Simultanität bei der Wirklichkeitsabbildung

Am Beispiel „King Kong und die weiße Frau“ (1933) und „King Kong“ (2005)


Seminararbeit, 2008

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Ein Produkt seiner Zeit

Die Simultanität in der Zeit
Die Auff ü hrung bzw. Vorf ü hrung
Die Handlung

Schlussbemerkung

Anhang

Anmerkungen

Weiterführende Literatur

Internetquellen:

DVD:

Vorwort

Die Grundidee des Originalfilms „King Kong und die weiße Frau“1 wurde bisher ausreichend untersucht, beispielsweise im Bezug auf die Rolle der Frau, oder auch auf die Darstellung der Rassenunterschiede.2 Der Zeitaspekt der Handlung hingegen, blieb auch nach zahlreichen Fortsetzungen, Neuverfilmungen des Originalstoffes,3 und der Erscheinung des Films „King Kong“ aus dem Jahre 2005, im Verborgenen. Ich habe mich deshalb entschieden, einen neuen Aspekt der beiden Filme zu untersuchen, nämlich den der Simultanität von Handlung und Rezeption, vor allem im Bezug auf die Abbildung der Wirklichkeit im Film. Nach umfangreicher Recherche bin ich zum Ergebnis gekommen, dass dieses Thema bisher nicht ausreichend behandelt worden ist. Vor allem die Begriffe der Denotation und der Konnotation finden im Zusammenhang mit der filmischen Darstellung keinen Bezug zur zeitlichen Wahrnehmung des Rezipienten. Mit dieser Arbeit möchte ich diesen Stand ändern, bzw. die Leser derselben mit einer Grundüberlegung zur weiteren Auseinandersetzung mit diesem Thema motivieren.

Ein Produkt seiner Zeit

Der Charakter der Hauptfigur ist auf den ersten Blick in beiden Filmen gleich. Sie sind jedoch zwei verschiedene Figuren, denn sie sind Träger einer jeweils anderen Zeit. Während der King Kong von 1933 vermutlich eine im Durchschnitt 45 Zentimeter große Puppe ist,4 ist der King Kong im Jahr 2005 ein 10 Meter hohes Produkt der Digitaltechnik. Sie sind sowohl Zeugen ihrer Zeit, als auch der Veränderung der Zeit, der Geschwindigkeit, und der veränderten Wahrnehmung der Zeit.

Auch wenn die Zeit von 1929 bis ca. 1941 als die Zeit der Großen Depression in den USA gilt, war sie doch eine neue Epoche der Filmgeschichte. Hollywood war geboren. Wenn wir die Entwicklung der Filme in den USA in den 20er Jahren untersuchen und zugleich die Geschichte des Hollywood - heute ein Synonym für die gesamte Branche des amerikanischen Films - näher betrachten, werden wir sehen, dass die tatsächliche Geburt des US-Films, so wie wir ihn heute kennen, der des Hollywood gleichzusetzen ist. Dies aufgrund der einfachen Tatsache, dass der Großteil der zu dieser Zeit produzierten Filme den Filmstudios in Hollywood entstammt.5 Das Publikum entwickelte einen neuen Bedarf an fantastischen Filmen. Vermutlich wollte es aus dem deprimierenden Alltag, der Ausweglosigkeit heraus. Dies hatte zur Folge, dass eine Menge neuartiger, billigerer Filme auf den Markt kamen. So entstand in dieser Phase der amerikanischen Filmkultur eine neue Vielfalt an Filmen, eine Genrevielfalt. Diese beinhaltete vor allem so genannte Western, Abenteuerfilme, Gangster- und Gefängnisfilme und Horrorfilme.6 Aufgrund des Erfolgs dieser Filme ist die Annahme, dass das Publikum nach Eskapismus verlangte, gerechtfertigt. Auch sollen Gruselfilme der allgemeinen Stimmungslage im Lande entsprochen haben.7 Einer der Vorreiter der Horrorfilme, die zur Zeit der Großen Depression entstanden, ist auch die RKO-Produktion „King Kong und die weiße Frau“ aus dem Jahre 1933.

Obwohl die Dokumentationen zur Entstehung dieses technischen Meisterwerks keine direkten Hinweise auf den Einfluss der Wirtschaftskrise auf den Film beinhalten, wird diese im Film selbst verbildlicht, und mehr noch: der Eskapismus der 30er-Jahre-Filme wird hier sogar auf die Leinwand gebracht. Der Regisseur Carl Denham, der Abenteuerfilme dreht, ist im Winter 1932 samt seiner Crew mit einem Schiff in Richtung Indischer Ozean unterwegs, um einen neuen, spektakulären Film zu drehen. Mit an Bord ist eine junge, hungernde Frau, die er für den Dreh verpflichtet hatte.8 Die Widerspiegelung der Wirklichkeit findet in diesem Film auf drei Ebenen statt.

