Hochbegabte Jugendliche und ihre Peer-Beziehungen


Seminararbeit, 2006

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffsklärungen
2.1 Definition Hochbegabung
2.2 Definition Jugend
2.3 Definition Peers

3 Hochbegabte Jugendliche und ihre Peer-Beziehungen
3.1 Identifikation von Hochbegabten
3.2 Persönlichkeitsmerkmale hochbegabter Jugendlicher
3.3 Die Bedeutung der Peers im Jugendalter
3.4 Peer-Druck und Peer-Normen
3.5 Das Marburger Hochbegabtenprojekt
3.5.1 Inhalt des Marburger Projektes
3.5.2 Verfahren zur Erfassung von Peer-Beziehungen
3.5.3 Facetten von Peer-Beziehungen
3.5.3.1 Akzeptanz in der Schulklasse
3.5.3.2 Subjektive Einschätzungen der sozialen Beziehungen durch die Jugendlichen
3.5.3.3 Angaben zum Peer-Netzwerk
3.5.3.4 Angaben zur Kontakthäufigkeit

4 Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

In Bezug auf die Peer-Beziehungen hochbegabter Jugendlicher bestehen zwei grundsätzlich voneinander verschiedene Annahmen. Einige Autoren gehen zum Beispiel davon aus, eine hohe intellektuelle Begabung korreliere allgemein mit einer positiven psychosozialen Entwicklung. In diesem Fall ist von der Harmonie- oder Konvergenz-Hypothese die Rede, welche impliziert, dass Hochbegabte im Vergleich zu durchschnittlich Begabten bessere oder zumindest keine schlechteren Peer-Beziehungen haben. Einer der bekanntesten Vertreter dieser Hypothese ist Terman, „der bereits 1925 zu folgenden Schlussfolgerungen kam: `Kinder mit einem IQ über 140 sind [...] in nahezu jedem Persönlichkeits- oder Charakterzug im Mittel besser angepasst als die Population normaler Schüler`.“[1]

Weitaus verbreiteter sind dagegen Annahmen, dass es für Hochbegabte problematisch sei, Peer-Beziehungen zu entwickeln. Manaster & Powell meinen zum Beispiel im Rahmen jener Disharmonie- oder Divergenz-Hypothese, hochbegabte Jugendliche seien aufgrund ihrer selbst empfundenen oder zugeschriebenen „Andersartigkeit“ gefährdet. Demnach würden Hochbegabte wegen ihrer besonderen Fähigkeiten entweder von den Peers abgelehnt oder sie wären selbst nicht in der Lage, sich den Werten und Interessen Gleichaltriger anzupassen. Hochbegabten Jugendlichen fehle es schließlich an echten, entwicklungsgleichen Peers.

Aufgrund der bestehenden kontroversen Annahmen soll es Ziel dieser Arbeit sein, die Frage-stellung, ob Hochbegabte eher beliebte Schüler oder doch vorwiegend Außenseiter sind, zu klären. Die Beantwortung jener Frage erscheint gerade auch deshalb interessant, da Peers eine wichtige Rolle für die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen einnehmen (siehe Punkt 3.3). Die Bedeutung der Peers soll in diesem Zusammenhang aber auch im Gliederungspunkt 3.4 bezüglich ihrer Einflussnahme auf den einzelnen Jugendlichen betrachtet werden; immer in Hinblick auf die Frage, ob Hochbegabte davon besonders betroffen sind.

Bevor allerdings die Analyse jener dargestellten Kontroverse unternommen wird, müssen zunächst wichtige Begriffe für das grundlegende Verständnis der folgenden Erarbeitung geklärt werden. Dies geschieht im Schwerpunkt 2. Anschließend wird im Gliederungspunkt 3.1 die „Identifikation von Hochbegabten“ Thema sein. Auf diese Weise sollen die Definition von Hochbegabung und die Erkenntnis darüber, welche Personengruppe hier im Mittelpunkt steht, unterstützt werden.

