Das fundamentale Gebot des Alten Testaments lautet wie folgt: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele, aus deinem ganzen Gemüte und mit allen deinen Kräften!
Was bedeutet es aber Gott aus ganzem Herzen zu lieben? Ermöglicht die Liebe zu Gott eine diesseitige oder jenseitige Glückseligkeit? Darf ich eine „Gegenleistung“ erwarten, indem in mir durch meine Liebe zu Gott und durch mein dadurch geprägtes Verhalten die das Licht der Hoffnung auf das Paradies leuchtet? Braucht die Liebe Beweise, dass sie auf Gegenseitigkeit beruht? Darf ich böse auf Gott sein, wenn ich mich für ihn hingebe, ihn liebe und verehre, aber dennoch einen Platz in der Hölle zugewiesen bekomme? Wie erfahre ich, dass Gott meine Liebe verdient? Zu all diesen Fragen hat der Quietismus, eine mystische Geistesströmung, die vor allem im 17. Jh. in der christlichen Frömmigkeit auftrat, versucht Antworten zu liefern. Jeanne Marie Bouvieres de la Mothe Guyon wurde gemessen an der Wirkungsgeschichte die erfolgreichste Vertreterin des mystischen Quietismus. Sie kam durch ihre frühe Klostererziehung mit dem mystischen Gedankengut innerster Christusfrömmigkeit in Berührung. Gegen ihren Willen wurde sie bereits als sechzehn Jährige mit dem wesentlich älteren und kränklichen Jacques Guyon verheiratet. Sie sorgte sich um ihren Ehemann und ihre fünf Kinder und lebte zugleich nach dem Tod ihres Mannes zunehmend in der mystischen Übung des innerlichen Lebens und der inneren Einkehr im „stillen Gebet“. Nach einer freiwillig aufgegebenen Leiterposition einer Vereinigung von calvinistischen Konvertitinnen, gab sie ihren großen Besitz zugunsten der Armen auf und ließ sie sich in Thonon am Genfer See als freie religiöse Schriftstellerin mystischer Erbauungsliteratur nieder. Es begann eine außergewöhnlich erfolgreiche und wirkungsvolle schriftstellerische Tätigkeit, obwohl sie keine formale Bildung genossen hatte. Sie schrieb Traktate über die Gottesliebe. Zeugnis dessen ist der Quietismusstreit zwischen Jacques Bénigne Bossuet und François Fénelon. Bei diesem wird im Grundsätzlichen über folgende Fragen gestritten: Ist es möglich Gottesliebe zu üben, ohne die Tugend der Hoffnung auf zukünftigen Lohn aufgeben zu müssen? Und die Gegenfrage wie es möglich sei nach der Auslöschung des Verlangens zu verlangen. Diese Arbeit soll einen Versuch darstellen diese Fragen zu erläutern.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- Der Quietismus
- Biographie und Wirken von Jacques Bénigne Bossuet
- Biographie und Wirken von François de Salignac de La Mothe-Fénelon
- Der Quietismusstreit
- Über die reine Liebe (amour pur)
- Schluss
- Quellenangabe
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Quietismusstreit zwischen Fénelon und Bossuet im 17. Jahrhundert. Sie beleuchtet die philosophischen und theologischen Fragen, die im Zentrum dieses Streits standen, insbesondere die Natur der Gottesliebe und die Rolle der Hoffnung auf zukünftigen Lohn im christlichen Glauben. Die Arbeit zielt darauf ab, die unterschiedlichen Positionen der beteiligten Akteure zu analysieren und zu vergleichen.
- Der Quietismus als mystische Geistesströmung
- Die unterschiedlichen Auslegungen der Gottesliebe (amour pur)
- Die Rolle der Hoffnung und des Verlangens im Kontext der Gottesliebe
- Der Konflikt zwischen Fénelon und Bossuet und dessen theologische Implikationen
- Die Wirkung des Quietismusstreits auf die christliche Frömmigkeit
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik des Quietismus ein und stellt die zentralen Fragen nach der Bedeutung der Gottesliebe und der möglichen Verbindung zwischen Liebe zu Gott und Glückseligkeit. Sie skizziert den historischen Kontext des Quietismus im 17. Jahrhundert und die Bedeutung des Streits zwischen Bossuet und Fénelon für das Verständnis dieser mystischen Bewegung. Der Bezug auf das alttestamentarische Gebot der Gottesliebe bildet den Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Interpretationen der Gottesliebe innerhalb des Quietismus.
