„[…] Ich stelle eine Frage, schaue in die Runde. Zwanzig Studenten, keine Antwort. Ich wiederhole die Frage. Keine Reaktion. Niemand hebt die Hand. Niemand antwortet. Auf keinem Gesicht spiegelt sich Verstehen wider. Ich wiederhole die Frage. Ich modifiziere die Frage. […]Und so stehe ich da vorn vor der Tafel, habe 20 Studenten vor mir, deren Gesichter, deren Körper kein Signal geben. Sie sitzen still, sie schwatzen nicht, sie sehen mich an, sie zeigen keine Langeweile, kein Interesse, keine Freude, keinen Ärger. Oder vielleicht zeigen sie es doch. Nur kann ich an ihrer stillen Art der Kommunikation nicht teilnehmen. Ich weiß es nicht, bin ratlos, erschöpft, mutlos, gehe aus dem Unterricht und beginne an mir zu zweifeln[…].
(HOFMAN 1992: 57)
In diesem Zitat beschreibt Gerlinde Hofman die Lerner, wie sie diese während ihrer Lektorentätigkeit an einer japanischen Universität wahrgenommen hat. Die Schweigsamkeit und allgemeine Passivität der Studenten lässt viele muttersprachliche Lehrende häufig an ihren eigenen Fähigkeiten zweifeln; Enttäuschung, Resignation und Frustration sind die Folgen. In der vorliegenden Magisterarbeit wird der Frage nachgegangen, warum die Kommunikation zwischen deutschen Lehrern und japanischen Lernern derart kompliziert ist. Die Beobachtungen, die deutsche Lehrkräfte im universitären Deutschunterricht gemacht haben, werden auf die tiefenstrukturellen, von außen nicht wahrnehmbaren kulturellen Ursachen hin untersucht. Von Interesse sind hierbei soziopsychologische, soziokulturelle, linguistische und kognitive Faktoren. Weiterhin wird das Augenmerk auf das japanische Bildungssystem sowie die dadurch bedingten Lehr- und Lerntraditionen gerichtet und deren Relevanz für die Erwartungshaltungen der Studenten an den Ablauf des FSU geprüft. Am Ende wird sich den gewonnenen Erkenntnissinteressen bezüglich der Qualifikationen und Anforderungen deutscher Lehrkräfte gewidmet. Auf der Basis der kulturell markierten Interaktionskonventionen sollen didaktisch-methodische Implikationen und Strategien im Umgang mit japanischen Fremdsprachenlernern vorgestellt werden, mit dem Ziel, eine erfolgreiche Unterrichtsinteraktion zu realisieren und einen motivierenden, kommunikativen und für japanische Lerner angemessenen Sprachunterricht zu gewährleisten.
Inhaltsverzeichnis
Liste der verwendeten Abkürzungen
1. Einleitung
2. Interaktion im FSU
2.1. Definition von Interaktion im Hinblick auf den FSU
2.2. Unterrichtliche vs. auflerunterrichtliche Interaktion
2.3. Die vier Typen der pädagogischen Interaktion
2.4. Einflussfaktoren auf die Interaktion im FSU
2.5. Interaktion und Schweigen im Unterricht
2.5.1. Schweigen — Begriffsbestimmung und Funktion
2.5.2. Schweigen im Unterrichtskontext
3. Interaktion im FSU im kulturellen Kontext
3.1. Zur Diskussion eines angemessenen Kulturbegriffes für den FSU
3.2. Forschungsansätze zur Operationalisierbarkeit des Kulturfaktors
3.3. Kulturelle Sozialisation und deren Einfluss auf den FSU
3.4. Die kulturelle Markiertheit von Interaktion
3.5. Schweigen im interkulturellen Sprachkontakt — schweigende Kulturen?
4. Interaktion im japanischen FSU — Beobachtungen
4.1. Interaktionsgeschehen — Frage- Antwort — Verhalten
4.2. Der japanische Fremdsprachenlerner
4.3. Der japanische Fremdsprachenlehrer
5. Kulturelle Markiertheit von Interaktion im japanischen DaF- Unterricht — Einflussfaktoren auf das Rede- und Schweigeverhalten
5.1. Soziopsychologische und soziokulturelle Einflussfaktoren
5.1.1. Das Verständnis von Harmonie in der japanischen Kultur
5.1.2. „Don't do the FTA" — Schweigen , um das Gesicht zu wahren`
5.1.3. „The nail that sticks up gets pounded down" - Gruppenharmonie
5.1.4. Gehorsam und Disziplin sind unerlässlich — Hierarchie in Japan
5.1.5. Die , zwei Gesichter` der Japaner
5.1.6. Die Rolle der non-verbalen Kommunikation in Japan
5.2. Linguistische Faktoren
5.2.1. Verständigungsprobleme aufgrund unzureichender Sprachfertigkeit
5.2.2. Die Rolle der schriftlichen Kommunikation
5.3. Kognitive Faktoren
5.3.1 . Zum Stellenwert von ,Wissen` in Japan
5.3.2. Die Reaktionsgeschwindigkeit — kognitive Verarbeitungszeit
5.3.3. Normen für die Angemessenheit von Gesprächsbeiträgen
5.4. Der Einfluss von Lehr- und Lerntraditionen
5.4.1. Schulische Sozialisation — Leistungsdruck und ,Prüfungsheille`
5.4.2. Stellenwert und Anforderungen eines (Deutsch-)Studiums
5.4.3. Einfluss der Lehrerausbildung auf Interaktionsprobleme im Unterricht
6. Kritische Betrachtung und Erkenntnisinteresse
6.1. „Ostliche—und „westliche Kulturen— Kulturvergleich Sinn oder Unsinn?
6.2. Konsequenzen fijr den DaF-Unterricht in Japan
6.2.1. Veränderungen und Perspektiven des Deutschunterrichts in Japan
6.2.2. Anforderungen für deutsche Lehrkräfte
6.2.3. Didaktische Implikationen und Strategien
7. Schlusswort
8. Bibliographie
Liste der verwendeten Abkürzungen
DaF — Deutsch als Fremdsprache
FSU — Fremdsprachenunterricht
FTA — Face-Threatening-Act
GUM — Grammatikübersetzungsmethode
Abbildungen und Tabellen
Abbildung 1: Typen der pädagogischen Interaktion
Abbildung 2: Fremdsprachenunterricht als Faktorenkomplex
Abbildung 3: Einflussfaktoren auf das Schweigen im interkulturellen Klassenzimmer nachNakane
Abbildung 4: FTA — Strategien nach Brown/Levinson
Tabelle 1: Interaktionstypen in Bezug auf Lernerinitiierung
Tabelle 2: Merkmale des Interaktionsverhaltens von ,low-context_und ,high-context_Kulturen
1. Einleitung
„[...] Ich stelle eine Frage, schaue in die Runde. Zwanzig Studenten, keine Antwort. Ich wiederhole die Frage. Keine Reaktion. Niemand hebt die Hand. Niemand antwortet. Auf keinem Gesicht spiegelt sich Verstehen wider. Ich wiederhole die Frage. Ich modifiziere die Frage. [...]Und so stehe ich da vorn vor der Tafel, habe 20 Studenten vor mir, deren Gesichter, deren Körper kein Signal geben. Sie sitzen still, sie schwatzen nicht, sie sehen mich an, sie zeigen keine Langeweile, kein Interesse, keine Freude, keinen Arger. Oder vielleicht zeigen sie es doch. Nur kann ich an ihrer stillen Art der Kommunikation nicht teilnehmen. Ich weill es nicht, bin ratlos, erschöpft, mutlos, gehe aus dem Unterricht und beginne an mir zu zweifeln[...]-. (HOFMAN 1992: 57)
In diesem Zitat beschreibt Gerlinde Hofman die Lerner, wie sie diese während ihrer Lektorentätigkeit an einer japanischen Universität wahrgenommen hat. Die Schweigsamkeit und allgemeine Passivität der Studenten lässt viele muttersprachliche Lehrende häufig an ihren eigenen Fähigkeiten zweifeln; Enttäuschung, Resignation und Frustration sind die Folgen. Im Hinblick auf den Unterrichtsablauf und die Interaktion ist die deutsche Lehrkraft von eigenkulturellen Erfahrungen und der Ausbildung im Herkunftsland geprägt. Sie erwartet demzufolge interessierte und aufmerksame Lerner, die sich durch Melden rege am Unterrichtsgeschehen beteiligen, Fragen stellen und ebenso kritische Gesprächsbeiträge leisten (vgl. EIER 2006: 8). Beim Erstkontakt mit japanischen Lernern fällt auf, dass hier das Gegenteil der Fall zu sein scheint. Das negativ konnotierte Bild des vermeintlich apathischen, desinteressiert wirkenden und schweigenden Studenten ist allgegenwärtig in den Köpfen deutscher Unterrichtender. Kommunikativ-didaktische Unterrichtsmethoden, die hierzulande vermittelt werden, sind im japanischen Deutschunterricht in der Form häufig nicht problemlos anwendbar.
