Gibt es allgemeine ethische Grundsätze?

Überlegungen zu Recht und Unrecht bei Thomas Nagel


Seminararbeit, 2009

14 Seiten, Note: 1,1


Leseprobe


INHALT

1. EINLEITUNG

2. RECHT UND UNRECHT BEI THOMAS NAGEL (THESEN)

3. ÜBERLEGUNGEN ZU RECHT UND UNRECHT AM BEISPIEL FOLTER
3.1 Recht und Unrecht sind unabhängig von Regeln und Gesetzen
3.2 Wir handeln moralisch, weil wir selbst moralisch behandelt werden
wollen
3.3 Recht und Unrecht sind möglicherweise Relativ
3.4 Ethik existiert möglicherweise überhaupt nicht
3.5 Ethik appelliert an eine unparteiische Motivation

4. SCHLUSSBETRACHTUNG

LITERATURVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

Die meisten Menschen leben in einer Gemeinschaft mit anderen Menschen, sei es im kleinen Kreis der Familie oder im größeren Zusammenhang der Gesellschaft eines Staa­tes, in unserer Vorstellung sogar mit allen Menschen auf der Erde. Jede Art des Zusam­menlebens mit Anderen baut auf einem rücksichtsvollen, sittlichen Verhalten gegenüber den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft auf, anders könnte keine Gemeinschaft, ob in großen oder kleinen Zusammenhängen, existieren.

Ein Zusammenleben von Menschen erfordert also ethische Grundsätze und im allgemei­nen nehmen wir an, dass diese existieren und für jeden dieselben sind. Betrachtet man jedoch das alltägliche Zusammenleben von Menschen, ergeben sich immer wieder sittli­che Probleme, die nicht eindeutig durch die Sittenlehre oder Ethik (vom gr. Ethos ~ Sit­te, Charakter, Gewohnheit) [1] gelöst werden können. Häufig stehen bei einem konkreten zwischenmenschlichen Problem mehrere ethische Grundsätze im Konflikt miteinander und es ist unklar ob ein ethischer Grundsatz höher gestellt werden kann als ein anderer. Die Idee von Recht und Unrecht baut auf ethischen Grundsätzen auf. Es zeigt sich aber oft, dass es schwierig ist, ethische Grundsätze in allen Wechselfallen des Lebens so zu konkretisieren, dass man eindeutig Recht und Unrecht daraus ableiten könnte. Recht und Unrecht sind nicht immer eindeutig bestimmbar.

Es stellt sich die Frage ob man, auch wenn ethische Grundsätze nicht eindeutig konkre­tisierbar sind, von der Existenz allgemeiner ethischer Grundsätze ausgehen kann. Oder ist es vielmehr so, dass es allgemeine Ethische Grundsätze überhaupt nur geben kann, wenn sie sich auch in allen Fällen konkret formulieren und anwenden lassen? Muss man wenn eine konkrete Formulierung ethischer Grundsätze nicht möglich ist, davon ausge­hen, dass es keine ethischen Grundsätze geben kann?

Diese Fragen sollen nun anhand der Thesen zu Recht und Unrecht von Thomas Nagel an einem Beispiel verdeutlicht, erörtert und geklärt werden. Zunächst sollen die grund­legenden Thesen die Thomas Nagel in seinem Buch „Was bedeutet das alles? Eine ganz kurze Einführung in die Philosophie“ bespricht, dargelegt werden. Im weiteren Verlauf werden diese Thesen am Beispiel geprüft und erörtert um die Grundlagen für ein ab­schließendes Fazit zu schaffen.

2. RECHT UND UNRECHT BEI THOMAS NAGEL

In seinem Buch „Was bedeutet das alles? Eine ganz kurze Einführung in die Philoso­phie“, gibt Thomas Nagel im Kapitel „Recht und Unrecht“ einen Überblick über die Problematik einer klaren Definition von Recht und Unrecht.