Schließlich werden zur Beantwortung der bereits formulierten Frage „Beliebte Schüler oder Außenseiter?“ die Punkte „Persönlichkeitsmerkmale hochbegabter Jugendlicher“ (siehe 3.2) und „Das Marburger Hochbegabtenprojekt“ (siehe 3.5) herangezogen. Nachdem die Vor-stellung des Konzeptes und der Verfahren der Marburger Studie erfolgte, stehen die Peer-Beziehungen hochbegabter Jugendlicher hinsichtlich verschiedener Aspekte im Zentrum der Beobachtung (siehe Punkte 3.5.3.1 bis 3.5.3.4). Diese helfen, schrittweise zu klären, welche Hypothese in Bezug auf die Peer-Beziehungen Hochbegabter wahrscheinlicher erscheint.

2 Begriffsklärungen

2.1 Definition Hochbegabung

„Als Konvention hat sich eingebürgert, für Hochbegabung die Ausprägung kognitiver Merkmale (i.d.R. der Intelligenz) in Relation zum Populationsdurchschnitt zu betrachten und hier einen Bereich festzulegen, der mindestens zwei Standardabweichungen über dem Mittel-wert liegt (IQ>130, PR>98). Die Gruppe der so definierten Hochbegabten ist recht zeitstabil. [...] Von `Genie` wird gesprochen, wenn eine `Höchstbegabung` gemeint ist (z. B. IQ>160).“[2]

Neben der intellektuellen Hochbegabung kann Hochbegabung aber auch in anderen Bereichen (z. B. Kunst, Sport, Musik) beschrieben werden. In diesem Fall verwendet man häufig die Bezeichnung „Talent“.

Da die intellektuelle Potenz eines Menschen nicht mit seiner gezeigten Leistung überein-stimmen muss, kann zusätzlich danach unterschieden werden, ob sich Begabung auf ein latentes Potential (Kompetenz) oder auf gezeigte Leistung (Performanz) bezieht.

Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere Definitions- und Differenzierungsmöglichkeiten.

An dieser Stelle seien aber noch die auf Lucito (1964) zurückgehenden Definitionsklassen der Hochbegabung erwähnt:

a) Ex-post-facto oder Post-hoc Definitionen: Als hochbegabt wird jemand bezeichnet, nachdem er Hervorragendes geleistet hat.
b) IQ-Definitionen: Als hochbegabt wird jemand bezeichnet, wenn er einen bestimmten Mindestwert in einem Intelligenztest erreicht.
c) Prozentsatz-Definitionen: Als hochbegabt wird jemand bezeichnet, wenn er zur Spitzen-gruppe (z. B. obere 5%) im Kriterium oder in den Kriterien (z. B. Zensuren, Prüfungen, Schulleistungstests) gehört.
d) Kreativitäts-Definitionen: Als hochbegabt wird jemand bezeichnet, wenn er über die Fähigkeit verfügt, Neues und Originelles zu schaffen, d. h. Kreativität zu entwickeln.

2.2 Definition Jugend

Unter Jugend versteht man die Zeitspanne zwischen Kindheit und Erwachsenenalter. Dabei kann man jene Übergangsperiode als eigenständige Phase in der menschlichen Entwicklung ansehen, in der altersspezifische Entwicklungsschritte zu bewältigen sind.

„Oerter & Dreher (1995) bezeichnen mit Jugendalter den Zeitraum zwischen dem 11. und 17. Lebensjahr und merken an, dass Adoleszenz unspezifischer das zweite Lebensjahrzehnt (10.-21. Lebensjahr) kennzeichnet. In der deutschsprachigen Literatur werden beide Begriffe häufiger synonym verwendet (Ewert 1983).“[3] Die genannten Altersgrenzen des Begriffs Jugend bzw. Adoleszenz sollen jedoch nur der Orientierung dienen und dürfen nicht als absolut verstanden werden.

