Das wirtschaftliche Umfeld der Banken wurde in den letzten Jahren immer schwieriger bzw. wird auch in Zukunft aufgrund verschiedener Einflussfaktoren komplexer. Der Druck auf der Ertrags- und Kostenseite erhöht sich zunehmend. Diese Situation wird aktuell durch die Subprime-Krise verstärkt. Die Banken sind gezwungen die aktuellen Prozesse und Strukturen zu hinterfragen. Als Folge werden zunehmend erfolgreiche Qualitätsmanagementmethoden aus der Fertigungsindustrie in die Finanzdienstleistungsbranche übertragen. Hierzu zählt vor allem die Methode Six Sigma. Diese Methodik konzentriert sich auf die Optimierung bestehender Prozesse.
Design for Six Sigma ist ein integrierter Lösungsansatz. Er hat zum Ziel von Beginn an die Kundenwünsche konsequent in ein fehlerfreies Produkt bzw. Prozess hinein zu entwickeln. Ebenso soll dadurch die Designqualität optimiert und die Entwicklungszeiten für Produkte, Prozesse und Dienstleistungen verkürzt werden.
Dem Leser werden die historische Entwicklung sowie die theoretischen Grundlagen der Methode näher erläutert. Design for Six Sigma beinhaltet verschiedene Vorgehensweisen für die Projektarbeit. Die Literatur verdeutlicht, dass der DMADV-Zyklus als standardisiertes Instrumentarium zum Einsatz kommt. Dieser setzt sich aus den Phasen Define - Measure - Analyze - Design - Verify zusammen.
Für die empirische Untersuchung, welche die Verbreitung und Anwendung von Design for Six Sigma in der Praxis erörtern soll, wählten die Autoren die Methode des geführten Experteninterviews. Sie konnten für die Interviews vier ausgewählte Expertinnen und Experten aus dem öffentlichen, genossenschaftlichen und privaten Bankensektor gewinnen. Zur Komplettierung und Abrundung wurde ein Experte einer führenden Beratungsgesellschaft für den Finanzdienstleistungsbereich interviewt.
Auf Basis der theoretischen Grundlagen und der praktischen Erkenntnisse aus der Empirie haben die Autoren eine Handlungsempfehlung entwickelt. Hierfür haben Sie die Schlüsselfaktoren identifiziert und Anregungen für die Umsetzung entworfen.
Das Fazit bildet den Abschluss der Arbeit, welches nochmals kurz die vorangegangen Ausführungen reflektiert. Vorausschauend wird festgestellt, dass sich das Finanzdienstleistungsgewerbe den Herausforderungen der Zukunft stellen muss, denn „Der, der nur das tut, was er schon immer getan hat, der bekommt auch nur das, was er schon immer bekommen hat.“ Anders gesagt, wer nicht nach mehr strebt, wird auch nicht mehr bekommen.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abbildungsverzeichnis
Anhangverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Einführung
1.1 Problematik und Anforderung
1.2 Zielabgrenzung
1.3 Aufbau der Studienarbeit
2 Six Sigma Konzept
2.1 Entstehung
2.2 Philosophie und Grundzüge von Six Sigma
2.2.1 Grundgedanke
2.2.2 Statistische Grundlagen
2.3 Methoden
2.4 Design for Six Sigma
2.4.1 Das Konzept
2.4.2 Die Phasen
2.4.2.1 Define-Phase
2.4.2.2 Measure-Phase
2.4.2.3 Analyze-Phase
2.4.2.4 Design-Phase
2.4.2.5 Verify-Phase
2.4.3 Anforderungen und organisatorische Voraussetzungen
2.5 Qualifizierung bzw. Six Sigma Rollen
2.6 Zwischenresümee
3 Empirische Untersuchung
3.1 Ziel der Untersuchung
3.2 Vorgehensweise
3.3 Auswahl der Experten
3.4 Aufbau des Fragebogens
3.5 Auswertungen der empirischen Erhebung
3.5.1 Experteninterview Sparkasse Kraichgau
3.5.2 Experteninterview Raiffeisen International Bank (Wien)
3.5.3 Experteninterview Citibank
3.5.4 Experteninterview VR Kreditwerk
3.5.5 Experteninterview Cirquent (ehemals entory AG)
3.6 Zwischenresümee der Ergebnisse
4 Handlungsempfehlung
5 Fazit
Literaturverzeichnis
Internetverzeichnis
Anhang
Danksagung
Vorwort
Der deutsche Bankenmarkt stellt derzeit eine hohe Herausforderung für die deutschen Kreditinstitute dar. Hohe Wettbewerbsintensität, starke Strukturveränderungen sowie der Wandel zum Käufermarkt zwingen die Banken zum Umdenken und Handeln.[1] Die massiven Kostensenkungen der letzten Jahre führen alleine nicht zum Erfolg. Die Anforderungen und Ansprüche der Kunden müssen verstärkt eine zentrale Rolle bei der strategischen Ausrichtung einnehmen. Kontinuierliche Prozess- und Qualitätsverbesserungen werden hierbei ein Teil der entscheidenden Wettbewerbsfaktoren sein.[2]
Deshalb wurden in den letzten Jahren die verschiedensten Qualitätsmanagementmethoden in Banken eingeführt. Aufgrund der Erfolge in der amerikanischen Industrie wird Six Sigma bei amerikanischen Finanzdienstleistern, wie GE Capital Corp. oder Citibank, angewendet. Dies führte dazu, dass Six Sigma derzeit auch vermehrt ein Thema im deutschen Bankgewerbe ist.[3]
Die Methode Six Sigma als ganzheitliche Optimierung von bestehenden Prozessen ist bekannt und wird in der Bankenbranche zum Teil angewendet.[4] Der Ansatz der Verfasser ist daher im Speziellen die Untersuchung des Teilbereiches Design for Six Sigma (DFSS) - die optimale Neugestaltung von Prozessen im Sinne der Null-Fehler-Qualität von Beginn an.
Die nachfolgende Arbeit soll die einzelnen Aspekte von DFSS eruieren. Die wissenschaftliche Untersuchung anhand der heutigen Literatur sowie eine empirische Erhebung in Form von Experteninterviews sollen den aktuellen Stand der Anwendung in der Praxis bzw. die Chancen und Risiken aufzeigen, die der Einsatz dieser Methode nach sich ziehen kann. Den Abschluss der Arbeit bildet die von den Autoren, aufgrund der gemachten theoretischen und praktischen Erfahrungen, entwickelte Handlungsempfehlung für die Sparkasse Kraichgau.
Karlsruhe, 10.10.2007
Thomas Buchta, Wolfgang Gräßer, Jürgen von Au
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Gaußsche Normalverteilung
Abbildung 2: Sigma-Levels und ihre Bedeutung
Abbildung 3: Berechnung des Sigma-Niveaus
Abbildung 4: Übersicht über die Six Sigma-Methoden
Abbildung 5: Einordnung des Six-Sigma-Projektmanagements
Abbildung 6: Einfluss von Design/Entwicklung auf die Gesamtkosten
Abbildung 7: Überwindung der 5-Sigma-Wand mit Hilfe von DFSS
Abbildung 8: Die fünf Phasen des DMADV-Prozesses
Abbildung 9: Verlustfunktion von Taguchi
Abbildung 10: Typische Rollen im Rahmen der Six Sigma-Organisation
Abbildung 11: Six Sigma Tools
Abbildung 12: Schematische Darstellung des House of Quality
Abbildung 13: Vier Fragen zur Spezifizierung der Kundenanforderungen an ein Neuprodukt
Abbildung 14: FMEA - Überblick über Vorgehen/Ablauf
Abbildung 15: Ishikawa-Diagramm (Ursache-Wirkungs-Diagramm)
Abbildung 16: Ressourceneinsatz in Projekten mit und ohne DFSS
Abbildung 17: „Magisches Dreieck“
Anhangverzeichnis
Anhang 1: Situation vieler Banken
Anhang 2: Strategische Herausforderungen im Bankenmarkt
Anhang 3: Sollten Banken stärker industrielle Ansätze zur Prozessoptimierung verfolgen?
Anhang 4: Praktische Bedeutung von Six Sigma
Anhang 5: Six Sigma-Werkzeuge
Anhang 6: Roadmap Define
Anhang 7: Roadmap Measure
Anhang 8: Roadmap Analyze
Anhang 9: Roadmap Design
Anhang 10: Roadmap Verify
Anhang 11: Kategorien von Wirkungen mit DFSS
Anhang 12: Qualitätskostenverlauf mit/ohne DFSS
Anhang 13: Bedeutung der Six Sigma Werte
Anhang 14: Leitfaden Experteninterview
Anhang 15: Guideline for an Expert Survey
Anhang 16: Experteninterview Sparkasse Kraichgau
Anhang 17: Experteninterview Raiffeisen International Bank AG
Anhang 18: Experteninterview Citibank
Anhang 19: Experteninterview VR Kreditwerk
Anhang 20: Experteninterview Cirquent (ehemals entory AG)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einführung
1.1 Problematik und Anforderung
Die Kreditinstitute bewegen sich in einem zunehmend komplexeren werdenden Umfeld. Schon seit geraumer Zeit spüren die deutschen Banken einen großen Wettbewerbsdruck. Um Marktanteile zu halten oder sogar auszubauen, sind sie zu einem aktiven Handeln aufgefordert.[5] Die breit gefächerten Kostensenkungen haben in den letzten Jahren durchaus ihre Wirkung gezeigt.[6]
Während zusätzlich Verbesserungen im Risikomanagement einen weiteren positiven Beitrag lieferten, waren die Fortschritte auf der Einnahmenseite weniger stark ausgeprägt. Dennoch ist festzustellen, dass sich die deutschen Banken wieder im Aufwind befinden, wobei sich der Abstand zu ihren internationalen Konkurrenten nach wie vor nur gering verändert hat.[7] Die Banken müssen sich ständig mit veränderten Rahmenbedingungen intensiv auseinander-setzen. Diese wurden schon häufig in der Presse oder Literatur erwähnt und diskutiert. Die Globalisierung oder die Veränderung rechtlicher Rahmenbedingungen, der technische Fortschritt und der dadurch wachsenden Produktvielfalt und Schnelllebigkeit, das speziell für den deutschen Markt vorherrschende 3-Säulen-Modell sowie das zunehmende Eindringen von branchenfremden Unternehmen auf den Markt der Kreditinstitute sind solche Gründe, um nur einige Wichtige zu nennen. Ebenso belastet auch die derzeitige Subprimekrise mit all ihren Folgen die Situation.
Die entscheidende Frage ist nun, wie mit diesen Rahmenbedingungen insgesamt umgegangen wird. Grundsätzlich hängt der langfristige Erfolg eines Kreditinstitutes von einer klaren Unternehmenspolitik und deren Strategie ab.
„Hier gilt es, insbesondere den 3 zentralen strategischen Herausforderungen im Bankenmarkt aktiv zu begegnen: dem zunehmenden Preiswettbewerb bei Standardprodukten, dem zunehmenden Angebot von Bankprodukten durch Nichtbanken und der sinkenden Loyalität der Kunden. Die Banken verspüren damit sowohl einen gestiegenen Kostendruck als auch zunehmenden Ertragsdruck“[8] (siehe Anhang 1 und 2).
