Preussische Reformen am Beginn des 19. Jahrhunderts

Fall, Wiederaufstieg und moderne Tendenzen


Hausarbeit, 2007

16 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Friede zu Tilsit

3. Die Stein- und Hardenbergschen Reformen
3.1 Die Ära des Reichsfreiherrn vom und zum Stein
3.2 Die Reformen Hardenbergs

4. Fazit

5. Bibliographie

1. Einleitung

Nachdem Preußens König Wilhelm II. im Jahre 1792 zusammen mit dem österreichischen Hause Habsburg Truppenverbände über den Rhein sandte, um der dort um sich greifenden französischen Revolution entgegenzuwirken, sollte das Scheitern dieses Unternehmens damals noch nicht geahnte Konsequenzen für Preußen nach sich ziehen. Preußen verabschiedete sich nach diesem verfehlten Vorhaben mit dem Frieden von Basel nach 1795 ein Jahrzehnt lang aus den gegen Frankreich geführten Koalitionskriegen.[1]

Auch nach den ersten expansiven Eroberungszügen des französischen Heeres unter Napoleon Bonaparte, blieb Preußen, ab 1797 unter der Führung von Wilhelm III., neutral und verhielt sich passiv. Erst 1806, wie sich herausstellen sollte viel zu schlecht vorbereitet und viel zu spät, nahm Preußen den Kampf in einem Bündnis mit dem russischen Zaren gegen Napoleon auf. In der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 wurde das alte Preußen schließlich mit einem Schlag hinweggefegt. Napoleon, der fähig war die Stoßkraft seiner beweglichen Armee im entscheidenden Augenblick zu bündeln, sah sich einer preußischen Armee gegenüber, die ihren Glanz und ihre Glorie vergangener Zeit bereits hinter sich gelassen zu haben schien und von unfähigen , initiativlosen und überalterten Generälen befehligt wurde. Die Hälfte der Befehlshaber hatte das stattliche Alter von 65 Jahren bereits überschritten und man hatte in der preußischen Heeresführung keine militärische Antwort auf den neuartig erscheinenden Taktikstil und auf die neue Heereskonzeption des jungen Korsen in petto. Nachdem auch noch der 71-jährige Herzog von Brauenschweig als Oberbefehlshaber schwer verwundet wurde und König Friedrich Wilhelm III. nur zögerlich dazu bereit war das Kommando zu übernehmen, entwickelte sich der Rückzug zu einem kopflosen Unterfangen. Ein Augenzeuge notierte in seinen Aufzeichnungen: „Die Armee glich einer zerstreuten Herde, von reißenden Tieren verfolgt, weil sie keinen Hirten hatte.“[2] Festungen wie Stettin mit einer Besatzung von 5000 Soldaten, 100 Kanonen und ausreichenden Vorräten ergaben sich in der Folge kampflos. Der Zerfall des preußischen Staatsgebildes ließ daraufhin nicht mehr lange auf sich warten, da sich nach der panikartigen Flucht des Heeres auch die Königsfamilie aus Berlin, zuerst nach Königsberg und dann über die Memel in den äußersten Osten ihres noch bestehenden Herrschaftsgebietes zurückzog. Nachdem nun Napoleon bereits am 27. Oktober triumphierend das Brandenburger Tor in Berlin durchschritt, konnten auch die dem preußischen Restheer noch zu Hilfe eilenden russischen Truppen eine vollständige Niederlage am 14. Juni 1807 in Ostpreußen nicht mehr verhindern. Der so genannt vierte Koalitionskrieg war damit beendet und das napoleonische Herrschaftsgebiet reichte nun von der Biskaya bis an die Memel; das alte Preußen, wie man es bis dahin kannte, war Geschichte.[3]

Angesichts der Niederlage war Preußens Zukunft in fremde Hände gelegt. Die weitere Existenz und die spätere Neuformierung des preußischen Staates war zu jenem Zeitpunkt keinesfalls abzusehen, doch möchte ich an dieser Stelle meine Abhandlung ansetzten um mich mit Preußens Wiederaufstieg und vor allem mit Aspekten der dazu stark beigetragenen Stein- und Hardenberg’schen Reformen befassen, die insgesamt einen Paradigmenwechsel auf innerstaatlicher Ebene zur Folge hatten. Zusätzlich werde ich versuchen die reformatorischen Absichten mit den tatsächlichen Folgen in einen gesellschaftlichen Kontext zu stellen. Ich bin mir dabei der Tatsache bewusst, dass im Rahmen einer Arbeit von dieser Kürze das Thema keinesfalls erschöpfend behandelt werden kann, hoffe aber einen guten Einblick in das behandelte Feld zu geben.