Japanische Interaktionsformen unterscheiden sich erheblich von den europäischen Konventionen (vgl. BOECKMANN 1998: 52). Es wird sogar die Behauptung aufgestellt, dass der Terminus Interaktion, wie wir ihn in Europa verstehen, in Japan gar nicht existiert (vgl. LOCASTRO 1996: 45). Warum gestaltet sich die Kommunikation zwischen deutschen Lehrern und japanischen Lernern als derart kompliziert? Es liegt die Vermutung nahe, dass kulturell differierende Interaktionsnormen ausschlaggebend dafür sind.
Ziel dieser Arbeit ist die Betrachtung des japanischen Interaktionsverhaltens im universitären Deutschunterricht im Hinblick auf dessen kulturelle Markiertheit. Inwiefern können für diese, von deutschen Konventionen enorm abweichenden Verhaltensweisen, kulturelle Besonderheiten verantwortlich gemacht werden? Ziel ist es am Ende ein didaktisch-methodisches Erkenntnisinteresse ftir muttersprachliche DaF-Lehrende in Japan zu gewinnen.
Nachfolgend soll der Aufbau der Arbeit kurz skizziert werden. Zunächst findet eine Annäherung an den Terminus Interaktion im Zusammenhang mit FSU statt. Anschlieflend wird das Phänomen des Schweigens sowohl begrifflich als auch im Kontext des Unterrichtsgeschehens näher betrachtet. Bei der Beschäftigung mit Sprachunterricht spielt der Kulturfaktor immer auch eine wichtige Rolle (vgl. EflER 2006; BARKOWSKI/EflER 2001; BARKOWSKI 2001a/b u.a.). In der interkulturellen Begegnungssituation zwischen Lehrenden der Zielsprache und Lernenden der Ausgangskultur kommt es vielfach zu Missverständnissen aufgrund kultureller Unterschiede. Diesbeztiglich soll der Begriff Interaktion in einen kulturellen Gesamtzusammenhang gebracht werden, indem eine Auseinandersetzung mit einem angemessen Kulturbegriff im Sinne des FSU stattfindet. Aufgrund der Existenz von kulturbedingten Differenzen werden verschiedene Ansätze hinsichtlich der Operationalisierbarkeit des Kulturfaktors vorgestellt. Die Frage, inwiefern es möglich ist, Unterschiede in Denk- und Verhaltensweisen zwischen den Kulturen sichtbar zu machen, soll hier beantwortet werden. Hinsichtlich des FSU darf die kulturelle Herkunft der Lehrenden und Lernenden nicht unberticksichtigt bleiben. Der Sozialisationshintergrund und dessen Einfluss auf die Interaktion in interkulturellen Begegnungssituationen stellen daraufhin einen weiteren wichtigen Untersuchungsgegenstand dar.
Im Anschluss an diese theoretischen Grundlagen von Interaktion und Kultur folgt der praktische Teil der Arbeit. Ziel dieses Abschnitts ist die Beschreibung des konkreten, lediglich von auflen wahrnehmbaren Verhaltens der japanischen Unterrichtsinteraktion auf der Basis verschiedener Erfahrungsberichte deutscher DaF-Lehrkräfte in Japan. Die beobachteten Interaktionsmerkmale werden im darauffolgenden Teil auf die tiefenstrukturellen, von auflen nicht wahrnehmbaren kulturellen Ursachen hin untersucht. Von Interesse sind hierbei soziopsychologische, soziokulturelle, linguistische und kognitive Faktoren. Weiterhin wird das Augenmerk auf das japanische Bildungssystem sowie die dadurch bedingten Lehr- und Lerntraditionen gerichtet und deren Relevanz ftir die Erwartungshaltungen der Studenten an den Ablauf des FSU geprtift. Das letzte Kapitel widmet sich den gewonnenen Erkenntnissinteressen beztiglich der Qualifikationen und Anforderungen deutscher Lehrkräfte. Die Aufgabe besteht zunächst darin, die Ergebnisse im praktischen Teil kritisch zu hinterfragen. Zu Beginn werden Kultur vergleichende Ansätze mit deren Dichotomie zwischen ,östlichen4 und ,westlichen4Kulturkreisen diskutiert. Des Weiteren sollen aus dem Erkenntnisinteresse der kulturellen Markiertheit des Interaktionsverhaltens Konsequenzen ftir den DaF-Unterricht, insbesondere ftir muttersprachliche Lehrkräfte, abgeleitet werden. Vor allem die Voraussetzungen und Folgen für die Unterrichtsgestaltung muttersprachlicher Lehrkräfte finden in diesem Abschnitt Beachtung. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie man als Unterrichtender mit den Kommunikationsproblemen und den spezifischen Interaktionskonventionen japanischer Lerner umgeht. Auf der Basis der kulturell markierten Interaktionskonventionen sollen didaktisch-methodische Implikationen und Strategien im Umgang mit japanischen Fremdsprachenlernern vorgestellt werden, mit dem Ziel, eine erfolgreiche Unterrichtsinteraktion zu realisieren und einen motivierenden, kommunikativen und für japanische Lerner angemessenen Sprachunterricht zu gewährleisten.
2. Interaktion im FSU
„[...] Die Qualität und die Natur des Fremdsprachenerwerbs im Unterricht sind abhängig von der Qualität und Natur der Interaktion im Fremdsprachenunterricht [...]— (EDmoNSoN/HoUSE 2000: 277). Jede Form des FSUs ist somit ,interaktiv_und der Spracherwerb kann folglich nicht „[...] ohne sprachlichen und nicht-sprachlichen Input und dessen Verarbeitung innerhalb/durch interaktive Handlungen [...] stattfinden.—[...] (HENRICI 2000: 105).
In diesem Kapitel wird zunächst der Begriff Interaktion in Bezug auf den DaF - Unterricht definiert und die verschiedenen Typen von pädagogischer Interaktion, wie sie ausschliefllich im Unterricht vertreten sind, vorgestellt. Desweiteren wird auf die Faktoren eingegangen, die die Unterrichtsinteraktion beeinflussen. Am Ende soll ein kurzer Blick auf das Phänomen des Schweigens und dessen Auswirkungen auf die Kommunikation im Klassenzimmer erfolgen.
