Zunehmende Spezialisierung im Gesundheitswesen, vermeintlich aussagekräftige apparative Diagnostik, das Bestreben jede Krankheitsform eindeutig benennen zu müssen, geben medizinische Handlungssicherheit und rechtliche Absicherung. Der
Blick für das Wesentliche jedoch, das menschliche Individuum als Ganzes, geht dadurch verloren. Im Rahmen der klassischen Medizin überwiegt nach wie vor die Tendenz, Erkrankungen entweder der körperlichen, oder der psychischen Seite zuzuordnen. Der Patient erfährt vordergründig Sicherheit in Form einer klaren
Diagnosestellung. Diese wandelt sich jedoch in zunehmende Verunsicherung, wenn sich zu der Einen mehrere, unterschiedliche Diagnosen hinzugesellen. Komorbiditäten sind in der individuellen Krankheitskarriere keine Seltenheit. Zusammenhänge werden weder vom Patienten, noch vom jeweils behandelnden Spezialisten in der Zusammenschau erkannt, bzw. benannt.
Die psychosomatische Medizin, deren Aufgabe das Erkennen und Therapieren psychisch und körperlich einhergehender Krankheitsformen ist, steht nach wie vor im Schatten der Anerkennung klassischer Fachrichtungen im Gesundheitswesen. Gerade komplexe Krankheitsformen können nicht immer eindeutigen Krankheitsbildern zugeordnet werden. In der bürokratischen Ordnung unseres Gesundheitswesens erfolgt eine Anerkennung und somit Kostenerstattung allerdings nur, wenn die Erkrankung der
Klassifikation im Leistungskatalog auch zuordenbar ist. Eine fragwürdige Situation, in der die formelle Korrektheit, das Krankheitsbild bestimmt.
Neben persönlichem Leid verursachen Herz–Kreislauferkrankungen und die epidemieartige Entwicklung im Bereich psychischer Erkankungen, hohen wirtschaftlichen Schaden. Bis zum Jahr 2020 wird die Depression zur zweithäufigsten Krankheitsursache weltweit (vgl. WHO 2006). Treten psychische und physische
Erkrankungen in Kombination auf, vervielfachen sich die Kosten. Unter diesen Voraussetzungen wirksam zu Intervenieren bedeutet, frühzeitig zu Erkennen und adäquat zu Behandeln. Gerade bei der Vergesellschaftung psychischer- und somatischer Erkrankungen ist Dies von großer Wichtigkeit. Denn die Kuration der Einen, kann
schon die Prävention der Anderen bedeuten.[...]
Inhalt
VORWORT
1 EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG
2 ZIELSETZUNG
3 GEGENWÄRTIGER KENNTNISSTAND
3.1 Verbindung zwischen psychischen und körperlichen Erkrankungen
3.1.1 Psychische Erkrankungen und internistische Auffälligkeiten
3.1.2 Depression und Metabolisches Syndrom
3.1.3 Depression, Metabolisches Syndrom und Diabetes mellitus
3.1.4 Psychische und kardiovaskuläre Erkrankungen
3.1.5 Psychische Erkankungen, Metabolisches Syndrom und Mortalität
3.2 Neurobiologische Zusammenhänge
3.2.1 Traumatisierung und Prägung
3.2.2 Evolutionsbedingte Mechanismen, HPA- Achse
3.2.3 Neuroplastizität
3.2.4 Hyperkortisolismus
3.3 Modifizierbare Risikofaktoren und gesundheitliche Auswirkungen
3.3.1 Körperliche Aktivierung
3.3.2 Kognitive Verhaltenstherapie, stationäre Psychotherapie
3.3.3 Ernährung
3.3.4 Medikamente
3.4 Ökonomische Kennziffern
3.4.1 Bezifferbare Kosten
3.4.2 Nicht bezifferbare Kosten
3.4.3 Ökonomischer Nutzen von Interventionsmassnahmen
4 METHODIK
5 ERGEBNISSE
5.1 Depression und Metabolisches Syndrom
5.1.1 Depression als Risikofaktor körperlicher internistischer Erkrankungen
5.1.2 Neurobiologisches Krankheitsentstehungsmodell von Depression und Metabolischem Syndrom
5.2 Geeignete Interventionsmassnahmen
5.2.1 Körperliche Aktivierung
5.2.2 Verhaltenstherapie
5.2.3 Ernährung
5.2.4 Medikamente
5.3 Ökonomische Auswirkungen
6 DISKUSSION
7 ZUSAMMENFASSUNG
8 LITERATURVERZEICHNIS
9 ABKÜRZUNGS – UND TABELLENVERZEICHNIS
9.1 Abkürzungsverzeichnis
9.2 Fremd- und Fachworterläuterungen
9.3 Übersichtsverzeichnis
Vorwort
Allein der Status, verleiht einem Studierenden noch keinen Wissensreichtum. Auch in akademische Wortgewandheit gehüllte Aussagen, verbessern die Evidenz dieser, nicht.
Ich bedanke mich bei Herrn Dr. Eisenlohr, Herrn Dr. Hartmann und der Ärztin Fr. Schmer, die zum Gelingen meiner Bachelor- Thesis beigetragen haben.
Insbesondere möchte ich meinem Chef, Herrn Professor Zaudig Dank aussprechen. Aufgrund seiner fachlichen und menschlichen Größe gelang es ihm, mich auf den Boden der wissenschaftlichen Evidenz zurück zu führen.