Er stützt seine Überlegungen auf fünf Kernthesen, die im weiteren Verlauf nachvollzo­gen und am einem Beispiel erörtert werden sollen. Die fünf Kernthesen sind:

- Recht und Unrecht sind unabhängig von Regeln und Gesetzen

Recht und Unrecht sind nicht gleichzusetzen mit Gesetzen und darauf aufbauen­den Regeln, denn Regeln und Gesetze können Unrechtes befehlen oder Rechtes verbieten.[2]

- Wir handeln moralisch, weil wir selbst moralisch behandelt werden wollen

Wir denken alle, dass es nicht nur für uns schlecht ist, wenn wir leiden, sondern > schlechthin schlechte Das gibt uns einen Grund auch niemand anderen schlecht zu behandeln.[3]

- Recht und Unrecht sind möglicherweise relativ

Möglicherweise sind Recht und Unrecht relativ in Bezug auf Motivation, Zeit, Ort und Gesellschaft/soziales Umfeld. Sind Recht und Unrecht vielleicht gar nicht allgemein gültig, sondern werden abhängig von sozialen Gegebenheiten oder einer bestimmten Epoche, immer wieder anders definiert?[4]

- Moral existiert möglicherweise überhaupt nicht

Möglicherweise handelt jeder ausschließlich aus egoistischen Motiven, auch wenn es scheint, dass seine Motive moralisch seien. So nimmtjemand vielleicht nur Rücksicht um Schuldgefühle zu vermeiden.[5]

- Ethik appelliert an eine unparteiische Motivation

Ethik appelliert an eine unparteiische Motivation, die in jedem von uns vorhan­den sein soll, sichjedoch gegen andere (beispielsweise egoistische) Motive oder Interessen durchsetzen muss.[6]

Diese für Thomas Nagels Überlegungen grundlegenden Thesen sollen im weiteren ge­nauer betrachtet und unter Einbeziehung seiner argumentativen Ansätze, nachvollzogen, genauer erörtert und geprüft werden.

3. ÜBERLEGUNGEN ZU RECHT UND UNRECHT AM BEISPIEL FOLTER

Foltern, also vorsätzliches Quälen und erniedrigen von Menschen oder anderen Lebe­wesen, wird intuitiv als eine zutiefst unmoralische, ethisch nicht zu vertretende Hand­lung verstanden. Es ist in vielen Fällen gesetzlich verboten und gilt allgemein als Un­recht. Hier scheint Unrecht also eindeutig definiert zu sein. Probleme ergeben sich aber, wenn man konkrete Fälle von Folter betrachtet, zum Beispiel, wenn durch die Folter ein möglicherweise noch größeres Unrecht verhindert werden soll. Oft wird dann die Folter mit moralischen Absichten begründet, wie zum Beispiel wenn im Gefangenenlager Guantanamo Folter erlaubt wird, mit der Begründung, nur so könne man Anschläge ver­hindern, die viele unschuldige Menschen gefährden würden. Es stellt sich die Frage, ob ein Unrecht durch ein anderes, möglicherweise größeres ethisch vertretbarer werden kann.

Im folgenden soll versucht werden, Thomas Nagels Überlegungen am Beispiel Folter zu prüfen und Unklarheiten über Recht und Unrecht am extremen Beispiel der Folter dar­zustellen und zu verdeutlichen.

3.1 RECHT UND UNRECHT SIND UNABHÄNGIG VON REGELN UND GE­SETZEN

Zu Anfang seines Kapitels über Recht und Unrecht macht Thomas Nagel deutlich, dass es grundlegend für Betrachtungen zu diesem Thema ist, Recht und Unrecht von Regeln und Gesetzen zu unterscheiden. Der Gedanke von Recht und Unrecht sei ein anderer als die Idee von einem Regelverstoß oder einer Regelkonformität, denn sonst, so schreibt er, „wäre er bei der Bewertung von Regeln, wie auch von Handlungen nicht brauchbar.“[7]

