Zum Ende des Jahres 1347 erreichte die Pest Europa und breitete sich mit enormer Geschwindigkeit über den Kontinent aus. Das Massensterben, das Chaos und die Auflösung der meisten sozialen Strukturen in Europa, welche die Pest mit sich brachte, gingen an keinem Menschen vorbei. So ist es kaum verwunderlich, dass sich der „Schwarze Tod“ auch in der Literatur des späten Mittelalters niederschlägt.
In dieser Arbeit sollen die Pestbeschreibungen zweier der wichtigsten Autoren jener Zeit behandelt werden: Giovanni Boccaccio und Francesco Petrarca gehören (neben Dante Aligheri) zu den Begründern der europäischen Literatur. Beide wurden Zeugen der verheerenden Zustände, in die Europa durch die Pest geriet. So ähnlich die Erfahrungen sind, die beide gemacht haben mögen, so verschieden ist ihr Umgang mit dem Erlebten. Giovanni Boccaccio verwendet die Pest literarisch als Rahmenhandlung für seine große Novellensammlung „Das Dekameron“ und schafft damit eine der wichtigsten und detailliertesten zeitgenössischen Quellen zur Pest in Europa. Francesco Petrarca, dem die Pest viele Vertraute nahm, äußert sich in einigen Briefen explizit zur Pest. Auch seine berühmter „Canzoniere“ ist ohne die Verlusterfahrungen der Pest undenkbar, obgleich der „Schwarze Tod“ kein Hauptmotiv dieser Gedichtsammlung ist.
Ist Boccaccio auf eine umfassende und genaue Darstellung der Situation im pestverseuchten Florenz bedacht, reflektiert Petrarca großteils über seine eigenen Seelenzustände im Zusam-menhang mit der Pest und ihren Folgen. Doch auch von ihm erhält man einige Informationen zu den Auswirkungen der Pest in Europa.
Beide Texte sollen in dieser Arbeit unter der Fragestellung behandelt werden, welche Erklärungen man im 14. Jahrhundert für die Pest hatte, wie sie sich laut den literarischen Beschreibungen der beiden Autoren auf die mittelalterliche Gesellschaft auswirkte und welche Schlüsse Giovanni Boccaccio und Francesco Petrarca daraus ziehen.
Inhalt
1. Einleitung und Fragestellung
2. Historischer Hintergrund: Der „Schwarze Tod in Europa“
3. Die Pest in der Literatur des 14. Jahrhunderts
3.1. Die Darstellung der Pest in Giovanni Boccaccios „Dekameron“
3.2. Die Auseinandersetzung mit der Pest in den Briefen Francesco Petrarcas
4. Fazit
5. Literatur
6. Selbstständigkeitserklärung
1. Einleitung und Fragestellung
Zum Ende des Jahres 1347 erreichte die Pest Europa und breitete sich mit enormer Geschwin-digkeit über den Kontinent aus. Das Massensterben, das Chaos und die Auflösung der meisten sozialen Strukturen in Europa, welche die Pest mit sich brachte, gingen an keinem Menschen vorbei. So ist es kaum verwunderlich, dass sich der „Schwarze Tod“ auch in der Literatur des späten Mittelalters niederschlägt. In dieser Arbeit sollen die Pestbeschreibungen zweier der wichtigsten Autoren jener Zeit behandelt werden: Giovanni Boccaccio und Francesco Petrar-ca gehören (neben Dante Aligheri) zu den Begründern der europäischen Literatur. Beide wur-den Zeugen der verheerenden Zustände, in die Europa durch die Pest geriet. So ähnlich die Erfahrungen sind, die beide gemacht haben mögen, so verschieden ist ihr Umgang mit dem Erlebten. Giovanni Boccaccio verwendet die Pest literarisch als Rahmenhandlung für seine große Novellensammlung „Das Dekameron“ und schafft damit eine der wichtigsten und de-tailliertesten zeitgenössischen Quellen zur Pest in Europa. Francesco Petrarca, dem die Pest viele Vertraute nahm, äußert sich in einigen Briefen explizit zur Pest. Auch seine berühmter „Canzoniere“ ist ohne die Verlusterfahrungen der Pest undenkbar, obgleich der „Schwarze Tod“ kein Hauptmotiv dieser Gedichtsammlung ist.
Ist Boccaccio auf eine umfassende und genaue Darstellung der Situation im pestverseuchten Florenz bedacht, reflektiert Petrarca großteils über seine eigenen Seelenzustände im Zusam-menhang mit der Pest und ihren Folgen. Doch auch von ihm erhält man einige Informationen zu den Auswirkungen der Pest in Europa.
