Der Erwerb vom Nichtberechtigten im ALR

Rechtsvergleichende Seminararbeit zur Geschichte des Sachenrechts


Seminararbeit, 2008

26 Seiten, Note: cum laude (gut)


Leseprobe


Inhalt

I. Einleitung und Zielsetzung

II. Der Erwerb vom Nichtberechtigten im ALR

III. Der Erwerb vom Nichtberechtigten im BGB

IV. Das polnische Recht

V. Schlussbetrachtungen

Literaturverzeichnis

Einleitung und Zielsetzung

Der Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Regelung des Erwerbs vom Nichtberechtigten. Dabei soll es sich sowohl um eine historische Analyse als auch um eine Auseinandersetzung mit den geschichtlichen Grundlagen und schließlich eine Kritik dieser Regelung handeln.

Die vorliegende Seminararbeit befasst sich hauptsächlich mit dem Thema Erwerb vom Nichtberechtigten im Allgemeinen Landrecht für die preußischen Staaten von 1794. Darüber hinausgehend hat die Arbeit zum Ziel, der Eigenart des Erwerbs vom Nichtberechtigten in verschiedener Hinsicht, z. B aus historischer und rechtsvergleichender Perspektive, darzustellen. Die Hauptthese für diese Arbeit ist eine Analyse der Regelung des Gutgläubigen Erwerbs. Das ursprüngliche Ziel des vorausgehenden Referats war, das genannte Thema zu analysieren und schließlich eine eigene Meinung zu dieser Problematik zu formulieren und einige weitergehende Überlegungen dazu zu präsentieren.

Diese Seminararbeit hat ferner nicht nur zum Ziel die Spezifik des Erwerbs vom Nichtberechtigten darzustellen, sondern auch die Ähnlichkeiten und Unterschiede in den deutschen und polnischen Rechtsordnungen darzulegen.

Die Seminararbeit ist folgendermaßen gegliedert. Die Anhaltspunkte für meine Seminararbeit sind:

1. Erwerb von Eigentum vom Nichtberechtigten an beweglichen und unbeweglichen Sachen im ALR
2. Erwerb vom Nichtberechtigten im deutschen BGB
3. Rechtsvergleichende Darstellung zwischen dem deutschen und polnischen Recht

In dieser Reihenfolge soll versucht werden, auf einige Aspekte des Erwerbs vom Nichtberechtigten näher einzugehen.

Beginnend wird ausführlich auf die historische Bedeutung der Regelung des Erwerbs vom Nichtberechtigten im ALR eingegangen und ein Überblick über die geschichtliche Entwicklung dieser Norm gegeben. Daran anschließend soll die aktuelle Regelung der Rechtsvorschriften im BGB genauer beleuchtet werden. Abschließend soll versucht werden, eine Rechtsvergleichende Darstellung des Gutgläubigen Erwerbs mit dem Polnischen Recht vorzunehmen. Darüber hinaus sollen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der wesentlichen Regelungen in beiden Rechtsystemen verglichen werden.

Aufgrund der Komplexität der Materie kann im Rahmen dieser Seminararbeit nur ein allgemeiner Überblick über die wichtigsten gesetzlichen Regelungen des Erwerbs vom Nichtberechtigten sowohl im deutschen als auch im polnischen Recht gegeben werden.

Heutzutage besteht die Tendenz zu einer europäischen Rechtsvereinheitlichung einer Vereinfachung der Rechtsregelungen und der Rechtsvorschiften. Mit anderen Worten: Man versucht eine gemeinsame gesamteuropäische Gesetzgebung für die Staaten der Europäischen Union herauszuarbeiten. Im Zuge dessen werden zahlreiche gesamteuropäische Kodifikationen angestrebt. Als Konsequenz dieser Entwicklung wurden in den meisten Ländern der Europäischen Union viele Rechtsanpassungen gesetzlicher Regelungen an die Rechtsnormen der Europäischen Union vorgenommen. Bereits vor dem Beitritt zur Europäischen Union hatte die Mehrheit der Beitrittsländer ihre Rechtsvorschriften denen der europäischen Gesetzgebung angepasst. Allerdings bestehen trotz der angestrebten Rechtsvereinheitlichung in den Staaten der Europäischen Union noch zahlreiche unterschiedliche Rechtskreise und Rechtssystem, die beachtet werden müssen.