Die erste ist die der Filmproduktion selbst. Der Regisseur Ernest B. Schoedsack zeigt den Regisseur Denham bei seiner Arbeit, samt Planung und Vorbereitung des Drehs. Der Unterschied zur Wirklichkeit wird hier vor allem auf einer weiteren „Unterebene“ sichtbar, und zwar auf der Ebene des Raums. Während uns der Regisseur Schoedsack im Film Denhams Reise zu einem echten Filmset präsentiert, also auf der diegetischen, filmischen Ebene, die Reise zu einem natürlichen Drehort tatsächlich stattfindet und die Aufnahmen des Riesenaffen im Film der Realität entsprechen, wurden in Wirklichkeit die meisten Aufnahmen des Dschungels und des darin agierenden King Kong teilweise an einem Strand an der Küste von Los Angeles, und teilweise an einem Filmset im Zentrum der Stadt gedreht.9 Ob dies ein Versuch der Manipulation des Zuschauers ist - in dem der Regisseur Schoedsack den Zuschauer glauben lässt, sowohl die Handlung auf dem Schiff als auch die im Dschungel hätten tatsächlich auf den implizierten Orten stattgefunden -, bleibt dem Urteil des Einzelnen überlassen.

Auf einer zweiten Ebene werden die hungernde, verzweifelte Bevölkerung, sowie die hungernde junge Frau gezeigt. Obwohl die im Film gezeigten Schauspieler und Statisten möglicherweise nicht die sind, die zu der Zeit tatsächlich gehungert haben, waren diese erstens von der Situation selbst betroffen, und zweitens repräsentierten sie Personen, denen es tatsächlich so ergangen ist. Denhams Reise in „eine andere Welt“ kann als die Abbildung des Eskapismus in den Filmen dieser Zeit betrachtet werden. Während beispielsweise in „Frankenstein“ (1931) Realitätsflucht auf der psychischen Ebene stattfindet, indem ein unheimlicher Wissenschaftler und eine von Menschenhand geschaffene Kreatur präsentiert wird,10 passiert diese in „King Kong und die weiße Frau“ auf der geografischen, man könnte fast sagen realen Ebene, indem die Hauptfiguren vom Alltag tatsächlich, also geografisch Abstand nehmen.

Die Simultanität in der Zeit

Der Hauptcharakter einer Theateraufführung, und somit der Hauptunterschied zum Film, ist die Simultanität von Produktion und Rezeption.11 Es soll hier jedoch festgehalten werden, dass diese Simultanität aus unterschiedlichen Gründen und auf verschiedenen Ebenen auch im Film beobachtet werden kann. Sowohl im Hinblick auf die Vorführung selbst als auch auf der Handlungsebene besteht hier ein jeweils mehr-oder-weniger simultanes Verhältnis.

Die Aufführung bzw. Vorf ü hrung

Bei einer Theateraufführung ist als erstes eine totale Simultanität der Produktion und der Rezeption zu beobachten.12 Weiters kann auch bei einer Filmvorführung zumindest teilweise von einer totalen Simultanität ausgegangen werden.13 Auf der zweiten Ebene wäre eine verzögerte Simultanität, das heißt, ein Film wird produziert und einen Monat später im Kino aufgeführt. Analog hierzu kann auf einer dritten Ebene von einer fehlenden Simultanität gesprochen werden, beispielsweise bei einem Film, der erst Jahre nach der Produktion rezipiert wird.

Die Handlung

Die nachstehend ausgeführte Möglichkeit einer Simultanität bezieht sich hier auf die Handlung selbst, das heißt auf den tatsächlichen Zeitraum der präsentierten Geschichte. Der Zeitpunkt bzw. -raum der Handlung, über den letztendlich der Zuschauer mitbestimmt,14 kann vom Filmemacher auf verschiedene Weise angedeutet bzw. manipuliert werden.15 Jedenfalls müssen zunächst zwei Varianten berücksichtig bzw. unterschieden werden. Die erste ist die des Versuchs einer Wirklichkeitsabbildung. Hier soll zwischen zwei Ebenen unterschieden werden. Die erste wäre die einer denotativen Simultanität der Wirklichkeitsabbildung. Mit anderen Worten entspricht die Wirklichkeitsabbildung im Film in etwa der momentanen Wirklichkeit. Natürlich gibt es beim Begriff der Wirklichkeit heute noch Meinungsverschiedenheiten, was diese ausmacht, und wie sie vom Einzelnen als eine solche wahrgenommen wird. Dieser Diskurs soll hier aber nur erwähnt werden. Auf einer zweiten Ebene soll die Möglichkeit einer konnotativen Simultanität ausgeführt bzw.

untersucht werden. In diesem Fall ist nicht die Simultanität von Wirklichkeit und der Wirklichkeitsabbildung im Vordergrund, sondern die Wahrnehmung der Wirklichkeitsabbildung und die Assoziation des Zuschauers mit einem ähnlichen Zustand, einer Erfahrung usw. Dies setzt jedoch einerseits den Willen des Rezipienten, die präsentierte Handlung, ihre Bedeutung bzw. Intention zu verstehen, und andererseits seine Fähigkeit zur Artikulation bzw. Konnotation, voraus. Ausgehend von diesen beiden Fähigkeiten des Rezipienten kann sowohl eine denotative als auch eine konnotative Simultanität der Handlung erreicht werden.