2.1. Definition von Interaktion im Hinblick auf den FSU
Der Begriff Interaktion ist vielschichtig und weitläufig und daher variierend in seinen Definitionen. In der Fachliteratur wird Interaktion zudem nur unscharf von Kommunikation abgegrenzt, wobei erstere als oberbegriff mit weiter gefasster Bedeutung interpretiert wird. Nach EDmoNSoN/HoUSE ist „[...] Interaktion [...] die wechselseitige Beeinflussung von Individuen (oder Gruppen) in ihren Handlungen [...]—. Dabei beeinflusst „ [...] die Handlung einer Person A [...] Person B in ihrer darauffolgenden Handlung, deren Auswirkungen wiederum A in ihren weiteren Handlungen beeinflussen. [...]—(2003: 242). Soziale Interaktion bezieht sich demnach auf menschliches Handeln, das nicht isoliert stattfindet, sondern als Miteinander-Handeln in Erscheinung tritt. Kommunikation hingegen nimmt stärker Bezug auf die sprachliche Komponente der Interaktion (EDmoNSoN/HoUSE: 2003: 242; KRUMM 2002: 44; BIERMANN 1978: 5). Jeglicher Unterricht an Schulen und Hochschulen wird dementsprechend als eine von der Institution geprägte Interaktionssituation mit einem bestimmten Unterrichtsthema interpretiert, wobei die Beteiligten miteinander sprechen und handeln, sprich interagieren (vgl. KATSURA 2004: 102). EDmoNSoN/HoUSE beschränken sich dabei in ihrer Definition von Interaktion lediglich auf das blofle ,interaktive_Sprachhandeln, was aber nicht ausreicht, um diesen Aspekt in Verbindung mit FSU hinreichend zu diskutieren (CHRIST 2000: 60). Sprachunterricht ist ein „[...] sehr komplexes und mehrdimensionales Geschehen, das durch verschiedene soziale, gesellschaftliche, bildungspolitische Rahmenbedingungen bestimmt ist [...]—(HoSHII 2000: 110). In Bezug auf den FSU kann Interkation folglich nicht mehr als Begriff im engeren Sinne gesehen werden, sondern man spricht nun von der Dimension Interaktion (vgl. CHRIST 2002: 59; BORNER 2002: 45). Unterricht ist gekennzeichnet durch ein spezifisches Interaktionsverhalten, eindeutige Rollenverteilungen der Interaktanten, eine Reihe von typischen Interaktionsformen sowie bestimmten Rahmenbedingungen, die diesen ebenso beeinflussen. Interaktion ist gerade im FSU unverzichtbar, wie folgendes Zitat verdeutlicht:
„Die Interaktionshypothese [...] führt den Spracherwerb auf das Aushandeln von Bedeutung in natürlichen Interaktionen zurück, d.h. dass Spracherwerb [...] dann stattfindet, wenn es den Lernenden möglich ist, in der Zielsprache erfolgreich zu interagieren, also den Input zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Ihr liegt die Annahme zugrunde, dass Spracherwerb nur im Kontext von kommunikativen Ereignissen (Interaktionen) erklärt werden kann.— (BOECKMANN 1998: 50)
Nachfolgend wird speziell auf die vier Typen der pädagogischen Interaktion, die in dieser Form nur im Klassenzimmer zu finden sind, Bezug genommen. Anschlieflend werden die Faktoren beschrieben, denen ein besonderer Einfluss auf das Interaktionsgeschehen im FSU zugeschrieben wird.
2.2. Unterrichtliche vs. außerunterrichtliche Interaktion
Seit der pragmatischen Wende der 70er und 80er Jahre rückte die Interaktion im FSU immer mehr in den Vordergrund. Ziel war es herauszufinden, inwieweit unterrichtliche Interaktion mit der tatsächlichen im Zielsprachenland übereinstimmt. Man gelangt zu dem Ergebnis, dass sich die unterrichtsinterne Kommunikation massiv von der auflerunterrichtlichen unterscheidet (EDMoNSoN/HoUSE 2003: 243; KRUMM 2000: 45). Alltägliche Konversation gilt als kontextunspezifisch und findet in der Regel spontan und ohne groflartige Vorausplanung statt. Somit sind auch Verlauf und Folgen schwer vorhersehbar. Im Gegensatz dazu wird das Gespräch meist durch die Lehrperson in eine bestimmte Richtung gelenkt. Diesbezüglich sieht VAN LIER die Interaktion als sogenanntes „Kontingenzmanagement—an (2001: 169ff). Der Begriff „Kontingenz— vereinigt zwei widersprüchliche Bedeutungen: „Abhängigkeit— bei „gleichzeitiger Offenheit—. Im Hinblick auf die Interaktion im Klassenzimmer bedeutet dies, dass einerseits die Richtung der Gespräche im Unterricht gebunden ist, etwa an Redebeiträge des Lehrers1 oder anderen Lernern, andererseits aber Konversationsverläufe oft unvorhersagbar und offen sind (vgl. BOECKAMNN 1998: 51).
Im Unterricht wird die Interaktion in der Regel fast ausschliefllich von der Lehrperson gesteuert und initiiert. Diese verbale Dominanz wird zudem von der Tatsache unterstiitzt, dass „iiber 50% aller Lehreräuflerungen [...] eine lenkende Funktion [haben], demgegeniiber sind freie Schiileräuflerungen und Schiilerfragen selten— (KRUMM 2002: 47). Als Ursache hierfiir sind die „Amtsautorität—und die „Sachautorität— des Lehrenden, sowie Rahmenbedingungen als auch eine gewisse Lernererwartung zu nennen. Die Amtsautorität der Lehrperson beinhaltet das Vergeben von Noten, das Bestimmen der ,Spielregeln4. wie bspw. die Festlegung von Beginn und Ende der Stunde, und ebenso Belohnung und Bestrafung. Eine wichtige Funktion eines derartig autoritären Verhaltens sind die Wahrung von Disziplin und die klare Zuordnung von Verantwortung. Besonders bei groflen Lernergruppen ist dieser Aspekt von Vorteil.
Die spezifische Struktur der Unterrichtskommunikation erklärt sich dariiberhinaus gleichfalls durch die Rolle des Lehrers als wichtigste Wissensquelle und einziges Sprachmodell. Aufgrund dessen ist der Lernende noch stärker von der Lehrkraft und deren Korrektur bzw. Evaluierung der lernersprachlichen Handlungen angewiesen. Durch Rahmenbedingungen wie Sitzordnung sowie vorstrukturierte Lehrpläne und Lehrmaterialien wird ebenfalls die Uberlegenheit der Lehrkraft in der Kommunikation begiinstigt. Beziiglich der Lernerwartung ist festzuhalten, dass diese bereits verinnerlichten Lernmodelle, d.h. subjektive Theorien was Lernen anbelangt, besitzen. Die allgemeinen Auffassungen von Sprachenlernen ist durch Belehrung, viel Zuhören und Bewertung durch die Lehrenden auf Richtigkeit der Beiträge der Lernenden geprägt (vgl. KRUMM 2002: 48ff).
In engem Zusammenhang mit der Unterrichtskommunikation steht das sogenannte didaktische Paradox (vgl. EDMoNSoN/HoUSE 2003: 226). „Wir wollen Schiiler lehren, wie man eine Fremdsprache auflerhalb der Lehrsituation verwendet— (EDMoNSoN/HoUSE 2003: 243). Da im Unterricht keine reale Kommunikation stattfindet, sondern diese lediglich simuliert oder anhand von Medien wie Lehrbuch oder Hörtext präsentiert wird, bleibt diese im Unterricht vielfach kiinstlich. Diese Kiinstlichkeit der Kommunikation wird des Weiteren bedingt durch festgelegte Rollen der Beteiligten (vgl. KRUMM 2000: 43f; STORCH 2001: 297ff; EDMoNSoN/HoUSE 2003: 243f). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die unterrichtliche Interaktion massiv von der realen, auflerunterrichtlichen unterscheidet und an bestimmte Rollenverteilungen sowie Routinen gebunden ist. „Fiir Lehrende und Lernende ist diese Struktur vertraut und gibt Sicherheit — Abweichungen verunsichern und werden daher auch von den Lernenden oft abgelehnt—(KRUMM 2002: 50).