2.3 Definition Peers

„Der Ausdruck `Peer` entstammt dem englischen Rechtssystem und bezieht sich ursprünglich auf Personen gleicher gesellschaftlicher Position.“2 In diesem Zusammenhang seien die von Salisch (2000) angeführten Bedingungen benannt, die Gleichheit unter Personen (v. a. Kinder und Jugendliche sind hier gemeint) fördern: gleiche Stellung gegenüber Institutionen und ihren Repräsentanten (d. h. Mitschüler als Peers), ähnlicher Entwicklungsstand, gleiche Entwicklungsaufgaben und normative Lebensereignisse, gleichberechtigte Teilhabe an der Kinder-/Jugendkultur, Anerkennung der Ebenbürtigkeit und der Anspruch der Gleich-rangigkeit.

In der psychologischen Literatur versteht man unter Peers dagegen in der Regel Gleichaltrige. Aus den Anmerkungen von Salisch wird allerdings ersichtlich, dass nicht alle Bedingungen notwendigerweise an das gleiche Alter gebunden sind. Das heißt mit anderen Worten, gleichaltrige Kinder bzw. Jugendliche sind häufig, aber nicht in jedem Fall, Peers. Dies impliziert gleichzeitig, dass Peer-Beziehungen auf Freiwilligkeit beruhen.

Im Folgenden soll dennoch von gleichaltrigen Gruppen die Rede sein, wenn der Begriff Peers verwendet wird. Ein Grund hierfür ist unter anderem, dass Kinder und Jugendliche in unserer Gesellschaft zumindest institutionell (z. B. Kindergarten, Schule) in „Gleichaltrigengruppen“ zusammengefasst werden. Es kann demnach davon ausgegangen werden, dass den Gleich-altrigen in der Sozialisation eine wichtige Rolle zukommt (siehe auch Punkt 3.3).

3 Hochbegabte Jugendliche und ihre Peer-Beziehungen

3.1 Identifikation von Hochbegabten

Die Identifikation von Hochbegabten ist notwendig, da Forschungsvorhaben über Hoch-begabung, Fördermaßnahmen sowie Beratung und Hilfe bei hochbegabtenspezifischen Problemen erst möglich werden, wenn die Hochbegabung einzelner Personen ermittelt worden ist.

Des Weiteren äußerten sich Russell & Cronbach 1958 bezüglich der Notwendigkeit einer frühen Identifikation: „Wegen des Wertes, den Begabungen und Fähigkeiten sowohl für den einzelnen als auch die Gemeinschaft haben, ist es wichtig, dass die Talente eines einzelnen so früh wie möglich identifiziert werden und dass erzieherische Umwelten geboten werden, in denen die Potentiale zu voller Entfaltung gelangen.“[4] Um die Fehlerquote von Identifikations-verfahren zu verringern, sollten diese kontinuierlich (um so beispielsweise Spätentwickler oder das Phänomen des Underachievement zu berücksichtigen; Def. „Underachiever“ siehe S. 11, letzte Zeile) und in Kombination miteinander Anwendung finden. Prinzipiell lassen sich vier verschiedene Identifikationsmethoden für Hochbegabung unterscheiden:

1) Identifikation über nicht-kognitive Spezialbegabungen (z. B. soziale Intelligenz, Arbeitsverhalten, Motorik): In diesem Fall wird eine Person als hochbegabt bezeichnet, wenn sie konsistent hervorzuhebende nicht-kognitive Fähigkeiten aufweist. Als nicht-kognitive Persönlichkeitsmerkmale wurden bisher die Bereiche „praktische“ und „soziale Intelligenz“, „psycho-motorische Fähigkeiten“ und „Kreativität“ empirisch fokussiert. Während für die ersten drei Bereiche keine der Wissenschaft genügenden Methoden zu ihrer Erfassung vorliegen, existieren im Bereich „Kreativität“ Methoden, die wenigstens annähernd den testtheoretischen Mindestanforderungen gerecht werden. Bei den verschiedenen Kreativitätstests fielen jedoch hohe Korrelationen zu den Intelligenztests auf, so dass letztlich der Nachweis der Unabhängigkeit der Kreativität von Intelligenz, trotz zahlreicher Bemühungen, bis heute nicht erbracht ist.