Somit kann ich nun hoffentlich das zum Ausdruck bringen, was ich mir in der Zielsetzung meiner Bachelor Thesis vorgenommen habe.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung und Problemstellung
Zunehmende Spezialisierung im Gesundheitswesen, vermeintlich aussagekräftige apparative Diagnostik, das Bestreben jede Krankheitsform eindeutig benennen zu müssen, geben medizinische Handlungssicherheit und rechtliche Absicherung. Der Blick für das Wesentliche jedoch, das menschliche Individuum als Ganzes, geht dadurch verloren. Im Rahmen der klassischen Medizin überwiegt nach wie vor die Tendenz, Erkrankungen entweder der körperlichen, oder der psychischen Seite zuzuordnen. Der Patient erfährt vordergründig Sicherheit in Form einer klaren Diagnosestellung. Diese wandelt sich jedoch in zunehmende Verunsicherung, wenn sich zu der Einen mehrere, unterschiedliche Diagnosen hinzugesellen. Komorbiditäten sind in der individuellen Krankheitskarriere keine Seltenheit. Zusammenhänge werden weder vom Patienten, noch vom jeweils behandelnden Spezialisten in der Zusammenschau erkannt, bzw. benannt.
Die psychosomatische Medizin, deren Aufgabe das Erkennen und Therapieren psychisch und körperlich einhergehender Krankheitsformen ist, steht nach wie vor im Schatten der Anerkennung klassischer Fachrichtungen im Gesundheitswesen. Gerade komplexe Krankheitsformen können nicht immer eindeutigen Krankheitsbildern zugeordnet werden. In der bürokratischen Ordnung unseres Gesundheitswesens erfolgt eine Anerkennung und somit Kostenerstattung allerdings nur, wenn die Erkrankung der Klassifikation im Leistungskatalog auch zuordenbar ist. Eine fragwürdige Situation, in der die formelle Korrektheit, das Krankheitsbild bestimmt.
Neben persönlichem Leid verursachen Herz–Kreislauferkrankungen und die epidemieartige Entwicklung im Bereich psychischer Erkankungen, hohen wirtschaftlichen Schaden. Bis zum Jahr 2020 wird die Depression zur zweithäufigsten Krankheitsursache weltweit (vgl. WHO 2006). Treten psychische und physische Erkrankungen in Kombination auf, vervielfachen sich die Kosten. Unter diesen Voraussetzungen wirksam zu Intervenieren bedeutet, frühzeitig zu Erkennen und adäquat zu Behandeln. Gerade bei der Vergesellschaftung psychischer- und somatischer Erkrankungen ist Dies von großer Wichtigkeit. Denn die Kuration der Einen, kann schon die Prävention der Anderen bedeuten.
2 Zielsetzung
Ganzheitliche Betrachtungsweise und Vernetzung von Fachwissen aller medizinischen Disziplinen, sind Kennzeichen der psychosomatischen Medizin. Komplexität, Vergesellschaftung von psychischen und körperlichen Symptomen und epidemieartige Ausbreitung, sind Kennzeichen der Erkrankungen von Heute, mit steigender Tendenz für die Zukunft.
Die psychosomatische Medizin, in Form des biopsychosozialen, verhaltenstherapeutischen Therapieansatzes, ist ein geeignetes Mittel zur Behandlung von Depression und körperlich internistischen Komorbiditäten. Ziel der Bachelor Thesis ist es, diese Aussage unter Zugrundelegung wissenschaftlicher Evidenz, zu belegen. Unter dieser Vorgabe wird im Rahmen der Bachelor Thesis zunächst die Vergesellschaftung psychischer und körperlicher Erkrankungen allgemein, unter Gewichtung des Verursachers Psyche, eruiert. Auf der psychischen Seite, aus dem Bereich der affektiven Störungen, wird dann der Depression, aufgrund der hohen Prävalenz und dem Potential körperliche Erkrankungen zu verursachen, höchste Aufmerksamkeit gewidmet. Auf der körperlichen Seite dem Metabolischem Syndrom, als erstem Glied in der Kette und Ausgangspunkt, schwerwiegender epidemierartiger internistischer Erkrankungen. Neueste neurobiologische Erkenntnisse sollen zur Erklärung der Pathogenese psychischer und körperlicher Komorbiditäten beitragen. Die Sichtung geeigneter Interventionsmassnahmen dient abschließend dazu, zusammen mit den vorher gewonnenen Erkenntnissen, ein biopsychosoziales, verhaltenstherapeutisch geführtes Behandlungsmodell im Setting der psychosomatischen Klinik Windach, zu entwickeln, das im Rahmen des Kapitels „Diskussion“ vorgestellt werden soll. Flankierend, zum Großen persönlichen Nutzen des betroffenen Individuums, soll der ökonomische Nutzen zur Begründung dieses Behandlungsansatzes dienen.
3 Gegenwärtiger Kenntnisstand
In diesem Kapitel wird die Datenlage nach Sichtung aussagekräftiger Studien aufgezeigt. Vergesellschaftung psychischer und körperlicher Erkrankungen und Interventionsmaßnahmen, bilden neben den wirtschaftlichen Auswirkungen, die inhaltlichen Gliederungspunkte.