2.3. Die vier Typen der pädagogischen Interaktion
Im Klassenraum sind verschiedene Interaktionsmuster zu finden , welche die Vielseitigkeit sozialen Handelns im Unterricht zum Ausdruck bringen. Die folgende Abbildung stellt die vier pädagogischen Interaktionsformen in Bezug auf die Aktivität und die Redeanteile der Interaktanten Schiiler und Lehrer dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Typen der pädagogischen Interaktion (nach V AN L IER 2001: 179)
VAN LIER nennt vier pädagogische Interaktionstypen, die er nach dem Grad der Lehrer-und Lerneraktivität bestimmt. Er unterscheidet zwischen Transmission, den IRF-Fragen, Transaktion und Transformation. Mit dem Terminus der Transmission im Zentrum des Kreises bezieht sich VAN LIER auf die blofle Informations- bzw. Wissensiibermittlung, die sich in der Regel in Form eines monologischen Vortrags der Lehrperson äuflert. Die Interaktion findet hier demnach einseitig statt, wobei die Lernenden lediglich als passive Zuhörer fungieren und die Lehrperson das Unterrichtsgeschehen extern und autoritär kontrolliert (vgl. VAN LIER 2001: 179). Die Redeverteilung findet dementsprechend asymmetrisch zugunsten der Lehrkraft statt. Besonders im Frontalunterricht ist diese Art pädagogischer Interaktion anzutreffen. Die nächste Ebene, die der IRF-Fragen, bezieht die Lernenden zwar mehr in die Unterrichtsinteraktion ein, die Asymmetrie der Sprechaktivität zugunsten des Lehrers bleibt jedoch bestehen.
Folgender Dialog zwischen Lehrer (L) und Lerner (A) konnte in jeder Unterrichtssituation so oder so ahnlich vorkommen:
(1) L: Wie viele Personen sprechen hier? A., wie viele Personen?
(2) A: Zwei Personen.
(3) L: Ja, das stimmt, zwei Personen.
In diesem Beispiel wird der prototypische Dialog dargestellt, der charakteristisch fur das Unterrichtsgeschehen ist. Dieser sogenannte ,IRF_ - Austausch— findet als folgender Dreischritt statt:
1. Initiation (bzw. Frage) durch die Lehrperson
2. Reaktion (bzw. Antwort) durch die Lernenden
3. Feedback (bzw. Bewertung, Ruckmeldung) durch die Lehrperson
(vgl. BOECKMANN 1998: 50)
Demnach stellt der IRF-Austausch ein unterrichtsspezifisches Phanomen dar, realisiert durch verschiedene Formen des Ausfragens mit mehr oder weniger komplexer Aktivitat der Lernenden. Die Lehrperson kontrolliert das Gesprach, es wird nicht nur durch sie eroffnet und beendet, sondern ebenso in eine bestimmte Richtung gelenkt. In der Regel kennt der Lehrende bereits die Antwort oder hat zumindest eine Idee fur einen angemessenen Beitrag im Kopf (vgl. VAN LIER 2001: 150). Einen Vorteil dieser Methode stellt z.B. der logische Aufbau des Gesprachs, das durch den Lehrer geleitet wird und auf das gewiinschte Lernziel der Unterrichtsstundeührt, dar. Des Weiteren weill der Schuler sofort, ob seine Antwort richtig ist oder nicht. Durch das Aufrufen hat der Lehrer dartiberhinaus die Moglichkeit die Konversation zu kontrollieren und ein Ausarten in Form von ,Reinrufen_und Llrm zu verhindern. Viele Forscher hingegen kritisieren diese Art von Unterricht und zeigen Probleme bzw. Nachteile auf. Zunachst einmal sind die Schuler in ihrer Antwort gehemmt, da sie unter dem Druck stehen ihr Wissen vor den anderen preiszugeben und eine Wertung dessen zu erhalten. Diese padagogische Interaktionsform impliziert dariberhinaus eine Art ,Pri.ifungscharakter,_ wobei besonders im FSU die Angst vor Mangel an linguistischer Kompetenz ebenfalls eine Rolle spielt. Durch den Abschluss des Gesprachs seitens der Lehrkraft wird zudem ein eventuelles ,Abgleiten_ seitens der Schuler in interessantere Richtungen verhindert. Laut VAN LIER kann der IRF-Austausch im Hinblick auf die Interaktion im Unterrichtsgeschehen lediglich als eine Art „Grundgertist—für die Interaktion dienen, sollte jedoch nicht als Maxime des Lehrens gelten, da hier keine Kommunikationsfahigkeit gefordert wird (vgl. BOECKMANN 2006b: 109ff; BOECKMANN 1998: 50ff; VAN LIER 2001: 149ff).
Die Transaktion ist im Gegensatz zu den oben beschriebenen beiden Interaktionstypen nicht asymmetrisch, sondern es findet ein dialogischer Informationsaustausch mit einer ausgewogenen Beteiligung von Lehrer und Lerner statt. Gesprächsrichtung, -inhalt, Zeitplan von Ereignissen usw. werden von Lehrkraft und Schiiler gemeinschaftlich festgelegt. Typische Beispiele fiir diesen Interaktionstyp sind Gruppendiskussionen, Geschäftsverhandlungen oder Aufgaben zum Informationsaustausch. Obgleich dies ein kooperatives Lernen im Klassenzimmer mit sich bringt und Gespräche kontingent und symmetrisch sind, gibt es häufig eine extern auferlegte Struktur und Agenda, welche die Gruppenmitglieder oft nicht verändern können (vgl. VAN LIER 2001: 180).
Im Falle der Transformation geht die Fiihrungsposition der Lehrkraft gänzlich verloren. Diese Art der Interaktion ist nicht nur symmetrisch und kontingent, auch Zeitplan und Lehrplan können von allen Gruppenmitgliedern nach Bedarf geändert werden. Das Schema der vier pädagogischen Interaktionstypen nach VAN LIER „[..] verdeutlicht die Enge asymmetrischer, nicht-kontingenter Interaktionsformen und die zunehmende Freiheit der Interaktionspartner zur Gestaltung, je mehr sich die Interaktion der symmetrischen Konversation nähert— (BOECKMANN 1998: 111). Festzuhalten ist, dass Unterricht jedoch in den meisten Fällen asymmetrisch, durch die Lehrkraft gesteuert im Sinne des IRF-Austausches, stattfindet.
2.4. Einflussfaktoren auf die Interaktion im FSU
Bei der Betrachtung von Interaktion und deren Besonderheiten im Unterricht miissen auch die Bedingungen und in der kontextuelle Rahmen mit in Betracht gezogen werden. Einen Eindruck, wie komplex der Rahmen ist, in dem sich Unterricht abspielt, vermitteln EDmoNSoN/HoUSE anhand eines Modelles, das den FSU als Faktorenkomplex darstellt. Das Unterrichtsgeschehen steht hierbei im Zentrum der Aufmerksamkeit und wird umgeben von Einflussfaktoren (vgl. EDmoNSoN/HoUSE 2006: 25).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Faktorenmodell des Unterrichts (nach E DMONSON /H OUSE 2000: 25)
Der Unterricht ist eingebettet in vier verschiedene Bereiche oder Kontexte, die sowohl untereinander interagieren, als auch auf den Unterricht und die Interaktion einwirken. Der Lehr- und Lernkontext bzw. die Bedingungen, unter denen der Unterricht stattfindet spielen eine Rolle. In Bezug auf die Kommunikation im FSU sind z.B. die Gröfle des Kurses und die Sitzordnung von Bedeutung. Bei einer groflen Anzahl von Studenten, denen womöglich nur Einzelplätze zur Verftigung stehen, gestaltet sich eine effektive Kommunikation schwierig und Frontalunterricht wird begtinstigt. Dartiberhinaus dtirfen die individuellen, personenbezogenen Merkmale der am Unterrichtsgeschehen Beteiligten nicht unterschätzt werden. Dementsprechend sind die bisherigen Lern- und Lehrerfahrungen, die kulturelle Herkunft, die Motivation zum Fremdsprachenlernen und die Kompetenz in der Fremdsprache von zentraler Bedeutung. Ein Lerner, dessen bisherigen Lernerfahrungen von frontalem, autoritärem und passivem Unterricht geprägt waren, wird sich an der Unterrichtskommunikation eher weniger initiierend beteiligen und weniger Gesprächsbeiträge leisten. Desweiteren geht EDMONSON auf soziopolitische Faktoren ein, wie den Status der Fremdsprache in der Herkunftskultur der Lerner, das Bildungswesen sowie die Bildungsinstitution. Abschlieflend seien hier noch die wissenschaftlichen Bezugsdisziplinen wie Psychologie, Sprachlehrforschung etc. erwähnt, die auf das Unterrichtsgeschehen sowie die Interaktion ebenfalls Einfluss haben: Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass zahlreiche, miteinander interagierende Faktoren aus dem soziokulturellen, soziopsychologischem, linguistischen, kognitiven als auch situativen Bereich das Unterrichtsgeschehen nachhaltig beeinflussen. Der nachfolgende Abschnitt widmet sich in diesem Zusammenhang dem Einfluss und der Bedeutung des Schweigens der Lernenden in der Unterrichtsinteraktion.