Aus diesem Grund halten immer mehr Methoden zur Prozessoptimierung aus der Fertigungsindustrie Einzug in der Bankenwelt (siehe Anhang 3).[9] Als eine dieser Methoden ist vor allem das Six Sigma-Konzept zu nennen. Es folgt nach dem EFQM Excellence Modell[10] der veränderten Auffassung, dass die Gestaltung von Prozessen über die Steigerung der Kundenzufriedenheit, der Erhöhung der Unternehmensergebnisse dienen muss.[11] Voraussetzung dafür ist ein funktionierendes Qualitätsmanagement, das die Ansprüche und Bedürfnisse der Kunden in den Vordergrund stellt.
Im Folgenden soll unter Berücksichtigung der oben genannten Aspekte auf die Neugestaltung von Prozessen mit Hilfe von DFSS eingegangen werden, um diese Anforderungen frühzeitig aufzugreifen.
Das sich seit Jahren wandelnde Umfeld führte bei der Sparkasse Kraichgau zur Implementierung der Methodik Six Sigma im Jahre 2004.[12] Die Umsetzung kann zum jetzigen Zeitpunkt, aus Sicht des Institutes, als sehr erfolgreich bezeichnet werden. Aufgrund dessen wird seit kurzem die Einführung und Umsetzung von DFSS geprüft. Dieser Hintergrund veranlasste die Autoren sich der Problemstellung im Hause der Sparkasse Kraichgau anzunehmen und eine Handlungsempfehlung zu erarbeiten.
1.2 Zielabgrenzung
Der DMAIC-Zyklus als Instrument für die Optimierung von bestehenden Prozessen mit Orientierung an den Kundenanforderungen findet bereits in vereinzelten Kreditinstituten praktische Anwendung. Laut einer Umfrage der Processlab (2007) von der Frankfurt School of Finance and Management kennen neun von zehn der befragten Unternehmen in der Finanzbranche die Methode Six Sigma. Bei 15 % wurden bereits Projekte durchgeführt und 8,3 % der Unternehmen haben schon erste Erfahrungen mit der Methode gemacht.
Die Methode Six Sigma besteht nicht nur aus der Prozessoptimierung von bereits vorhandenen Prozessen, sondern beinhaltet als weitergehenden Aspekt auch die Gestaltung von neuen Prozessen. Dieser konzeptionelle Ansatz wird als DFSS bezeichnet, welcher den zentralen Punkt dieser Studienarbeit darstellt.
Die Autoren wollen mit dieser Arbeit die Methode DFSS analysieren und durch Befragung von Experten die Verbreitung und Anwendungsmöglichkeiten in Kreditinstituten herausarbeiten. Des Weiteren sollen mit Hilfe der empirischen Untersuchung Gründe, die für oder gegen den Einsatz und die für die Erfolge dieses Konzeptes sprechen, erörtert werden. Auf Basis der theoretischen Grundlagen und der praktischen Erkenntnisse aus der Empirie beabsichtigen die Autoren eine auf die Sparkasse Kraichgau zugeschnittene Handlungs-empfehlung zu entwickeln.
1.3 Aufbau der Studienarbeit
Die vorliegende Arbeit ist in fünf Teile untergliedert. Nachdem im ersten Kapitel kurz die aktuelle Situation in der Bankenbranche sowie die Intention zu dieser Arbeit dargestellt werden, befasst sich das zweite Kapitel mit den theoretischen Grundlagen der Methode DFSS. Der Leser soll einen Einblick in die Thematik bekommen, wobei die Verfasser sich bei ihren Ausführungen auf die wichtigsten Aspekte konzentrieren.
Das dritte Kapitel beinhaltet die empirische Untersuchung. Diese erfolgt anhand von Experteninterviews, weil das Wissen über diese Thematik nur bei vereinzelten Personen im Bankengewerbe tiefer gehend vorhanden ist. Für die Interviews konnten die Autoren vier ausgewählte Expertinnen und Experten aus dem öffentlichen, genossenschaftlichen und privaten Bankensektor gewinnen. Zur Komplettierung und Abrundung wurde ein Experte einer führenden Beratungsgesellschaft interviewt.
Im vierten Kapitel wird eine auf die Sparkasse Kraichgau abgestimmte Handlungsempfehlung zur Einführung von DFSS abgegeben.
Den Abschluss der Arbeit bildet das fünfte Kapitel mit dem Fazit, welches nochmals kurz die vorangegangen Ausführungen reflektiert.
2 Six Sigma Konzept
2.1 Entstehung
Die Wurzeln von Six Sigma gehen auf die statistische Prozessregelung (Statistical Process Control, SPC) zurück. Der Amerikaner Shewhart entwickelte zu Beginn der 1930er Jahre die Theorie der Statistischen Prozesskontrolle.[13] Er ist Erfinder des Shewhart Cycle, der später als Plan - Do - Check - Act (PDCA-Zyklus) dem amerikanischen Physiker und Statistiker William E. Deming zugeschrieben wurde.[14] Das eigentliche Six Sigma-Konzept basiert auf einer Variation des PDCA-Zyklus.[15] Es wurde in den 1980er Jahren von Bill Smith bei Motorola entwickelt.[16] Eine unternehmensweite Qualitätsinitiative, unter dem Schlagwort Six Sigma, wurde im Jahre 1987 von Motorola gestartet. Daraufhin wurde die Methodik von Unternehmen wie Texas Instruments (1991), Allied Signal (1992) und Kodak (1994) übernommen. Der breiteren Öffentlichkeit wurde das Konzept aber erst bekannt, als GE 1995 unter dem damaligen CEO John F. Welch erste Six Sigma-Initiativen wagte. Das erklärte Ziel von Welch war, dass GE im Jahre 2000 in Punkto Qualität das beste Unternehmen der Welt sein wird.[17]
Weitere renommierte US-Unternehmen erkannten die Wirkungen und Möglichkeiten von Six Sigma als sog. Breakthrough Methodology zur Erreichung der elementaren Ziele eines Unternehmens. Hierzu zählen vor allem die Steigerung des Kundennutzens und der Kundenzufriedenheit nach dem Motto
„‚Take care of the customer and the rest will take care of itself’“.[18]
Mitte der 1990er wurde die Methode in die europäischen Tochtergesellschaften der betreffenden US-Unternehmen transferiert. Wenige Jahre später erfasste diese Umsetzungswelle auf Druck der vorg. Unternehmen die Lieferanten.[19] Inzwischen greifen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen wie Versicherungen oder Banken Six Sigma auf und machen es zur Grundlage für ihr Qualitätsmanagement. Die Methode hat in diesen Branchen in kurzer Zeit große Bedeutung gewonnen.[20]
Als erstes deutsches Kreditinstitut führte die Deutsche Bank im Jahre 2002 erstmalig Projekte mit Six Sigma durch. Einen deutlichen zeitlichen und inhaltlichen Vorsprung haben die deutschen Tochtergesellschaften der großen amerikanischen Finanzdienstleister wie GE Capital (Einführung 1996) und Citibank (Einführung 1997).[21]
„Der Hauptgrund für die zeitlich späte Einführung des Six Sigma Konzeptes im Bankensektor liegt darin, dass lange Zeit davon ausgegangen wurde, dass Prozesse für Bankdienstleistungen weitgehend anders sind als Prozesse in der industriellen Fertigung bei produzierenden Unternehmen. Diese Sichtweise wird inzwischen teilweise revidiert und zwar für die Bereiche und Prozesse einer Bank, in denen standardisierte Abläufe mit einer hohen Anzahl gleicher Aktivitäten, z. B. Transaktionen, vorliegen.“[22]
2.2 Philosophie und Grundzüge von Six Sigma
2.2.1 Grundgedanke
Der Grundgedanke von Six Sigma ist, dass die Erhöhung der Kundenzufriedenheit über die Optimierung der Prozesse stattfinden muss. Es wird versucht eine Leistungssteigerung des Geschäftserfolges zu erreichen, zu erhalten und zu maximieren.[23]
Dies soll durch ein tiefer gehendes Verständnis der Kundenbedürfnisse, eine kontinuierliche Auswertung von Daten und Fakten sowie dem Einsatz statistischer Analysen erreicht werden. Die Durchführung, Verbesserung und Neugestaltung von Geschäftsprozessen spielt hierbei eine entscheidende Rolle.[24] Mit dem konzeptionellen Ansatz von Six Sigma soll eine Win-Win-Situation für die zwei zentralen Stakeholder - Kunden und Anteilseigner - einer Unternehmung geschaffen werden.[25]
Kritiker sagen oft, Six Sigma beinhalte nichts Neues. Tatsächlich sind die Werkzeuge nicht neu; es sind erprobte Werkzeuge. Six Sigma liefert jedoch das schlagkräftige Rahmenkonzept, das diese Werkzeuge effektiv macht und zu Kostensenkungen sowie zu Umsatzsteigerungen nutzt.[26]
2.2.2 Statistische Grundlagen
Six Sigma basiert auf den Erkenntnissen des Mathematikers Carl Friedrich Gauß (1777 – 1855). Er entdeckte vor über 200 Jahren die Grundlagen der Normalverteilung. Diese Funktion gründet auf der Betrachtung des Mittelwertes (µ) und vor allem der Varianz (σ²) zu diesem Mittelwert. Sie bildet die Grundlage jeder statistischen Beschreibung und somit auch der Qualitätskontrolle.[27]
[Wie die Abbildung zeigt, umfasst 1 σ 68 % aller Werte, bei 2 σ sind es 95 % und bei 6-σ (Six Sigma) sogar 99,99932 % aller Werte (Der Wert von 4,5 σ in der Abbildung entsteht durch die Berücksichtigung der Varianz von 1,5 σ)]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Gaußsche Normalverteilung
Quelle: http://www.sixsigma.de/sixsigma/6s_gauss.htm, abgerufen am 09.12.2007
Als Güte der Erfüllung wird die statistische Kennzahl „Sigma“ als Maßzahl der Prozessvariationen um einen festgelegten Zielwert CTQ verwendet. Ziel dabei ist es, den Prozess zu stabilisieren und die Prozessfähigkeit auf einen Wert von 6 σ zu bringen, was einer Rate von 3,4 Fehlern pro einer Million Fehlermöglichkeiten entspricht (3,4 FpMM).[28]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Sigma-Levels und ihre Bedeutung
Quelle: In Anlehnung an Lieber, Six Sigma in Banken – Konzept-Verbreitung-Anwendung, 2004, S. 18
Weiterhin wird angenommen, dass der Mittelwert der betrachteten Ausprägungen sich langfristig um +/- 1,5 σ verschiebt. Statistisch gesehen bedeutet ein Wert von 6 σ, dass der Mittelwert der gemessenen Werte sechs Standardabweichungen von den Spezifikations-grenzen entfernt liegt. In der Sprache der Normalverteilung liegen also 99,9997 % aller Werte innerhalb der Spezifikationsgrenzen.[29]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Berechnung des Sigma-Niveaus
Quelle: Reißiger/Voigt/Schmitt, Handbuch Qualitätsmanagement, 2007, S. 258
Im Bankensektor entspricht ein Wert von 4,6 σ z. B. ungefähr 22.000 Schecks, die jede Stunde von der falschen Bank eingezogen werden. Bei einem 6-σ-Niveau würden nur noch 70 Schecks jede Stunde falsch abgebucht werden (siehe Anhang 4).