3.1 Verbindung zwischen psychischen und körperlichen Erkrankungen
Dargestellt werden dazu Evidenzen im Bereich der Zusammenhänge psychischer und körperlicher Erkrankungen. Es wird auf unterschiedliche psychische Erkrankungen und internistische Auffälligkeiten, bis zur Entwicklung des Metabolischen Syndroms, Diabetes mellitus Typ II und kardiovaskulären Erkrankungen, bis hin zum Herzinfarkt und dessen Morbidität, eingegangen.
3.1.1 Psychische Erkrankungen und internistische Auffälligkeiten
Widersprüchlich erweisen sich die Parameter hinsichtlich des Gesamtcholesterins. PARTONEN/ELLISON beschreiben in Ihren Studien erniedrigte Gesamtcholesterin-Konzentrationen bei depressiver Symptomatik. Von einer Erhöhung bei Depressiven hingegen sprechen die Untersuchungen von TANSKANEN/BRUNNER (vgl. PARTONEN 1999, ELLISON 2001, TANSKANEN 2000, BRUNNER 2006).
THAKORE et al. untersuchten die viszerale Fettverteilung bei schizophrenen Patienten mittels abdomineller Computertomographie. Schizophrene Patienten weisen im Vergleich zu Gesunden 3,4-mal mehr viszerales Fett (bei nur geringgradig erhöhtem Gesamtkörperfett) auf (vgl.THAKORE 2002).
In Übersicht 1 werden anhand einer kleinen Studie von RYSAN Stoffwechselparameter von Patienten mit Schizophrenie im Vergleich zu einer Kontrollgruppe dargestellt:
Übersicht 1: Schizophrene Erkrankungen und veränderte metabolische Kennziffern (vgl.RYSAN 2003)
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Die geringe Zahl der Teilnehmer, neben der starken Medikation die üblicherweise bei Schizophrenie verabreicht wird, ist bei oben dargestellter Studie im Sinne der Aussagekraft zu berücksichtigen. Festhalten lässt sich jedoch, dass trotz vergleichbarem Body- Mass Index (BMI), veränderte Stoffwechselparameter in Richtung Metabolischem Syndrom, feststellbar sind. Auch die signifikante Erhöhung von Kortisol erfordert Beachtung. Dieser Thematik wird im weiteren Verlauf der Bachelor Thesis noch besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
Erhöhte Triglyzeridwerte bilden einen eigenständigen Risikofaktor für Herz-Kreislauferkrankungen. SAWAR et al. analysierten in diesem Zusammenhang eine Metaanalyse von 29 prospektiven Studien in der westlichen Bevölkerung, mit insgesamt 262.525 Teilnehmern (4-12 Jahre). Bei Studienteilnehmern mit erhöhten Triglyzeridwerten steigt die Rate der koronaren Herzerkankungen um 72%, im Vergleich zu den Teilnehmern mit normalen Triglyzeridwerten (vgl. SARWAR 2007). LEMIEUX/BLÜHER betonen die enge Korrelation des viszeralen Fettgewebes als stoffwechselaktives Gewebe, mit der Enstehung einer Insulinresistenz und dem Metabolischen Syndrom. Hierbei bedeutet diese Korrelation zwischen viszeralem Fettgewebe und Insulinresistenz letztendlich, dass ein signifikant erhöhtes Risiko besteht, einen Diabetes mellitus Typ II zu entwickeln (vgl. LEMIUEX, 2001), (vgl. BLÜHER 2003).
BESTER beschreibt in seiner Dissertation den Zusammenhang zwischen der Entstehung der Insulinresistenz und dem viszeralen Fettgewebe, über eine erhöhte Ausschüttung freier Fettsäuren in den portal-venösen Kreislauf. Die freien Fettsäuren; so schreibt er, sind in Ihrer Konzentration von der Menge des viszeralen Fettgewebes abhängig. Freie Fettsäuren bewirken eine Insulinresistenz in Muskel und Leber sowie eine Steigerung der hepatischen Glukoneogenese und Lipoproteinproduktion. Weiterhin scheint eine erhöhte Konzentration an freien Fettsäuren den hepatischen Abbau von Insulin zu hemmen und zur Hyperinsulinämie beizutragen (vgl. BESTER 2005).
Es gibt keine ausreichenden Belege zu einem einfachen Zusammenhang zwischen Körpergewicht und psychischen Erkrankungen (vgl. FRIEDMAN 1995). Eine auf Interviews basierende Studie an 8400 Befragten zeigt allerdings eine deutliche Assoziation zwischen erhöhtem Body Mass Index (BMI) und dem Risiko an einer Major Depression (Def. Nach DSM IV) zu leiden. Signifikant bei einem BMI über 40 (vgl. ONYKE 2003). In anderen Studien wiederum findet sich ein vermindertes Auftreten von Depressionen bei Übergewicht und moderater Adipositas (vgl. LI 2004). Sind Kinder oder Heranwachsende depressiv, bedeutet dies ein erhebliches Risiko für Übergewicht und Adipositas. Der Zusammenhang ergibt sich bei Depression mit atypischen Symptomen (gesteigerter Appetit und vermehrtes Schlafbedürfnis). Mehrere Studien sehen Depression als unabhängigen Risikofaktor für erhöhten Blutdruck (vgl. SCHERRER 2003, DAVIDSON 2000, JONAS 2000, MEYER 2004).