2.5. Interaktion und Schweigen im Unterricht
Ein Szenario, das sich kein Fremdsprachenlehrer wtinscht, ist das Stocken oder der ,Zusammenbruch_ der Interaktion im Unterrichtsverlauf. Schweigen, das vielfach als unangenehm empfunden wird, verunsichert die Lehrperson und zieht Handlungskonsequenzen nach sich. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Interaktion im japanischen DaF-Unterricht, unter besonderer Berticksichtigung des Schweigens der Beteiligten. Aus diesem Grund ist es erforderlich, im Voraus eine Definition des Begriffes Schweigen an sich zu geben und die Relevanz dessen im Unterrichtskontext zu untersuchen.
2.5.1. Schweigen — Begriffsbestimmung und Funktion
Die ursprtingliche Bedeutung von Schweigen stammt aus dem Mittelhochdeutschen (swîgen) und lautet in etwa „die Rede unterbrechen— bzw. „die Stimme beugen, unterdrticken—(vgl. MAREK 2003: 302). Dieses Fehlen von Sprache, quasi das Nicht-Kommunizieren, wird in der Regel negativ gewertet. „Silence as absence — as absence of sound and therefore as absence of communication—(ScOLLON 1985 in ULSAMER 2002: 32). Jedoch ist erst im Wechselspiel von Sprache und Schweigen Kommunikation tiberhaupt möglich, sie bedingen sich demzufolge gegenseitig (vgl. KASSEM 1994: 3; MAREK 2003: 302). Es existieren verschiedene Faktoren, die Einfluss auf die Bedeutung von Schweigen im Kontakt mit anderen Personen besitzen (vgl. MAREK 2003: 203). Vor allem die den Sprechakt begleitenden nonverbalen Elemente wie Mimik und Gestik fallen darunter. Zugleich darf der situative Kontext in dem Schweigehandlungen vollzogen werden hier nicht fehlen. In der Kirche oder im Kloster bspw. wird ein anderes Rede- und Schweigeverhalten verlangt, als an gastronomischen Orten, in der Schule oder im Museum. Folglich kann man auch von einer Orts- und Institutionsgebundenheit von Schweigen sprechen (MAREK 2003: 302).
Desweiteren existieren drei wesentliche Schweigephasen: Erstens das Schweigen innerhalb eines Redezuges oder ,turns,_ wodurch ein Sprecherwechsel ermöglicht wird, zweitens am Ende eines Beitrags und drittens anstelle eines erwarteten Redebeitrages (vgl. MAREK 2003: 303; NAKANE 2007: 7; ULSAMER 2002: 67ff). Schweigen wirkt besonders unangenehm bei langerem Andauern und zum anderen vor allem anstelle eines erwarteten Gesprachsbeitrages. Unterbricht ein Gesprachspartner in einer Kommunikationssituation seine Rede, hat dieses Verhalten zumeist einen bestimmten Grund bzw. eine Funktion. Denn auch wenn der Gesprachspartner nicht spricht, heillt das nicht automatisch, dass er nicht an der Kommunikation teilnimmt. „Man kann nicht nicht kommunizieren—,so hat es WATZLAWIK schon formuliert und folglich ist auch Schweigen nicht ohne Bedeutung.
„Silence is not just the absence of a significant piece of behavior. It is not just emptiness. Silence can have a meaning. Like the zero in mathematics it is an absence with a function."
(STANIENDA 2002: 9)
Festzustellen ist zunachst ein Unterschied zwischen dem Schweigen, das zur Strukturierung von Kommunikation und der Regulierung von sozialen Beziehungen dient und Schweigen, welches eine Bedeutung tragt und als „turn—oder Sprechakt selbst, im Sinne einer Illokution bspw., zu verstehen ist (vgl. NAKANE 2007: 7). Die Bedeutung von Schweigen differenziert ULSAMER etwa mit Watzlawicks Modell des kommunikativen Handelns. Es wird zwischen einem Inhalts- und einem Beziehungsaspekt von Kommunikation differenziert.
„Schweigen, situiert innerhalb einer Theorie des kommunikativen Handelns, gibt uns die Möglichkeit, von Schweigen als Handlung zu reden, von Schweigehandlungen. Es scheint angebracht zu unterscheiden zwischen Resultaten, die Ergebnisse von Handlungen sind, und Resultaten, die aus nicht-intentionalen Ergebnissen herrühren. Schweigen ist zwar Nicht-Reden, aber nicht Nicht-Handeln.
(ZIMMERMANN 1983 in ULSAMER 2002: 71)
In der Literatur wird zwischen einer syntaktischen, einer semantischen und einer pragmatischen Funktion von Schweigen differenziert (vgl. KASSEM: 1994: 3). In Zusammenhang mit der Syntax weist ein Schweigen zwischen oder innerhalb eines ,turns eine strukturierende und gliedernde Funktion für das Gespräch auf, indem es häufig auf einen Sprecherwechsel zielt (vgl. KASSEM 1997: 4; ULSAMER 2002: 81; STANIENDA 2002: 16). Der semantische Aspekt von Schweigen nimmt Bezug auf die übermittelte Bedeutung. Fragt ein Lehrer nach den Hausaufgaben eines Schülers und es entsteht ein Schweigen, könnte die Illokution lauten, dass dieser die Aufgabe nicht erledigt hat, es jedoch nicht zugeben möchte. In pragmatischer Hinsicht besitzt Schweigen darüberhinaus eine soziale Funktion, indem es die Rolle und den sozialen Status von Gesprachspartnern sowie deren Machtverhaltnisse definiert (vgl. NAKANE 2007: 9).
„[...] silence is an inferior's obligation in one context and a superior's privilege in another, symbolic of a superior's dignity in one instance and of an inferior's humility in another."
(LEBRA 1987 in NAKANE 2007: 9)
In diesem Abschnitt wurde ersichtlich, dass Schweigen in Interaktionssituationen nicht ohne Funktion ist und intentional bzw. nicht-intentional in Erscheinung tritt. Nachfolgend soll auf die Relevanz von Schweigen in der Unterrichtssituation Bezug genommen werden.