Zwischen dem deutschen und dem polnischen Rechtssystem lassen sich so beispielsweise nicht nur auf der historischen Ebene, sondern auch aktuell einige deutliche Unterschiede feststellen, die nicht ohne Bedeutung sind. Eine wesentliche Abweichung ergibt sich zum Beispiel bei der Thematik des Erwerbs vom Nichtberechtigten, mit der sich die vorliegende Arbeit hauptsächlich befassen soll.

Der Erwerb vom Nichtberechtigten im ALR

Hinsichtlich der Behandlung des Erwerbs vom Nichtberechtigten haben sich verschiedene Gesichtspunkte herausgebildet. Diese unterschiedlichen Aspekte sollte man kennen und beachten. Deshalb ist es besonders wichtig zunächst die historische Entwicklung und die geschichtlichen Grundlagen dieser Regelung zu betrachten. Als erstes wäre hierzu zu erwähnen, dass es nicht unstrittig war, ob das ALR diese Rechtsfrage überhaupt berührt. Es gab eine rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung darüber, ob das ALR überhaupt die Regelung eines gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten enthält, und wenn ja, inwieweit. Allerdings geht die herrschende Meinung seit jeher davon aus, dass dieses Rechtsinstitut jedenfalls mittelbar im ALR normiert ist.1 Entsprechend der herrschenden Meinung, soll im Folgenden ausführlicher auf diese Problematik eingegangen und die Regelung des gutgläubigen Erwerbs genauer beleuchtet werden. Um die eingangs formulierte Frage beantworten zu können, muss zunächst geklärt werden, was man unter dem ALR versteht.

Das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten (ALR) war die erste und ist weiterhin die einzige vollständig zusammenhängende Kodifikation des Rechts. Das ALR umfasst das allgemeine Zivilrecht, Familien- und Erbrecht, Lehnsrecht, Ständerecht, Gemeinderecht, Staatsrecht, Kirchenrecht, Polizeirecht, Strafrecht und Strafvollzugsrecht in über 19.000 Vorschriften.2 Zudem muss man an dieser Stelle betonen, dass das ALR eine der bedeutendsten Quellen der Privatrechtsgeschichte ist.3 Dieses Gesetzbuch war eine Verfassung in dem Sinne, in dem man dieses Wort begreift. Es regelte nicht nur die Beziehungen zwischen den Bürger untereinander, sonder auch die Beziehungen zwischen Bürger und Staat. Es war bürgerliches Gesetzbuch, Strafrecht und Verfassungsurkunde zugleich.4

Ferner ist erwähnenswert, dass das ALR besonders durch den Rechtsgelernten Carl Gottlieb Svarez geprägt wurde. Svarez war ein preußischer Jurist, der zu den bedeutendsten Rechtsgelehrten dieser Epoche gehörte. Er war maßgeblich an der Ausarbeitung dieses Gesetzbuches beteiligt und beeinflusste sein Entstehen entscheidend. Aus diesem Grunde bezieht sich die vorliegende Arbeit einige Male auf die Schriften von Carl Gottlieb Svarez.

Betrachtet man die historische Entwicklung der Norm des gutgläubigen Erwerbs, muss man des Weiteren auch folgendes berücksichtigen: Das römische Recht kannte den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten als solchen nicht. Im römischen Recht spielte das Eigentumsrecht eine bedeutende Rolle,. es galt der Grundsatz: „ Nemo plus iuris transferre potest,quam ipse habet “ und das unbeschränkte Vindikationsprinzip. Gemäß Vindikationsprinzip musste der Erwerber immer damit rechnen, dass ihm der Eigentümer jederzeit die erworbene Sache wieder wegnehmen kann. Einerseits hebt das Vindikationsprinzip im römischen Recht die Stärke des absoluten Eigentums hervor, auf der anderen Seiten gefährdet es aber die Sicherheit des Rechtsverkehrs.