3.1.2 Depression und Metabolisches Syndrom
Die Depression wird nach ICD 10 unter den Überbegriff affektive Störungen geführt. Die Hauptsymptome der Depression bestehen in einer Veränderung der Stimmung oder Affektivität meist hin zu Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit und Antriebslosigkeit, aber auch zu gehobener Stimmung, mit oder ohne begleitende Angst. Damit verbunden ist ein Wechsel des allgemeinen Aktivitätsniveaus. Die Unterteilung der Affektiven Störungen erfolgt unter praktischen Erwägungen, um eine einfache Identifizierung im Sinne des klinischen Auftretens, vornehmen zu können. So werden unter den F-Ziffern 30–39 im Rahmen der ICD 10 Klassifikation, manische Episoden, bipolare affektive Störungen, depressive Episode, rezidivierend depressive Störung, anhaltende affektive Störungen, sonstige affektive Störungen und nicht näher bezeichnete affektive Störungen, unterschieden (vgl. DILLING 2000). Die häufigsten Störungen treten unter Ziffer F32: depressive Episode und Ziffer F33: rezidivierende depressive Störung, auf. Im klinischen Setting bei genauer Anamnese, stellt sich häufig heraus, dass der gegenwärtigen, schon eine depressive Episode vorausgegangen ist, es sich also um eine rezidivierende Form handelt. Von Relevanz für die Klinik sind daher hauptsächlich rezidivierend depressive Störungen. In den dargestellten Studien ist die Klassifikation der Depression meistens nicht näher bezeichnet. Unterschiedliche Zuordnungen nehmen die WHO in Form der ICD 10 Klassifikation, und die amerikanischen Psychologen und Psychiater anhand des DSM IV vor. In den nachfolgenden Kapiteln soll gezeigt werden, dass diese herkömmliche Einteilung für die internistischen Konsequenzen und Komorbiditäten von untergeordneter Relevanz ist.
In Übersicht 2 ist die gebräuchlichste Definition des Metabolischen Syndroms, nach dem „Adult Treatment Panel III“, 2001 (ATP III) dargestellt. Wenn mindestens drei der abgebildeten Kriterien gemeinsam auftreten, besteht ein Metabolisches Syndrom:
Übersicht 2: klinische Faktoren des Metabolischen Syndroms ATP III Kriterien (vgl.EISENLOHR 2007)
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KAHL kommt in seinen Studien zu dem Ergebnis, dass eine Major Depression (nach DSM IV, entspricht nahezu der depressiven Episode nach ICD 10), mit erhöhten intra-abdominellen Fettwerten verbunden ist. Personen mit dieser Komorbidität bilden wahrscheinlich auch eine Risikogruppe für nicht insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II (vgl. KAHL 2005). TOKER stellt in seiner Studie an rund 4000 Männern und Frauen Zusammenhänge zwischen Depression und folgenden Faktoren fest: Bauchumfang und Nüchternglucoswerte sind siginifikant, LDL, Blutdruck und Triglyzeride, tendentiell erhöht. Danach haben depressive Frauen ein zweifach erhöhtes Risiko ein Metabolisches Syndrom zu entwickeln (vgl.TOKER 2007). Auch KINDER berichtet im Rahmen der NHANES III- Studie über diesen signfikanten Zusammenhang bei Frauen. Hier wurden 3003 Frauen und 3180 Männer untersucht, wobei die Begutachtung einer Subgruppe von ca. 450 Frauen, oben angegebenes Resultat hervorbrachte (vgl. KINDER 2004).
Ganz aktuell diskutiert wird die These die PETERS vorstellt. Er beschreibt unter dem Begriff „Selfish brain“ die „Selbstsucht des menschlichen Gehirns“, ureigenste Bedürfnisse mit höchster Priorität, befriedigt zu wissen. Das Gehirn hat einen hohen Energieumsatz, heißt es in seinen Ausführungen und nur eine niedrige Energiespeicherkapazität. So gibt das Gehirn bei Energiemangel an die Peripherie das Signal Energie zu liefern. Die Versorgung des Gehirns hat hierbei höchste Priorität. Ist
der Bereich des Gehirns, der Energiekonzentration und entsprechende Versorgung misst gestört, z.B. durch verschiedene Formen von Stress, Traumaerfahrung und anderen Einflußfaktoren, wird der Körper aufgrund falscher Signalgebung des Gehirns, Energie ansparen und speichern. Es entstehen Übergewicht, Metabolisches Syndrom und Folgeerkrankungen (vgl. PETERS 2004). Dieser Sachverhalt passt in das Bild der neurobiologischen Pathogenese, die im Verlauf dieser Arbeit als eigener Unterpunkt noch dargestellt wird.
3.1.3 Depression, Metabolisches Syndrom und Diabetes mellitus
Eine bestehende Depression verdreifacht das Risiko an Diabetes mellitus Typ II zu erkranken (KNOL 2004, 2006). Das Risiko als Folge des Metabolischen Syndroms, Diabetes mellitus Typ II zu entwickeln, ist ebenso verdreifacht (FORD 2005). LUSTMANN kommt in einer Metaanalyse von 24 Studien zu dem Schluss, dass Depression und erhöhter Blutzuckerspiegel, sowohl beim Typ I als auch beim Typ II Diabetiker, in einem signifikanten Zusammenhang stehen (vgl. LUSTMANN 2001). ANDERSON beschreibt in einer Metaanalyse von 48 Studien bei Diabetes mellitus Typ II- Erkrankten, ein zweifach erhöhtes Risiko, eine depressive Erkrankung zu entwickeln (vgl. ANDERSON 2001). Eine Metaanalyse von 51.331 Personen stellt einen signifikanten Zusammenhang der Komorbidität von Diabetes mellitus Typ II und Depression fest (ALI 2006). DE GROOT et al. kommen in einer Metaanalyse von 27 Studien ebenso, zu signifikanten Zusammenhängen dieser Krankheitsbilder (vgl. DEGROOT 2001).