2) Identifikation über „Expertenurteile“: Hiernach wird eine Person als hochbegabt bezeichnet, wenn sie von ihren Bezugspersonen als hochbegabt nominiert wird. Nomina-tionen können demnach von Lehrern, Eltern, Peers oder auch von der betroffenen Person selbst abgegeben werden. In mehreren Untersuchungen konnte jedoch festgestellt werden, dass Lehrer und Peers zur Beurteilung intellektueller Fähigkeiten vor allem ihnen zugängliche Informationen, wie Noten und Schulleistung, heranziehen. Dabei werden allerdings auch hier

wieder die Underachiever übersehen. Bezüglich der Elternurteile muss zudem berücksichtigt werden, dass diese gegenüber ihren Kindern voreingenommen und befangen sein können. Auch die Selbstauskünfte von Jugendlichen sind kritisch zu bewerten. So sollte gewährleistet sein, dass die betroffenen Personen ein realistisches Bild ihrer eigenen Leistungsfähigkeit haben. Gerade im Grundschulalter kommt es in diesem Zusammenhang immer wieder zur eigenen Überschätzung. Und selbst Underachiever dürften auch im Rahmen von Selbstaus-künften nicht erkannt werden, da diese häufig unter Selbstwertproblemen leiden.

3) Identifikation über Leistung: Dieser Methode folgend wird eine Person dann als hoch-begabt bezeichnet, wenn sie sich durch hervorragende Leistungen hervortut. Zu nennen sind diesbezüglich zum Beispiel besondere Schulleistungen, Zensuren oder der Gewinn eines Wettbewerbes. Ein Defizit dieser Identifikationsmethode ist allerdings, dass die Qualität und Vergleichbarkeit von Zensuren eher mangelhaft erscheint. Weiterhin fließen in die Zensuren nicht nur Wissen und Können hinein, sondern auch Faktoren wie Arbeitshaltung, Betragen in der Klasse usw. beeinflussen die Notengebung. Zudem sagen Schulleistungen nicht immer etwas über die eigentliche Begabung aus. Während Hochbegabte womöglich ihr Potential nicht in die entsprechenden Leistungen umsetzen (Underachiever), können durchschnittlich Begabte aufgrund eines besonderen Fleißes und ihrer hohen Reservenmobilisierung zu Spitzenleistungen kommen (Overachiever).

[...]


[1] Schilling, Susanne R.: Hochbegabte Jugendliche und ihre Peers. Wer allzu klug ist, findet keine Freunde?. Reihe Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie; Bd. 33; D. H. Rost (Hrsg.). Waxmann. Münster 2002. S. 48

[2] Rost, Detlef H.: Hochbegabung. In: Rost, Detlef H. (Hrsg.): Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. 2. Auflage. Verlagsgruppe Beltz PVU. Weinheim 2001. S. 239

[3] Schilling, Susanne R.: Hochbegabte Jugendliche und ihre Peers. Wer allzu klug ist, findet keine Freunde?. Reihe Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie; Bd. 33; D. H. Rost (Hrsg.). Waxmann. Münster 2002. S. 3

[4] Feger, Barbara: Hochbegabung. Chancen und Probleme. 1. Auflage. Verlag Hans Huber. Bern 1988. S. 99

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Hochbegabte Jugendliche und ihre Peer-Beziehungen
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V147636
ISBN (eBook)
9783640581559
ISBN (Buch)
9783640582099
Dateigröße
524 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hochbegabung, Peer-Beziehungen, Peer, Marburger Hochbegabtenprojekt
Arbeit zitieren
Christina Täubert (Autor:in), 2006, Hochbegabte Jugendliche und ihre Peer-Beziehungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147636

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