2.5.2. Schweigen im Unterrichtskontext
Im Kontext des Unterrichts, insbesondere beim Fremdsprachenerwerb, spielt Schweigen eine ganz besondere Rolle. Die bereits erwahnte Autoritat des Lehrenden hinsichtlich Gesprachsfilhrung sowie Kontrolle des Interaktionsgeschehens begilnstigen bzw. bedingen das Schweigen der Lernenden. Kommunikation im Frontalunterricht bspw. ist vollkommen lehrerzentriert und jegliche Interaktionen werden von der Lehrkraft bestimmt und geleitet. Kritisch wird es, wenn jemand, der von der Lehrkraft bestimmt wurde, die Antwort verweigert und schweigt, womöglich ohne ein Nicht-Wissen derer zuzugeben. Dieses Verhalten kommt einem
„[...] offenen Konflikt gleich, da das Verweigern einer Antwort den akzeptierten Konversationsmaximen zuwiderläuft und somit die konventionalisierte Machtposition der Lehrkraft zeitweise schwächt bzw. im schlimmsten Fall [...] die Autorität der Lehrkraft völlig aufler Kraft setzt.— ( STANIENDA 2002: 53)
STANIENDA unterscheidet weiterhin zwischen einem offenen und einem verborgenen Schweigen. Von ersterem spricht man, wenn keinerlei Antwort oder ein Melden seitens der Schiller erfolgt (vgl. 2002: 55). Verborgenes Schweigen ist mit topic oder form avoidance zu erklären. Die Lerner könnten bspw. verschleiern, dass sie die Antwort nicht wissen, da sie ihr Unwissen nicht zugeben wollen. Eine andere Möglichkeit ware, dass sie die Antwort nicht beantworten wollen, weil dies ein Tabu-Thema darstellt, ihnen die Antwort zu peinlich ist oder die Frage zu banal (vgl. STANIENDA 2002: 57). Derartige Vermeidungsstrategien treten demnach nur dann auf, wenn die Lerner durch einen Aufruf der Lehrperson gezwungen werden eine Antwort zu geben. Offenes Schweigen hingegen ist öfter zu beobachten und kann aus verschiedenen Grilnden auftreten. Einerseits kennt der Schiller die Antwort auf eine Wissensfrage nicht, weil er vielleicht den vorzubereitenden Text nicht gelesen oder die Vokabeln nicht gelernt hat.
Ebenso kann ein Nicht-Verstehen der Frage im FSU aufgrund von fehlendem Wortschatz entstehen. Andererseits ist der Schwierigkeitsgrad der Frage von Bedeutung, vor allem sofern dieser nicht dem Wissensstand der Schuler entspricht. Das Gegenteil ist der Fall, wenn es sich um sehr einfache Fragen mit geringem kognitivem Aufwand handelt und sie den Schulern zu ,lächerlich4sind und eine Antwort nicht wert (vgl. STANIENDA 2002: 57). Ein letzter wichtiger Punkt ist ebenso die kognitive Verarbeitungszeit, die der Schuler braucht um eine Antwort zu formulieren. Handelt es sich zudem nicht um seine Muttersprache, ist diese Verarbeitungszeit noch ausgedehnter. Die Lernenden benötigen mehr Zeit, um eine Antwort nicht nur auf Inhaltsebene, sondern auch im Bereich der Syntax, Lexik und Grammatik zu planen.
„Wenn dieser Vorgang jedoch zu lange dauert, kann es passieren, dass die Lehrkraft diese Pause fälschlicherweise als Schweigen und somit als Fehlen der Antwort interpretiert und daher beginnt, Maflnahmen zu ergreifen, die die Schülerinnen zur Antwort bewegen sollen.— (STANIENDA 2002: 59).
Nach diesen allgemeinen Aspekten bei der Betrachtung von Interaktion in Unterrichtsituationen wird im nachfolgenden gröfleren Kapitel der kulturelle Kontext mit einbezogen.
3. Interaktion im FSU im kulturellen Kontext
Der interkulturelle Aspekt, welcher heutzutage untrennbar mit der Fremdsprachendidaktik verbunden ist, führt zu „einer deutlichen Aufwertung des Wortes ,Kultur_—(ALTMAYER 1997: 1).
„[Oberall ist] von ,Kultur, _ von ,kulturspezifischen_ oder ,kulturbedingten_ Verhaltens-und Denkmustern, von ,interkulturellem, _ ,kulturkontrastivem_ oder ,kulturver-gleichendem_ Vorgehen, von der Dialektik von ,eigener_ und ,fremder_ Kultur, von ,Kulturschock_ oder ,Kulturverstehen_ die Rede[...].— (ALTMAYER, ebd.)
Es ist demnach sinnvoll den DaF-Unterricht, bezüglich dieser Arbeit insbesondere in Japan, nicht isoliert zu betrachten, sondern diesen „im umfassenden Zusammenhang und als Ausdruck von Kultur zu verstehen—(EHLIcH, 1994 in ALTMAYER 1997: 1). Im folgenden Abschnitt wird zunachst versucht, den Begriff Kultur mit besonderem Augenmerk auf die Problematik des FSUs zu definieren. Ausgehend davon existieren verschiedene kulturkontrastive Ansatze, die versuchen, Kulturen auf einer makro-, einer mikro- und einer mesoanalytischen Ebene operationalisierbar und somit vergleichbar zu machen. Weiterhin soll auf den Sozialisationshintergrund der Mitglieder von Gesellschaften und dessen Einfluss auf ihr Verhalten eingegangen werden. Abschlieflend wird ein Schwerpunkt im Hinblick auf die Relevanz von konkreten, daraus resultierenden kulturell divergenten Interaktionskonventionen im FSU sowie der Besonderheit von Schweigen im interkulturellen Kontext gelegt.
3.1. Zur Diskussion eines angemessenen Kulturbegriffes für den FSU
Der dieser Arbeit zugrunde liegende Kulturbegriff sieht Kultur als integralen Bestandteil jeglicher menschlicher Interaktion.
„In Interaktionen bestatigen, perpetuieren und verandern wir kulturelle Normen, Werte und Relevanzen. Kultur ist somit ein Teil des Interpretationsprozesses und beeinflusst die Inferenzen, die wir in konkreten Kommunikationssituationen ziehen.— (vgl. GUNTHNER 1993: 21)
In den letzten zwei Jahrzehnten hat der Kulturbegriff in Verbindung mit dem Interkulturalitätsparadigma der DaF-Sprachlehr- und Lernforschung an Bedeutung gewonnen und avancierte zu einem Schlüsselbegriff dieses Faches (vgl. BARKOWSKI/EBER 2001: 83). Im Bereich des FSUs ist der Kulturfaktor elementarer Bestandteil und wird etwa durch widersprüchliches Lernverhalten oder der Unvereinbarkeit von Themen, Arbeitsmitteln oder Sozialformen mit Lerngruppen anderer Kulturen sichtbar (vgl. BARKOWSKI/EBER 2001: 83). ALTMAYER sieht den inflationaren Gebrauch des Wortes Kultur kritisch. Einen angemessenen Kulturbegriff, ebenfalls in Bezug auf das Fach DaF, gibt es trotz zahlreicher Definitionsansatze in der Literatur nicht (vgl. 1997:; BARKOWSKI/EBER 2005: 87). BARKOWSKI erachtet einen Kulturbegriff als wichtig, der sowohl kulturelle Differenz nachweisbar macht als auch den padagogischen Umgang mit diesen berticksichtigt (vgl. 2001b: 299). Die Schwierigkeit besteht in der Definition eines „brauchbaren, hinreichend differenzierten, individuelle wie kollektive Aspekte gleichermaRen integrierenden Kulturbegriffs—(vgl. BARKOWSKI/EBER 2005: 88). ALTMAYER definiert Kultur im Hinblick auf die kollektiven Aspekte folgendermaf1en:2
„'Kulturen' sind [...] in sich relativ geschlossene gesellschaftliche Formationen, denen bestimmte geistige Haltungen und Einstellungen eigen sind, durch die sie sich von anderen Formationen unterscheiden. Dieses nach innen identifizierende und nach auflen abgrenzende Begriffsverstandnis bezieht sich bis heute vorwiegend auf die Nation als die kulturtragende gesellschaftliche Einheit, meint also meist Nationalkulturen. So ist eben von der deutschen, der franzosischen und der amerikanischen 'Kultur' die Rede, darOber hinaus weisen die drei genannten 'Kulturen' aber auch Gemeinsamkeiten auf, die sie etwa von der japanischen 'Kultur' unterscheiden. Um dies sprachlich wiederzugeben, ist bis heute der Begriff des 'Kulturkreises' Oblich, man unterscheidet etwa den westlichen oder europaischen oder abendlandischen Kulturkreis, den asiatischen, den islamischen usw.— (1997: 5)
In der interkulturellen Kommunikationsforschung wird Kultur im Sinne eines Bedeutungssystems mit spezifischen Kommunikationsformen sowie Denk-und Verhaltensweisen verstanden, das durch Enkulturationsprozesse tradiert ist und kollektiv geteilt wird (vgl. BARMEYER 2001: 164). BARKOWSKI stellt in seinem Kulturkonzept eine Verbindung mit der Sprachlehr- und Lernforschung her. In diesem Sinne wird Kultur als grenztiberschreitend, dialogisch und konfrontativ verstanden.