2. Der Friede zu Tilsit

Um über die zukünftigen Einflusssphären in Europa zu verhandeln, trafen sich der französische Kaiser und der russische Zar am 25. Juni 1807 in Tilsit an der Memel, einer kleinen Stadt in der neu entstandenen französisch-russischen Demarkationslinie. Der Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. konnte zur gleichen Zeit nur hilflos vom Nordufer auf die beiden Flöße in der Mitte der Memel blicken, auf denen in Zeltpavillons über die Zukunft seines Herrschaftsgebietes entschieden wurde.[4]

Wenn es strikt nach den Plänen Napoleons gegangen wäre, dann wäre es neben einer Entthronung der Hohenzollerdynastie, auch zu einer Abtrennung von Schlesien und der westlich der Elbe gelegenen Landesteile gekommen, die polnischen Provinzen und Ostpreußen sollten dem Zar übergeben werden. Der übrig gebliebene Rest wäre dabei ein stark beschnittenes Markgrafentum Brandenburg gewesen, in Bedeutung und Umfang wie vor 1640 beziehungsweise wie vor der Zeit der großen Kurfürsten.

Es war wohl Zar Alexander, dem Preußen seine weiter Existenz verdankte, mit der Absicht Preußen als Pufferstaat zwischen seinem russischen und dem französischen Herrschaftsbereich zu erhalten. Napoleon stimmte der Forderung widerwillig zu, da er den Zaren unbedingt für ein Bündnis gegen Großbritannien gewinnen wollte. Dafür verzichtete er in Tilsit auch auf die totale Zersetzung des preußischen Hohenzollernthrons.

Beim ersten Aufeinandertreffen des selbstgekrönten Kaisers und des entmachteten Hohenzollers, das für den nächsten Tag anberaumt war, schreckte Napoleon nicht davor zurück ihn vorzuführen. Beispielsweise bat er nach achtstündiger Konferenz nur den russischen Zaren zum Diner oder lies Wilhelm, der ein wirklich unbegnadeter Reiter zu sein schien, bei Truppeninspektionen wie ein Adjutant hinter seinem Pferd her trotten. Wilhelm selbst wurde währenddessen bezüglich der russisch-französischen Verhandlungsergebnisse von Napoleon nach wie vor im Dunkeln gelassen.[5]

Nachdem die preußische Delegation am Vorhaben gescheitert war, ein kleines Territorium auch noch westlich der Elbe zu erhalten, kam man innerhalb des Planstabes auf die Idee die Gemahlin Wilhelms III., die damals 31-jaährige Königin Luise zu Napoleon zu schicken, von welcher man durch ihre Anmut und Grazie glaubte, dass sie den Korsen doch noch so manches Zugeständnis für Preußen entlocken könne. In kranken und schwangeren Zustand machte sie sich am sechsten Juli 1807 auf den Weg und vermittelte Napoleon einen starken Eindruck, wobei er wenig später an Joséphine nach Paris schrieb, dass aber trotzdem alles an ihm abglitt wie an einem Wachstuch. Auch Wilhelm III. trug nicht sonderlich positiv zum ganzen Umstand bei, da er bereits nach einer Stunde voller Eifersucht in den Raum stürmte.

