Das Hörwissen ist ein zentraler Begriff in den Sound Studies, einem Forschungsgebiet, das sich mit Sounds wie Musik, Tönen, Klängen und Geräuschen aller Art befasst. Das vorliegende Buch betrachtet ausgewählte Aspekte zum Hörwissen in den Sound Studies in Theorie und Praxis.
Die Theorie: Sylvia Valcárcel zerlegt den Begriff Hörwissen in seine einzelnen Bausteine, Hören und Wissen, beleuchtet die Rolle der Auralität und untersucht das Auditive in Abgrenzung zum Akustischen. Nachdem sie die Geschichte der Schallaufzeichnung seit deren Anfängen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachgezeichnet hat, identifiziert die Autorin das Konzept der audilen Technik als fundamental für das Verständnis vom Hörwissen. Darüber hinaus schlägt sie einen theoretischen Bogen zur relativ jungen Forschungsdisziplin der Technology Ethics und zeigt mögliche Anknüpfungspunkte zur Praxis auf.
Die Praxis: Zum einen unternimmt Sylvia Valcárcel – anthropologisch und musikethnologisch abgestützt – eine gedankliche „Klangreise“ zum Hörwissen in verschiedene Länder und Epochen. Die hierbei identifizierten außereuropäischen Formen des Hörwissens heben sich ganz wesentlich von dem im theoretischen Teil des Textes hergeleiteten ‚standardisierten‘, ‚westlichen‘ Hörwissen ab. Zum anderen untersucht die Autorin unter Rückgriff auf die Science and Technology Studies (STS) verschiedene Querschnittsthemen wie Medizin und Technik. Insgesamt ergeben sich erste Umrisse für eine ‚angewandte Theorie vom Hörwissen‘.
Das Buch richtet sich an Musikwissenschaftler:innen, Forschende und Studierende der Sound Studies und an alle, die sich für Fragen rund um Sounds und das Hören selbiger interessieren.
Inhaltsverzeichnis
Vorrede
Danksagung
0. Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis gender-gerechter und politisch korrekter Wörter