„Dabei sind Kulturen zwar immer noch je fur sich identifizierbar, zeichnen sich aber ebenso durch Ubereinstimmungen wie auch durch Unterschiede aus, wobei in der interkulturellen Begegnung geklart werden kann, worin Ahnlichkeiten und Ubereinstimmungen und worin Verschiedenheiten [...] vorliegen, durchaus mit dem Ziel, Fremdheiten zu Oberwinden, sich wechselseitig Fremdes durch die Entdeckung des Eigenen darin und das Kennenlernen des Anderen vertrauter zu machen—. (2001a: 118)
EIER sieht in der Art und Weise, wie Menschen kommunizieren, wie sie sprechen und in Bezug auf den Unterricht, wie sie lehren und lernen, eine mogliche Definition fur Kultur im Hinblick auf den FSU (vgl. ebd. 2006: 8).
Abschliellend ist festzuhalten, dass in Verbindung mit Fremdsprachenlernen und - lehren Ansätze, die klären, „was Kultur an sich—bedeuten könnte, von geringerem Nutzen sind (vgl. BARKOWSKI 2001b: 299). Vielmehr interessiert, was die Existenz von Kulturen begründet und worin sie sich im Vergleich mit anderen ähneln bzw. differenzieren (ebd.). Im folgenden Abschnitt soll untersucht werden, inwieweit sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zwischen kulturellen Einheiten operationalisierbar und somit vergleichbar gemacht werden können.
3.2. Forschungsansätze zur Operationalisierbarkeit des Kulturfaktors
„Interkulturelle Missverständnisse und Fehldeutungen bilden einen zentralen Interessenschwerpunkt interkultureller Kommunikationsanalysen— (LüSEBRINK 2005: 59). Diese Missverständnisse entstehen zumeist aufgrund von Unterschieden von Werten oder auch Kulturstandards.
„Das Wissen um Kulturen ist und bleibt ein elementarer Bestandteil der interkulturellen Kommunikation. Wege zu diesem Wissen gibt es viele, ohne dass es bis heute wirklich gelungen wäre, Kulturen auch nur einigermaRen präzise zu beschreiben, geschweige denn sie zu erklären. Erschwert wird die Aufgabe noch dadurch, dass das Kulturwissen möglichst kompakt vorliegen soll, rezeptartig zusammengefasst in kleinen Büchlein oder vermittelbar in Seminaren, die nicht länger als anderthalb Tage dauern dürfen.— (AMMON 2007: 157)
Auf den FSU bezogen von nachhaltigem Interesse, inwiefern die Beziehungen zwischen Kulturen auf einer Makroebene mit den konkreten Handlungssituationen der Mikroebene in Bezug auf Lehr- und Lernformen im Unterricht übereinstimmen. Das Problem der empirischen Oberprüfbarkeit dieser Beziehung und mögliche geeignete Operationalisierungen in diesem Bereich sollen im Folgenden kurz dargestellt werden (vgl. BARKOWSKI/EBER 2001: 86).
Einen ersten Erklärungsansatz für dieses Problem bietet die makroanalytische Perspektive der kulturkontrastiven Ansätze. Laut diesen bilden sich Missverständnisse nicht erst in der Handlungssituation an sich, sondern „bereits in der Tiefenkodierung der einzelnen Kulturen—(vgl. OSTERHAMMEL 1997 in MOOSMOLLER 2007: 60). Einer der ambitioniertesten und bekanntesten Versuche, Kulturen anhand von Dimensionen bereichsübergreifender Werte bzw. Kulturstandards darzustellen, ist das ,Dimensionenmodell4 von HOFSTEDE, welches dieser im Jahre 1972 entwickelte. Auf der Basis von Datenerhebungen unter 116.000 IBM Mitarbeitern in 40 Ländern ermittelte er fünf zentrale Werte, die als Kulturdimensionen systematisch erhoben, in kulturvergleichender Perspektive untersucht wurden und mit deren Hilfe kulturelle Unterschiede feststellbar und quantitativ erfassbar gemacht werden konnten (vgl. 2004: 98). Anhand der vier Dimensionen Individualismus, Machtdistanz, Unsicherheitsvermeidung und Maskulinität, denen er zahlreiche Werte zuordnete, lassen sich Unterschiede zwischen den Kulturen qualitativ und quantitativ sichtbar machen3. Anzumerken sei hier, dass Hofstede diese Kategorien nicht als statisch betrachtete, sondern sich der Schwankungen und Variationen innerhalb einer Kultur durchaus bewusst war (vgl. GUEST 2006: 2).
Auch HALL entwickelte Kategorien, in die Kulturen eingeordnet werden können. Er unterscheidet zwischen high context cultures, wie Japan und die arabischen Lander, und low context cultures, zu denen bspw. Skandinavien und Deutschland zählen. Erstere sind an Kontext gebunden und die Kommunikation ist folglich sehr implizit ausgerichtet. Hier spielen non-Verbale Aspekte wie Mimik, Gestik und Körpersprache eine grolle Rolle. Im Gegensatz dazu stehen die kontextungebundenen Kulturen fur die ein direkter, expliziter, linearer, starker inhaltlich orientierter Kommunikationsstil charakteristisch ist. Non-verbale Elemente spielen keine wesentliche Rolle (vgl. LUSEBRINK 2005: 26, HERINGER 2004: 148). Allerdings wurden diese Modelle im Laufe der Zeit heftig kritisiert. Es ist ebenso erforderlich, Kulturen auch in konkreten Interaktionssituationen und —kontexten zu beobachten, womit sich die mikroanalytischen Ansätze beschäftigen.