3.1.4 Psychische und kardiovaskuläre Erkrankungen
Psychische Erkrankungen allgemein, erhöhen das kardiovaskuläre Krankheitsrisiko um das 1,65 fache (vgl. FORD 2005). WILLIAMS et al. berechnen bei depressiven Frauen ein um 52% erhöhtes Risiko, eine kardiovaskuläre Erkrankung zu entwickeln (vgl. WILLIAMS 2002). In beiden Geschlechtern ist bei bestehender Depression, das kardiovaskuläre Krankheitsrisiko um das Zwei- bis Dreifache erhöht. Eine Vielzahl von Studien erbringt den Beleg hierfür (vgl. FERKETICH 2000, ARIYO 2000, PENNINX 2001, MENDES DE LEON 1998, PRATT 1996, HIPPESLEY–COX 1998, FORD 1998, BAREFOOT 1996, WHOOLEY 1998).
WEBER-HAMANN resümiert in Ihren Ausführungen, dass sowohl das psychische Krankheitsbild einer Depression, wie auch das somatische des Metabolischen Syndroms durch gleiche Symptome, bestehend aus erhöhten viszeralen Fettgewebsdepots, Insulinresistenz und Hyperkortisolismus, gekennzeichnet wird. Diese wiederum werden als Marker für eine erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität angesehen (vgl. WEBER–HAMANN 2002). Zusätzlich, so beschreibt BESTER, besteht beim Metabolischen Syndrom wie auch bei der Depression eine erhöhte Konzentration an den proinflammatorischen Zytokinen IL-6 und TNF- a, welche bei der Pathogenese unterschiedlicher metabolischer Erkrankungen eine Rolle spielen (vgl. BESTER 2005). In der FRAMINGHAM-STUDIE konnte gezeigt werden, dass Personen mit depressiven Symptomen, verglichen mit Personen ohne depressive Symptomatik, ein deutlich erhöhtes Risiko haben, in den acht Jahren nach der Index-Untersuchung, einen Schlaganfall zu erleiden. Dieses wird als verdoppelt bis verdreifach eingestuft. Umgekehrt ist nach einem Schlaganfall das Risiko, an einer depressiven Störung zu erkranken, ebenfalls verdoppelt bis verdreifacht (vgl. SALAYCIC 2007). GAMI stellt in einer Metaanalyse fest, dass das Metabolische Syndrom das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis um den Faktor 2,2 erhöht (vgl. GAMI 2007).
Schwere körperliche Erkrankungen, wie zum Beispiel auch der Herzinfarkt, sind mit einer hohen Rate sekundärer psychischer Störungen, vor allem der Depression, verbunden (vgl. SALAYCIK 2007).
3.1.5 Psychische Erkankungen, Metabolisches Syndrom und Mortalität
Depression ist ein signifikanter Risikofaktor für Herz-Kreislauferkrankungen sowie Mortalität (SARWAR 2007). Das allgemeine Sterblichkeitsrisiko aufgrund des Metabolischen Syndroms erhöht sich signifikant auf 1,27. Aus der INTERHEART CASE CONTROLL Studie (27.098 Teilnehmer aus 52 Ländern) geht weiterhin hervor, dass depressive Patienten mindestens das doppelte Risiko aufweisen an einem Herzinfarkt zu versterben. Hierbei erhöht psychosozialer Distress allgemein, das Myocardinfarkt- Risiko (MI) bei Männern um das 2,5 fache, bei Frauen um das 3,5 fache (vgl. ANAND 2008).
Nach GAMI erhöht ein Metabolisches Syndrom das allgemeine Mortalitätsrisiko um das 1,6 fache (vgl. GAMI 2007). OSBORN untersuchte den Einfluss schwerer psychischer Störungen auf das Risiko, später an einer kardiovaskulären Erkrankung zu sterben. Für Personen zwischen 18 und 49 Jahren verdreifacht sich das Risiko (vgl. OSBORN 2007). DEUSCHLE beschreibt in seinen Ausführungen, dass das Reinfarktrisiko und die Sterblichkeitsrate nach Herzinfarkt signifikant ansteigen, wenn die Patienten zusätzlich an einer Depression leiden (vgl. DEUSCHLE 2002).
3.2 Neurobiologische Zusammenhänge
Wurden in den vorangegangenen Unterpunkten die Ausprägungsformen psychischer und physischer Erkrankungen und Ihre Verknüpfungen dargestellt, dient dieser Abschnitt zu eruieren, wie es überhaupt zu diesen Krankheitsmanifestationen kommt. Moderne bildgebende Verfahren, wie die Positronen-Emissions- Tomographie (PET) sowie die funktionelle Kernspintomographie, ermöglichen es mittlerweile, biologische Vorgänge im Gehirn in Verbindung mit Wahrnehmung und Emotion darzustellen. So können zur Ausprägung psychischer und physischer Erkrankungen wertvolle Erkenntnisse gewonnen und mit bestehenden Theorien, abgeglichen werden. Genetik, frühkindliche Erfahrungen, Stressoren, deren individuelle Wahrnehmung und die physiologischen Konsequenzen spielen hierbei, wie im Folgenden dargestellt, eine entscheidende Rolle. Insbesondere die Kortisolausschüttung, als entwicklungsgeschichtlich geprägte Reaktion auf Gefahr, und die Abschnitte der kaskadenartigen Innervation der Hypophysen-Hypothalamus-Nebennieren Achse (HPA- Achse, HHNA), sind als Krankheitsinitiatoren bei gestörter Funktion und Stressantwort zu sehen.
