Die Friedensmuseen sind wie ich zeigen werde ein spezifisches Charakteristikum der Kriegserinnerung im Nachkriegsjapan. Seit den 1980’er Jahren ist ihre Zahl stetig angewachsen und sie haben eine zentrale Bedeutung für den gesellschaftlichen Bezug auf die Kriegsvergangenheit gewonnen. Die Wandlung der Darstellungsformen und Inhalte ihrer Ausstellungen bildet exakt die sich wandelnden zivilgesellschaftlichen Erinnerungsinteressen ab. Die Zahl der zivilgesellschaftlichen Teilnehmer am Erinnerungsdiskurs über den Krieg, ist in den 1980’er Jahren exponential Anstiegen, weil die Zeitzeugen des Krieges ihr Ruhestandsalter erreichten. Das Interesse an der musealen Gestaltung von Kriegserinnerung ist dadurch stark angestiegen. Neben Historikern beteiligten sich nun eine breite Schicht von Bürgern ehrenamtlich an der Dokumentation und Aufarbeitung ihrer lokalen Kriegsgeschichte. Es kristallisierte sich dabei ein breiter Konsens dafür heraus, das Kriegserlebnis für die jüngeren Generationen erfahrbar zu machen, damit diese den Wert des Friedens erkennen. Daher waren die privaten und öffentlichen Kriegserinnerungsmuseen, die durch das Engagement von Bürgerinitiativen entstanden, durch eine klare Friedensorientierung ausgezeichnet und deshalb von ihrem Selbstverständnis her keine Kriegs- sondern Friedensmuseen. Als Vorbilder der seit den 1980’ern entstandenen Friedensmuseen dienten die Atombombenopfer-Erinnerungsmuseen in Hiroshima und Nagasaki. Auch in den neuen lokalen Friedensmuseen wurde die Atombombenopfer-Erinnerung als zentrales Leid-Motiv inszeniert. Hinzu kamen weitere lokale Opfernarrative, wie das Erlebnis des Bombenkriegs und des entbehrungsreichen Lebens an der Heimatfront. Diese Narrative wurden gespeist durch die Zeitzeugenerinnerungen und die historische Recherche von Bürgern und Lokalhistorikern. Aber der auffälligste Wandel den die Friedensmuseen seit den 1980’en erfahren haben, besteht in der gleichberechtigten Integrierung der Tätererinnerung neben der Opfererinnerung. Der Hintergrund war, dass eine wachsende Zahl von kritischen Zeitzeugen und Historikern auf die mangelnde Aufarbeitung des Kriegsleids der ostasiatischen Kriegsopfer und auf ihre fehlende Entschädigung durch den japanischen Staat aufmerksam wurde. Diese engagierten Bürger reagierten sensibel auf die Erinnerungsinteressen, von durch den japanischen Aggressionskrieg geschädigten Opfern aus China, Korea und anderen Ländern Asiens.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung…...
- II. Die Wissenschaftstheorie der Erinnerungskulturen und des kollektiven Gedächtnisses
- 1. Eine kulturwissenschaftliche Definition von Gedächtnis und Erinnerung
- 2. Das Kollektive Gedächtnis
- 3. Kulturelles Gedächtnis und Erinnerungskulturen......
- 4. Geschichte und Erinnerungskultur.......
- III. Die japanische Kriegserinnerung - Ein Überblick
- 1. Kriegserinnerung und Erinnerungskultur.……......
- 2. Siegererinnerung und Verlierererinnerung...
- 3. Religiöse und heroische Opfererinnerung
- 4. Traumatische Opfererinnerung
- 5. Tätererinnerung...