Untersuchungen auf der Mikroebene verkörpern hingegen „ethnographische und kulturanthropologische Detailanalysen— (vgl. BOLTEN 2007: 103). In diesem Zusammenhang soll auch das Kulturemmodell von OKSAAR erwähnt werden. Anhand genauer Beobachtungen von Interaktionssituationen unter Berticksichtigung des Situationskontextes mit implizierten kulturell bedingten Verhaltensweisen, können bei den Beteiligten Verbindungen zwischen verbalen, parasprachlichen, nonverbalen und extraverbalen Verhaltensweisen nachgewiesen werden. Solche kulturellen Verhaltensweisen erschliellen sich durch Kultureme, Einheiten von soziokulturellen Kategorien. OKSAAR definiert Kultureme als abstrakte Einheiten, die „[...] in verschiedenen kommunikativen Akten unterschiedlich realisiert werden, bedingt u.a. durch generations-, geschlechts- und beziehungsspezifische Aspekte— (1988: 27). Realisiert werden diese abstrakten Einheiten durch Behavioreme, die verbal, paraverbal, nonverbal und extraverbal realisierbar sind (vgl. OKSAAR 1988: 27). BARKOWSKI/EllER ubertragen dieses Modell folgendermallen auf den FSU:
„In jedem Unterricht gibt es eine Vielzahl von isolierbaren lehrer- und lernerseitigen Standardhandlungen ( =Kultureme des Wissenserwerbs und der Wissensvermittlung). So wird es in jedem DaF-Unterricht z.B. Akte der Informationsvermittlung, des ()bens von Fertigkeiten und Fähigkeiten usw. geben, die ihrerseits bestimmte Behavioreme erfordern, die u.a. durch die Medienwahl, die praktischen Sozialformen u.a.m. ihren konkreten Ausdruck finden. Eine eventuelle kulturelle Markiertheit [...] ergäbe sich dann sowohl aus dem jeweils unterschiedlichen Vorkommen, dem Ausmall und der Realisierung der einzelnen Standardinteraktionen als auch aus den dazu entwickelten und angewandten Behavioremen, wie z.B. Lehrervortrag, [...] Tafelanschrieb etc., die ihrerseits wiederum bestimmte verbale, paraverbale, nonverbale und extraverbale Charakteristika aufweisen würden.— (2001: 89f)
Untersuchungen aus der makro- wie auch der mikroanalytischen Perspektive sind jedoch immer ein ,Drahtseilakt4 zwischen zu spezifischen Einzelanalysen der Mikroebene und den ubergeneralisierenden und verallgemeinernden Dimensionen der makroanalytischen Modelle. Ziel ist „[...] die Formulierung eines möglichst grollen gemeinsamen Nenners in Bezug auf eine Vielzahl von individuellen Handlungs- und Aullerungsformen, die sich innerhalb einer als Kultur definierten Lebenswelt ereignen— (BOLTEN 2007a: 107). Diese gemeinsame Bezugsgrölle wird gleichfalls als sogenannter ,Stil4 bezeichnet. Unter einem interkulturellen Gesichtspunkt wird Stil als eine bestimmte menschliche Ausdrucks-, Darstellungs- und Handlungsweise gesehen, die sich durch charakteristische Eigenschaften auszeichnet. Diese laufen nach einem bestimmten Muster ab und werden von Mitgliedern einer Kultur gleichermallen und zumeist homogen ausgef•hrt (vgl. BARMEYER 2000: 140). Stil ist folglich zu verstehen als eine „Einheit des Ausdrucks und der Haltung [...] in den verschiedenen Lebensgebieten einer Zeit—(BARMEYER 2001: 156).
Solche kulturtypischen Verhaltensweisen von Mitgliedern eines kulturellen Systems sind keine Einzelphänomene, sondern zeichnen sich durch Konstanz und Regelmälligkeit ihrer Wiederkehr aus. Den Stilen liegt ein kulturspezifisches System von Zeichen, Symbolen und Verweisungen sozialer Orientierung zugrunde (vgl. BARMEYER 2001: 157). Die kulturell manifestierten routinehaften Handlungen stellen für die Mitglieder einer Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit dar und laufen grölltenteils unbewusst ab. Dieses Verhalten wird von der Gruppe präferiert und existiert in diesem Ausmall nur in dem jeweiligen Kulturkreis (vgl. BARMEYER 2001: 157). Die Begriffe Kultur und Stil ähneln sich insofern, als dass sie beide von Individuen einer Gruppe in der Interaktion geteilt werden und durch die Sozialisation erlernt und tradiert sind. Stil ist demnach ein „sichtbarer Ausdruck von Kultur—(BARMEYER 2000: 142). Jedoch unterscheidet sich der Terminus „Stil— wesentlich von den verallgemeinernden Dimensionen nach Hofstede, da ersterer eine kulturbezogene bzw. kulturindividuelle
Gröfle darstellt, die gegebenenfalls nur in der gemusterten kulturellen Einheit existiert. Lernstile hingegen verfugen Ober einen groflen Einfluss auf das Fremdsprachenlernen und unterscheiden sich nicht nur auf individueller Ebene der Akteure, sondern auch auf kultureller Ebene.
„[...] der Terminus Lernstil (bezeichnet) intraindividuell relativ stabile, zumeist situations— und aufgabenunspezifische Praferenzen (Dispositionen, Gewohnheiten) von Lernern sowohl bei der Verarbeitung von Informationen als auch bei der sozialen Interaktion. Der Terminus bezieht sich damit nicht nur auf in engerem Sinne kognitive, sondern auch auf motivationale und affektive Aspekte menschlichen Verhaltens.— (GROTJAHN 2003: 326f)
Lern- und Denkstile, deren unterschiedlichen Auspragungen im Kulturvergleich sowie deren Einfluss auf Unterrichtsmethoden ist in den letzten Jahren ein Bedeutungszuwachs zuteil geworden. Denk— und Verhaltensweisen von Lernern werden besonders durch bedeutende Orte der Sozialisation, wie Schule und Hochschule, konditioniert. Das nationale Ausbildungssystem, eine Art Mikrokosmos der Kultur, steht in enger Verbindung mit kulturtypischem Verhalten und folglich auch der Anwendung bestimmter Lernstile (vgl. 2001: 149/152). Diese eigenkulturell gepragten Unterrichtsmethoden und Verhaltensweisen, kurz Lernstile, sind den meisten Menschen nicht bewusst und ungewohnte gar kontrare Handlungen und Denkweisen f•hren von Bewunderung bis hin zur Ablehnung.
„Konkret bedeutet das, dass sich [...] Studierende ihres individuellen Lernstils in der Regel nicht bewusst sind und daruber erst Bewusstheit erlangen, wenn sie mit anderen [...] Lernstilen konfrontiert werden. Interkulturelles Lernen basiert zu einem groflen Teil auf der Arbeit mit Kontrasterfahrungen, die durch die Darstellung von Fremdheit und Andersartigkeit auf die eigene kulturelle Gepragtheit aufmerksam machen.— (BARMEYER 2001: 145)
Demzufolge sind Mitglieder einer Kultur auch immer von dieser und ihren tradierten Werten, Normen, Verhaltens- und Denkweisen geprägt und werden von diesen in ihrem Verhalten beeinflusst werden. Kulturelle Verhaltensweisen, wie Lehr- und Lernstile, werden durch Sozialisations- und Enkulturationsprozesse determiniert, was im Folgenden genauer betrachtet werden soll.
[...]
1 Aus ökonomischen Gründen und zur besseren Lesbarkeit wird im weiteren Verlauf der Arbeit auf die Differenzierung zwischen maskulinen und femininen Benennungen von Personen verzichtet. Die maskuline Form wird im generischen Sinne verwendet.
2 In der Literatur existiert eine F•lle von Definitionen und Interpretationen von Kultur. Die Definitionsansatze in diesem Abschnitt erheben keinen Anspruch auf Vollstandigkeit und Allgemeingultigkeit, sondern werden lediglich in Bezug auf das Thema der Arbeit hin untersucht.
- Machtdistanz gibt an, „welche Toleranz bzw. Akzeptanz es in einer Kultur fur Macht-und Autoritatsunterschiede gibt.—
- Individualismus/Kollektivismus —beschreibt inwieweit Kulturen dem Einzelnen, seiner Eigenverantwortlichkeit und Autonomie gegenuber den Gruppenzwangen eines Kollektivs Freiraum gewahren oder nicht.
- Maskulinität/Feminität — Maskulinitat ist gekennzeichnet durch Durchsetzungsfahigkeit und Konzentration auf materiellen Erfolg (vlg. HOFSTEDE 2001: 297) In eher „femininen— Landern wie Osterreich oder in Skandinavien herrscht dahingegen ein konsens- und kooperationsorientierter Kommunikationsstil. (vgl. LOSEBRINK 2005:
- Unsicherheitsvermeidung — Darunter versteht man den „Grad, bis zu dem sich die Angehörigen einer Kultur durch ungewisse oder unbekannte Situationen bedroht fuhlen—(HOFSTEDE 2001)
- Arbeit zitieren
- Christin Winter (Autor:in), 2008, "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold" - Didaktische und (Inter-)kulturelle Aspekte der Interaktion im japanischen DaF-Unterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147607
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