Ziel dieser Arbeit ist es, den Vereinbarkeitsmythos insbesondere vor dem Hintergrund prekärer Beschäftigungsverhältnisse kritisch zu beleuchten. Als theoretisches Analyseinstrument dient der soziologische Neo-lnstitutionalismus, der sich auf die Analyse von lnstitutionen, ihren Normen, Werten und Praktiken konzentriert. Der Neo-lnstitutionalismus bietet eine theoretische Grundlage, um die Entstehung, Verbreitung und Stabilität sozialer Praktiken und Strukturen im organisationalen Kontext zu verstehen und zu erklären.
Dazu soll zunächst ein allgemeiner Überblick über den Zusammenhang von Geschlechter- und Organisationsforschung gegeben werden, der mit dem Begriff der gendered organization um- schrieben wird. Ausgangsthese ist dabei, dass Organisationen Reproduktionsstätten von Geschlechterdifferenzen sind. Nach diesem kurzen Überblick folgt eine theoretische Verortung des Neo-lnstitutionalismus und eine konzeptionelle Annäherung an drei zentrale Begrifflichkeiten: Mythos, Entkopplung und lnstitution. lnsbesondere der Mythosbegriff wird im nächsten Schritt näher beleuchtet, wenn es darum geht, im Sinne der neo-institutionalistischen Theorie eine Geschlechterperspektive einzunehmen und die Entstehung von Egalitätsmythen in Organisationen zu skizzieren.
Nach dieser grundlegenden Einführung folgt ein detaillierter Blick auf die Organisationswerdung der Hochschule, die zunächst in ihrer theoretischen Konzeptualisierung betrachtet und aufgearbeitet wird. Die Auswirkungen dieser Organisationswerdung und der damit verbundenen Ausrichtung nach den Grundsätzen des New Public Management haben großen Einfluss auf die Beschäftigungssituation von Wissenschaftler*innen, die einer extremen Befristungspraxis unterliegt. Bedingt wird diese Befristungspraxis durch das WissZeitVG, das als Katalysator für die Entstehung eines akademischen Prekariats gilt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Zusammenhang zwischen Geschlecht und Organisation
- Theoretische Verortung des Neo-Institutionalismus
- Zentrale Begriffe: Mythen, Entkopplung und Institution
- Der Neo-Institutionalismus aus der Geschlechterperspektive
- Vom Rationalitätsmythos zum Egalitätsmythos
- Hochschule als Organisation
- Die Befristungspraxis an Hochschulen
- Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz
- Das akademische Prekariat
- Die Vereinbarkeitsproblematik an Hochschulen
- Der Vereinbarkeitsmythos
- Familienfreundliche Maßnahmen als Ergebnis institutioneller Isomorphie
- Die Leitdogmen der Befristungspraxis
- Die Kernprozesse des Vereinbarkeitsmythos
- Qualitative Inhaltsanalyse
- Festlegung der Fragestellung
- Festlegung des Materials und Richtung der Analyse
- Entwicklung des Kategoriensystems
- Erschwerte Familienvereinbarkeit
- Erschwerte Familienplanung
- Geschlechterasymmetrien
- Infragestellen von Leitdogmen der Befristung
- Prekarität und Unsicherheit
- Seelische Belastung
- Hohe intrinsische Affinität zur Lehre und Forschung
- Die Schauseite familienfreundlicher Maßnahmen
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Vereinbarkeitsmythos im Hochschulkontext, insbesondere vor dem Hintergrund prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Ziel ist es, die Entstehung, Verbreitung und Stabilität von Familienfreundlichkeit als Steuerungsprinzip in der Hochschule anhand des Neo-Institutionalismus zu analysieren.
- Die Rolle des Neo-Institutionalismus in der Analyse von Organisationen
- Die Konstruktion des Vereinbarkeitsmythos im Hochschulbereich
- Die Auswirkungen von Befristungspraktiken auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
- Die Bedeutung von Geschlechterdifferenzen in der Organisationsanalyse
- Die Implikationen von Familienfreundlichkeit für die wissenschaftliche Karriere
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Problematik der Vereinbarkeit von Familie und Beruf im wissenschaftlichen Kontext und stellt die These auf, dass die Unvereinbarkeit von Familie und Wissenschaft mit prekären Beschäftigungsbedingungen und Geschlechterasymmetrien zusammenhängt.
Kapitel 2 untersucht den Zusammenhang zwischen Geschlecht und Organisation und führt den Begriff der „gendered organization“ ein. Es wird argumentiert, dass Organisationen Reproduktionsstätten von Geschlechterdifferenzen sind.
Kapitel 3 beleuchtet den Neo-Institutionalismus als theoretisches Analyseinstrument und erklärt zentrale Begriffe wie Mythen, Entkopplung und Institution. Besonderes Augenmerk wird auf die Entstehung von Egalitätsmythen in Organisationen gelegt.
Kapitel 4 betrachtet die Organisationswerdung der Hochschule und die Auswirkungen des New Public Management auf die Beschäftigungssituation von Wissenschaftler*innen. Die Befristungspraxis, die durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz befeuert wird, wird als Katalysator für die Entstehung eines akademischen Prekariats dargestellt.
Kapitel 5 fokussiert auf die Vereinbarkeitsproblematik an Hochschulen und analysiert die Implementierung von Gleichstellungszielen in der Organisationsstruktur. Die Arbeit untersucht, wie Geschlechterdifferenzen im Hochschulkontext bearbeitet werden und wie die Unvereinbarkeit von Familie und Wissenschaft durch Familienfreundliche Maßnahmen beeinflusst wird.
Kapitel 6 analysiert die Kernprozesse des Vereinbarkeitsmythos mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse. Das Kapitel untersucht die Auswirkungen des WissZeitVG auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, prekäre Beschäftigungsbedingungen und Geschlechterasymmetrien.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beleuchtet die Themenbereiche Gendered Organization, Neo-Institutionalismus, Vereinbarkeitsmythos, Befristungspraxis, Wissenschaftszeitvertragsgesetz, Familienfreundliche Maßnahmen, Geschlechterasymmetrien, Prekarität, und die Organisation Hochschule.
- Arbeit zitieren
- Karina Khaiyoun (Autor:in), 2023, Der Vereinbarkeitsmythos an Hochschulen vor dem Hintergrund prekärer Beschäftigungsverhältnisse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1473350