Beide Texte sollen in dieser Arbeit unter der Fragestellung behandelt werden, welche Erklär-ungen man im 14. Jahrhundert für die Pest hatte, wie sie sich laut den literarischen Beschreib-ungen der beiden Autoren auf die mittelalterliche Gesellschaft auswirkte und welche Schlüsse Giovanni Boccaccio und Francesco Petrarca daraus ziehen.
2. Historischer Hintergrund: Der „Schwarze Tod“ in Europa
Der Ursprung der verheerenden Pestepidemie, die Europa in der Mitte des 14. Jahrhunderts heimsuchte, kann in Zentralasien vermutet werden. Von dort her kamen die mongolischen Truppen, die im Sommer 1347 um die Hafenstadt Kaffa (heute Feodossija, Ukraine), die in genuesischer Hand war, kämpften. Einer Legende nach soll die Stadt dadurch infiziert worden sein, dass die Mongolen Pestleichen über die Stadtmauer katapultierten. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Ratten im Gefolge der Streitkräfte die Pest in die Stadt brachten. Kaffa war im Mittelalter ein bedeutender und stark angefahrener Handelshafen am Schwarzen Meer, so ist es nicht verwunderlich, dass sich von dort aus die Pest sehr schnell verbreitete. Über Kon-stantinopel erreichte sie bereits im September 1347 Messina auf Sizilien, von wo aus sie sich später nach Süditalien und Nordafrika ausbreitete. Im November wurden Genua und Marseille befallen, im Januar 1348 Venedig und Pisa und im März desselben Jahres Florenz, wo man ca. 100.000 Tote zählte. Im Laufe des Jahres 1348 breitete sich die Pest weiter nach Frank-reich und Spanien (von Pisa aus auch in Richtung Norden, sodass sie im März 1349 Wien erreichte) aus. Von Frankreich aus nahm sie ab 1349 ihren Weg nach Norden und so brachen 1350 auch in Hamburg, Bremen und Lübeck Pestepidemien aus. Die letzten Fälle des fünf Jahre anhaltenden „Schwarzen Todes“ wurden 1352/53 in Russland bekannt.
Die Angaben über die Anzahl der Opfer schwanken stark. Realistischerweise kann man von geschätzten 30% von einer ebenfalls geschätzten Gesamteinwohnerzahl von 60 Millionen Menschen in Europa ausgehen. Die würde bedeuten, dass in fünf Jahren ca. 18 Millionen Menschen ihr Leben durch die Pest verloren. In den Jahrzehnten nach der Zeit des „Schwar-zen Todes“ wurde Europa von mehreren Folgeepidemien heimgesucht.
3. Die Pest in der Literatur des 14. Jahrhunderts
3.1. Die Darstellung der Pest in Giovanni Boccaccios „Dekameron“
Giovanni Boccaccio wurde 1313 vermutlich in Florenz geboren. Sein Vater, von Beruf Kauf-mann, sandte ihn mit 14 Jahren nach Neapel, wo er ebenfalls den Kaufmannsberuf erlernen sollte. Doch Boccaccio, der dort dank der guten Beziehungen seines Vaters Zugang zum Hof Roberts von Anjou fand, widmete sich hauptsächlich der Literatur und eignete sich in den für ihn prägenden höfischen Kreisen autodidaktisch eine immense Bildung an. In diese Zeit fallen auch seine ersten literarischen Produktionen. 1340 nach Florenz zurückgekehrt, begab sich Boccaccio in den Staatsdienst und hielt sich 1345/46 an den Höfen von Ravenna und Forlì auf. Die Erfahrungen, die er dort sammelte, fanden ihren Niederschlag in seinem berühmt-esten Werk, dem „Dekameron“. Aus einem Zusammentreffen mit Francesco Petrarca im Jahr 1350 entwickelte sich eine tiefe, lebenslange Freundschaft, von welcher der Briefwechsel der beiden zeugt. Es war Petrarca, der bei ihm das Interesse für die antiken Autoren weckte, von denen sein Spätwerk geprägt ist. Boccaccio, der die letzten Jahre seines Lebens der Verbrei-tung des Werkes von Dante Alighieri widmete, starb am 21. Dezember 1375 in Certaldo bei Florenz.