2.3 Methoden
Six Sigma unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Vorgehensweisen für Projekte. Die Erste wird als DMAIC-Zyklus bezeichnet und beinhaltet die Phasen Define - Measure - Analyze - Improve - Control. Im Vordergrund dieses Zyklus steht die Verbesserung und Optimierung von bestehenden Produkten und Prozessen unter Einbeziehung der Kundenanforderungen.[30]
Allerdings stößt die Anwendung dieser Vorgehensweise an Grenzen, wenn das durch die gegebenen Rahmenbedingungen vorgegebene Verbesserungspotenzial für bestehende Prozesse und Produkte ausgeschöpft ist oder wenn die Prozesse, die eine Leistung für einen Kunden erbringen sollen, noch nicht existieren. Im Rahmen des Produktentwicklungs-prozesses kann Six Sigma folglich nur bedingt unterstützend wirken. DFSS setzt deswegen an der Neuentwicklung von Prozessen und Produkten an. Im Vordergrund steht dabei die konsequente Berücksichtigung quantifizierbarer Ursache-Wirkungszusammenhänge, die getrieben von einem strukturierten, zielgesteuerten und für alle Projektteilnehmer transparenten Entwicklungsprozess ein Optimum hinsichtlich Termin, Qualität und Kosten anstreben.[31] In den vorhandenen Fachbüchern werden verschiedene Vorgehensweisen von Six Sigma zur Anwendung vorgestellt.
Abbildung 4: Übersicht über die Six Sigma-Methoden
Quelle: In Anlehnung an Bergbauer, Six Sigma in der Praxis – Das Programm für nachhaltige Prozessverbesserungen und Ertragssteigerungen, 2004, S. 113
Im Gegensatz zum Six Sigma-Kernprozess DMAIC sind die Phasen oder Schritte von DFSS nicht universell anerkannt oder definiert.[32] Die fünf Phasen der DMADV-Methodik, wie sie u. a. bei DFSS-Projekten bei General Electric Anwendung finden, werden in der einschlägigen Literatur ausführlich behandelt und in vielen Unternehmen als Standard zugrunde gelegt.[33] Sie beinhaltet die Phasen Define - Measure - Analyze - Design - Verify. Dieser Zyklus konzentriert sich auf die Entwicklung neuer Produkte und Prozesse im Sinne von Six Sigma.[34]
Beide Methoden, DMAIC und DMADV, beruhen auf dem klassischen Deming-Kreislauf. Dieser ist eher als PDCA-Zyklus bekannt. Er beinhaltet die Phasen Plan - Do - Check - Act und setzt bei den wesentlichen Kundenanforderungen an.[35] Der Zyklus bildet die Grundlage jeglicher kontinuierlicher Verbesserungen und ist ein Teil des von Deming entwickelten Qualitätsverbesserungsprogramms.[36]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Einordnung des Six-Sigma-Projektmanagements
Quelle: Reißiger/Voigt/Schmitt, Handbuch Qualitätsmanagement, 2007, S. 256
Der DMAIC-Zyklus hat bereits Einzug in die Bankenwelt gehalten und wird vereinzelt angewendet. Deshalb konzentriert sich diese Studienarbeit im Folgenden auf den DMADV-Zyklus.
2.4 Design for Six Sigma
2.4.1 Das Konzept
DFSS ist ein integrierter Lösungsansatz mit dem Ziel, Kundenwünsche konsequent in ein fehlerfreies Produkt bzw. einen fehlerfreien Prozess hinein zu entwickeln, die Designqualität zu verbessern und Entwicklungszeiten für Produkte, Prozesse und Serviceleistungen zu verkürzen. Die Gestaltung von Prozessen bzw. Produkten soll mit Hilfe von DFSS von Anfang an auf einem bestimmten Six Sigma-Niveau entwickelt werden. Der Einsparungseffekt ist umso höher, je früher die möglichen Fehlerquellen erkannt werden. Das Hauptziel ist die Schaffung von Entwürfen, die ressourcen-effizient, fähig zu sehr hoher Ausbeute, unabhängig von Komplexität und Umfang und unempfindlich oder „robust“ gegen Prozessvarianten sind.
DFSS ist ein Designprozess, bei dem alle anzuwendenden Disziplinen in einem Team quer durch die Geschäftsbereiche repräsentiert werden. Die Vorteile dieser Methode liegen in der sehr spezifischen und guten Designänderung aufgrund der Konzentration auf qualitätskritische Merkmale (CTQs) sowie den kürzeren Entwicklungszeiten. Es werden zuverlässigere und kosteneffektivere Produkte, Prozesse und Systeme aufgrund der Reduktion unnötiger Kosten sowie nicht kundengerechter Spezifikationen erreicht.[37]
Letztendlich soll für den Kunden ein Mehrwert generiert werden. Dieser kann nur entstehen, wenn die Anforderungen des Kunden bekannt sind und erfüllt werden. Deshalb sind nicht die Interessen der Entwickler maßgeblich sondern der Fokus liegt auf den Kundenbedürfnissen.[38]
Ein Qualitätskriterium, um den Ansprüchen der Kunden zu genügen, ist das CTQ. Folgende Merkmale und ihre Methoden müssen zur Identifizierung der CTQs herangezogen werden:
- kundenkritische Merkmale (Kundeninterviews, -umfragen und -daten)
- prozesskritische Merkmale (Produktionsberichte und Messungen)
- vorgabenkritische Merkmale (gesetzliche Anforderungen, Richtlinien und Standards)[39]
Das Design eines Produktes oder Prozesses bestimmt bis zu 70 % der Gesamtkosten während des Lebenszykluses, wobei es nur 5 % der effektiven, d. h. tatsächlichen Kosten, verursacht.[40]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Einfluss von Design/Entwicklung auf die Gesamtkosten
Quelle: In Anlehnung an Töpfer, Six Sigma - Konzeption und Erfolgsbeispiele für praktizierte Null-Fehler-Qualität, 2007, S. 102
Es ist wichtig, dass ein Unternehmen in allen Prozessen Six Sigma als zu erreichenden Standard umsetzt, weil ein Six Sigma-Produkt auch am Markt versagen kann, wenn es zu spät eingeführt wird oder die CTQs falsch definiert wurden. Mit DFSS können Prozessschritte vermindert oder ganz eingespart werden. Damit können neue Produkte oder Prozesse so entworfen werden, dass die Ergebnisse dabei den Kundenanforderungen entsprechen und so einfach und kosteneffektiv wie möglich sind.[41]
DMADV ist der Kernprozess des Qualitätsansatzes DFSS und hat als Ziel, neue Produkte und Prozesse zu entwickeln bzw. weiter zu entwickeln, dass diese ein vorgegebenes 6-σ- Leistungsniveau erreichen. Mit traditionellen Qualitätsmanagementmethoden in Verbindung mit Six Sigma Projekten, d. h. mit dem DMAIC-Zyklus, ist dieser Wert im Allgemeinen nicht zu erreichen. Normalerweise wird hiermit sehr schnell ein Sigma-Niveau zwischen vier und fünf erreicht, wobei sich dann eine sog. „5-Sigma-Wand“ als unüberwindbare Hürde erweist. Ein Durchbrechen dieser „Wand“ ist mit DFSS darstellbar, d. h. Konzentration auf die Null-Fehler-Qualität von Beginn an.[42]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Überwindung der 5-Sigma-Wand mit Hilfe von DFSS
Quelle: In Anlehnung an Töpfer, Six Sigma - Konzeption und Erfolgsbeispiele für praktizierte Null-Fehler-Qualität, 2007, S. 104
2.4.2 Die Phasen
Die unten stehende Abbildung soll einen ersten Überblick über die Phasen des DMADV-Zyklus und seine Zusammenhänge geben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Die fünf Phasen des DMADV-Prozesses
Quelle: In Anlehnung an Töpfer, Six Sigma - Konzeption und Erfolgsbeispiele für praktizierte
Null-Fehler-Qualität, 2007, S. 107
Im Folgenden werden die einzelnen Schritte von DFSS detailliert dargestellt. Im Anhang sechs bis zehn befindet sich jeweils eine Roadmap zu jeder Phase.
2.4.2.1 Define-Phase
Ausgehend von den Unternehmensstrategien bzw. von Problemen in der Unternehmung erfolgen in dieser Phase eine Festlegung der Verantwortlichkeiten, die Zusammenstellung des Projektteams und eine Beschreibung der aktuellen Situation (Business Case).[43] Die Zusammenfassung der vorgenannten Punkte findet meistens mit Hilfe eines Projektcharters, der eine Kurzbeschreibung des Sachstandes des Projekts abbildet, statt.[44] Nachfolgend werden die Ziele, unter Beachtung der aktuellen Gegebenheiten am Markt, für das Projekt bestimmt. Zusätzlich werden die Grenzen des Projektes definiert, was u. U. zu Teilprojekten führen kann. Die Schnittstellen zu angrenzenden Prozessen und Organisationseinheiten sowie die Ressourcenbereitstellung müssen in der Projektplanung berücksichtigt werden.[45]
Erfahrungsgemäß scheitern einige DFSS-Projekte bereits in der Define-Phase. Solche, die diese Hürde erfolgreich gemeistert haben, leisten grundsätzlich einen signifikanten Mehrwert.