1. Einleitung
1.1. Einführende Überlegungen
1.2. Vorbemerkungen: Vom Hören in der Musikwissenschaft und in den Sound Studies
2. Hörwissen – Eckpfeiler für ein theoretisches Konzept
2.1. Hören, Zuhören und Wissen
2.1.1. Hören und Zuhören
2.1.2. Wissen
2.2. Hör-Wissen: Was ist gemeint?
2.2.1. (Zu-)Hören und die Rolle der Auralität
2.2.2. Vom Hören und Wissen
2.3. Vom Auditiven
2.3.1. Abgrenzung zum Akustischen
2.3.2. Exkurs I: Eine kleine Geschichte des Musikhörens
2.4. Technik, Technologie und Hörwissen
2.4.1. Audile technique/ audile Technik– Basis für ein Hörwissen?
2.4.2. Was wir wissen – ein Zwischenfazit
2.4.3. Exkurs II: Technology Ethics für ein neuzeitliches Hörwissen?
3. Hörwissen in der Praxis
3.1. Einführende Überlegungen und allgemeine Vorbemerkungen
3.2. Länderbezug
3.2.1. Vorbemerkungen und Vorgehen
3.2.2. Der Fall Englands im 18. und 19. Jahrhundert
3.2.3. Der Fall Kolumbiens im 19. Jahrhundert
3.2.4. Der Fall Papua-Neuguineas im 20. Jahrhundert
3.2.5. Afrikanische/ afroamerikanische Musik – Südafrika und USA
3.2.5.1. Der Fall Südafrika: 19. - Mitte des 20. Jahrhunderts
3.2.5.2. Der Fall USA: 19. - 21. Jahrhundert
3.2.6. Transkulturalität im Sound – Al-Andalus und Weitere
3.2.6.1. Al-Andalus und die Musik der iberischen Halbinsel
3.2.6.2. Postkoloniale Sounds
3.2.6.3. Kulturelle Alterität
3.2.7. Hörwissen nach Ländern und Kulturen – ein Zwischenfazit
3.3. Querschnittsthemen
3.3.1. Vorbemerkungen und Vorgehen
3.3.2. Medizin
3.3.3. Technik: mechanisch und IT-bezogen
3.3.3.1. Mechanisches Hören
3.3.3.2. Soundfile-Hören – IT-bezogenes Hören von Musik
3.3.4. Kunst am konkreten Fallbeispiel
3.3.5. Hörwissen nach Querschnittsthemen– ein Ausblick
4. Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick
5. Quellen
5.1. Literatur
5.2. Online-Quellen
6. Anhang: Bild America
7. Stichwort- und Namensverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Einführende Überlegungen
Die Sound Studies sind ein interdisziplinäres Forschungsgebiet rund um Fragen zu Sounds – Musik, Tönen, Klängen und Geräuschen aller Art. In diesem Forschungsgebiet wird dem Hören eine hervorgehobene Rolle zugesprochen, dies insbesondere mit Blick auf die Frage, welche Auswirkungen die technologischen Entwicklungen der Aufnahme von Sounds bis hin zu deren Produktion in den vergangenen gut 150 Jahren auf die Art des Hörens von Sounds und Musik gehabt haben. Vor diesem Hintergrund befasst sich die vorliegende Arbeit mit Rolle und Bedeutung des in den verschiedenen Wissenschaftsgebieten vorhandenen Wissens über das Hören, dem so genannten Hörwissen. Dies erfolgt zum einen theoretisch durch die Betrachtung und Herleitung der verschiedenen Kernbegriffe in diesem Bereich, zum anderen wird das Hörwissen im Hinblick auf seinen Praxisbezug analysiert. Aus diesem inhaltlichen Vorgehen ergibt sich folgender Aufbau der vorliegenden Arbeit.
Die Arbeit ist in zwei Hauptteile gegliedert. Im ersten Hauptteil (Kapitel 2) werden die theoretischen Grundlagen zu den Begrifflichkeiten rund um die Themen Hörwissen und Musikhören gelegt. Hierfür werden zunächst die einzelnen Begriffe ‚Hören‘ und ‚Sehen‘ in der Musik und den Sound Studies definiert, ferner zentrale begriffliche Konzepte wie das der Auralität, des Akustischen und des Auditiven vorgestellt. Dieser Teil der Arbeit beinhaltet auch einen kurzen historischen Überblick über die Geschichte der Klangaufzeichnung, insbesondere ihre Anfänge mit den ersten Aufzeichnungsgeräten wie Phonograph und Grammophon und den sich hieran anschließenden rasanten Entwicklungen mitsamt ihrer soziokulturellen Implikationen.
Der anwendungsbezogene zweite Hauptteil der Arbeit (Kapitel 3) legt sein Augen- und ‚Ohrenmerk‘ sodann auf empirische, praktische Studien. Er ist in zwei große Gedankenabschnitte untergliedert, einen länderbezogenen Gedankenabschnitt und einen weiteren mit Bezug zu Querschnittsthemen, also solchen Themen, die sich über Ländergrenzen hinweg thematisch verorten lassen, wie etwa Medizin, Technik oder Kunst. Die länderbezogenen Betrachtungen erfolgen anhand einiger ausgewählter Fallbeispiele und geben einen Einblick in die ganze Bandbreite kulturell bedingten möglichen Hörwissens. Die Betrachtungen zu den Querschnittsthemen eröffnen den Blick auf das immense Gebiet der Science and Technology Studies(STS), aus dem angesichts des begrenzten Umfangs einer kleinen wissenschaftlichen Arbeit nur einige wenige Themen, und diese auch nur in Ansätzen, herausgegriffen und betrachtet werden können.
Die Arbeit schließt mit einer Einschätzung der gewonnenen Erkenntnisse und einem Ausblick auf zukünftiges Forschungspotential in dem betrachteten Forschungsfeld.