3.2.1 Traumatisierung und Prägung
Eine unverhältnismäßig häufige und inadäquate Aktivierung der HPA-Achse, im Kontext mit traumatisierenden Ereignissen und Lebensumständen in jungen Lebensjahren, sieht WALKER als wegweisenden Faktor, der zur Ausprägung einer Depression im weiteren Verlauf des Lebens führen kann (vgl. WALKER 2006). Auch HEIM bezeichnet in ihrer Übersichtsarbeit von 2004, ungünstige genetische - und Umweltfaktoren (soziale Umstände) als „Nährboden“ der Entstehung einer Depression. Sie berichtet über aussagekräftige Studien an Frauen, die in ihrer Kindheit Mißbrauch erfuhren und den damit verbundenen signifikanten Zusammenhang der Entwicklung einer Depression oder Angststörung im späteren Leben. Sie sieht die Plastizität des Gehirns (Neuroplastizität) als eine Funktion von Umwelt- und Lebenserfahrungen. So beeinflusst eine anhaltende Traumatisierung in der Kindheit die Gehirnbereiche, insbesondere das limbische System, nicht nur konsekutiv, sondern führt auch zu einem Umbau der Bereiche, die Stress und Emotion vermitteln. Diese Vorgänge münden, aufgrund einer nun entstandenen und bestehenden Vulnerabilität, in psychische Störungen, wie z.B. der Depression. HEIM beschreibt unterschiedliche neurobiologische Subtypten, je nachdem ob negative frühkindliche Erfahrungen zugrunde liegen, oder nicht. Sie empfiehlt bei der Klassifikation der Depression diese neurobiologischen Faktoren zu berücksichtigen. Zusammenfassend bezeichnet HEIM die frühkindlichen traumatischen Erfahrungen als einen wesentlichen Faktor zur Entgleisung des neurobiologischen „Stress-Response-Systems“. Gerade das weibliche Geschlecht wird in diesem Zusammenhang, als eigenständiger Risikofaktor zur Entwicklung einer Depression bezeichnet (vgl. HEIM 2004).
ISSA begründet ihre Dissertation, unter Zugrundelegung des „integrativen und multifaktoriellen Modells“ von AKISKAL/KINLAY ebenso auf neurobiologische Zusammenhänge. So prädispositionieren Genetik, biologische, psychologische und soziale Bestandteile die Entstehung einer Depression. Dauerhafte biologische Veränderungen können langfristig Persönlichkeitsbildend wirken. Erhöhte allgemeine Stressreagibilität oder Ängstlichkeit sind Beispiele hierfür, schreibt ISSA. Auch soziologische Prädisposition, wie z.B. schlechte soziale Verhältnisse, spielen eine mitentscheidende Rolle. Allgemein entsteht und besteht somit eine erhöhte Vulnerabilität. Zu gegebener Zeit können dann depressiogene Situationen, eine Reaktivierung der „biologischen Narben“ hervorrufen. Auslöser hierfür können interpersonelle Konfliktsituationen wie etwa Trauer, Vereinsamung, Deprivation, aber auch Erkrankungen sein. Übersteigen diese Anforderungen die adaptiven Bewältigungsmöglichkeiten, so ISSA, zeigt sich eine dauerhafte Störung der reaktiven Hormonsekretion auf die Stresssituation (vgl. ISSA 2006).
3.2.2 Evolutionsbedingte Mechanismen, HPA- Achse
In der menschlichen Entwicklungsgeschichte war für den Erhalt der Spezies eine perfekte Überlebensstrategie von größter Bedeutung. Bei drohender Gefahr wurden im menschlichen Organismus allgemein, kaskadenartig über hormonelle und nervale Wege, Flucht- oder Kampfbereitschaft geschaffen. Hierbei war die Kortisolausschüttung Bestandteil und Initiator der Aktivierung aller notwendigen Systeme. Beantwortet wurde diese Aktivierung immer mit körperlicher Aktivität: Entweder Angriff, oder Flucht. Auch heutzutage findet diese „bewährte“ Reaktion bei wahrgenommener äußerer, aber auch innerer Bedrohung, statt. Leider die adäquate Antwort in Form von körperlicher Aktion, nicht. Dies hat schwerwiegende gesundheitliche Konsequenzen.
SCHOMMER/HEILHAMMER beschreiben in ihren Ausführungen die Kaskade, die durch die Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHNA), ausgelöst wird: Bei wahrgenommener „Bedrohung“, die äußerlich, aber auch innerlich bedingt sein kann, wird Corticotropin- Releasing Hormon (CRH) im Hypothalamus aktiviert. Dieses bewirkt die Freisetzung von adrenokortikotropem Hormon (ACTH) und Cortisol. Dieses wiederum hemmt durch negative Rückkoppelung Corticotropin- Releasing Factor (CRF) und aktiviert den locus coeruleus mit seinem entspringenden noradrenergen Bahnensystem. Aufmerksamkeit, Wachsamkeit zielgerichtetes Verhalten werden gesteigert. Dadurch wird wiederum CRF aktiviert und dadurch das sympatische Nervensystem (NS). Die Freisetzung von Adrenalin und Noradrenalin sind die Folge. Herzrate und Blutdruck steigen, der Verdauungsapparat wird inhibiert (vgl. SCHOMMER 2008).