„The purpose of the Define Phase is to identify and clarify the worthiness of a Six Sigma DMADV project. Some DMADV projects do not survive the Define Phase. However, if they do survive it, generally, they make significant contributions to the bottom-line indicators and customer satisfaction indicators of the organization.”[46]
2.4.2.2 Measure-Phase
In der Measure-Phase werden die vom neuen Produkt/Service angesprochenen Kunden (externe und interne) identifiziert. Die selektierten Kunden werden in entsprechende Gruppen unterteilt und priorisiert, z. B. um festzulegen, für welche Segmente ein neues Produkt/Service zuerst mit Erfolg eingeführt werden kann. Aus diesen Kundengruppen werden die Bedürfnisse gesammelt und analysiert. Die sich herauskristallisierten Kundenanforderungen werden dann z. B. mit Hilfe des QFD-Ansatzes (siehe Anhang 5) in sogenannte CTQs (spezifische und messbare Kundenanforderungen mit dazugehörigen Messgrößen) transformiert. Danach erfolgt die Messung sowie ein Benchmarking anhand interner Werte, wenn ein Vorprodukt bereits existiert, und externer Werte, wenn bereits Konkurrenzangebote am Markt vorhanden sind. Die sich evtl. ergebenden Risiken werden abschließend eingeschätzt.[47]
2.4.2.3 Analyze-Phase
Ausgehend von den in der Measure-Phase ermittelten, exakt definierten Kunden-anforderungen werden mögliche funktionale Lösungen, sog. Designkonzepte, sowohl für das Produkt bzw. den Service als auch für die Prozesse gebildet. Die möglichen Designvorschläge werden darauf untersucht, welchen Einfluss (stark bis keinen) diese auf die CTQs haben und wie sich ihre wirtschaftliche Realisierung darstellt. Im nächsten Schritt wird das beste Konzept ausgewählt und unter Einbeziehung von Kreativitätstechniken und widerspruchsorientierten Problemlösungsverfahren (TRIZ, siehe Anhang 5) optimiert. Danach erfolgt die Überprüfung des Konzeptes durch Einholen von Stakeholderfeedback und z. B. dem Einsatz der FMEA-Methode (siehe Anhang 5) zum Einschätzen der sich ergebenden Risiken.[48]
2.4.2.4 Design-Phase
Die in der Analyze-Phase ausgewählte Gesamtlösung wird in der nun folgenden Design-Phase bis ins Detail spezifiziert. Den jeweiligen Detaillierungsgrad bestimmt der Kundenbedarf. Die Spezifizierung erfolgt durch die Entwicklung eines Feinkonzeptes, d. h. durch Erzeugung von alternativen Ausprägungen der Designelemente. Anhand von Tests wird versucht den Toleranzbereich des Konzeptes so gering wie möglich zu halten sowie die relative Empfindlichkeit gegenüber der Volatilität der maßgeblichen Faktoren zu minimieren, um ein robustes Design zu erreichen. Ziel dieses Designs ist eine sehr hohe Wirtschaftlichkeit und eine bestmögliche Orientierung an den Kundenanforderungen. Das robuste Design basiert auf der Philosophie von Genichi Taguchi.[49]
„Sie besagt, dass ein robustes Design nur dann erreicht wird, wenn Abweichungen von den Kundenanforderungen vermieden werden. Denn jede Abweichung von einem vorgegebenen – aus Kundensicht optimalen – Zielwert führt zu einem progressiven Anstieg der Fehlerkosten im Unternehmen, d. h. es entstehen hohe primäre und sekundäre Verluste dadurch, dass der vorgegebene Zielwert mit engem Toleranzbereich nicht eingehalten wird respektive aufgrund der Designauslegung nicht eingehalten werden kann.“[50]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9: Verlustfunktion von Taguchi
Quelle: In Anlehnung an Töpfer, Six Sigma - Konzeption und Erfolgsbeispiele für praktizierte
Null-Fehler-Qualität, 2007, S. 109
Abschließend wird die vollständige Abdeckung der Design-Anforderungen überprüft. Dies kann mittels statistischer Versuchsplanung, wie z. B. dem Tool DOE (siehe Anhang 5), erfolgen.[51]
2.4.2.5 Verify-Phase
Die Phase Verify schließt das Projekt ab, in dem zuerst in einem Piloten das neue Produkt bzw. der neue Service mit seinen Prozessen eingeführt wird. Hierbei sollte ein KPI-System (siehe Anhang 5) zur kontinuierlichen Überwachung der Prozessfähigkeit und -leistung aufgebaut werden. Nach Abschluss der erfolgreichen Pilotierung wird das neue Produkt bzw. der neue Service vollständig implementiert und gleichzeitig wird eine Dokumentation der Prozesse durchgeführt.[52] Zum Abschluss des DMADV-Zyklus erfolgt die Übergabe der Verantwortlichkeit sowie der Dokumente für den Prozess an den Prozesseigner.[53]
Für die einzelnen Phasen des DMADV-Zyklus stehen verschiedene Werkzeuge und Methoden zur Verfügung.[54] „Ein gutes Werkzeug zum falschen Zeitpunkt angewendet, verursacht nur Aufwand und führt nicht zur Problemlösung.“[55] Daher muss jedes Werkzeug „zum richtigen Zeitpunkt und für die geeignete Aufgabenstellung eingesetzt werden“.[56]
Eine Übersicht der Tools sowie eine Kurzdarstellung der in der Literatur am häufigsten erwähnten Werkzeuge befinden sich im Anhang fünf.
2.4.3 Anforderungen und organisatorische Voraussetzungen
Zur Einführung der Methodik Six Sigma bzw. DFSS werden einige Voraussetzungen an das Unternehmen gestellt, die erfüllt werden müssen, damit die Durchführung erfolgreich ist.
Als einen der wichtigsten Punkte ist hier die Bereitschaft zum Umdenken und zur Änderung der Unternehmenskultur zu nennen. Das Engagement der Unternehmensleitung sowie der Mitarbeiter hierfür muss vorhanden sein und ständig bekräftigt werden. Die Bereitstellung der Informationen für alle Mitarbeiter, bzgl. der Thematik und welche Ziele damit erreicht werden können, muss gewährleistet sein.[57] Alle Beteiligten müssen lernen, dass der Kunde ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg ist. Es muss bei allen im Unternehmen Klarheit über die Zielsetzung von Six Sigma bestehen.[58] Aus diesem Grund sollte der Einführungsprozess von DFSS von der Unternehmensleitung ausgehen (Top-Down).
Das Projektmanagement dient als Arbeitsgrundlage. Es ist von Vorteil, wenn davon bereits Erfahrungen im Unternehmen vorhanden sind. Die Projektauswahl sollte anfänglich die Fokussierung auf nicht zu umfangreiche und auf sorgfältig dimensionierte Projekte, d. h. die Problemstellung sollte in drei bis sechs Monaten sicher zu lösen sein, konzentrieren.[59] Die zugrunde liegenden Prozesse bzw. Transaktionen sollten einen hohen Standardisierungsgrad bzw. eine hohe Stückzahl aufweisen. Als Beispiele hierfür können z. B. Aktivitäten die auf ein Konto bezogen sind, wie Zahlungsverkehr usw. aber auch die Beantragung und Vergabe von Krediten oder die Abwicklung von Wertpapiergeschäften genannt werden.[60]
Ebenso ist die Auswahl und das Training der projektbeteiligten Personen ein entscheidender Aspekt[61], der in Kapitel 2.5 näher erläutert wird. Die Bonus- und Gratifikationssysteme sollten von den Ergebnissen abhängig gemacht werden, die sich von Six Sigma ableiten. Hierbei sind auch immaterielle Erfolgsbeteiligungen, in Form von Karrierechance, zu berücksichtigen.[62]
Das Hauptaugenmerk der Unternehmensstrategie sollte auf die Faktoren Null-Fehler-Qualität, Senkung der Kosten und Zufriedenheit der Stakeholder gerichtet werden.[63]
Die Qualitätssicherung in Six Sigma Projekten stellt eine weitere Vorraussetzung für die erfolgreiche Durchführung dar. Hierfür ist ein spezifisches Messsystem für alle Qualitätskennzahlen notwendig. Nur was messbar ist, kann auch analysiert und eindeutig bestimmt werden.[64] Bereits vorhandene Qualitätsmanagementkonzepte wie z. B. KVP und Balanced Score Card können sehr gut mit Six Sigma kombiniert werden. Die ISO-Zertifizierung ISO 9000:2000 bildet die prozessorientierte Basis im Qualitätsmanagement.[65]
2.5 Qualifizierung bzw. Six Sigma Rollen
Aufgrund der hohen Anforderung an die Mitarbeiter ist der Einsatz von Spezialisten unerlässlich, d. h. es muss eine systematische Ausbildung und Qualifikation der beteiligten Personen erfolgen.
Die Vermittlung der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten erfolgt durch permanente Schulungen der Mitarbeiter auf unterschiedlichem Niveau. Die Ziele von DFSS müssen von allen Mitarbeitern verstanden werden, damit sie die Instrumente zur Verbesserung einsetzen können. Die Rollen und Verantwortlichkeiten müssen klar definiert sein.[66] Die Rollenbezeichnungen orientieren sich an den Rangkennzeichen (Gürtelfarbe) japanischer Kampfsportarten. Die beteiligten Personen sowie die Aufgaben dieser stellen sich wie folgt dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 10: Typische Rollen im Rahmen der Six Sigma-Organisation
Quelle: Eigene Darstellung
Executives / Sponsoren
Das Top-Management arbeitet die Unternehmensziele und -strategie aus und gibt diese bekannt. Des Weiteren ist es für die Etablierung eines durchgängigen Zielentwicklungs-prozesses (Top-Down-Ansatz) und die Einrichtung eines durchgängigen Controllings zuständig. Es muss die Weiterentwicklung des Managementsystems in Richtung Prozess-orientierung (Organisation folgt den Prozessen, nicht umgekehrt) umsetzen und sicherstellen, dass erfolgreiche Lösungen aus den Projektaufgaben im Kerngeschäft verankert werden. Die Six Sigma Ziele sind in die persönliche Zielvereinbarung auf Managementebene zu integrieren.[67]
Champion
Die Champions sorgen dafür, dass über Strategie und Ziele die Prozessleistungen beurteilt und Potenziale ermittelt werden. Sie schaffen die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Projektarbeit.[68]
Master Black Belt
Der Master Black Belt sorgt dafür, dass Six Sigma als Veränderungsprozess mit der gesamten Organisation verzahnt ist. Er wirkt hauptsächlich bei den komplexen statistischen Techniken unterstützend. Der Master Black Belt spielt die entscheidende Rolle bei der Selektion und Organisation der Projekte.[69]
Black Belts
Die Black Belts sorgen als hochqualifizierte Projekt- und Methodenexperten für eine hochwertige Projektarbeit. Ihr Aufgabengebiet beinhaltet die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit, die Projektplanung, die Anwendung der Werkzeuge, die Dokumentation der Ergebnisse und die Kommunikation und das Training im Unternehmen.[70]
Green Belts
Die Green Belts bilden die Basis für die Six Sigma-Teams, d. h. “They are team members who understand DFSS well enough to share the tools and transform the culture of the organization from the bottom up“[71]. Sie können auch die Leitung von Projekten mit geringerem methodischem Anspruch und Umfang übernehmen.
Die Projektarbeit beansprucht ca. 20 % ihrer Arbeitszeit. Die verbleibenden 80 % werden für das Tagesgeschäft aufgewendet.[72]
Yellow Belts:
Den Yellow Belts werden Teilaufgaben aus dem Projekt übertragen. Sie sollen den Green und Black Belts bei der Abwicklung des Projektes behilflich sein, jedoch ohne tiefer greifende Spezialkenntnisse. Sie werden aktiv in die Projektarbeit eingebunden, um die Denkweise von Six Sigma in die einzelnen Bereiche zu transformieren.[73]
White Belts:
Alle Mitarbeiter des Unternehmens, die nicht in einer anderen Rolle eingebunden sind, bilden die Gruppe der White Belts. Zum allgemeinen Verständnis und aus Akzeptanzgründen werden sie kurz über die Six Sigma Inhalte informiert. Des Weiteren besteht dadurch die Möglichkeit Mitarbeiter aus diesem Bereich für höher qualifizierte Rollen zu rekrutieren.[74]
Master Black Belts und Black Belts widmen sich meistens zu 100 % ihren Aufgaben im Projekt. Die Black Belts sollten jedoch mindestens einen Tag pro Woche im Einsatz für das Six Sigma-Projekt sein.[75]
Die Funktion der Master Black Belts und Black Belts ist temporär begrenzt. Nach ca. zwei bis drei Jahren erfolgt eine Ablösung der Master Black Belts durch die Black Belts und diese werden wiederum von den Green Belts abgelöst, die dann die nötige Qualifikation und Erfahrung besitzen. Die Voraussetzungen für Mitarbeiter in Six Sigma-Projekten sind eine hohe fachliche Kompetenz, gute ausgeprägte Sozial- sowie Moderationskompetenz in der Projektarbeit, um ausführende Mitarbeiter leiten und motivieren zu können.[76]
2.6 Zwischenresümee
Das vorrangige Ziel von DFFS ist die Erfüllung der Kundenanforderungen, um über eine höhere Zufriedenheit der Kunden die Unternehmensziele zu verwirklichen. Mit dieser Methode können unterschiedliche Kategorien von Wirkungen erreicht und verbessert werden. Die Wirkungen gruppieren sich in die Kategorien Arbeitsplatzebene, Abteilungs- bzw. Bereichsebene, Unternehmensebene und auf die Marktebene.[77] Einzelheiten sind im Anhang elf ersichtlich.