1.2 Vorbemerkungen: Vom Hören in der Musikwissenschaft und in den Sound Studies
Das Hören von Tönen und Klängen, das Musikhören, ist seit ihren jeweiligen Anfängen nicht nur Gegenstand, sondern geradezu integraler Bestandteil der Musikwissenschaft und der Sound Studies. [1] Bei Letzteren ist überdies das Hören von Geräuschen aller Arten hinzuzuzählen. [2]
Hugo Riemann zufolge nimmt die Musikwissenschaft seit dem späten 19. Jahrhundert sowohl „die Natur des Klingenden“ als auch „die Musik als Praxis“ auf der Basis eines „umfassenden System(s) objektiv gültiger, nach Prinzipien geordneter Erkenntnisse“ [3] in den Blick. [4] In der Praxis hat sich – fast ein Jahrhundert nach dieser Aussage – beginnend in den späten 1970er Jahren und mit zunehmender Dynamik dann seit den 1980er Jahren über unterschiedliche Fachrichtungen hinweg mit den Sound Studies ein interdisziplinäres Forschungsgebiet entwickelt und zwischenzeitlich auch etabliert, welches das Phänomen Sound [5] stets an den Anfang und in das Zentrum aller seiner Betrachtungen stellt. [6] Zu den in den Sound Studies [7] vertretenen Fachrichtungen zählen neben der Akustikökologie, die Geschichtswissenschaft, z.B. der Gegenwart, der Kultur oder der Technik die Kulturwissenschaft, die Soziologie, die Literaturwissenschaft, die Kunstwissenschaft, die Anthropologie, auch die Musikwissenschaft. Das Inhaltsverzeichnis des von den Historikern Daniel Morat und Hansjakob Ziemer herausgegebenen Handbuch Soundzeugt von der Bandbreite der in den Sound Studies versammelten Fachdisziplinen: Betrachtet werden hier Kultur-, Medien-, Musik-, Geschichts-, Literatur- und Neurowissenschaft, ferner Philosophie, physikalische Akustik, Soziologie, Architektur, Ethnologie, Theaterwissenschaft und Wissenschaftsgeschichte. [8] Schließlich gehören auch die sogenannten science and technology studies (STS) ‚ also Wissenschafts- und Technologiestudien , zu dem Forschungsgebiet der Sound Studies – diese richten ihren Blick aus einer naturwissenschaftlichen, technologischen und medizinischen Perspektive auf das Thema Sound. [9]
Unabhängig von den hier vorgestellten Definitionen und vorgebrachten Argumenten zur Abgrenzung der Musikwissenschaft und der Sound Studies voneinander [10] konzentrieren sich die nachfolgenden Untersuchungen auf das Studium von Sounds und Klängen. Die Überlegungen stützen sich zwar im Wesentlichen auf das Forschungsgebiet der Sound Studies und auf die hierzu vorliegende Literatur, rekurrieren allerdings selbstverständlich auch auf musiktheoretische Arbeiten und Analysen klassischen Zuschnitts.
[...]
Aus dem Inhalt:
2.1.1 Hören und Zuhören
Die Begriffe Hören und Zuhörenlassen sich nicht getrennt voneinander denken und sind (nicht nur) in den Sound Studies auf das engste miteinander verbunden, bezeichnen sie doch zwei Aspekte ein und derselben Sache: einen rein physiologischen einerseits und einen eher psychologisch, kulturell, historisch und sozial determinierten andererseits. [11]
Das Hören ist zuallererst einmal ein physiologischer Vorgang, bei dem Schallwellen über das Außenohr aufgenommen, zum Mittelohr geleitet und anschließend zur Schnecke (Cochlea) im Innenohr transportiert werden. [12] Eine Vielzahl von im Hörnerv gebündelten Nerven übermittelt die aufgenommenen Schallwellen an das Gehirn und erzeugt dort die Wahrnehmung von Klang und Sound. [13] Voraussetzung für das individuelle Hören ist somit eine physiologische Fähigkeit.
