Mao Tse-tung und der Sino-Sowjetische Konflikt


Seminararbeit, 2001

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Die Chinesisch-Sowjetische Allianz der Fünfziger Jahre

III. Ideologische Konflikte um den Maoismus

IV. Schlußbetrachtungen

V. Literaturverzeichnis
V.1. Reden und Schriften Mao Tse-tungs
V.2. Sonstige Dokumente

I. Einleitung

Die Beendigung der Konfrontation zwischen dem wirtschaftlichen-militärischen Block des politischen Westens und dem des Ostens zu Beginn der Neunziger Jahre zog gleichzeitig auch den endgültigen Schlußstrich unter eine Reihe von Auseinandersetzungen, die innerhalb der kommunistischen Staatenwelt zwischen der Volksrepublik China und der Sowjetunion in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität bis zum politischen Zusammenbruchs eines der beiden Kontrahenten ausgetragen und in ihrer Gesamtheit als „Sino-Sowjetischer Konflikt“ bekannt wurden.

Es ist nicht immer einfach, angemessene Worte für einen Einstieg in historische oder allgemeine Betrachtungen zu finden, die in jeder Hinsicht den Eigenheiten und Richtungen eines zu untersuchenden Problems gerecht werden. Auch die einleitenden Zeilen dieses Aufsatzes schaffen es nicht, den Betrachtungsgegenstandes aus seiner Komplexität heraus inhaltlich und argumentativ fehlerfrei einzuführen. Doch obwohl diese Zeilen noch keinen Schwerpunkt festlegen, ermöglichen sie es zumindest, den Themenbereich einzukreisen.

‘Sino-Sowjetischer Konflikt’ ist ein in den Geschichts- und Politikwissenschaften verwendeter Terminus technicus für die mehrdimensionalen Auseinandersetzungen zwischen China und der Sowjetunion in der zweiten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts. Aufgrund seiner differenzierten Struktur ließe sich dieser Konflikt aus verschiedenen Blickwinkeln heraus analysieren, die sich zumeist aus der wissenschaftlichen Ausrichtung des an diesem Thema Interessierten ergeben. Man könnte diesen Gegenstand vom theoretischen Standpunkt der Internationalen Beziehungen aus betrachten oder aber die Rolle elitärer Persönlichkeiten als den Hauptakteuren von Geschichte in den Mittelpunkt der Untersuchungen stellen. In gleicher Weise kann der Konflikt aber auch Grundlage für Nationalismus-Studien sein, wie er sich genauso zur Herausarbeitung von ideologischen Argumenten eignet.[1] Diese vielfältigen Möglichkeiten erzwingen dabei gleichsam unterschiedliche, aus den Analysen gezogene Schlüsse, die deshalb verschiedene Momente als Ursachen des Konflikts betonen. Darum läßt sich schon zu Beginn feststellen, daß eine monokausale Erklärung dieses Phänomens nicht möglich ist.[2]

Gleichzeitig aber erlaubt der begrenzte Umfang dieser Arbeit auch keine synoptische Untersuchung dieses Themas. Aus diesem Grunde soll sich der Aufsatz auf eine Darstellung der Anfangsphase des Konfliktes und damit vornehmlich auch auf dessen Ursachen beschränken. Es wird dabei in besonderem Maße versucht, eine ‘chinesische Perspektive’ einzunehmen, die sich vor allem aus den Reden und Schriften des charismatischen Führers der kommunistischen Partei Chinas, Mao Tse-tung, ergibt.[3] Dem sollte man eigentlich zeitgenössische sowjetische Analysen gegenüberstellen, doch aufgrund des fehlenden Zugangs zu solchen Untersuchungen werden in diesem Fall vor allem Arbeiten aus dem angelsächsischen Sprachraum zur Bewertung der verschiedenen Aspekte des Konfliktes einbezogen.