Heute gilt Giovanni Boccaccio als einer der Begründer der Erzähltradition in Europa und ge-hört zu den bekanntesten Vertretern des Humanismus in Italien. Sein populärstes Werk, „Das Dekameron“ („Il Decamerone“: gr. „Zehn-Tage-Werk“), eine Sammlung von 100 Novellen, ist wahrscheinlich zwischen 1349 und 1353, also mitten in der Zeit des „Schwarzen Todes“ entstanden. Von vielen wird es der „Ursprung der italienischen Prosa überhaupt“[1] gesehen.
Die Pest in Florenz stellt den Hintergrund dar, vor dem die einhundert Novellen, meist kleine, heitere Erzählungen, spielen. Eine Gruppe von sieben Damen und drei jungen Herren flüchtet vor der Not in der Stadt hinaus aufs Land. Hier leben sie ein gemütliches, freudiges Leben. In den Novellen zeichnet Boccaccio ein detailliertes Bild von den Lebensumständen in der frü-hen Neuzeit. Die zeittypische Abkehr von der Weltentsagung und die damit verbundene Hin-wendung zu einer lebensbejahenden Haltung werden deutlich.
Bevor es darum gehen soll, wie Boccaccio die Pest darstellt und deutet, möchte ich zuerst die Frage diskutieren, warum er diese Katastrophe überhaupt erwähnt, ist doch das „Dekameron“ eine Sammlung durchaus positiver und lebenslustiger Novellen.
Die Erfahrungen der Pestjahre waren zur Zeit der Entstehung des Werkes jedermann präsent. Sie hatten sich tief in das kollektive Gedächtnis einprägt. Alle Menschen hatten direkte oder indirekte Erfahrungen mit dem „schwarzen Tod“ gemacht und die gesellschaftlichen und indi-viduellen Folgen waren noch keineswegs überwunden. So war das Thema schlicht zu über-mächtig, das Leid noch zu groß, als dass man es hätte verschweigen können. In der Anrede an die Frauen beruhigt Boccaccio sie gleich zu Beginn: Er nimmt voraus, dass der Schilderung der Pest auch Glück und Freude im „Dekameron“ folgen werden. Allein die Tatsache, dass er das Gute, das Erfreuliche ankündigen muss, zeigt, wie wenig selbstverständlich es war, sol-ches überhaupt zu erwarten. Vor diesem Hintergrund einer realen Katastrophe der Menschheit (und nicht etwa der fiktiven Höllenfinsternis Dantes) kommt den Novellen erst ihr Sinn zu: Sie sollen den Lebenswillen aufrechterhalten, Hoffnung auf eine bessere Zukunft machen und die Menschen anregen, aktiv auf diese bessere Zukunft hinzuarbeiten – eine zutiefst human-istische Motivation.
Im ersten Abschnitt meiner Analyse zum „Dekameron“ soll es um die Herkunft der Pest und zwei gegensätzliche Hypothesen gehen, mit denen versucht wird, die Ursache der Pest zu er-mitteln. Auch die Symptome und die Reaktionen der Menschen sollen untersucht werden.
Aus dem Text geht klar hervor, dass Boccaccio die H e r k u n f t der Pest bekannt ist. Er er-wähnt, dass sie vom „Morgenland“ kam und sich in den Jahren zuvor, „ohne anzuhalten“, in Richtung Europa ausgebreitet hatte.[2] Auch über die Symptome der Pest in Vorderasien ist er informiert: Im Gegensatz zu den Symptomen in Florenz (die hier später behandelt werden, s.u.) erwähnt er Nasenbluten als typisches Anzeichen der Pest im „Morgenland“. Weniger eindeutig fallen seine Erklärungen dazu aus, warum die Pest über Italien, speziell über Flo-renz, kam. Boccaccio nennt die „Härte des Himmels“ als Erklärung für das Leid.[3] Diese „Här-te“ kann man verschiedenartig auslegen: Es gibt einerseits die Möglichkeit einer astrologi-schen Deutung. So gesehen wäre eine ungünstige Sternenkonstellation verantwortlich für die Katastrophe. Eine andere Auslegung würde direkt auf Gott als Urheber der Pestepidemie zie-len. Boccaccio selbst entscheidet sich im Text für keine der beiden Erklärungen. Er erwähnt sie lediglich als Ansichten der Menschen. Wenn er die Heimsuchung von Florenz durch die Pest als „entweder durch Einwirkung der Himmelskörper entstanden oder im gerechten Zorn über unseren sündlichen Wandel von Gott als Strafe über die Menschen verhängt[...]“[4] deutet, so muss das nicht als theologischer Ansatz verstanden werden. Die Textstelle sagt lediglich aus: Wenn es sich bei der Pest um eine göttliche Strafe handelt, so hat die Stadt Florenz diese Strafe auch verdient.