Das Zuhören andererseits ist eher psychischer Natur, setzt es bei dem (Zu-)Hörer doch die Bereitschaft voraus, die Hörfähigkeit tatsächlich auszuüben. [14] Inwieweit das Zuhören im Einzelnen praktiziert wird, hängt allerdings ganz wesentlich vom vorherrschenden sozialen, historischen oder kulturellen Kontext ab, in dem es stattfindet. [15]
Im Englischen wird die Unterscheidung zwischen Hören und Zuhören an dem Begriffspaar hearing und listening festgemacht: Zuhören (listening) ist eine aktive Form des Hörens, also ein aktives Hören (active hearing) . [16]
Unter Musikhören wird im Weiteren das Hören und das Zuhören bezogen auf den Gegenstand ‚Musik‘ verstanden. [17] Auch ‚Musikhören‘ lässt sich entlang des Begriffspaares Hören – Zuhören begreifen. [18] Zwar ist dieses Thema in der Fachliteratur bereits intensiv behandelt worden, [19] für den weiteren Verlauf der Arbeit erscheint es jedoch wichtig, sich an dieser Stelle in wenigen Worten die westliche, ‚abendländische‘ Perspektive auf das Musikhören zu vergegenwärtigen: Die Anfänge des ‚aufmerksamen Musikhörens‘, so wie wir es heute kennen, lassen sich bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückverfolgen. [20] Im Zuge des Erstarkens des Bürgertums infolge der Französischen Revolution prägte sich das bürgerliche Ideal des aufmerksamen Zuhörens von Musik aus; wesentliche Faktoren hierfür waren der durch die Aufklärung begünstigte Wandel der Rolle des Komponisten weg vom gesponserten hin zum freien Künstler, der sprunghafte Anstieg an Musikveröffentlichungen sowie die hierdurch induzierte Zunahme von Hauskonzerten im engen Familienkreis. In diesem Zusammenhang ist oftmals auch von der ‚Kunst des Zuhörens‘, the art of listening , die Rede, die sich unter Rückgriff auf den griechischen Begriff techne , dem Vorläufer des lateinischen Begriffs ars, vereinfacht gesprochen als eine Art ‚Handwerkskunst des Zuhörens‘ versteht. Grundsätzlich betrachtet zeichnet sich das europäische Bürgertum des 19. Jahrhunderts durch ein überbordendes Maß an Introspektion aus und legt bezogen auf das Musikhören einen quasi ‚religiösen Eifer‘ an den Tag. [21] Schließlich ist das Musikhören im Konzert spätestens seit dem 19. Jahrhundert klaren und strengen Regeln unterworfen. [22]
[...]
3.3.2 Medizin
Hören und Zuhören in der Medizin
Ist die Rede vom Hören und Zuhören in der Medizin, so wird das Stethoskop und dessen Erfindung stets an erster Stelle genannt [23] – das Stethoskop gilt als Schlüsseltechnologie für das Hören in der Medizin, das hiermit durchgeführte korrekte medizinische Abhören als Inbegriff medizinischer Hörpraxis. [24] Als weiteres zentrales Element medizinischen Hörens ist die menschliche Stimme zu nennen, konkret die Stimme (voice) des Patienten, die im Rahmen des Arzt-Patienten-Gesprächs die Diagnostik unterstützt und so das auditiv gewonnene Wissen des Arztes für seine Diagnose ergänzt. [25]
Belange und Bedingungen des Hörens und des Zuhörens
Das medizinische Hören und Zuhören mit Hilfe des Stethoskops erlaubt ein ‚mittelbares‘ Hören: Der Arzt ist nicht gezwungen, sein Ohr direkt auf das zu untersuchende Körperteil des Patienten zu legen oder drücken – falls dies anatomisch überhaupt möglich ist. [26] Diese mittelbare Form des Abhörens hat auch den ‚sozialen‘ Vorteil, dass der Arzt eine gewisse Distanz zu seinem Patienten wahren kann. Überdies tritt bei der Nutzung des Stethoskops die Trennung des Hörsinns von den übrigen Sinnen zutage, was ebenfalls als wichtiges Element der Moderne gilt. [27]
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Hören ein Schlüssel für die moderne Medizin ist, das Stethoskop ferner zentral für das durch Hören erworbene medizinische Wissen. [28]
Implikationen für das Hörwissen
Wie weiter oben beschrieben, ermöglicht auch die Stimme des Patienten im Zusammenspiel mit den Abhörergebnissen des Stethoskops dem Arzt, durch Zuhören gewonnenes Wissen, also Hörwissen, zu generieren. Das Hören beschränkt sich somit nicht auf das reine Erfassen des gesprochenen Wortes (vornehmlich des Patienten); es wird zu einer eigenen Untersuchungstechnik, die gemeinsam mit dem Stethoskop in die Erzeugung ärztlichen Hörwissens mündet. [29]
[...]
