„Das Ziel der Kunst ist, uns ein Empfinden für das Ding zu geben, ein Empfinden, das Sehen und nicht nur Wiedererkennen ist. Dabei benutzt die Kunst zwei Kunstgriffe: die Verfremdung der Dinge und die Komplizierung der Form, um die Wahrnehmung zu erschweren und ihre Dauer zu verlängern“. Sklovskij geht hier von einem Wahrnehmungsautomatismus aus, d. h. dass ein wiederholt wahrgenommener Gegenstand nicht mehr wahrnehmbar sei, wenn er selbstverständlich geworden ist. Ihm geht es um Wiederentdeckung: soll ein Gegenstand wahrnehmbar werden, so muss man ihm seine Selbstverständlichkeit, seine Vertrautheit nehmen. Das kann sich einmal beziehen auf die dargestellte Welt (die Verfremdung der Dinge) und auch auf die Art und Weise der Darstellung (die erschwerte Form). Wenn Verfremdung bedeutet, einen bekannten Gegenstand (eine bekannte Erscheinung) als unbekannt (fremd, wie zum ersten Mal gesehen, seltsam) darzustellen, dann darf das Eigentliche nicht beim Namen genannt werden. Die Dinge müssen aus ihrem Kontext herausgelöst werden. Das künstlerische Ziel, die Wirkung der Verfremdung von Dingen und Erscheinungen kann Ausdruck der Hilflosigkeit sein, der Unfähigkeit oder der Weigerung, das Wesen der Dinge zu erkennen. Das Verfremden kann aber auch das Ziel haben, zu neuen Erkenntnissen oder Wertungen zu gelangen. Zugleich zeigt sich der Unterschied zwischen Werken, in denen durch Verfremdungen neue Erkenntnisse vermittelt werden sollen und solchen, in denen die Dinge aus der Verfremdung nicht mehr zurückkehren. Verfremdung beruht also darauf, dass bereits akzeptierte Kenntnisse, Werte, Normen usw. überprüft und gegebenenfalls verändert werden müssen. Mit der Bestimmung der Funktionen der Verfemdung ist jedoch noch nichts über die künstlerischen Mittel und Verfahren gesagt, mit denen sie erreicht werden können. Verfremdungen als Methode der indirekten kritischen Wertung der Realität sind auf allen Ebenen des literarischen Werkes realisierbar. Grundvoraussetzung für eine Abgrenzung der Verfremdung besteht in ihrer Funktionsbestimmung als Kritik sowie des „Neu-Sehens“ allzu gewohnter Gegenstände und Erscheinungen. Erst bei deren Betrachtung können Verfremdungen auf den verschiedenen Ebenen des literarischen Werkes nachgewiesen werden. Eine Unterteilung in verschiedene Anwendungsbereiche nach diesen Instrumentarien erscheint für diese Arbeit sinnvoll.
Inhaltsverzeichnis
- Abkürzungen
- Einleitung
- Metamorphose im Konzept
- Verfremdungen
- Sprache
- Perspektiven
- Figuren
- Phantastisches
- entfremdete Gesellschaft
- Funktion der Verfremdung
- Effekt grotesker Metamorphosen
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die literarische Funktion grotesker Metamorphosen in den Erzählungen „Die Nase", „Der Mantel" und „Der Newskijprospekt" von Nikolaj Gogol. Ziel ist es, die spezifischen Verfremdungstechniken Gogols zu untersuchen und deren Wirkung auf die Rezeption der Texte zu beleuchten.
- Analyse der Verfremdungstechniken in Gogols Erzählungen
- Erforschung der Funktion grotesker Metamorphosen
- Bedeutung der Verfremdung für die Darstellung der Gesellschaft
- Rezeption und Interpretation der Metamorphosen
- Die Rolle des Phantastischen in Gogols Werk
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der grotesken Metamorphosen in Gogols Erzählungen ein und stellt die Relevanz des Themas dar. Das Kapitel „Metamorphose im Konzept" analysiert verschiedene theoretische Ansätze zum Thema Metamorphose und beleuchtet die literarische Tradition grotesker Verwandlungen. Das Kapitel „Verfremdungen" untersucht die spezifischen Verfremdungstechniken in Gogols Erzählungen, wobei die Schwerpunkte auf Sprache, Perspektiven, Figuren und dem Phantastischen liegen.
Schlüsselwörter
Groteske Metamorphosen, Nikolaj Gogol, Verfremdungstechniken, Phantastisches, Gesellschaftssatire, literarische Funktion, Rezeption, Interpretation, "Die Nase", "Der Mantel", "Der Newskijprospekt".
- Quote paper
- Maximilian Engelmann (Author), 2003, Wenn Vertrautes fremdgeht - Über die literaische Funktion der grotesken Metamorphosen bei Nikolaj Gogol in den Erzählungen Die Nase, Der Mantel, Der Newskijprospekt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14633