Es gibt einige Anzeichen im Text, die zumindest eine Skepsis des Autors gegenüber einer the-ologischen Erklärung erkennen lassen. So findet sich im Text keine einzige Zeile, die den christlichen Glauben als adäquate Hilfe in der Not kennzeichnen würde. Im Gegenteil: Bocca-ccio betont gerade die Nutzlosigkeit aller privaten Gebete und Prozessionen. So ist es nur fol-gerichtig, dass auch keiner der Reaktionstypen (die ich später noch beschrieben werde) mit irgendeinem Gottesglauben in Verbindung steht. Auch Boccaccios Anmerkung
„[...], als ob der Zorn Gottes, der durch diese Seuche die Ruchlosigkeit der Menschen bestrafen wollte, sie nicht gleichmäßig erreichte, sondern nur diejenigen vernichtete, die sich innerhalb der Stadtmauern antreffen ließen,[...][5]
untermauert keine theologische Deutung. Sie ist vielmehr eine Bezugnahme auf das inkon-sequente Denken einiger Zeitgenossen. Viele waren nämlich durchaus der Meinung, die Pest sei als göttliche Strafe für die Untaten und Sünden der Menschen über Florenz gekommen und man könne ihr entgehen, indem man einfach die Stadt verlässt.[6] Ein geradezu absurder Gedankengang, musste doch den Gottesgläubigen klar sein, dass Gott überall ist, überall ein-greifen kann und es keine Möglichkeit gibt, sich vor ihm zu verstecken oder seinem „Zorn“ zu entkommen. Bringt man die zitierte Textstelle in Zusammenhang mit der Handlung des „Dekameron“ insgesamt, so wird klar, dass Boccaccio sich diese Deutung nicht zu eigen machen kann. Denn würde er dies tun, wie könnte er dann seine zehn Protagonisten aus der Stadt hinaus aufs Land flüchten lassen? - Er widerspräche sich damit selbst. So genügen die (ohnehin denkbar) wenigen Zeilen, welche sie unter theologischen Gesichtspunkten behan-deln, meiner Meinung nach nicht, um eine solche Deutung der Pest im „Dekameron“ zu belegen. Die von Kurt Flasch hervorgehobene und wiederholt betonte Tatsache, dass Bocca-ccio ein Kenner und Anhänger der Astrologie war, legt nahe, dass Boccaccio mit der „Härte des Himmels“ tatsächlich eine bestimmte Sternenkonstellation meint und man es im „Deka-meron“ mit einer astrologischen Pestdeutung zu tun hat.[7]
Die S y m p t o m e der Erkrankung deuten, so wie sie beschrieben werden, eindeutig auf die Beulenpest hin. Es ist die Rede von Geschwülsten im Bereich der Leisten und Achsel-höhlen, die Boccaccio, je nach Größe, mit Äpfeln und Eiern vergleicht. Die Medizin hat spä-ter herausgefunden, dass es sich bei diesen Geschwülsten um Schwellungen der Lymphkno-ten, bzw. Lymphgefäße handelt, die zuerst in der Nähe des infektiösen Flohbisses auftauchen. (Die kurze Anmerkung zur Pest im Orient hingegen, bei der sich als erstes Symptom Nasen-bluten einstellte, könnte auf die Lungenpest hindeuten.) Beide Krankheitsformen haben einen rapiden Verlauf; etwa drei bis fünf Tage nach der Infektion erliegt der Patient den Folgen. Boccaccio bemerkt die hohe Geschwindigkeit, mit der die Pest um sich greift. Sie kann nicht nur durch den Umgang mit Kranken übertragen werden, schon der Körperkontakt mit der Kleidung oder anderen Habseligkeiten eines Infizierten kann zu einer Ansteckung führen. Boccaccio berichtet (als Augenzeuge) sogar davon, wie sich Schweine auf der Straße an der Kleidung eines Pestopfers infizieren und sterben. Im 14. Jahrhundert war die Pest noch lange nicht erforscht und über die Art und Weise ihrer Verbreitung herrschte noch keine Klarheit. Erst 1897 stellte man fest, dass die Krankheit durch einen tierischen Vektor, den Rattenfloh, übertragen wird. Da man aber dieses Wissen nicht hatte, gab es nichts, was Boccaccios Zeit-genossen eine Kontrolle oder Sicherheit im Umgang mit der Pest hätte geben können.