[1] Der Musikwissenschaftler Hugo Riemann (1849-1919) entwickelte das Konzept des musikalischen Hörens bereits in seiner im Jahre 1871 eingereichten Dissertationsschrift, vgl. Hugo Riemann, Ueber das musikalische Hören . Dissertation zur Erlangung der philosophischen Doctorwürde, erstmalig Leipzig: Fr. Andrä’s Nachfolger 1874, Faksimile Ausgabe, London: FB&cLtd. 2018. Ferner Riemann, Hugo, „Hören“, in: Hugo Riemann (Hg.), Riemann Musiklexikon, Sachteil , Mainz: B. Schott’s Söhne, zwölfte völlig neubearbeitete Aufl. 1967, S. 373.
[2] Diese Interpretation unterstellt ein dichotomes Verständnis von Musik und Geräusch; vgl. hierzu und nachfolgend Melanie Wald-Fuhrmann, Art. „Musikwissenschaft, Hauptgebiete“, in: Laurenz Lütteken (Hg.), MGG Online, New York, Kassel und Stuttgart: J.B. Metzler 2016ff., veröffentlicht im Juni 2022, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/404581 (letztmalig aufgerufen am 28.04.2023). Akzeptiert man diese Sichtweise gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung populärer Musikformen seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hingegen nicht, so bleibt das Verhältnis zwischen Musikwissenschaft und Sound Studies klärungsbedürftig und somit möglicher Ausgangspunkt und zugleich Untersuchungsgegenstand weiterführender theoretischer (und praktischer) Überlegungen.
[3] Hugo Riemann, „Musikwissenschaft“, in: Hugo Riemann (Hg.), Riemann Musiklexikon, Sachteil , Mainz: B. Schott’s Söhne, zwölfte völlig neubearbeitete Aufl. 1967, S. 615ff. Vgl. im Weiteren ebenda in Verb. mit Georg Feder, „Musikwissenschaft“, in: Musiklexikon – in vier Bänden, Neuauflage von DAS NEUE LEXIKON DER MUSIK, auf der Grundlage des von G. Massenkeil herausgegebenen GROSSES LEXIKON DER MUSIK (1978-82/1987), einer Bearbeitung des DICTIONNAIRE DE LA MUSIQUE von M. Honegger (1976), Stuttgart und Weimar: J.B. Metzler, 2. aktualisierte und erweiterte Aufl. 2005, dritter Band, S. 404.
Historisch steht die Musikwissenschaft beginnend im 14. Jahrhundert in der Nachfolge einer antiken Musiktheorie, die als Teilgebiet der sieben mittelalterlichen artes liberales die Intervalle und deren Zahlenproportionen untersuchte, ferner deren Kategorisierung in ‚konsonant‘ und ‚dissonant‘ vornahm. Zunächst den Naturwissenschaften zugeordnet, gilt sie ab dem 16 Jahrhundert als den Geisteswissenschaften zugehörig, vgl. ebenda.