Auch BJÖRNTORP beschreibt in seinen Ausführungen zunächst einmal diese grundsätzliche Reaktion des Menschen auf Stressoren. Er sichtete in diesem Zusammenhang aussagekräftige Studien, die Verbindungen zwischem diesen körperlichen Notfallsystem („flight or fight“) und der Entwicklung von abdomineller Adipositas und deren Komorbiditäten, offenlegten. Werden wiederkehrende erhöhte Kortisolspiegel nicht mit einer angemessenen Reaktion beantwortet (Bewegung), kann es zu einer Anhäufung viszeraler Fettzellen und weiterer metabolischer Störungen in Form des Metabolischen Syndroms kommen, so BJÖRNTORP. Den Bluthochdruck ordnet er hierbei, der dauerhaften Aktivierung des sympathischen NS zu. Zusammenfassend, in Übereinstimmung mit vorher genannten Autoren, berichtet er, dass genetische-, perinatale- und Umgebungseinflüsse die Grundlage für eine Fehlaktivierung der HPA- Achse liefern (vgl. BJÖRNTORP 1996).
Als „final common pathway“ beschreibt AKISKAL prädisponierende Faktoren und Stressoren, die über biochemische Interaktionen und zerebrale Regulationsstörungen, in eine primäre Depression münden (vgl. AKISKAL 1973). Laut ISSA zählen zu den Veränderungen auf biochemischer Ebene in erster Linie Aminostoffwechsel und-Funktion, Katecholaminmangel sowie die Dysbalance im Bereich serotonerger und cholinerger Systeme. Aus biochemischen, ergeben sich neuronale Veränderungen (z.B. limbische Strukturen, Locus coeruleus, HPA-Achse, retikuläres System), die sich in Stimmung und Erregung, Motivation und psychomotorischer Funktion auswirken. Depressive Symptome wiederum wirken rückwirkend im Regelkreis, auf neuronale und biochemische Ebenen (vgl. AKISKAL 1973), (vgl. ISSA 2006).
Auch BESTER beschreibt in seiner Dissertation das Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-System (HPA-System) in ähnlicher Weise wie vorhergehende Autoren als die Verbindung zentraler Steuerungsmechanismen, mit der Ausschüttung von Kortikosteroiden in die Nebennierenrinde. Diese wird durch feed-back-Schleifen reguliert. Bei gestörten Regelkreisen mit vermehrter Ausschüttung von Kortikosteroiden, kann je nach Ausprägung des Hyperkortisolismus, ein Cushing-Syndrom in seiner gesamten Ausprägung, mit stammbetonter Fettsucht, diabetischer Stoffwechsellage, Hypertonie, Hypogonadismus, Osteoporose, hämorrhagischer Diathese und Infektanfälligkeit, entstehen. Bei einem mäßigen Hyperkortisolismus können auch einzelne Symptome des Cushing-Syndroms in Erscheinung treten (vgl. BESTER 2005). Diese Ausführungen bestätigen vergleichbare Stoffwechselauffälligkeiten, im Bereich der Depression und des Metabolischen Syndroms.
Die Rolle des HPA-Systems und seiner Regelkreise bei der Depression wird durch die Beobachtung unterstrichen, dass unter antidepressiver Therapie (medikamentös) wieder normalhohe Kortisolspiegel gemessen werden können (HOLSBOER 1996).
3.2.3 Neuroplastizität
Was schon HEIM auf Grundlage ungünstiger Prägung beschrieben hatte, nämlich die Beeinflussung der Plastizität des Gehirns, hebt HÜTHER in nachfolgenden Ausführungen, diesmal positiv, als Ziel therapeutischer Interventionen hervor. Das Gehirn ist nicht unveränderbar, sondern bei entsprechender Reizsetzung zu neuen neuronalen Verschaltungen befähigt (vgl. HÜTHER 2001). Diese sogenannte Neuroplastizität des Gehirns spielt eine Schlüsselrolle in der wissenschaftlichen Begründung der Wirksamkeit therapeutischer Interventionen. Die Neuroplastizität ruft Veränderungen der biochemischen Struktur von Synapsen hervor, beschreibt auch BRAUS. Unter Einbeziehung zahlreicher Neurotransmitter wie GABA, Dopamin, Serotonin sowie Enkephaline und Endorphine wird dabei die Affektivität beeinflusst. Nicht nur die Stimmungslage, sondern auch die Evaluation von Umweltreizen und Handlungsbereitschaft, werden im Lernprozess neu modeliert (vgl. BRAUS 2004). Durch bildgebende Verfahren (PET, funktionelles Kernspin) am, oder im „lebenden Objekt“, ist mittlerweile der Zugang zur Entschlüsselung neurobiologischer Korrelate von affektiven Störungen, deutlich erleichtert worden. Allerdings ist auch gegenwärtig noch unklar, wie Ursache und Wirkung zuzuordnen sind, schreibt ISSA. So z.B. bei der Fragestellung, ob eine Depression neurobiologische Veränderungen herbeiführt, oder durch diese, eine Depression hervorgerufen wird. ISSA beschreibt in Ihren Ausführungen bei depressiven Patienten das häufige Vorhandensein eine Hypertrophie der Amygdala, mit einem deutlichen Reaktionsmuster auf negative Affektionen (vgl. ISSA 2006).