Bereits einen Tag danach diktierte der französische Außenminister Talleyrand-Périgord den Friedensvertrag. Preußen verlor demnach mit der Abtretung der polnischen Gebiete und aller Besitzungen westlich der Elbe, nicht nur die Hälfte seines Gebietes, das damit von 347.000 auf 158.000 Quadratkilometer schrumpfte, sondern auch die Hälfte seiner Bevölkerung, die von ehemals 9,7 auf 4,9 Millionen Einwohner schwand. Das preußische Heer, das im Sterbejahr Friedrichs II. 1786 noch 190.000 Mann zählte, wurde auf 42.000 beschränkt. Weiters schrieb der Diktatvertrag vor, dass französische Besatzungstruppen, welche nicht nur geduldet sondern auch auf Kosten Preußens bezahlt werden mussten, so lange im Land bleiben sollten bis die, erst ein Jahr später, festgelegte Kriegsentschädigung von 140 Millionen Francs beglichen war. Dieser Betrag entsprach damit dem Dreifachen der jährlichen Einnahmen des nun stark verkleinerten Staates. Der womöglich ein klein wenig Abhilfe schaffende Exporthandel mit Großbritannien war Preußen, wie allen anderen von Napoleon unterworfenen Länder, untersagt. Folglich sollten politische und finanzielle Druckmittel seitens Napoleons, Preußen auf dem Status einer nun mehr europäischen Mittelmacht halten.[6]

3. Die Stein- und Hardenbergschen Reformen

Die französischen Bestimmungen im Friedensvertrag von Tilsit waren für Preußen ein Desaster. Vor allem die aufgebürdete Kriegsentschädigung stellte angesichts der massiven Gebietsverluste und dem Wegfall der halben Untertanen im ersten Moment eine unlösbare Aufgabe dar. Weiters waren auch die nach der verlorenen Schlacht bei Jena und Auerstedt offensichtlich gewordenen, möglicherweise auch aufgrund der Streitigkeiten zwischen aufklärerischem Gedankengut des Bürgertums und ständischer Feudal-Obrigkeit verkrusteten preußischen Militär-, Verwaltungs- und Staatsstrukturen ausschlaggebend für Modernisierungen durch tief greifende Reformmaßnahmen. Das Hauptaugenmerk der Reformbestrebungen steckte zwar in der Neuformierung des preußischen Staates, doch versuchte man das bisher existente System in seinen Grundsätzen, wie der der Monarchie, zu erhalten und durch Reformschritte im Anbetracht einer wachsenden Unzufriedenheit im Volk auf eine gewaltfreie Weise zu manifestieren und modernisieren. Damit auf das Engste verbunden und auch mit ihrer Durchführung vertraut, sind zwei Namen zu nennen, zum einen Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein und zum anderem Karl August von Hardenberg.[7]

3.1 Die Ära des Reichsfreiherrn vom und zum Stein

Dass der preußische Hof in den ungewissen Monaten nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt zahlungsfähig blieb, war einem gewissen Heinrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein zu verdanken, der die Staatskasse Preußens über Stettin und Königsberg nach Memel rettete.[8]

Der im Jahre 1804 als königlicher Finanz- und Wirtschaftsminister ins Berliner Generaldirektorium berufene vom Stein leitete in seiner ersten Zeit neben der Aufhebung der Binnenzölle weitere durchgreifende Schritte ein, scheiterte jedoch damit die königliche Kabinettsregierung zu einer modernen Ministerialregierung zu reformieren. In diesen ersten Maßnahmen spiegelte sich seine Absicht wieder, Preußen zum Kampf gegen Napoleon zu befähigen, so gehörte er um 1805 auch zu einem Zirkel, welcher sich um Königin Luise und Louis Ferdinand Prinz von Preußen sammelte und sich dafür einsetzte, Napoleon entschieden entgegenzuwirken. Dieses Anliegen verfasste vom Stein auch in einer Denkschrift, welche dem König am zehnten Mai 1805 übergeben wurde, aber diesen vorerst noch nicht von der Notwendigkeit einer Mobilmachung überzeugen konnte.[9]