Erfahrungsgemäß können die Kosten für die Qualitätssteigerung unter Einsatz von DFSS um bis zu ein Drittel geringer ausfallen. Mit Hilfe dieser Methode lässt sich die sog. 5-Sigma-Wand deutlich kostengünstiger durchbrechen als mit dem DMAIC-Zyklus. Dies liegt daran, dass bei der DMAIC-Methode das höhere Sigma-Niveau durch deutlich höhere Kosten für die bessere Qualität erkauft werden muss. Mit DFSS lassen sich diese Kosten reduzieren. Somit stellt die Methode mit ihren Instrumenten einen Hebel mit großer Wirkungskraft dar.[78] (siehe Anhang 12)
Aufgrund der teilweisen Kongruenz zwischen DMAIC und DMADV sind die möglichen auftretenden Misserfolge bei der Anwendung vergleichbar. Hierbei ist zu erwähnen, dass eine falsche Absatz- oder Produktpolitik nicht durch den Einsatz eines Qualitätsmanagement-systems zu ändern ist. Nicht ausreichendes Durchhaltevermögen und zu geringe Investitionen in die Anwendung und die sich daraus ergebende kurzfristige Orientierung des Managements sind ausschlaggebende Faktoren für einen möglichen Misserfolg.[79]
3 Empirische Untersuchung
3.1 Ziel der Untersuchung
Ziel der Untersuchung ist im Speziellen, anhand einer Befragung von Experten in drei Kreditinstituten, einem Dienstleistungsunternehmen für die Finanzbranche und einem Beratungsunternehmen den aktuellen Stand der Verbreitung und des Einsatzes von Design for Six Sigma zu ermitteln sowie Erfolgsfaktoren und Kritikpunkte herauszuarbeiten. Die gewonnenen Erkenntnisse aus den Experteninterviews dienen als Grundlage, um eine Handlungsempfehlung für die Einführung von DFSS in der Sparkasse Kraichgau zu erarbeiten. Der theoretische Ansatz aus Kapitel zwei soll hierdurch um praktische Erfahrungen ergänzt werden.
3.2 Vorgehensweise
Die Untersuchung im empirischen Teil wurde mittels der Methode des Experteninterviews durchgeführt. Hintergrund hierfür ist, dass es nur einige wenige Fachleute in den Unternehmen geben wird, die tiefer gehendes Wissen bzgl. der Methode DFSS haben (siehe Kapitel 2.5 „Rollenverteilung“).
Die Expertenbefragungen im Zusammenhang mit dieser wissenschaftlichen Arbeit erfolgten anhand geführter Interviews. Diese wurden in persönlichen Gesprächen vor Ort oder in Form von Telefoninterviews durchgeführt. Die Befragungen stellen eine rein qualitative Analyse dar, jedoch erheben sie nicht den Anspruch der Repräsentativität. Aus den gewonnenen Ergebnissen lassen sich trotzdem, aufgrund der Erfahrungen der Interviewpartner, aussagekräftige Schlussfolgerungen für diese Studienarbeit ziehen.
Die Zielgruppe der Experten wurde so gewählt, dass die Thematik DFSS aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet werden kann.
Diese dienen insbesondere dazu, die vorangehend aufgeführten theoretischen Ansätze zu untermauern oder kritisch zu hinterfragen. Die mündliche Befragung bietet den Vorteil auch komplexe Fragestellungen zu berücksichtigen, wodurch Erläuterungen von Seiten des Interviewers ebenso möglich sind wie die Kontrolle, ob die Fragen so verstanden wurden, wie sie gemeint waren. Bei Unklarheiten kann sofort reagiert werden.[80]
Die einzelnen Interviews werden jeweils in Form eines Protokolls ausführlich im Anhang dargestellt. Im nachfolgenden Teil werden die grundsätzlichen Aussagen ergänzt durch Interpretationen der Autoren wiedergegeben.
3.3 Auswahl der Experten
Die Auswahl der Experten aus den Kreditinstituten wurde so getroffen, dass aus jedem Sektor des in Deutschland vorherrschenden 3-Säulen-Modells ein Vertreter als Interviewpartner zur Verfügung steht. Für den öffentlich-rechtlichen Sektor konnten die Autoren Herrn Horst Bubolz (Abteilungsdirektor Marktfolge) von der Sparkasse Kraichgau und aus dem Bereich der Privatbanken Herrn Dr. Marcus Langmaack (Projektleiter Organisations) von der Citicorp Dienstleistungs GmbH als Gesprächspartner gewinnen. Als Expertin aus dem genossenschaftlichen Zweig stand Frau Rodica Guja (Six Sigma Manager) von der Raiffeisen International Bank in Wien zur Verfügung. Nach Recherche der Autoren konnten keine Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland, die die Methodik Six Sigma bzw. Design for Six Sigma anwenden, gefunden werden. Des Weiteren konnte Frau Petra Heitmeier (Fachberaterin Qualitätsmanagement) vom VR Kreditwerk Hamburg – Schwäbisch Hall AG, als spezialisierter Dienstleister, für ein Interview gewonnen werden. Zur Komplettierung und Abrundung der empirischen Untersuchung wurde Herr Stefan Schrader (Principal Consultant) von der Beratungsfirma Cirquent (ehemals entory AG) interviewt. Die Autoren hätten gerne noch einen Experten aus dem Bereich der Forschung befragt. Nach Aussage von Herrn Prof. Dr. Jürgen Moormann von ProcessLab der Frankfurt School of Finance & Management konnten aber noch keine Erfahrungen mit DFSS gesammelt werden. Insofern konnte er den Autoren keine Informationen für ein Interview liefern.
Bei der Auswahl wurde darauf geachtet, dass die Unternehmen bereits erste Erfahrungen im Bereich Six Sigma bzw. Design for Six Sigma haben. Die Experten greifen somit auf fundierte Kenntnisse zurück und sind mit den Qualitätsmanagementmethoden in Banken vertraut.
3.4 Aufbau des Fragebogens
Der von den Autoren erstellte Fragebogen dient als Leitfaden für die Experteninterviews. Er soll sicherstellen, dass alle wichtigen Punkte thematisiert und eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse erzielt werden kann. Der Leitfaden ist in drei Abschnitte gegliedert.
Im Abschnitt A wird die Thematik Six Sigma im Allgemeinen behandelt. Der folgende Abschnitt B legt im Speziellen den Schwerpunkt auf Design for Six Sigma. Im abschließenden Teil C werden soziodemografische Fragen zur Person bzw. zum Unternehmen erörtert. Der Fragebogen setzt sich aus offenen und geschlossenen Fragen zusammen, die in eine problemspezifisch orientierte Reihenfolge gebracht wurden.
Der detaillierte Leitfaden ist im Anhang 14 in deutscher bzw. Anhang 15 in englischer Sprache enthalten.
3.5 Auswertungen der empirischen Erhebung
3.5.1 Experteninterview Sparkasse Kraichgau
Im Rahmen eines neuen Qualitätsmanagementsystems beschäftigt sich die Sparkasse Kraichgau seit dem Jahr 2004 mit der Thematik Six Sigma. Nach erfolgreicher Einführung prüft sie seit kurzem die Umsetzung von DFSS. Dieser Hintergrund veranlasste die Autoren sich dieser Problemstellung im Hause der Sparkasse Kraichgau anzunehmen und eine Handlungsempfehlung zu geben. Der Interviewpartner Herr Bubolz ist Abteilungsdirektor Marktfolge. Eine seiner Hauptaufgaben liegt in der Durchführung und Überwachung des hausinternen Qualitätsmanagements. Er kann auf langjährige Berufserfahrung in diesem Bereich zurückgreifen.
Bisherige Erfahrungen und Erfolge mit Six Sigma
Six Sigma wurde im Jahr 2004 aufgrund steigender Kundenansprüche, zunehmendem Wettbewerb und zur Schaffung schlanker qualitativ hochwertiger Prozesse sowie der Steigerung der Qualität und Produktivität mit Hilfe einer externen Beratungsfirma eingeführt. Mit diesem System konnte eine Reduktion der Fehler um ca. 73 % und ebenso eine Optimierung der Prozesse in Hinblick auf die eingesetzten Ressourcen ermöglicht werden. Nach Aussage von Herrn Bubolz wird das System aufgrund der bisherigen Erfahrungen und Erfolge konsequent angewendet und stetig weiter entwickelt.
Hieraus ist zu erkennen, dass Six Sigma in Kreditinstituten erfolgreich umgesetzt und angewendet werden kann.
Mögliche Anwendungsgebiete von Design for Six Sigma
Die bisher gemachten Erfahrungen und Kenntnisse von DFSS führen bei Herrn Bubolz zu der Meinung, dass eine erfolgreiche Anwendung im Kreditbereich möglich ist. Eine Umsetzung ist für ihn vor allem in Bereichen mit gewachsenen und situativen Prozessen vorstellbar.
Herr Bubolz führt hier Steuerungsabteilungen und den Bereich Marketing bei der Produktgestaltung an. Des Weiteren kann eine Anwendung in Bereichen stattfinden, die heute noch getrennt voneinander sind und in Zukunft eventuell zusammengeführt werden.
Einführu ng
Die Einführung der Qualitätsmanagementmethoden sollte aufgrund ihres strategischen, geschäftspolitischen Charakters zu Beginn vom Top-Management initiiert werden (Top-Down-Prinzip). Im nächsten Schritt ist es wichtig die Mitarbeiter des Unternehmens umfassend zu informieren und wenn möglich aktiv in das Vorhaben einzubinden. Dadurch kann erreicht werden, dass die Bereitschaft der Belegschaft zu Veränderungen geweckt wird und sie diesen positiv gegenüber stehen.
Qualifizierung
In der Sparkasse Kraichgau sind bei der Einführung von Six Sigma keine spezifischen Qualifizierungen der Mitarbeiter erfolgt. Es wurde ausschließlich auf das Know-how der externen Beratungsfirma zurückgegriffen. Diese Erfahrungen haben Herrn Bubolz zu der Aussage veranlasst, dass bei einer möglichen Einführung von DFSS bzw. einer nochmaligen Einführung von Six Sigma eine adäquate Ausbildung spezieller Mitarbeiter im Voraus geschehen sollte. Auf jeden Fall sollte eine Fortbildung der Mitarbeiter in den Schlüsselpositionen gewährleistet sein. Eine Zertifizierung zum Belt ist nicht unbedingt von Nöten, jedoch sollten die charakteristischen Kenntnisse und Fähigkeiten des notwendigen Qualifikationsniveaus gegenwärtig sein.