Im Laufe der Zeit entsprach das alte römische Vindikationsprinzip nicht mehr den wirklichen Bedürfnissen, Anforderungen und Erwartungen der Gesellschaft. Zugunsten der Sicherheit des Rechtsverkehrs wurde eine neue, andere Regelung nötig. Die Entwicklung des Rechtsverkehrs und der Austausch von Waren nötigten den Gesetzgeber zu einer weniger radikalen, mehr elastischen und mittelbaren Lösung dieser Rechtsregelung. Bei der Auseinandersetzung mit dieser Thematik kann man sich auf Svarez’ stützen, der in seiner Untersuchung darlegt: „ Die r ö mische Theorie beg ü nstigt ausnehmend die Sicherheit des Eigenthums als einen Hauptzweck jeder b ü rgerlichen Vereinigung. Sie beschr ä nkt aber zu sehr die Sicherheit und Zuverl ä ssigkeit des Verkehrs, der in einem Staate, wo nicht blo ß Ackerbau und die gew ö hnlichen mechanischen Gewerbe, sonder auch Handlung, Fabriken und andere Zweige der Industrie im Gange sind, ebenfalls alle Aufmerksamkeit der Gesetzgebung verdient. “ Nach Svarenz’ Auffassung ist das römische Vindikationsprinzip mit dem Wachstum von Industrie und Wirtschaft nicht vereinbar. Er geht davon aus, dass die römische Theorie zwar die Sicherheit des Eigentums als einen Hauptzweck jeder bürgerlichen Vereinigung begünstigt, es beschränkt aber zu sehr die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs. Als Gegenstück dazu sah Svarenz die Theorie des deutschen Rechts, die Freiheit und Lebhaftigkeit begünstigte. Deshalb entwickelte Svarez einen Mittelweg zwischen dem römischen und dem deutschen Recht. Eine ausführliche Darstellung seiner Theorie liefert Svarez in seinen Schriften sowie in den „Vorträgen über Recht und Staat”, den so genannten Kronprinzenvorträgen.

Das ALR behandelte die Problematik des Erwerbs vom Nichtberechtigten nicht unter den Eigentumserwerbsbegründen, sonder im Titel 15 über die Vindikation: „von Verfolgung des Eigenthums“. Grundsätzlich ging das ALR noch vom römischen Vindikationsprinzip aus, das aber einige Beschränkungen fand, die dieses Prinzip schwächen. Im Folgenden sollen diese genauer behandelt werden.

Die allgemeine Regelung des I 10 §24 ALR lautet:„Wer es weiß, daß derjenige, von welchem sein Titel sich herschreibt nicht wahrer Eigentümer sei, der kann weder durch Eintragung noch durch Übergabe ein Eigentumsrecht erlangen.“Wie bereits erwähnt wurde, legte das ALR das römische Vindikationsprinzip zugrunde. Die Vorschrift lautet: I 15§1 ALR „Der wahre Eigenthümer hat das Recht, seine Sache, die seiner Gewahrsam ohne seinen Willen entnommen ist, oder vorenthalten wird, von jedem Inhaber und Besitzer zurück zu fordern“. Der Eigentümer konnte sein Eigentum also grundsätzlich von jedem Erwerber wieder zurück verlangen. Auch der gutgläubige Erwerber erlangte kein „sicheres“ Eigentum sonder unterlag der Vindikation. Der Erwerber hatte aber unter bestimmten Voraussetzungen einen Lösungsanspruch, dieser kam gemäß I 15§§ 24,25,26 ALR jedem Erwerber zu, der die Sache redlicher Weise und entgeltlich von einer unverdächtigen Person erworben hatte.

I 10 §25 dazu: „Wer die dem rechtmäßigen Eigentümer oder Ersitzer abhandengekommene Sache von einer unverdächtigen Person durch einen lästigen Vertrag an sich gebracht hat, muss dieselbe zwar ebenfalls zurückgeben“ Aber nach §26 „Er kann jedoch die Erstattung alles dessen was er dafür gegeben oder geleistet hat, fordern.“. Dagegen war die Vindikation bei unentgeltlichem Erwerb immer gestattet. I 15 §24: „Wer die entfremdete Sache zwar redlicher Weise aber unentgeltlicher Weise an sich gebracht hat, muss sie gleichergestellt unentgeltlich dem rechtsmäßigen Eigenthümer oder Besitzer verabfolgen“.