II. Die Chinesisch-Sowjetische Allianz der Fünfziger Jahre

Als Mao Tse-tung am 1. Oktober 1949 auf dem Tiananmen in Peking die Volksrepublik China ausrief, war noch nicht abzusehen, daß dieser Tag den Wendepunkt der modernen chinesischen Geschichte markieren würde. Beinahe vier Jahrzehnte hatte es gedauert, die Ansätze der bürgerlichen Revolution von 1911 unter Sun Yat-sen aufzunehmen und ein stabiles politisches System für China einzurichten. Das Land erlebte in jenen Jahren Momente, in denen ehemalige imperiale Generäle das alte dynastische Staatswesen wiederbeleben wollten, Augenblicke politischer Kämpfe zwischen den beiden großen Parteien Chinas, der Nationaldemokratische Volkspartei „Kuomintang“ (KMT) und der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), die Besetzung weiter Landesteile durch feindliche japanischen Truppen und die Entscheidung über die Herrschaft im Bürgerkrieg von 1947-1949.

Die Menschen wurden aus feudalen Abhängigkeitsverhältnissen befreit, mittelalterliche Herrschaftsstrukturen zerbrochen und durch ein autoritäres Entscheidungssystem auf kommunistischer Grundlage ersetzt, um dem Einzelnen die Möglichkeit zu geben, durch die Strukturen der Partei über sich selbst bestimmen zu können.

Welche Entwicklung China nehmen würde, war zum damaligen Zeitpunkt nicht vorherzusehen. Allein die wirtschaftliche Unterentwicklung bedingte die Abhängigkeit des Landes von externer Unterstützung, die Angst vor politischer Isolation verstärkte die Bedürftigkeit nur. Hilfe konnte ernsthaft nur von einer Seite erwartet werden: „In the late 40’s, the issue was not whether Communist China would lean towards one side but rather, as Chou En-lai put it to General Marshall, how far it would lean.“[4] Vor diesem Hintergrund sind auch die Moskauer Verträge vom 14. Februar 1950 zu sehen, die ähnliche Abkommen der Sowjetunion mit der Nationalregierung der Kuomintang ersetzten.[5] Man einigte sich darin auf einen Freundschafts-, Bündnis- und Beistandspakt, beschloß den Abzug sowjetischer Truppen aus Port Arthur, klärte den Status von Dairen und vereinbarte einen Kredit an die Volksrepublik von über 300 Mio. US-Dollar, mit dem die sowjetischen Hilfeleistungen für die volkswirtschaftliche Entwicklung Chinas bezahlt werden sollten. Aus den Archivakten zu den Vertragsverhandlungen schließt Dieter Heinzig, daß „[es den beiden Seiten] nicht so sehr um einen ideologischen Disput oder um die Verabredung einer weltrevolutionären Strategie, dafür umso mehr um klassische nationale Interessenpolitik [ging].“[6]

Die Anfangsmomente der Politik der KPCh nach den Bürgerkriegsjahren wurden vom Aufbau einer eigenen institutionellen Herrschaftsbasis bestimmt, der von einer Neustrukturierung und Wiederbelebung der Wirtschaft begleitet werden sollte. Der Umbau der chinesischen Wirtschaft erfolgte nach sozialistischen Grundsätzen und orientierte sich am Entwicklungsmodell der Sowjetunion. Von dieser Seite wurde der Prozeß u.a. durch die Entsendung mehrerer tausend Experten und durch die Errichtung von Industrieanlagen unterstützt. Die Politik einer ständig weiter auszubauenden Wirtschaftsleistung mündete schließlich in der Annahme des ersten Fünfjahrplanes 1953, der eine beschleunigte Kollektivierung der Wirtschaft bewirken sollte.[7]