[4] Anders Wald-Fuhrmann, die unter Bezugnahme auf die Kontroverse zwischen Guido Adler (österreichischer Musikwissenschaftler (1855-1941)) und Philipp Spitta (deutscher Musikwissenschaftler (1841-1894)) von einer durch Letzteren favorisierten faktischen Trennung der zeitgenössischen Musikpraxis von den hiermit in Verbindung stehenden theoretischen Reflexionen und musikästhetischen Betrachtungen ab dem Ende des 19. Jahrhunderts spricht; vgl. Wald-Fuhrmann, Fußnote 2.
[5] Sound ist zunächst einmal eine Vibration, die sich in der menschlichen Wahrnehmung des Hörens materialisiert; vgl. David Novac / Matt Sakakeeny, “Introduction”, in: David Novac / Matt Sakakeeny (Hg.): Keywords in Sound, Durham und London: Duke University Press 2015, S. 1.
[6] Vgl. hierzu und nachfolgend Trevor Pinch / Karin Bijsterveld, “New Keys to the World of Sound”, in: Trevor Pinch / Karin Bijsterveld (Hg.), The Oxford Handbook of Sound Studies , New York: Oxford University Press 2012, S. 7. In diesem Sinne auch Christoph Cox / Daniel Warner, „Introduction to the Revised Edition: Music and the New Audio Culture”, in: Christoph Cox / Daniel Warner (Hg.), Audio Culture. Readings in Modern Music , Revised Edition, New York u.a.: Bloomsbury Academic 2017, S. xiv.
Subsumiert man unter Sounds auch Sprechen, Lärm und Stille, so nehmen die Sound Studies eine breiter angelegte Betrachtungsperspektive als die üblichen musikwissenschaftlichen Teilbereiche ein; vgl. Kyle Devine, “Sound Studies”, in: Deane Root et al. (Hg.), Grove Music Online, Oxford u.a.: Oxford University Press 2014, veröffentlicht im November 2013, online im Januar 2014, https://www.oxfordmusic.online.com/grovemusic/
display/10.1093/gmo/9781561592630.001.0001/omo-9781561592630-e-1002258177 (letztmalig aufgerufen am 29.04.2023); vgl. auch die diesbezüglich offene Fragestellung bei Wald-Fuhrmann; Fußnote 2.
[7] Vgl. für die Sound Studies stellvertretend auch das Einleitungskapitel “Sonic Imaginations” des Sammelbandes Jonathan Sterne (Hg.), The Sound Studies Reader , New York: Routledge 2012, S. 1ff.
Der Kommunikations- und Kulturwissenschaftler Jonathan Sterne leitet gegenwärtig den Lehrstuhl für Geisteswissenschaften und Kommunikationsstudien der McGill Universität in Montreal in Kanada; vgl. o.V., https://sterneworks.org/ (letztmalig aufgerufen am 25.06.2023).
[8] Vgl. Daniel Morat und Hansjakob Ziemer (Hg.), Handbuch Sound. Geschichte – Begriffe – Ansätze, Stuttgart: J.B. Metzler 2018.
[9] Vg. Pinch / Bijsterveld, Fußnote 6, S. 6.
[10] Siehe hierzu beispielhaft die von der deutschsprachigen Literatur zur Musikwissenschaft traditionellen Charakters dominierte Sichtweise der beiden Beiträge von Bettina Schlüter und Sabine Sanio in dem Sammelband Axel Volmar / Jens Schröter (Hg.), AuditiveMedienkulturen. Techniken des Hörens und Praktiken der Klanggestaltung, Bielefeld: transcript 2013: Bettina Schlüter, “Musikwissenschaft als Sound Studies. Fachhistorische Perspektiven und wissenschaftstheoretische Implikationen“, ebenda, S. 207ff. und Sabine Sanio, „Sound Studies – auf dem Weg zu einer Theorie auditiver Kultur. Ästhetische Praxis zwischen Kunst und Wissenschaft“, vgl. ebenda, S. 227ff.
[11] Vgl. in diesem Sinne etwa Tom Rice, „Listening“, in: David Novac / Matt Sakakeeny (Hg.): Keywords in Sound. Durham und London: Duke University Press 2015, S. 99.