Erlaubt beispielsweise eine Regierung per Gesetz Folter als Methode im Verhör von Ge­fangenen, so bleibt das vorsätzliche Quälen eines anderen trotzdem eine unrechte Hand­lung. Genauso kann eine rechte Handlung, wie die, einem Gequälten Hilfe zu leisten, durch ein schlechtes Gesetz verboten werden, jedoch bleibt sie auch dann im morali­schen Sinn eine rechte Handlung. Ein gutes Beispiel dafür ist der Fall des Kapitäns der „Cap Anamur“, der in Seenot geratene Flüchtlinge rettete und dafür in Italien wegen Beihilfe zu illegaler Einwanderung angeklagt wurde. Er handelte im moralisch rechten Sinne was auch sein Freispruch bestätigt, jedoch gab es schlechte Gesetze, die diese Handlung als eine unrechte einordneten.[8]

Recht und Unrecht sind also unabhängig und nicht gleichzusetzen mit Regeln oder Ge­setzen, wie sie beispielsweise in einem Staat festgelegt werden. Dieser kann sich bemü­hen, seine Gesetze aufgrund eines moralischen Grundsatzes von Recht und Unrecht zu gestalten, aber man kann nicht davon ausgehen, dass diese wirklich übereinstimmen. Betrachtet man den Fall der Folter von Gefangenen in Guantanamo, hieße dies, dass ob­wohl die Folter von der Regierung legitimiert wurde um andere zu schützen, das Foltern der Gefangenen doch eine unrechte Handlung bleibt und sich die aus führenden Perso­nen sowie diejenigen, die diese Handlung legitimiert haben, schuldig gemacht haben.[9] Diese Überlegungen deuten daraufhin, dass Recht und Unrecht eine allgemeinere Gül­tigkeit haben, die unabhängig von Umständen geltend gemacht werden kann.

Wie ist es aber trotz einer solchen allgemeinen Gültigkeit möglich, zuwider dieses Maß­stabs zu handeln und zum Beispiel ein unrechtes Gesetz zu erlassen? Und warum bleibt die Folter eines Einzelnen trotzdem Unrecht, auch wenn damit viele unschuldige Men­schen vor dem Tod bewahrt werden können? Warum sollen wir auch in so einem Fall moralisch handeln obwohl wir dadurch möglicherweise sogar andere gefährden?

[...]


[1] Vgl. Heinrich Schmidt, Philosophisches Wörterbuch, 1991 S. 604

[2] Vgl. Thomas Nagel, 1987 S. 51

[3] Vgl. Thomas Nagel, 1987 S. 52-57

[4] Vgl. Thomas Nagel, 1987 S. 59-62

[5] Vgl. Thomas Nagel, 1987 S.63

[6] Vgl. Thomas Nagel, 1987 S.64

[7] ThomasNagel, 1987 S. 51

[8] http://www.tagesschau.de/inland/meldung88612.html http://www.tageschau.de/ausland/capanamur114.html

[9] http://www.netzeitung.de/ausland/841630.html http://www.tagesschau.de/ausland/obamacia102.html

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Gibt es allgemeine ethische Grundsätze?
Untertitel
Überlegungen zu Recht und Unrecht bei Thomas Nagel
Hochschule
Hochschule für Bildende Künste Dresden
Veranstaltung
Seminar "Thomas Nagel: Was bedeutet das Alles? Eine ganz kurze Einführung in die Philosophie"
Note
1,1
Autor
Jahr
2009
Seiten
14
Katalognummer
V147041
ISBN (eBook)
9783640562923
ISBN (Buch)
9783640562466
Dateigröße
458 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Philosophie, Ethik, Recht, Unrecht, Folter, Moral, Thomas Nagel, Guantanamo, Grundsatz, gerecht
Arbeit zitieren
Svenja Wichmann (Autor:in), 2009, Gibt es allgemeine ethische Grundsätze?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147041

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