Eine logische Folge dessen ist die Machtlosigkeit der M e d i z i n gegen die Pest. Kein Arzt konnte mit Arzneien helfen und auch die Ratschläge zum Schutz vor der Pest er-wiesen sich als nutzlos. Trotzdem berichtet Boccaccio von einer stetig steigenden Zahl von Ärzten in Florenz während den Jahren der Pest. Ein guter Teil der professionellen Ärzte war frühzeitig vor den eigenen Patienten, die sie dringend gebraucht hätten, und wäre es nur, um ihre Schmerzen zu lindern, geflüchtet. Die Quacksalber, die dann zu horrenden Preisen ihre medizinische Hilfe anboten, hatten keinerlei ärztliche Ausbildung, geschweige denn wirksame Hilfsmittel für die Kranken. Es handelte sich hier um Nutznießer der Katastrophe. Dieses Feh-len der medizinischen Unterstützung in der Stadt veranlasst Boccaccio zu seiner Kritik an der Medizin insgesamt. Er sieht sie – und damit hat er recht – als vollkommen machtlos gegen die Pestepidemie. Am Schluss seiner Pestbeschreibung sagt er, selbst Galen, Hippokrates und Äs-kulap, wären machtlos gegen die Pest gewesen.[8] Deutlicher kann er nicht werden: Wenn er den antiken Idealvertretern der Medizin, selbst dem Halbgott Äskulap, nicht zutraut, die Pest behandeln zu können, ist klar, dass auch die Mediziner der Gegenwart machtlos sein mussten.
Sowohl die Politik, als auch die Bürger zeigten sehr verschiedene R e a k t i o n e n im Umgang mit der Pest. Von Seiten der Stadtverwaltung bemühte man sich um „Schadens-begrenzung“. So wurden eigens Beamte eingestellt, deren Aufgabe es war, die Stadt von den unzähligen Pestleichen zu säubern („becchini“ = Totengräber, Pestknechte). Weiterhin war es denjenigen, die mit der Pest infiziert waren, verboten, die Stadt zu betreten. Boccaccio berich-tet auch von Ratschlägen, welche die Stadtverwaltung zum Umgang mit der Pest gab, geht da-rauf jedoch nicht näher ein. Denkbar wäre, dass das Schlachten auf öffentlichen Plätzen ver-boten wurde und die Bürger ermahnt wurden, alle Dinge, die verfaulen können, aus der Stadt zu entfernen. Umstritten ist ein Erlass vom Juni 1348, der die Bürger dazu anhalten sollte, sich nur in den Stadtvierteln zu bewegen, in denen sie wohnten.[9] Alle diese Maßnahmen stellten sich jedoch als unwirksam heraus. Sie sind Zeugnisse der Ratlosigkeit der Herrschen-den in Florenz. Doch kann man ihnen diese Ratlosigkeit nicht zum Vorwurf machen, wussten sie doch im 14. Jahrhundert noch nichts über die Art und Weise, in der sich die Pest übertrug.
Während Boccaccio die politischen Maßnahmen, wohl gerade wegen ihrer Nutzlosigkeit, nur kurz streift, befasst er sich genauer mit den individuellen Reaktionen der Bürger auf die Pest.
[...]
[1] Hoffmann, Björn: Die Pest in der Literatur. Eine Untersuchung von Boccaccio bis Camus, Aachen 2007 [zugleich: Diss. Universität Lübeck, 2006], S.157
[2] Boccaccio, Giovanni: Das Dekameron, Frankfurt am Main, 2009, S.16
[3] Boccaccio, S.24
[4] Boccaccio, S.15f., „ gerechten”: Heraushebung von mir.
[5] Boccaccio, S.19.
6 Untersuchungen haben ergeben, dass die Sterblichkeit auf dem Land ähnlich hoch war wie in den Städten. Dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass auf dem Land wesentlich mehr Menschen lebten. Durch den florierenden Sklavenhandel im ausgehenden Mittelalter verbreitete sich die Pest sehr schnell auf das Umland der Städte.
[7] Als Ergebnis seiner Forschungen sieht es Kurt Flasch als erwiesen an, dass Boccaccio der Astronomie anhing. Vgl. dazu: Flasch, Kurt: Poesie nach der Pest, Mainz 1992, S.79ff.
[8] Boccaccio, S.24
[9] Zu den Maßnahmen und Verordnungen der florentiner Stadtoberen vgl. Henderson, John: The Black Death in Florence: medical and communal responses in: Bassett, Steven: Death in Towns. Urban responses to the Dying and the Dead, 100 – 1600, London/New York 1992
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