[12] Vgl. John J. Rosowski, “External and middle ear function”, in: Paul A. Fuchs (Hg.), The Oxford Handbook of Auditory Science. The Ear, Vol. 1, Oxford: Oxford University Press 2010, S. 50f., 55.
[13] Vgl. Manuel S. Malmierca / Troy A. Hackett, “Structural organization of the ascending auditory pathway”, in: Adrian Rees / Alan R. Palmer (Hg.), The Oxford Handbook of Auditory Science. The Auditory Brain . Vol. 2, Oxford: Oxford University Press 2010, S. 9f.
[14] Für den Zusammenhang zwischen den physiologischen Gegebenheiten des Hörens und seinen psychoakustischen Auswirkungen auf die tatsächliche ‚Hör-Wahrnehmung‘ vgl. Christopher J. Plack, „Overview“, in: Christopher J. Plack (Hg.), The Oxford Handbook of Auditory Science. Hearing , Vol. 3, Oxford: Oxford University Press 2010, S. 1. Roland Barthes zufolge lässt sich das Zuhören nur durch sein Objekt erfassen, oder aber durch dessen Ausrichtung, vgl. Roland Barthes, Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 9. Aufl. 2019, S. 249.
[15] Vgl. beispielsweise Christian Thorau / Hansjakob Ziemer, „The Art of Listening and its Histories. An Introduction”, In: Christian Thorau / Hansjakob Ziemer, The Oxford Handbook of Music Listening in the 19 th and 20 th Centuries , New York: Oxford University Press 2019, S. 19. Thorau und Ziemer weisen darauf hin, dass das Hören von Musik und Sounds immer auch ein Ergebnis der sie begleitenden historischen und soziokulturellen Umstände und insofern ein Produkt von Ort und Zeit ist, in denen das Musikhören stattfindet. Ähnlich aus musikphilosophischer Sicht auch René Thun, Der Klang der Vernunft.Eine Philosophie neuer Musik. Bielefeld: transcript 2017, S. 108.
[16] Vgl. für das Konzept des listening Karen Mattock / Sygal Amitay / David R. Moore, „Auditory development and learning”, in: Christopher J. Plack (Hg.), The Oxford Handbook of Auditory Science. Hearing , Vol. 3, Oxford: Oxford University Press 2010, S. 299.
[17] Hugo Riemann nennt dies das musikalische Hören; vgl. Riemann, Fußnote 1.
[18] Vgl. Eric Clarke / Nicola Dibben / Stephanie Pitts, Music and Mind in Everyday Life , Oxford und New York: Oxford University Press 2010, S.65. Gemäß Clarke, Dibben und Pitts stellt (Musik-)Hören sich an einem Ende einer gedachten Skala als passives Hintergrundhören dar, wohingegen das Zuhören am anderen Ende dieser Skala eine aktive, komplett fokussierte Tätigkeit ist – in der Praxis liegt zwischen diesen beiden Polen ein ganzes Kontinuum an Höraktivitäten; vgl. ebenda. Die Unterscheidung zwischen hearingund listening im Kontext mit Musik erscheint den Autoren der Monographie derartig wichtig, dass sie ihr ein ganzes Kapitel widmen; vgl. ebenda, S. 65-78.
[19] Vgl. stellvertretend Thorau / Ziemer, Fußnote 15, S. 1 ff.
Für eine Vielzahl einzelner Aspekte des Musikhörens vgl. ferner den Sammelband von Christoph Cox / Daniel Warner (Hg.), Audio Culture. Readings in Modern Music Revised Edition, New York u.a.: Bloomsbury Academic, 2017, S. 87-165.
[20] Vgl. hierzu und nachfolgend Gordon Cheers (Hg.), Musica. Die großen Komponisten und ihre Zeit , Rheinbreitbach: h.f. ullmann, tandem 2011, S. 152 f., 158 f., 164 ff. in Verb. mit Thorau / Ziemer, Fußnote 15.
