„‘Ich werde Gespenstergeschichten erzählen! – Ja, da klatschen die jungen Damen schon alle in die Hände!‘
‚Wie kommen Sie denn zu Gespenstergeschichten, alter Herr?‘
‚Ich? – das liegt in der Luft. Hören Sie nur, wie draußen der Oktoberwind in den Tannen fegt! Und dann hier drinnen dies helle Kienäpfel-Feuerchen!‘“
So beginnt Theodor Storm seine Geschichtensammlung „Am Kamin“ und umreißt damit nicht nur den äußeren Erzählrahmen, die gemütliche Atmosphäre des Kaminzimmers mit flackerndem „Kienäpfel-Feuerchen“, sondern legt bereits eine grundsätzliche Spannung zwischen der Rahmensituation und dem Inhalt der Binnenerzählungen fest: Gespenstergeschichten wolle er erzählen, berichtet der alte Mann, also Geschichten mysteriösen Inhalts, die einen Angriff auf die Welt des aufgeklärten Bürgertums, dem die Zuhörer angehören, darstellen. In dieser Hinsicht ist auch die vorliegende Arbeit bemüht, diese grundsätzliche Spannung immer wieder zu übernehmen und in ihren Aufbau zu integrieren.
Zunächst ist es jedoch unumgänglich, einige inhaltliche Aspekte der Geschichten zu erörtern sowie einige – wenngleich knappe – Erklärungen zum Genre der Spuk- und Gespenstergeschichten zu geben. Der zweite Abschnitt ist dem zeithistorischen Hintergrund der Kamingeschichten und dem poetischen bzw. bürgerlichen Realismus gewidmet, den Grundlagen für Storms Werk, bevor im dritten Abschnitt den eigentlichen phantastischen Elementen in „Am Kamin“ Aufmerksamkeit geschenkt wird, obwohl auf diese auch schon in den vorhergehenden Kapiteln an geeigneter Stelle verwiesen wird. Zunächst wird hier die Rolle phantastischen Erzählens im Realismus untersucht, dann die Konfrontation der Rahmen- und Binnenerzählung veranschaulicht, bevor der Aspekt der bürgerlichen Todesfurcht vorm Hintergrund der sozialen Verantwortung des Menschen beleuchtet wird und im letzten Kapitel der Frage nachgegangen wird, inwieweit Strom seinen Lesern eine Lösung bietet und eine solche umsetzbar erscheint.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- I. Der Inhalt der Kamingeschichten aus dem Genre der Spuk- und Gespenstergeschichten
- 1. Der Inhalt von „Am Kamin“
- 2. Storms Interesse an Spuk- und Gespenstergeschichten
- II. Der zeithistorische Hintergrund des poetischen Realismus als Grundlage für Storms Spukgeschichten
- 1. Die gescheiterte Revolution 1848, der bürgerliche Rückzug und Storms Reaktion
- 2. Der poetische Realismus als Grundlage für Storms Spuk-Novelle
- III. Die phantastischen Elemente in „Am Kamin“ als Ausdruck bürgerlicher Ängste
- 1. Die Rolle phantastischen Erzählens im Realismus: Ein Widerspruch?
- 2. Die Konfrontation der Rahmen- und Binnenerzählung
- 3. Bürgerliche Todesfurcht und die Frage sozialer Verantwortung
- 4. Die aufgezeigte Lösung des Zwiespalts
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht Theodor Storms phantastische Novelle „Am Kamin“ im Kontext der bürgerlichen Lebenswelt und der verdrängten Ängste des 19. Jahrhunderts. Sie analysiert die Rolle des phantastischen Erzählens im poetischen Realismus und die Konfrontation zwischen Rahmen- und Binnenerzählung, um die Bedeutung der Spuk- und Gespenstergeschichten für die Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen zu beleuchten.
- Die Rolle des phantastischen Erzählens im Realismus
- Die Konfrontation von Rahmen- und Binnenerzählung
- Bürgerliche Todesfurcht und die Frage sozialer Verantwortung
- Die Bedeutung von Spuk- und Gespenstergeschichten für die Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen
- Die Darstellung von verdrängten Ängsten in der bürgerlichen Lebenswelt
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Kontext von Storms „Am Kamin“ vor und skizziert die Spannungen zwischen der gemütlichen Atmosphäre des Kaminzimmers und den gespenstischen Inhalten der Geschichten. Kapitel I widmet sich der inhaltlichen Analyse der Kamingeschichten, wobei insbesondere die Spannung zwischen der nüchtern-skeptischen Erzählsituation am Kamin und der gläubig-naiven Einstellung der Ich-Erzählung betrachtet wird. Kapitel II beleuchtet den zeithistorischen Hintergrund der Geschichten, insbesondere die gescheiterte Revolution von 1848 und die daraus resultierende Orientierung der bürgerlichen Gesellschaft an der „Heimat“ sowie den poetischen Realismus, der Storms Werk prägte. Kapitel III analysiert die phantastischen Elemente in „Am Kamin“ und ihre Funktion als Ausdruck bürgerlicher Ängste. Hier wird die Rolle des phantastischen Erzählens im Realismus untersucht, die Konfrontation der Rahmen- und Binnenerzählung veranschaulicht und die Frage der bürgerlichen Todesfurcht im Kontext der sozialen Verantwortung des Menschen beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen phantastische Literatur, poetischer Realismus, bürgerliche Lebenswelt, verdrängte Ängste, Todesfurcht, soziale Verantwortung, Rahmen- und Binnenerzählung, Spuk- und Gespenstergeschichten, Theodor Storm.
- Arbeit zitieren
- Michael Mößlein (Autor:in), 2001, Bürgerliche Lebenswelt und verdrängte Ängste. Thedodor Storms phantastische Novelle Am Kamin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14679