Nach HEIM et al. führt eine Stimulierung der Amygdala und des rechten präfrontalen Kortex zu einer Überaktivierung der HPA-Achse, über eine erhöhte Ausschüttung von Corticotropin Releasing Hormon (CRH) (vgl. HEIM 2004). Eine Daueraktivierung der Amygdala begünstigt bei Depressiven eine selektiv negative Wahrnehmung der Umwelt (vgl. HEIM 2003) . Der Hippocampus ist an der Inhibierung und Regulierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse beteiligt. Er wirkt antagonistisch zu der vorgenannten Struktur (Amygdala) und dient der Etablierung von Wahrnehmung und Denkprozessen. Der Hippocampus veranlasst die Speicherung von neuen Informationen im Gedächtnis und ist außerdem am assoziativen Lernen beteiligt (vgl. HEIM 2004).
3.2.4 Hyperkortisolismus
Distress und unangemessene Stressreaktion führen zu einer Überaktivierung der Stressachse und in der Mehrzahl der Fälle, zu Hyperkortisolismus. Als für den Hyperkortisolismus typische Folge bei depressiven Patienten, bezeichnet WEBER die Entstehung einer Glukoseintoleranz, im Sinne einer diabetischen Stoffwechsellage (vgl. WEBER 2000). So weist WEBER-HAMANN zwei Jahre später auch auf das Auftreten vermehrter viszeraler Fettgewebsdepots, bei depressiven Patienten hin. Auch hier wird die Manifestierung dem vorhergehenden anhaltenden Hyperkortisolismus zugeschrieben. Dieser bewirkt Symptome bis hin zum Cushing-Syndrom (vgl. WEBER- HAMANN 2002). . Die Hypothalamus- Hypophysen- Nebennierenachse gilt nach CHROUSUS/GOLD als das wesentliche System, das Einfluss auf den psychischen und körperlichen Gesundheitszustand, ausüben kann. Übersicht 3 zeigt tabellarisch die Zusammenhänge, die CHROUSUS/GOLD in ihren Studien, zu den physiologisch- somatischen Konsequenzen von chronischem Stress aufzeigen (vgl.CHROUSUS 1998):
Übersicht 3: somatische Konsequenzen von chronischem Stress (vgl. CHROUSUS 1998)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eine dauerhafte Aktivierung der HHNA führt nach CHROUSUS/GOLD zu Hyperkortisolismus. Wie in Übersicht 3 dargestellt, kann Hyperkortisolismus typische Störungen nach sich ziehen. Die Ausschüttung von Wachstumshormonen wird gehemmt, viszerales Fett aufgebaut. Hyperinsulinämie, Insulinresistenz und Kohlenhydratintoleranz, gehen einher. Die Stimulierung von Cholesterol, LDL, freien Fettsäuren (FFS), Triglyceriden, bei gleichzeitiger Hemmung von HDL, lassen das Bild eines Metabolischen Syndroms entstehen. Vergleicht man den in der Übersicht dargestellten Entstehungsmechanismus, so lassen sich wiederum deutliche Parallelen, zwischen der Entwicklung einer Depression und des Metabolischen Syndroms, erkennen (vgl. CHROUSUS 1998).
Über ähnliche Zusammenhänge wie vorhergehend dargestellt, berichtet OLTMANNS. Klinische Variablen die mit Diabetes mellitus Typ II verbunden waren, korrelieren mit der Kortisolkonzentration. So zeigt sich ein Zusammenhang mit Nüchtern- Glukose, Zucker im Urin und postprandialer Glukose ebenso, wie mit HbA1c; systolischem und diastolischem Blutdruck. Die Forschergruppe um OLTMANNS kommt schließlich zu dem Schluss, dass eine Vielzahl verschiedener klinischer Parameter, die den Diabetes mellitus Typ 2 kennzeichnen, mit der Kortisol- Konzentration korellieren. Dies sogar innerhalb der erlaubten Kortisolobergrenze (vgl. OLTMANNS 2006). Auch WALKER bestätigt diese Aussagen in seinen Ausführungen (vgl. WALKER 2006).
Ein geringer Anteil an Personen, scheint im Gegensatz zu vorher beschriebenen Reaktionen, mit Hypo- Kortisolismus zu reagieren. SCHOMMER/HEILHAMMER beschreiben, dass nach normaler Stressreaktion, bei dieser Gruppe die Kortisolwerte anschließend dauerhaft abfallen. Dies schreiben die Autoren CRF-, ACTH- oder Kortisol- Mangel oder Resistenz an den Zielzellen, zu. Als Auslöser für Hypokortisolismus benennen sie unter anderem chronischer Stess oder frühkindliche Traumaerfahrung. Vermutete Ausprägungen dieser Ursachen sind Schmerzenpfindlichkeit (Fibromyalgie), chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS) oder Stressintoleranz im Sinne einer Postraumatischen Belastungsstörung (PTBS, PTSD) (vgl. SCHOMMER 2008).
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- Arbeit zitieren
- Ulrich Hamberger (Autor:in), 2008, Psyche und Körper - Auswirkung psychischer Erkrankungen auf Körper und Organsysteme, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147612
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