Zum besseren Verständnis der beiden Thesen soll diese weiters unterteilt werden, und zwar in eine totale, eine verzögerte denotative bzw. konnotative Simultanität, und in eine fehlende denotative Simultanität. Bei einer totalen denotativen Simultanität der Wirklichkeitsabbildung identifiziert sich der Rezipient mit dem Präsentierten, und zwar insofern, dass diese grosso modo der momentanen Wirklichkeit entspricht. Die verzögerte denotative Simultanität ist gegeben, wenn die Wirklichkeitsabbildung die Wirklichkeit voraussetzt, das heißt, wenn eine solche Wirklichkeitsabbildung zu einem früheren, zeitlich nahe liegendem Zeitpunkt bzw. - raum die Wirklichkeit war. Eine fehlende denotative Simultanität besteht, wenn die Wirklichkeitsabbildung im Film nicht der Wirklichkeit entspricht. Dies ist bei fiktionalen Filmen bzw. fiktiven Teilen der Filme der Fall.16 Eine totale konnotative Simultanität wird erreicht, wenn sich der Rezipient unmittelbar mit der Wirklichkeitsabbildung identifizieren kann, bzw. unabhängig von der allgemein zutreffenden Wirklichkeit, die rezipierte Wirklichkeitsabbildung mit einem aktuellen persönlichen Erlebnis bzw. Zustand assoziieren kann.17 Abschließend kann von einer verzögerten konnotativen Simultanität gesprochen werden, wenn die Wirklichkeitsabbildung der Wirklichkeit entspricht, diese beim Rezipienten aber einen zuvor erlebten Zustand evoziert.

Bei der zweiten Variante wird kein Versuch der Wirklichkeitsabbildung unternommen. Dennoch lassen sich hier oft sowohl die totale, als auch die verzögerte konnotative Simultanität der Wirklichkeit zur filmischen Wirklichkeit beobachten. Dies aufgrund der einfachen Tatsache, dass der Film immer auch Partikel der Realität in sich trägt.18 Beispiele dafür stellen die Kostüme, oder auch die Szenen in New York, in den beiden „King Kong“ Filmen dar. Beide gibt es tatsächlich, ob dies nun ein Gebäude in New York, oder ein ähnliches Kleidungsstück ist. Dementsprechend ist beispielsweise auch das Werkzeug des Dr. Frankenstein in „Frankenstein“ teilweise real, und somit ein Motiv zur Assoziation mit der Wirklichkeit. Ein solcher Wiedererkennungswert ist immerhin eines der Werkzeuge des Horrorfilms.

[...]


1 Originaltitel: King Kong. Regie: Ernest B. Schoedsack u.a. USA 1933.

2 Vgl. Smith, Valerie: Representing Blackness. Issues in Film and Video. USA1997.

3 Vgl. Morton, Ray: King Kong. The History of a Movie Icon from Fay Wray to Peter Jackson. USA 2005.

4 Vgl. Inventions Become Necessary. In: Goldner, Orville; Turner, George E. The Making of King Kong.

5 Vgl. Faulstich, Werner. Filmgeschichte. S. 56-57.

6 Ebda. S. 58.

7 Vgl. Metzler Film Lexikon. S. 233.

8 King Kong und die weiße Frau. In: Filmgenres. Horrorfilm. S. 106.

9 Morton, Ray. King Kong: The History of a Movie Icon from Fay Wray to Peter Jackson. S.30.

10 Metzler Film Lexikon. S. 234.

11 Eine Ausnahme bildet hier die für das Fernsehen aufgenommene Theaterproduktion.

12 Vgl. Lang, Joachim: Episches Theater als Film. Bühnenstücke Bertolt Brechts in den audiovisuellen Medien. S. 22.

13 Vgl. "konnotative Simultanität". Nächste Seite.

14 Siehe Anmerkung 1.

15 Beispielsweise mit Kostümen, Filmsets, oder auch auf der Ebene des Dialogs.

16 Siehe Anmerkung 2.

17 Siehe Anhang. „Totale konnotative Simultanität.“

18 Vgl. Anmerkung 2.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Simultanität bei der Wirklichkeitsabbildung
Untertitel
Am Beispiel „King Kong und die weiße Frau“ (1933) und „King Kong“ (2005)
Hochschule
Universität Wien
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
13
Katalognummer
V146663
ISBN (eBook)
9783640576128
ISBN (Buch)
9783640575879
Dateigröße
452 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Simultanität, Wirklichkeitsabbildung, Beispiel, Kong, Frau“, Kong“
Arbeit zitieren
Selma Alic (Autor:in), 2008, Simultanität bei der Wirklichkeitsabbildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146663

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