- 6. Strategien der Verdrängung
- 7. Opfererinnerung vor Gericht
- 8. Kriegserinnerung in »Eigengeschichten«
- 9. Der japanische Schulbuchstreit - Spiegel des gesellschaftlichen Erinnerungskonfliktes
- 10. Neue ostasiatische Perspektiven der Kriegserinnerung durch Gemeinschaftsschulbücher
- IV. Einordnung der japanischen Friedensmuseen und ihres Stellenwerts für die kollektive Kriegserinnerung
- 1. Die museale Kriegserinnerung Japans im globalen Rahmen der Zweiten Moderne und die Besonderheit der Friedensmuseen
- 2. Die japanischen Friedensmuseen – Versuch einer Einordnung
- V. Erinnerungskonflikte um die Kriegsausstellungen der japanischen Friedensmuseen – Der japanische Museumsstreit
- 1. Der Konflikt um das Nagasaki Atomic Bomb Museum
- 2. Der Konflikt um Peace Ôsaka
- 3. Der Konflikt um das Friedens- und Menschenrechtsmuseum in Sakai
- 4. Der Konflikt um das Okinawa Prefecture Peace Memorial Museum und das Yaeyama Peace Memorial Museum
- VI. Die nationalen und internationalen Netzwerkaktivitäten der japanischen Friedensmuseen - Ihre grenzüberschreitende Erinnerungspolitik als Antwort auf den Geschichtsrevisionismus
- 1. Die weltweiten Netzwerkaktivitäten der japanischen Friedensmuseen und die Verbreitung des Friedensmuseums-Gedanken.........
- 2. Die innerasiatischen Netzwerkaktivitäten der Friedensmuseen und der Beitrag von Bürgerinitiativen für die Aussöhnung in Ostasien
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit befasst sich mit der Bedeutung der Friedensmuseen in der gegenwärtigen japanischen Gesellschaft und analysiert ihre Rolle in der Erinnerungskultur. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie die Friedensmuseen im Kontext des kollektiven Gedächtnisses an den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen beitragen, die nationale und internationale Erinnerungskultur zu prägen und zu gestalten.
- Wissenschaftstheorie der Erinnerungskulturen und des kollektiven Gedächtnisses
- Die japanische Kriegserinnerung und ihre verschiedenen Formen
- Die Einordnung und Bedeutung der japanischen Friedensmuseen im Kontext der Kriegserinnerung
- Erinnerungskonflikte um die Kriegsausstellungen der japanischen Friedensmuseen
- Die nationalen und internationalen Netzwerkaktivitäten der japanischen Friedensmuseen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in das Thema und stellt die Forschungsfrage nach der Bedeutung der Friedensmuseen in der gegenwärtigen japanischen Gesellschaft. Anschließend werden die theoretischen Grundlagen für die Analyse der Erinnerungskulturen und des kollektiven Gedächtnisses gelegt. Das dritte Kapitel bietet einen Überblick über die japanische Kriegserinnerung und ihre verschiedenen Formen, von der Siegererinnerung bis zur Opfererinnerung und Tätererinnerung. Im vierten Kapitel werden die japanischen Friedensmuseen in den Kontext der musealen Kriegserinnerung Japans eingeordnet und ihr Stellenwert für die kollektive Kriegserinnerung beleuchtet.
Das fünfte Kapitel befasst sich mit den Erinnerungskonflikten um die Kriegsausstellungen der japanischen Friedensmuseen und analysiert die Kontroversen im Rahmen des sogenannten japanischen Museumsstreits. Das sechste Kapitel untersucht die nationalen und internationalen Netzwerkaktivitäten der japanischen Friedensmuseen und ihre grenzüberschreitende Erinnerungspolitik als Antwort auf den Geschichtsrevisionismus.
Schlüsselwörter
Friedensmuseen, Erinnerungskultur, kollektives Gedächtnis, Kriegserinnerung, Japan, Zweiter Weltkrieg, Geschichtsrevisionismus, Netzwerkaktivitäten, Museumsstreit, Erinnerungskonflikte.
- Quote paper
- Daniel Lachmann (Author), 2009, Formen der Erinnerungskultur, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146279