[21] Siehe für eine umfassende Analyse dessen, was das europäische ‚Bürgertum‘ im 19. Jahrhundert bewegte und ausmachte, die Ausführungen des Historikers Peter Gay, The Naked Heart.Vol. 4 ofThe Bourgeois Experience. Victoria to Freud, New York, London: Norton 1995, S. 10 ff.
[22] Vgl. etwa Axel Volmar, „Experiencing High Fidelity. Sound Reproduction and the Politics of Music Listening in the Twentieth Century“, In: Christian Thorau / Hansjakob Ziemer (Hg.), The Oxford Handbook of Music Listening in the 19 th and 20 th Centuries , New York: Oxford University Press 2019, S. 410. Als ‚Klassiker‘ einer normativen Sichtweise auf das Musikhören sei an dieser Stelle Theodor Adornos Beitrag „Über den Fetischcharakter in der Musik und die Regression des Hörens“, in: Theodor W. Adorno, Dissonanzen. Einleitung in die Musiksoziologie , Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1973, Taschenbuch in 3. Aufl. 2017, S. 14 ff. genannt.
[23] Vgl. bspw. Pinch / Bijsterveld, Fußnote 6, S. 5, Karin Bijsterveld, Sonic Skills. Listening for Knowledge in Science, Medicine and Engineering (1920s-Present) , London: Palgrave Macmillan 2019, S. 3, 12. Ferner Tom Rice, “Sounding Bodies: Medical Students and the Acquisition of Stethoscopic Perspectives”, in: Trevor Pinch / Karin Bijsterveld (Hg.),The Oxford Handbook of Sound Studies, New York: Oxford University Press 2012, S. 298ff. Die Schulung angehender Mediziner in Fragen rund um die Auskultation, also dem medizinischen Abhören, betrachtet Rice in einem eigenen Abschnitt unter der Überschrift “Learning to Listen“; vgl. ebenda, S. 306ff.
Erfunden wurde das Stethoskop im Jahr 1816 von dem französischen Arzt René Laennec; vgl. Smith, Fußnote 36, S. 48.
Karin Bijsterveld unternimmt in ihrer Monographie Sonic Skills aus dem Jahr 2019 den Versuch, eine Typologie für den Einsatz des Stethoskops zu entwickeln; vgl. Fußnote 194, S. 62ff. Bijsterveld unterscheidet zwei Anlässe für das medizinische Zuhören: (1) den Grund (why) und (2) die Art und Weise (how). Für jeden dieser Anlässe unterscheidet sie sodann drei Typen, woraus sie eine zweidimensionale Matrix mit insgesamt neun ‚Zuhörenstypen‘ konstruiert; vgl. ebenda, S. 73. Die Typologie ist theoretisch sehr interessant, erscheint für eine Anwendung in der Praxis jedoch zu komplex.
[24] So ist auch Sterne zu verstehen, vgl. Jonathan Sterne, „Medicine’s Acoustic Culture. Mediate Auscultation, the Stethoscope and the ‘Autopsie of the Living’, in: Michael Bull / Les Back, The Auditory Culture Reader , Oxford und New York: Berg 2003, S. 192. Darüber hinaus strukturiert und formalisiert das Stethoskop die Arzt-Patienten-Beziehung auf maßgebliche Weise; vgl. ebenda.
[25] Die hierbei auditiv gewonnenen Erkenntnisse werden schließlich durch den visuellen Beweis des Auges komplettiert; vgl. ebenda, S. 203. Da Sterne eine historische Untersuchung vornimmt, sei hier ergänzend auf moderne visuelle Diagnoseergebnisse wie Bilder von Ultraschallaufzeichnungen, auch Röntgen-, CT- oder MRT-Bilder hingewiesen.
[26] Sterne spricht von ‚mediate auscultation‘; vgl. hierzu und nachfolgend Sterne, Fußnote 195, S. 193ff. Ferner Smith, Fußnote 36, S. 48.
[27] Vgl. ebenda (beide Quellen).
[28] Vgl. ebenda.
[29] Vgl. Sterne, Fußnote 195, S. 204.
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