Der Quietismus: Dieses Kapitel beschreibt den Quietismus als eine heterodoxe Geistesströmung des 17. Jahrhunderts, die ihre Wurzeln in augustinischem Denken findet. Es werden die zentralen Lehren des Quietismus erläutert, insbesondere die Betonung der passiven Hingabe an Gottes Wirken und die Ablehnung jeglicher menschlichen Anstrengung im Streben nach Gott. Die Kapitel beschreibt die unterschiedlichen Ausprägungen des Quietismus, wie den rigorosen Quietismus von Miguel de Molinos und den Semi-Quietismus von Madame Guyon, und hebt deren jeweilige Unterschiede und Gemeinsamkeiten hervor. Der Fokus liegt auf der zentralen Idee der uneigennützigen Liebe zu Gott, die unabhängig von jeglichem Verlangen nach Belohnung sein soll. Die abschreckende Aussage "Es ist besser Gott zu lieben und in der Hölle zu sein, als den Himmel zu gewinnen, aber ohne Gottesliebe zu sein," veranschaulicht die Radikalität dieser Position.
Schlüsselwörter
Quietismus, Gottesliebe, amour pur, Hoffnung, Verlangen, Jacques Bénigne Bossuet, François de Salignac de La Mothe-Fénelon, Madame Guyon, Miguel de Molinos, christliche Mystik, theologische Kontroverse, 17. Jahrhundert.
Häufig gestellte Fragen zum Quietismusstreit zwischen Fénelon und Bossuet
Was ist der Inhalt dieses Textes?
Dieser Text bietet einen umfassenden Überblick über den Quietismusstreit zwischen Jacques Bénigne Bossuet und François de Salignac de La Mothe-Fénelon im 17. Jahrhundert. Er beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, eine Beschreibung der Zielsetzung und der Themenschwerpunkte, Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel und eine Liste der Schlüsselwörter. Der Fokus liegt auf der Analyse der philosophischen und theologischen Differenzen zwischen Bossuet und Fénelon, insbesondere bezüglich der Natur der Gottesliebe ("amour pur") und der Rolle von Hoffnung und Verlangen im christlichen Glauben.
Welche Themen werden im Text behandelt?
Der Text behandelt den Quietismus als mystische Geistesströmung, die unterschiedlichen Auslegungen der Gottesliebe ("amour pur"), die Rolle von Hoffnung und Verlangen im Kontext der Gottesliebe, den Konflikt zwischen Fénelon und Bossuet mit seinen theologischen Implikationen und die Wirkung des Quietismusstreits auf die christliche Frömmigkeit. Es werden Biografien von Bossuet und Fénelon sowie die Lehren von wichtigen Quietisten wie Miguel de Molinos und Madame Guyon behandelt.
Was ist der Quietismus?
Der Text beschreibt den Quietismus als eine heterodoxe Geistesströmung des 17. Jahrhunderts mit Wurzeln im augustinischen Denken. Zentrale Lehren sind die passive Hingabe an Gottes Wirken und die Ablehnung menschlicher Anstrengung im Streben nach Gott. Der Text unterscheidet zwischen rigorosem Quietismus (Molinos) und Semi-Quietismus (Madame Guyon) und betont die Bedeutung der uneigennützigen Liebe zu Gott, unabhängig von Belohnungserwartungen. Die radikale Aussage "Es ist besser Gott zu lieben und in der Hölle zu sein, als den Himmel zu gewinnen, aber ohne Gottesliebe zu sein" veranschaulicht die Position.
Wer waren die wichtigsten Akteure im Quietismusstreit?
Die wichtigsten Akteure waren Jacques Bénigne Bossuet und François de Salignac de La Mothe-Fénelon. Der Text beschreibt deren Biografien und Wirken und analysiert ihre gegensätzlichen Positionen im Streit um die richtige Auslegung der Gottesliebe. Weitere wichtige Figuren, die erwähnt werden, sind Madame Guyon und Miguel de Molinos, die bedeutende Vertreter des Quietismus waren.
Welche Rolle spielt die "amour pur" im Quietismusstreit?
Die "amour pur" (reine Liebe) steht im Zentrum des Quietismusstreits. Der Text untersucht die unterschiedlichen Interpretationen dieser reinen Liebe zu Gott bei Bossuet und Fénelon und analysiert, wie diese unterschiedlichen Auffassungen zum Konflikt führten. Die Frage nach der Rolle von Hoffnung und Verlangen im Kontext dieser Liebe ist ebenfalls ein zentrales Thema.
Welche Kapitel umfasst der Text?
Der Text umfasst eine Einleitung, einen Hauptteil (mit Unterkapiteln zum Quietismus, zu Bossuet, zu Fénelon, zum Quietismusstreit und zur reinen Liebe), einen Schluss und eine Quellenangabe. Die Kapitelzusammenfassungen geben einen detaillierten Einblick in den Inhalt jedes Abschnitts.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Text?
Schlüsselwörter sind: Quietismus, Gottesliebe, amour pur, Hoffnung, Verlangen, Jacques Bénigne Bossuet, François de Salignac de La Mothe-Fénelon, Madame Guyon, Miguel de Molinos, christliche Mystik, theologische Kontroverse, 17. Jahrhundert.
- Arbeit zitieren
- Ferda Cav (Autor:in), 2009, Der Quietismusstreit zwischen Fènelon und Bossuet, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147282