Vom Stein, der am 26. Oktober 1757 als neuntes Kind des kurmainzischen Kammerherrn Karl Philipp Reichsfreiherr vom und zum Stein und Henriette Karoline Langwerth von Simmern in Nassau an der Lahn geboren wurde, trat nach seinem Studium und nach verschiedenen Praktikas in Kammergericht und Verwaltung, 1780 eine Anstellung beim Bergwerk- und Hüttendepartment in Berlin an. Nachdem er somit in den preußischen Staatsdienst getreten war, führte ihn seine berufliche Tätigkeit unter anderem über den Direktorposten des Oberbergamtes in Wetter an der Ruhr zum Präsidenten der provinzialbehördlichen märkischen Kriegs- und Domänenkammer in Hamm. Vor seiner Rückkehr nach Berlin durch seine Berufung in das Generaldirektorium, war er noch 1803 für die Durchführung der Säkularisation in Münster und Paderborn zuständig, welche vor ihrer preußischen Einverleibung beide geistliche Territorien waren. Stein selbst war aber kein Preuße, sondern verstand sich durch seine reichsimmediaten Besitzungen als souveräner Reichsritter, der keinem Landesherrn, sondern direkt dem Kaiser untergeben war. Durch weitere kleine Güter war Steins wirtschaftliche Unabhängigkeit gesichert und durch das Protektorat von Reichsgesetzen konnte er sich bei Differenzen direkt an das Reichsgericht wenden.[10]

Nachdem der preußische Regent Friedrich Wilhelm III. nach Memel geflohen war und einer ungewissen Zukunft entgegen sah, befürwortete der mittlerweile 49-Jährige Stein weitere Kampfhandlungen mit Napoleon, um währenddessen eine reformierte staatliche Grundlage für weitere Kriegsanstrengungen zu schaffen. Seine Anliegen harmonierten aber nicht mit denen des Königs Friedrich Wilhelms, der ihn aufforderte das Außenministerium zur Beilegung des preußisch-französischen Konfliktes anzunehmen. Nach einer weiteren heftigen Differenz der beiden, über die Zusammensetzung des Kabinetts, wurde Stein am dritten Januar 1807 als ungehorsamer Staatsdiener aus seinen Diensten entlassen.[11]

Auf Drängen Napoleons wurde Stein am zehnten Juli desselben Jahres von Friedrich Wilhelm III. wieder zum leitenden Minister mit weitreichenden Kompetenzen in der Innen- und Außenpolitik ernannt. Der als starrsinniger und leicht reizbarer Mensch beschriebene Stein wusste, dass nur eine fundamentale Neukonstituierung der preußischen Monarchie und eine Entfesselung der Wirtschaftskräfte Preußen helfen könne, um die Ressourcen für die Feindesforderungen freizusetzen und damit die Fremdbesatzung abzuschütteln.

[...]


[1] Von Münchow-Pohl, Bernd, Zwischen Reform und Krieg, Untersuchungen zur Bewusstseinslage in Preußen 1809-1812, Göttingen 1987, 37-48.

[2] ebd., 37-48.

[3] Albig, Jörg-Uwe, Entscheidung vor Leipzig, in: Geo Epoche 23, 80-95.

[4] ebd., 80-95.

[5] Albig, Jörg-Uwe, Entscheidung vor Leipzig, in: Geo Epoche 23, 80-95.

[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Frieden_von_Tilsit Stand: 19.05.07

[7] Hubatsch, Walther, Die Stein-Hardenbergschen Reformen (Erträge der Forschung 65), Darmstadt 1977, 53-64.

[8] Albig, Jörg-Uwe, Entscheidung vor Leipzig, in: Geo Epoche 23, 80-95.

[9] Von Gierke, Julius, Karl Freiherr vom Stein, zum 200. Geburtstag, Frankfurt am Main 1979, 5-18.

[10] ebd., 5-18.

[11] ebd., 5-18.

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Details

Titel
Preussische Reformen am Beginn des 19. Jahrhunderts
Untertitel
Fall, Wiederaufstieg und moderne Tendenzen
Hochschule
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck  (Institut für Geschichte und Ethnologie)
Note
1
Autor
Jahr
2007
Seiten
16
Katalognummer
V146086
ISBN (eBook)
9783640565566
ISBN (Buch)
9783640565160
Dateigröße
412 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Preussen, Napoleon, Reformen, 19. Jahrundert, Jahrhundertbeginn, Fall, Wiederaufstieg, moderne Tendenzen, Moderne, Tilsit, Friede zu Tilsit, Stein, Hardenberg
Arbeit zitieren
Hubert Feichter (Autor:in), 2007, Preussische Reformen am Beginn des 19. Jahrhunderts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146086

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