Schlüsselfaktoren und Problemfelder
Ein Schlüsselfaktor bildet ein zielgerichtetes Change-Management, d. h. die Bereitschaft der Mitarbeiter zu Veränderungen muss im Voraus vorhanden sein. Die ständige Kommunikation und der offene Dialog sowie die frühzeitige Einbindung der Mitarbeiter in die Projekte sind weitere Erfolgsfaktoren. Die Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse ist ebenso ein wichtiger Faktor, weil gerade diese einen wesentlichen Einfluss auf die möglichen Designs von Prozessen bzw. Produkten haben.
Perspektiven und Chancen von Design for Six Sigma
Vor dem Hintergrund der Erfolge seit den 1980er Jahren in der Industrie sieht Herr Bubolz in naher Zukunft große Potentiale bei der Anwendung von DFSS in Kreditinstituten. Diese Chancen müssen jedoch seitens des Top-Managements, wie bereits oben erwähnt, frühzeitig erkannt und umgesetzt werden.
Nach der Umsetzung müssen eine konsequente Anwendung und ein laufendes Controlling der Prozesse erfolgen. Ein weiterer Vorteil von DFSS ist, dass der Prozess von Beginn an transparent und damit bekannt ist. Damit besteht die Möglichkeit sehr schnell zu agieren bzw. auf Veränderungen zu reagieren, um somit den Prozess bzw. das Produkt immer optimal gestalten zu können.
3.5.2 Experteninterview Raiffeisen International Bank (Wien)
Ausschlaggebend für die Einführung von Six Sigma bei der Raiffeisen International Bank war der Wechsel von Herrn Fleischmann von der GE Money Bank zur Raiffeisen International. Die GE Money Bank wendet seit Anfang der Neunziger Jahre Six Sigma an. Die Erfahrungen von Herrn Fleischmann bildeten die Basis für die konzernweite Umsetzung von Six Sigma im Jahre 2003. Fast zeitgleich folgte die Einführung und Implementierung von DFSS. Die Interviewpartnerin Frau Guja ist Member of Productivity and Process Management Department. Sie besitzt eine Black Belt Zertifizierung und hat die Funktion eines Six Sigma Managers inne. Aufgrund der internationalen Ausrichtung der Raiffeisen International Bank und der rumänischen Herkunft von Frau Guja wurde das Interview in englischer Sprache geführt. Die Protokollierung und die weiteren Ausführungen erfolgen sinngemäß in deutscher Sprache.
Gründe für die Einführung
Die maßgeblichen Gründe für die Einführung von Six Sigma seitens der Raiffeisen International waren die gestiegenen Kundenansprüche und der zunehmende Wettbewerb. Die Steigerung der Produktivität und der Qualität, aufgrund des stetig zunehmenden Volumens in allen Bereichen waren weitere Anlässe. Diese Aspekte sind deckungsgleich mit den immer wieder in der einschlägigen Literatur erwähnten Punkte, die mit Six Sigma erreicht bzw. erzielt werden können.
Wettbewerbsvorteile
Die Raiffeisen International verspricht sich durch die Anwendung von Six Sigma, wegen des sehr geringen Verbreitungsgrades in den osteuropäischen Ländern, in denen sie tätig ist, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz. Die Erfolge von Six Sigma sind auch in der Kennzahl Cost-Income-Ratio zu erkennen, welche bisher von 70 % auf 60 % gesenkt werden konnte.
Dieses Beispiel zeigt, dass das frühzeitige Erkennen von Chancen und Potentialen des Marktumfeldes und deren Nutzung durch innovative Methoden, wie Six Sigma, Erfolg versprechend sein kann.
Umsetzung
In einem internationalen Unternehmen sind die jeweiligen landesspezifischen Mentalitäten bei der Umsetzung von Six Sigma zu berücksichtigen. Die vollkommene Einbindung des Top-Managements auf nationaler Ebene sowie deren Überzeugung für die Methode ist unabdingbar. Des Weiteren ist ein qualifizierter Six Sigma Leader für die nationalen Einheiten benannt worden, der aufgrund der Struktur der Raiffeisen International als sinnvoll erscheint. Die Einbindung und Information der Mitarbeiter trägt einen wesentlichen Teil zum Erfolg bei. Die Kommunikation im Unternehmen erfolgt über verschiedene Kanäle, wie z. B. Meetings, Präsentationen usw.. Bis heute gibt es ein jährliches Treffen der nationalen Führungskräfte zum intensiven Austausch der neuesten Erkenntnisse im Bereich Six Sigma.
Das Prinzip der Umsetzung im gesamten Unternehmen, was auch ein Kerngedanke von John F. Welch war[81], wurde bei der Raiffeisen International praktiziert. Lediglich der Bereich Vertrieb wurde ausgenommen, weil lt. Frau Guja hier keine neuen Produkte bzw. Prozesse erstellt werden.
DMADV-Methode
Die angewandte Methode bei der Raiffeisen International ist der DMADV-Zyklus. Mit Hilfe dieses Kreislaufes wurden bisher 56 Projekte in 15 Ländern erfolgreich umgesetzt. Im Jahr 2008 sind im Gesamten 90 Six Sigma Projekte geplant, wovon 10 % - 20 % DFSS Projekte sein werden. Dies zeigt, dass der DMADV-Zyklus, wie bereits in den theoretischen Ausführungen dieser Arbeit beschrieben, auch der in der Praxis möglicherweise primär angewandte Kreislauf ist. Die Projekte bei der Raiffeisen International sind meistens auf sechs bis zwölf Monate angelegt. Aufgrund der gemachten Erfahrungen nennt Frau Guja folgende Erfahrungswerte bzgl. des zeitlichen Aspektes der einzelnen Phasen:
Phase Zeit in Prozent der Projektdauer
Define ca. 10 %
Measure ca. 25 % - 30 %
Analyze ca. 10 % - 15 %
Design ca. 30 %
Verify Rest, d. h. ca. 15 % - 25 %
In der Raiffeisen International kommen je nach Bedarf und Phase spezielle Six Sigma Tools, wie sie auch in der Literatur zu finden sind, zum Einsatz. Diese werden durch spezifische Projektmanagement-Tools ergänzt.
Qualifikation
Die Ausbildung der Mitarbeiter erfolgt nach den klassischen Belt-Zertifizierungen. Ziel der Raiffeisen International ist, dass beispielsweise 1 % der Mitarbeiter eine Black Belt und 5 % der Mitarbeiter eine Green Belt Zertifizierung besitzen. Zur optimalen Umsetzung wird das Top-Management separat trainiert. Um bestmögliches Know-how zu erwerben, wurde der interne Informationsaustausch fokussiert und eine externe Beratungsfirma miteinbezogen.
Zur Gewährleistung eines positiven Ergebnisses erfolgt zu Beginn der Projekte eine Kalkulation durch einen Six Sigma Financial Analyst. Diese Spezialisierung wird durch eine gesonderte Schulung erworben, was aber keine separate Six Sigma Zertifizierung darstellt.
6-σ-Niveau
Das Ziel der Raiffeisen International ist das 6-σ-Niveau zu erreichen, jedoch ist das nur in wenigen Fällen möglich. Es gibt einige Projekte, in denen das Niveau erreicht worden ist, diese bleiben aber die Ausnahmen. Dies bestätigt die Annahme aus der Literatur, dass mit Hilfe von DFSS die sog. 5-„Sigma“-Wand durchbrochen werden kann, und die Erreichung des 6-σ-Niveaus möglich ist.
Organisation
Mit der Einführung von Six Sigma haben sich bei der Raiffeisen International vielfältige Veränderungen ergeben. Durch die Verschlankung, Neugestaltung und teilweise Neuentwicklung der Abläufe erfolgte meist eine softwaregestützte Automatisierung der Prozesse.
Schlüsselfaktoren und zukünftige Entwicklung
Die Hauptrolle bei der Einführung von DFSS spielt die Einbindung des Top-Managements sowie bei international tätigen Unternehmen eines speziellen Six Sigma Leaders in den einzelnen Ländern. Durch diesen soll bei der Einbindung der Mitarbeiter gewährleistet werden, dass die kulturellen Unterschiede in den einzelnen Ländern Berücksichtigung finden. Um den monetären Erfolg der Projekte zu garantieren ist eine anfänglich durchgeführte Finanzanalyse von Vorteil. Der Aufbau eines internen Marketings kann ein weiterer hilfreicher Aspekt bei der Umsetzung der Projekte sein. Die zukünftige Entwicklung von DFFS wird als positiv eingeschätzt.
Aufgrund der konservativen Haltung in der deutschen Bankenlandschaft wird die Verbreitung bzw. Einführung von DFSS nur sehr zögerlich voranschreiten. Der Erfolg ist vom Einsatz bzw. der Überzeugung der jeweiligen Verantwortlichen sowie der Auswahl der richtigen Prozesse bzw. Produkte abhängig.
3.5.3 Experteninterview Citibank
Die Citibank Deutschland führte im Jahre 2000 die selbstentwickelte Methode „Industrialisierung“ ein. Diese orientiert sich am Grundgedanken von Six Sigma. Im Jahre 2007 wurde die Initiative „Client First“ implementiert, die der Methode DFSS ähnelt. Der Interviewpartner Herr Dr. Langmaack ist bei der Citicorp Dienstleistungs GmbH als Projektleiter Organisations im Bereich Engineering & Capacity Management tätig.
Einführung
Hinter der Initiative „Industrialisierung“ steht die Idee Know-how aus der Industrieproduktion in den Finanzdienstleistungsbereich zu übertragen. Dadurch soll eine Transparenz der Prozesse sowie eine damit verbundene Optimierung erreicht und ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess gestartet werden. Die bisher erzielten Ergebnisse werden als erfolgreich eingeschätzt. Die Fortschritte für das Unternehmen aus diesem Projekt und die erwarteten Marktveränderungen veranlassten die Citibank im Jahre 2007 die Initiative „Client First“ einzuführen. Die bisher erzielten Teilergebnisse werden positiv gewertet. Hier zeigt sich, dass die Ansätze von Six Sigma und Design for Six Sigma aus der industriellen Produktion in den Finanzdienstleistungssektor transformiert werden können.
Top down und Gegenstrom
Ausgehend von der Vision aus den strategischen Einheiten wurde die Initiative Top-Down eingeführt. Die Umsetzung selbst erfolgte aus den Arbeitsebenen heraus, wodurch die Einbeziehung und Überzeugung der Mitarbeiter gewährleistet ist. Die Vorgehensweise zeigt wiederum, dass eine erfolgreiche Implementierung nur durch die Einbindung aller Beteiligten erreicht werden kann.
Methoden
Die Methode Client First wurde aufgrund der Anforderungen der Citibank entwickelt. Hierbei orientierte sie sich an DFSS und dem Software Development Life Cycle (SDLC).