Eine Einschränkung des Vindikationsprinzips normierte Svarez schließlich zugunsten des redlichen Besitzers, der die Sache entgeltlich von einer unverdächtigen Person erworben hat. Diese war nur gegen Erstattung des tatsächlich gezahlten Kaufpreisens zur Herausgabe verpflichtet.

Gem. I 15§44 ALR „Unverdächtig war der Kauf auf Messen und Märkten oder sonst von Leuten, welche Sachen dieser Art unter obrigkeitlicher Erlaubnis öffentlich feilheilten.“ In diesem Falle kehrte das ALR hingegen wiederum zu seiner grundsätzlichen Regelung, der Vindikation unter Voraussetzung der Lösung zurück.

Dagegen waren die Personen verdächtig, die gem. I 15 §19 Anhang §§49 50 ALR „mit Sachen derselben Art, von welcher die Rede ist, nicht zu handeln, oder dergleichen nach ihrem Stande und Lebensart nicht zu besitzen pflegen“. In diesen Fällen einer negativen Rechtsvermutung für den guten Glauben bestand kein Lösungsanspruch für den Erwerber.

Das ALR kannte jedoch auch Fälle, gem. I 15 §§ 42,43 ALR, in denen die Vindikation gänzlich ausgeschlossen wurde. Die Vindikation war ausgeschlossen bei Sachen, die vom Fiskus, auf öffentlichen Versteigerungen oder im Laden eines gildemäßigen Kaufmanns erworben worden waren. Weiterhin konnten Geld und Inhaberpapiere, soweit sie sich noch im Kurs befanden, von einem redlichen entgeltlichen Erwerber nicht heraus verlangt werden (I 15 §45ff ALR). Das ALR schloss die Vindikation aus, wenn bewegliche Sachen vom Fiskus, bei einer öffentlichen Versteigerung oder von einem Kaufmann in dessen Laden gekauft worden waren. Wer eine Sache redlicher Weise von einer unverdächtigen Person und entgeltlich erworben hatte, unterlag zwar der Eigentumsklage, konnte aber den Ersatz des verauslagten Preises verlangen.

I 15 §§42-44 ALR: „Sachen, die von dem Fiskus oder bei öffentlichen Versteigerung erkauft werden, sind keiner Vindikation unterworfen. Ein Gleiches gilt von Sachen, die in den Läden solcher Kaufleute, welche die Gilde gewonnen haben, erkauft worden.

[...]


1 Hinz, Werner: Die Entwicklung des gutgl ä ubigen Fahrniserwerbs in der Epoche des usus modernus und Naturrecht, zugl.: Diss.iur., Hamburg 1991, Berlin 1991

2 Laufs, Adolf: Rechtsentwicklung in Deutschland,6. Aufl. 2006, Berlin 2006

3 Imbusch, Birgit: Der gutgl ä ubige rechtsgesch ä ftliche Erwerb gestohlener Sachen im deutschen Recht, M ü nster 1999

4 Laufs, Adolf: Rechtsentwicklung in Deutschland,6. Aufl. 2006, Berlin 2006

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Der Erwerb vom Nichtberechtigten im ALR
Untertitel
Rechtsvergleichende Seminararbeit zur Geschichte des Sachenrechts
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Institut für Deutsche und Rheinische Rechtsgeschichte)
Veranstaltung
Seminar zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit
Note
cum laude (gut)
Autor
Jahr
2008
Seiten
26
Katalognummer
V146662
ISBN (eBook)
9783640576111
Dateigröße
498 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Seminararbeit befasst sich mit dem Thema der Regelung des Erwerbs vom Nichtberechtigten im ALR, BGB und im polnischen Zivilgesetzbuch.
Schlagworte
Erwerb vom Nichtberechtigten, Gutgläubiger Erwerb
Arbeit zitieren
Iwona Kolodziejczyk (Autor:in), 2008, Der Erwerb vom Nichtberechtigten im ALR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146662

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