Die finanzielle und technische Unterstützung wie auch die Übernahme von Sicherheitsgarantien durch die Sowjetunion war die Grundlage für die loyale Partnerschaft der Volksrepublik in den Fünfziger Jahren.[8] Deutlich wird dies auch im militärischen Engagement Chinas während des Koreakrieges, das unter nicht geringem, politischem Druck aus Moskau zustande kam. Im gleichen Maße aber wie die Sowjetunion und China ihre Aktivitäten auf internationaler Bühne koordinierten, setzte Peking auch unabhängige Akzente. Dem entsprechend befriedigte der Einmarsch der Volksbefreiungsarmee in der Tibet-Region durchaus das nationale Interesse an einem China in seinen historischen Dimensionen, wobei hier im übrigen auch der Anfangspunkt der später eskalierten Beziehungen Chinas zu Indien zu suchen ist. Gleichwohl verlor man auch niemals die sich auf die Insel Taiwan zurückgezogenen Reste der Kuomintang aus den Augen, die sich der Wiederherstellung der politischen Einheit Chinas mit amerikanischer Unterstützung entgegenstellten und seitdem einen immerwährenden Konfliktherd bildeten.

Vordergründig änderte sich auch durch Stalins Tod im März 1953 nichts an der gemeinsamen Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern, da die neue Moskauer Kollektiv-führung zunächst die alten Zielsetzungen beibehielt. Viel später erst, als die Spannungen zwischen den beiden großen kommunistischen Parteien eine ungeahnte Intensität entwickelt hatten, sollte der Maoismus dieses Ereignis als den entscheidenden Wendepunkt der Wandlung und Entartung des politischen und ideologischen Systems der Sowjetunion interpretieren.[9]

[...]


[1] Vgl. Zagoria, Donald S., Mao’s role in the Sino-Soviet Conflict, in: Pacific Affairs 47 (1974), S. 139-153, hier S. 139.

[2] Geschichtliche Ereignisse als Folge menschlicher Handlungen lassen sich nicht auf eine einzige Ursache zurückführen, wofür nicht nur die die Empirie wissenschaftlicher historischer Betrachtung spricht, sondern auch die Ergebnisse neuerer Gedächtnisforschungen. (Vgl. dazu Singer, Wolf, Wahrnehmen, Erinnern, Vergessen, in: FAZ Nr. 226, 28.09.2000, S. 10.)

[3] Vgl. Mao Tse-tung, Ausgewählte Werke (Band I-V), Peking 1968-1978.; Helmut, Martin (Hrsg.), Mao intern - Unveröffentlichte Schriften, Reden und Gespräche Mao Tse-tungs 1949-1971, Frankfurt/M. 1975.

[4] Zagoria, Donald S., 1974, S. 150-151.

[5] Die Verträge vom 14. Februar 1950 sind abgedruckt in: Heinzig, Dieter, Die Sowjetunion und das kommunistische China 1945-1950, Baden-Baden 1998, S. 666-671.

[6] Ebd. S. 634.

[7] Zu den Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und der Sowjetunion vgl. Clubb, O. Edmund, Sino-Soviet Relations and the Economic Imperativ, in: Current History 63 (1972), S. 114-117 u. 135-136. Die chinesische Wirtschaftspolitik der Jahre 1955-1957 analysiert Hoffman, Rainer, Kampf zweier Linien - Zur politischen Geschichte der Volksrepublik China 1949-1977, Stuttgart 1978, S. 18-32.

[8] Vgl. Gu Xuewu, Die Volksrepublik China zwischen den Supermächten: 1949-1989, in: Herrmann-Pillath, Carsten / Lackner, Michael (Hrsgg.), Länderbericht China, Bonn 1998, S. 498.

[9] Vgl. Leonhard, Wolfgang, Die Dreispaltung des Marxismus, Düsseldorf und Wien 1970, S. 312-313.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Mao Tse-tung und der Sino-Sowjetische Konflikt
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Note
1,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
15
Katalognummer
V147653
ISBN (eBook)
9783640585717
ISBN (Buch)
9783640585939
Dateigröße
471 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mao Tse-tung, Mao Tsedong, VR China, Sowjetunion, Kommunismus, Kruschtschow, Krushcev, Stalin
Arbeit zitieren
Sebastian Rosche (Autor:in), 2001, Mao Tse-tung und der Sino-Sowjetische Konflikt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147653

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