Dies verdeutlicht, dass die Anwendung von DFSS an die Bedürfnisse des Unternehmens angepasst werden kann und die Theorie nicht eins zu eins umgesetzt werden muss. Die Philosophie von DFSS bleibt trotzdem erhalten.
Umsetzung
Eine detaillierte Aussage über den zeitlichen Aspekt sowie die eingesetzten Werkzeuge bei der Umsetzung der einzelnen Projekte konnte nicht gemacht werden. Diese differieren aufgrund der unterschiedlichen Komplexität von Projekt zu Projekt. Ebenso trifft dies auf die Änderungen in der Ablauf- und Aufbauorganisation zu. Das Personal bindet hierbei den größten Teil der Ressourcen. Die Einbindung von externen Beratungsfirmen erfolgt nur bei spezifischen Fragestellungen. Somit wird zu aller erst auf die vorhandenen Inhouse-Spezialisten zurückgegriffen. Das Beispiel zeigt, dass nicht unbedingt externes Know-how miteinbezogen werden muss.
Qualifikation
Aufgrund der selbstentwickelten Methode wurde ein eigenes Konzept zur Qualifikation der Mitarbeiter erstellt. Dieses beinhaltet drei verschiedene Bildungswege, so dass die Beteiligten das notwendige Know-how besitzen und im Stande sind Projekte selbst durchzuführen. Die Qualifizierung nach vorgegebenen Standards ist nicht unbedingt notwendig. Es muss sichergestellt sein, dass das entsprechende Fachwissen sowie die geforderte Methoden- und Sozialkompetenz vorhanden sind.
Schlüsselfaktoren
Ein wichtiger Faktor ist nach Ansicht von Herrn Dr. Langmaack eine offene Unternehmenskultur in der ein stetiger Informationsaustausch gelebt wird. Die Motivation der Mitarbeiter zum Erwerb von neuen Kenntnissen und Fertigkeiten und der damit verbundenen Lernbereitschaft stellt einen weiteren wichtigen Punkt dar. Dies verdeutlicht, dass ein funktionierendes Change Management die Basis für den Erfolg der Methode ist. Das Timing der einzelnen Projektschritte bildet ebenso einen wesentlichen Erfolgsfaktor. Es ist wichtig ein ausgewogenes Tempo zu finden, das nicht zu schnell und nicht zu langsam ist.
Zukünftige Entwicklungen
Die Industrialisierung wird in den nächsten Jahren weiter voranschreiten. Die Methoden aus der Fertigungsindustrie werden vermehrt Einzug in Finanzdienstleistungsinstituten halten. Die Thematik bildet einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor, welcher berücksichtigt werden muss, um auf dem deutschen Bankenmarkt langfristig zu bestehen.
3.5.4 Experteninterview VR Kreditwerk
Unsere Interviewpartnerin Frau Heitmeier ist als Fachberaterin im Qualitätsmanagement, Bereich IT, tätig. Das Kreditwerk entstand im Jahre 2000 durch den Zusammenschluss der IT- und Processing-Kompetenzen der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG und der Deutschen Genossenschafts-Hypothekenbank (DG HYP). Als Marktführer in der industriellen Bearbeitung von Krediten und Bausparprodukten mit 2.600 Mitarbeitern und einem Volumen von acht Millionen Verträgen wurde nach Ansicht der Autoren ein qualifizierter Gesprächspartner gefunden.
Das Kreditwerk firmiert seit März 2009 als VR Kreditwerk AG, Schwäbisch Hall, und nicht mehr als VR Kreditwerk Hamburg - Schwäbisch Hall AG.[82]
Einführung
Das VR Kreditwerk führte im Jahre 2004 eine Kennzahlensystematik im Qualitätsmanagement ein. Vor dieser Einführung wurden verschiedene Methoden in Betracht gezogen. Die Entscheidung fiel schließlich, vor dem Hintergrund der Orientierung von Six Sigma am Deming-Kreislauf, auf ein selbst entwickeltes Konzept, das auf dieser Methode basiert. Der Schwerpunkt liegt hauptsächlich auf dem Thema Measure. Der Grund für die Einführung lag darin, dass das was gemessen wird, auch verbessert werden kann und ein innovatives Projektmanagement geschaffen werden soll. Die im Unternehmen durchgeführte Methode wird aber nicht als Six Sigma bezeichnet.
Bisherige Erfolge
Die bis jetzt erzielten Ergebnisse werden vom VR Kreditwerk als befriedigend empfunden. Sie sind der Meinung, dass vieles schon erreicht worden ist, es aber noch weiteres Potenzial für Verbesserungen bzw. Steigerungen gibt. Das System wird ständig optimiert. Nach Berücksichtigung des Kosten-Nutzen-Aspektes macht es nicht immer Sinn eine wirkliche Null-Fehlerquote zu erreichen, sondern es sollte ein für den Kunden akzeptabler Wert angestrebt werden. Der Nutzen solch eines Konzeptes für die Mitarbeiter und das Unternehmen ist auf jeden Fall vorhanden.
Methodik
Das VR Kreditwerk hat sich noch nicht mit der Methodik DFSS beschäftigt. Aufbauend auf dem Wissen zu Six Sigma bzw. DFSS ist Frau Heitmeier der Meinung, dass die Projektarbeit bei ihnen immer nach dem Aufbau der DMADV-Methode durchgeführt wird. So gesehen ist DFFS normale Projekt- und Qualitätsarbeit beim VR Kreditwerk, ohne es jedoch explizit so zu bezeichnen. Sie ist ebenso der Ansicht, dass es keine großen Unterschiede zwischen den verschiedenen Zyklen von Six Sigma bzw. DFSS gibt.
Es werden beim VR Kreditwerk keine speziellen Tools von Six Sigma bzw. DFSS benutzt, sondern es kommt z. B. eine in Access selbst entwickelte Datenbank zur Anwendung. Letztendlich ist es nicht von Bedeutung, dass die spezifischen Six Sigma Tools zur Anwendung kommen, sondern es sollten zielführende und auf die Problemstellung abgestimmte Werkzeuge bzw. Hilfsmittel eingesetzt werden. Dies kann, wie bei dem VR Kreditwerk, auch ein selbst entwickeltes System sein.
Top down und Gegenstrom
Die Einführung einer Qualitätsmanagement-Methode sollte nach Aussage von Frau Heitmeier stets nach dem Gegenstrom-Verfahren erfolgen. Das Top-Management als auch die Mitarbeiter werden für eine erfolgreiche Durchführung benötigt. Das Management muss als Sponsor und Vorbild dienen und die Mitarbeiter müssen von dem Konzept überzeugt werden und dieses auch leben. Fehlt eine der beiden vorgenannten Komponenten wird es schwer eine erfolgreiche Implementierung zu erreichen.
Schulung Mitarbeiter
Die Mitarbeiter werden wegen der Einführung eines selbst entwickelten Konzeptes nicht als sog. Belts qualifiziert. Die Ausbildung erfolgt als „Training-on-the-Job“ oder durch Coaching von Spezialisten des Qualitätsmanagements. Beim Start des Konzeptes wurde eine externe Beratungsfirma miteinbezogen, die auch bei der Fortbildung der Mitarbeiter unterstützend tätig war.
Entscheidend ist nicht die Bezeichnung der Ausbildung sondern die Qualität, d. h. dass die notwendige Qualifizierung vorhanden ist. Die Mitarbeiter sollten bei Neuerungen immer aktiv informiert werden. Sollten sich dahingehend gravierende Änderungen ergeben, sind Schulungen für die Mitarbeiter unumgänglich. Zwischen Mitarbeitern und Führungsebene ist ein ständiger Austausch zur erfolgreichen Durchführung der neuen Methodik unabdingbar.
Organisation
Auf Grund der Einführung des Konzeptes wurden bisher keine Veränderungen in der Ablauf- und Aufbauorganisation nötig. Als einzige Neuerung wurde die Rolle eines Prozess-Verantwortlichen eingeführt. Dieser ist für die Steuerung und Überwachung seiner ihm zugeordneten Prozesse verantwortlich. In der Praxis zeigt sich, dass in Bezug auf die Implementierung von DFSS nicht unbedingt bedeutende organisatorische Änderungen erfolgen müssen.
Schlüsselfaktoren
Ein wichtiger Faktor zur erfolgreichen Einführung neuer Konzepte stellt die Kommunikation im Unternehmen dar. Neuem steht man zu Beginn kritisch gegenüber, weshalb es wichtig ist, sich Gedanken zu machen was und wie kommuniziert wird. Nach Ansicht von Frau Heitmeier ist es dem VR Kreditwerk erfolgreich gelungen, durch eine offene Umgangsweise die Mitarbeiter von dem Nutzen des Konzeptes zu überzeugen. Als weiterer wichtiger Aspekt wird die Einführung, wie bereits oben dargestellt, mittels des Gegenstrom-Verfahrens gesehen. Abschließend bildet die Kommunikation der Verantwortlichkeiten an alle Beteiligten einen weiteren wichtigen Baustein. So ist gewährleistet, dass jeder seine Aufgaben kennt, sich aktiv einbringt und das Projekt zielgerichtet forciert.
Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter bzw. das Management sich permanent mit den Vorgängen im Unternehmen auseinandersetzen und diese aktualisieren bzw. den neuen Anforderungen anpassen. Wie dies letztendlich geschieht und benannt wird, ist eigentlich zweitrangig. Wichtig hierbei ist vor allem, dass dem Grundsatz eines Kreislaufes, welcher immer wieder von Neuem beginnt, gefolgt wird.
3.5.5 Experteninterview Cirquent (ehemals entory AG)
Zusätzlich zu den bereits ausgeführten Experteninterviews, deren Teilnehmer hauptsächlich aus Kreditinstituten kommen, war es den Autoren ebenfalls sehr wichtig eine weitere und vor allem unabhängige Expertenmeinung zu erhalten. Hierzu konnten sie Herrn Schrader, Principal Consultant bei Cirquent (ehemals entory AG) für eine Befragung gewinnen. Er ist ausgebildeter und zertifizierter Master Black Belt und seit 2007 für Cirquent (ehemals entory AG) tätig. Zuvor war er bei seinem damaligen Arbeitgeber Volvo, sowie heute bei Cirquent (ehemals entory AG), mit der Implementierung und Durchführung von Six Sigma bzw. DFSS beschäftigt. Auf Grund dessen, dass Volvo bereits seit längerem die Methode Six Sigma und Design for Six Sigma im Einsatz hat, kann Herr Schrader umfangreiche Kenntnisse und Erfahrungen aufweisen.
Aufnahme DFSS in die Produktpalette
Die Methode Six Sigma wird seit dem Jahr 2004 mit großem Erfolg angeboten. Seither besteht ein reger Informationsaustausch mit Herrn Prof. Moormann von der Frankfurt School of Finance and Management. Die Methodik DFSS ist seit längerem bekannt. Der Versuch von Cirquent (ehemals entory AG), die sich selbst als Pioniere im Bereich von DFSS sehen, dieses aktuell am Markt zu etablieren, zeigt, dass derzeit die Verbreitung und Anwendung von DFSS in der deutschen Bankenlandschaft unterrepräsentiert ist. Jedoch wird schon vermehrt Interesse seitens der Kreditinstitute signalisiert.
