergründen und Ursachen für das Scheitern der Judenvertreibung aus den deutschen Reichsstädten Frankfurt, Friedberg, Fulda und Worms zwischen 1500 und 1650. Sie untersucht die komplexen Machtverhältnisse zwischen Kaiser, Stadtrat, Burggrafen und Bischöfen, die um die Kontrolle über das Judenregal kämpften, sowie die rechtlich-normativen Rahmenbedingungen des jüdischen Lebens in der Frühen Neuzeit.
- Die rechtlich-normative Stellung der Juden im Reich
- Die Rolle des Kaisers im Schutz und der Kontrolle der jüdischen Gemeinden
- Die Konflikte zwischen Stadträten und Kaisern um die Stadthoheit
- Die unterschiedlichen Strategien der Städte bei der Behandlung der jüdischen Gemeinden
- Die Auswirkungen der Vertreibungsversuche auf die jüdische Lebenswelt
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und erläutert die Bedeutung des Begriffs "Privileg" in der historischen Forschung. Kapitel 2 beleuchtet die rechtlich-normative Stellung der Juden im Reich, insbesondere die Rolle der kaiserlichen Kammerknechtschaft und die Entwicklung des Judenrechts im 16. Jahrhundert. Kapitel 3 analysiert die Situation in Frankfurt, wobei die Konflikte zwischen Kaiser und Stadtrat um die Kontrolle über das Judenregal im Fokus stehen. Kapitel 4 befasst sich mit Friedberg und zeigt die komplexen Machtverhältnisse zwischen Burggraf, Kaiser und Stadtrat auf. Kapitel 5 untersucht die jüdische Situation in Fulda, wobei die Rolle des Abtes als Inhaber des Judenregals im Vordergrund steht. Kapitel 6 widmet sich der Stadt Worms und beleuchtet den Konflikt zwischen Bischof und Stadtrat um das Judenregal.
Schlüsselwörter
Juden, Judenvertreibung, Reichsstädte, Frankfurt, Friedberg, Fulda, Worms, Kaiser, Stadtrat, Burggraf, Bischof, Judenregal, Privileg, Kammerknechtschaft, Judenrecht, Frühe Neuzeit, Machtverhältnisse, Konflikte, Vertreibungsversuche
- Arbeit zitieren
- Timo Pach (Autor:in), 2016, Hintergründe und Ursachen für das Scheitern der Judenvertreibung aus den deutschen Reichsstädten: Frankfurt, Friedberg, Fulda, Worms (1500-1650), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1458113