Anwendung
Der Einsatz von DFSS ist in jedem Bereich möglich, wo neue Prozesse/Produkte, denen vielfältige Ursachen zu Grunde liegen können, erforderlich sind. Das größte Potential wird im Wertpapierbereich, aufgrund der rasant gestiegenen Produktvielfalt und der ständig ändernden Rahmenbedingungen in den letzten Jahren, gesehen. Im Vergleich zum DMAIC-Zyklus erwartet man hier, wegen der zeitintensiveren Design-Phase, einen insgesamt größeren Zeitaufwand. DFSS bietet einen roten Faden, der einen effizienten Ressourceneinsatz ermöglicht. Entscheidend für die erfolgreiche Anwendung sind die richtige Auswahl und Einsatz der Werkzeuge bzw. der Projektmitglieder. Die Erreichung des theoretischen 6-σ-Wertes ist nicht zwingend notwendig. In der Praxis hat sich gezeigt, dass eine Verbesserung mit für die Kunden akzeptabler Fehlerquote angestrebt wird.
Qualifikation
Die adäquate Ausbildung der Mitarbeiter bei Cirquent (ehemals entory AG) bildet einen wichtigen Baustein bei der Implementierung von DFSS. Der Fokus wird hierbei auf das Coaching und Learning-by-doing gelegt. Das hausinterne Ausbildungskonzept wird den Kunden von Cirquent (ehemals entory AG) zur Verfügung gestellt, weil die Qualifikation der Mitarbeiter eine wesentliche Voraussetzung für das Verständnis und die erfolgreiche Anwendung der Methode ist. Aufgrund der höheren Komplexität von DFSS im Vergleich zur DMAIC-Methode sollten bestimmte Grundkenntnisse von Six Sigma vorhanden sein, d. h. dass die auszubildenden Personen mindestens die Qualifizierungen eines Green Belts oder besser noch die eines Black Belts besitzen sollten. Dies impliziert, dass der DMAIC-Zyklus bzw. sich daran anlehnende Konzepte das Grundgerüst bzgl. Erfahrungen, Kenntnissen, Fertigkeiten usw. für die Anwendung von DFSS bilden.
Erfolgsfaktoren
Als einen der wichtigsten Erfolgsfaktoren ist die Änderung bzw. Anpassung der Unternehmenskultur an die Denkweise von Six Sigma bzw. Design for Six Sigma zu nennen. Ein weiterer Aspekt bildet die Ausrichtung des Unternehmens auf einen langfristigen und nachhaltigen Erfolg, weil schnelle Gewinne mit dieser Methode nicht zu erwarten sind.
Chancen, Kritik und Anmerkungen
Aufgrund der bisher bei Cirquent (ehemals entory AG) eingegangenen Anfragen und der persönlichen Einschätzung von Herrn Schrader erhofft sich das Unternehmen entsprechende Erfolge. Im Gegensatz zum DMAIC-Zyklus wird erwartet, dass DFSS nur eine untergeordnete Rolle spielen wird. Die Methodik überzeugt seitens der Kunden im Hinblick auf die Prozessfähigkeit, Standards und Dokumentationen, wobei die Bereitschaft im Unternehmen zur Messung von Prozessen als Grundvoraussetzung gegeben sein muss. Als Kritikpunkt seitens der Kunden von Cirquent (ehemals entory AG) wird häufig angeführt, dass das Konzept zu komplex sei. Diesem lässt sich durch Fokussierung auf die wichtigsten Aspekte entgegenwirken. Die Qualitätsmanagementsysteme Six Sigma und Design for Six Sigma werden meistens aufgrund der Orientierung an bestehenden Systemen als nichts „Neues“ angesehen. Jedoch führt das konsequente Vorgehen innerhalb des Kreislaufes die Methode zu den bisherigen Erfolgen. Nach der persönlichen Ansicht von Herrn Schrader sollte nach der Einführung von DFSS versucht werden, ein Gleichgewicht innerhalb der drei Faktoren Prozessagilität, Prozessstandards und Prozessvarianz zu schaffen.
3.6 Zwischenresümee der Ergebnisse
Die empirische Untersuchung hat ergeben, dass DFSS ein zukunftsfähiges Konzept sein kann. Die Möglichkeit der erfolgreichen praktischen Umsetzung, der in der Literatur beschriebenen Vorgehensweise, wurde speziell bei der Raiffeisen International unter Beweis gestellt. Des Weiteren kann auch festgehalten werden, dass daran angelehnte Modelle, die den Grundgedanken wiedergeben, ebenfalls in der Praxis vorhanden sind und erfolgreich eingesetzt werden. Die zunehmende Bedeutung zeichnet sich auch in der Intensivierung zur Bereitstellung der Beratungsdienstleistungen im Bereich DFSS bei der Firma Cirquent (ehemals Entory AG) ab.
Die Beweggründe für die Einführung von DFSS und die Kritik an dem Konzept waren unterschiedlicher Natur.
[...]
[1] Vgl. Schleef/ Kanzler/ Kraus/ Fuchs, 2006, S. 613
[2] Vgl. Schleef/ Kanzler/ Kraus/ Fuchs, 2006, S. 610 ff.
[3] Vgl. Achenbach/ Lieber/ Moormann, 2005, S. 18 ff.
[4] Vgl. Achenbach/ Lieber/ Moormann, 2005, S. 20 ff.
[5] Vgl. Kreditwerk Hypotheken-Management GmbH (Hrsg.), 2007, S. 1
[6] Vgl. Achenbach/ Lieber/ Moormann, 2005, S. 8
[7] Vgl. Bundesverband deutscher Banken e.V. (Hrsg.), 2006
[8] Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO (Hrsg.), 2006, S. 1
[9] Vgl. Kreditwerk Hypotheken-Management GmbH (Hrsg.), 2007, S. 1
[10] Das Modell der European Foundation for Quality kann folgendermaßen definiert werden: „The EFQM Excellence Modell provides a generic and universal framework by which a company can measure itself to identify areas of strength an areas for improvement. While shareholders value is the crude measurement of business, the EFQM Model provides a more refined measure of the health of a company.” Burge, 2001, S. 10 zitiert nach Lieber, 2004, S. 1
[11] Vgl. Herrmann, 2002, S. 298 f.
[12] Vgl. Interview Herr Bubolz, Sparkasse Kraichgau, 13.11.2007
[13] Vgl. Kaminske/ Bauer, 2006, S. 291 f.
[14] Vgl. Bicheno/ Otto, 2002, S. 30
[15] Vgl. Schmelzer/ Sesselmann, 2008, S. 393
[16] Vgl. Harry/ Schröder, 2001, S. 25
[17] Vgl. Töpfer, 2002, S. 320 ff.
[18] Töpfer, 2007, S. 41
[19] Vgl. Töpfer, 2007, S. 41
[20] Vgl. Töpfer, 2007, S. 42
[21] Vgl. Töpfer, 2007, S. 447 f.
[22] Töpfer, 2007, S. 448
[23] Vgl. Achenbach/ Lieber/ Moormann, 2005, S. 11
[24] Vgl. Bennek/ Nollau, 2004, S. 39 f
[25] Vgl. Achenbach/ Lieber/ Moormann, 2005, S. 4
[26] Vgl. Bergbauer, 2004, S. 3
[27] Vgl. Töpfer, 2007, S. 5
[28] Vgl. Kroslid/ Faber/ Magnusson/ Bergmann, 2003, S. 20
[29] Vgl. Kroslid/ Faber/ Magnusson/ Bergmann, 2003, S. 20
[30] Vgl. Pande/ Neumann/ Cavanagh, 2001, S. 49 ff.
[31] Vgl. Töpfer, 2007, S. 100 ff.
[32] Vgl. Bergbauer, 2004, S. 114
[33] Vgl. Töpfer, 2007, S. 106 f.
[34] Vgl. Kumar/ Crocker/ Chitra/ Saranga, 2006, S. 363 f.
[35] Vgl. Kumar/ Crocker/ Chitra/ Saranga, 2006, S. 6
[36] Vgl. Bergbauer, 2004, S. 91
[37] Vgl. Nollau/ Bennek, 2004, S. 78 ff.
[38] Vgl. Lunau, 2007, S. 13
[39] Vgl. Nollau/ Bennek, 2004, S. 80 f.
[40] Vgl. Töpfer, 2007, S. 101
[41] Vgl. Nollau/ Bennek, 2004, S. 81
[42] Vgl. Töpfer, 2007, S. 103 f.
[43] Vgl. Töpfer, 2007, S. 107
[44] Vgl. Lunau, 2007, S. 24
[45] Vgl. Töpfer, 2007, S. 107
[46] Gitlow/ Levine/ Popovich, 2006, S. 78
[47] Vgl. Lunau, 2007, S 60 ff.
[48] Vgl. Lunau, 2007, S. 134 ff.
[49] Vgl. Töpfer, 2007, S. 108 f.
[50] Töpfer, 2007, S. 109
[51] Vgl. Töpfer, 2007, S. 108
[52] Vgl. Lunau, 2007, S. 326 ff.
[53] Vgl. Lunau, 2007, S. 326
[54] Vgl. Lunau, 2007, S. 14
[55] Nollau/ Bennek, 2004, S. 82
[56] Nollau/ Bennek, 2004, S. 82
[57] Vgl. Töpfer, 2007, S. 468 f.
[58] Vgl. Töpfer, 2007, S. 466
[59] Vgl. Töpfer, 2007, S. 468 ff.
[60] Vgl. Töpfer, 2007, S. 465
[61] Vgl. Töpfer, 2007, S. 471
[62] Vgl. Töpfer, 2007, S. 472
[63] Vgl. Töpfer, 2007, S. 466
[64] Vgl. Töpfer, 2007, S. 467
[65] Vgl. Töpfer, 2007, S. 472
[66] Vgl. Lieber, 2004, S. 22
[67] Vgl. Nollau/ Bennek, 2004, S. 73
[68] Vgl. Gamweger/ Jöbstl, 2006, S. 27 f.
[69] Vgl. Gamweger/ Jöbstl, 2006, S. 26
[70] Vgl. Schleef/ Kanzler/ Kraus/ Fuchs, 2006, S. 563
[71] Brue/ Launsby, 2003, S. 92
[72] Vgl. Harry/ Schröder, 2001, S. 215 f.
[73] Vgl. Gygi/ DeCarlo/ Williams, 2006, S. 80
[74] Vgl. Gamweger/ Jöbstl, 2006, S.21 f.
[75] Vgl. Gamweger/ Jöbstl, 2006, S. 25 f.
[76] Vgl. Nollau/ Bennek, 2004, S. 75
[77] Vgl. Töpfer, 2007, S. 165 ff.
[78] Vgl. Töpfer, 2007, S. 167 f.
[79] Vgl. Achenbach/ Lieber/ Moormann, 2005, S. 6 f.
[80] Vgl. Wirtz/ Zeisberg, ohne Datum, S. 17 ff.
[81] Vgl. Nollau/ Bennek, 2004, S. 98
[82] Sarah-Isabel Conrad (VR Kreditwerk AG, Schwäbisch Hall), 2010
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