Planwirtschaft und ihr Alltag


Seminararbeit, 2009

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Die Planwirtschaft im Alltag
II.1. Historische Entwicklung der Planwirtschaft der Sowjetunion
II.2. Reformen unter Chruschtschow
II.3. Ehrgeizige Pläne
II.4. Entwicklung/Bedeutung des Konsums
II.5. Folgen und Probleme der Produktion beziehungsweise der Produktivität
II.6. Konsum im Alltag
II.6.1. Beschaffungsstrategien: Kultur des Schlangestehens
II.6.1. Alternativen

III. Schluss

IV. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

„Die Sowjets haben lange alle Miseren ihres Wirtschaftssystems auf menschliches Versagen einzelner zurückgeführt, weil nach Ansicht der überzeugten Marxisten (und tatsächlich auch vieler Russen) eine zentral geplante und geführte Wirtschaft einer (wie sie meinen) „chaotischen“ freien Wirtschaft mit ihren angeblich unproduktiven Arbeitsleistungen (Werbung, „unnötige“ Güter, Doppelproduktion) schon rein logisch überlegen sein muss.“[1]

Seit Anfang der Siebziger Jahre rückt die Planwirtschaft der sozialistischen Staaten ins Blickfeld der kapitalistischen Westmächte. Der Kalte Krieg kühlte sich ein wenig ab, ebenso wie die 1968er-Revolte und besonders seit der ersten Ölkrise 1973 setzt eine Art Reflexion des eigenen Systems und Bilanzziehung des sowjetischen Systems ein. Nachdem der achte Fünfjahresplan relativ erfolgreich erfüllt wurde, stiegen die Erwartungen an den neunten Plan (1971-1975) erheblich. Das große Ziel, gegenüber dem Westen, besonders den USA, aufzuholen um sie dann zu überholen, erscheint heute utopisch. Die wissenschaftliche Arbeit im Zentrum aller Überlegungen, wurde an Hand von Statistiken und Wachstumsprognosen der USA und der Sowjetunion der Fortschritt aufgezeigt. Wie auch viele andere 'offizielle' Zahlen waren auch diese beschönt beziehungsweise schlicht falsch. Das Ergebnis des Ehrgeiz lässt sich bereits 1972, 73 erkennen: der Plan geht nicht auf.

Mit den Problemen der Produktion hingen auch die Versorgung der Bevölkerung und des Konsum zusammen. Während im Westen der Konsum die Vorraussetzung für das Bestehen des Wirtschaftssystems und des Wohlstandes ist, so wird im Sozialismus der Konsum, also der private (Genuss-)Konsum, gewährt zum Erhalt des politischen Systems. Er wird ermöglicht, aber nicht aktiv gefördert, der Sowjetbürger darf Konsumieren, aber nur unter beschwerten Bedingungen. Die Folgen, die sich aus der Art des Konsums ergeben betreffen auch die Produktion und die Art der Produktion ist wiederum für die Probleme des Konsums verantwortlich.

In meiner Hausarbeit möchte ich die Probleme der sozialistischen Planwirtschaft darstellen, die sich aus ihr ergebenen Probleme der Bevölkerung im Alltag, deren Umgang und mögliche Ursachen (siehe Zitat oben) aufzeigen.

II. Die Planwirtschaft im Alltag

II.1. Historische Entwicklung der Planwirtschaft der Sowjetunion

Die an Marx' Theorien orientierte Planwirtschaft hatte ihre ersten Ansätze der praktischen Umsetzung bereits vor der Ära Josef Stalins (1878-1953). Am 15. Parteitag im Jahr 1927 wurde ein Fünfjahresplan beschlossen, der sich jedoch auf die Industrie beschränkte. Im November 1929 wurde vom Zentralkommittee ein neuer, weiterentwickelter Plan entworfen, der der alten Version nur noch im Prinzip ähnelte. Ziel war es, die Marktanarchie zu beseitigen und den Aufbau des Sozialismus planmäßig-rational durchzuführen.[2] Welche Sektoren der Volkswirtschaft betroffen sein sollten und in welchem Tempo die Neuerungen durchgesetzt werden sollte, darüber herrschte Uneinigkeit in der Partei, besonders über die Agrarfrage wurde gestritten. Stalin setzte sich schließlich radikal durch und bezeichnete die Verfechter einer maßvollen Transformation als „unmarxistische Saboteure des Fortschritts“.[3]

Es begann eine Jagd nach höchsten Zuwachsraten und Kontrollziffern, beherrscht von dem Betreben, den Fünfjahresplan bereits in vier Jahren zu erfüllen. 1930 kündigte Stalin an, innerhalb von zehn Jahren werde die Sowjetunion sich so weit entwickeln, wie der Westen innerhalb der vergangenen 50 Jahre. Das Zentralkomitee tsartete Großprojekte zur Schaffung einer industriellen Infrastruktur, wobei die Wirtschaftsexperten den Ideologen unterlagen.[4]

Der euphorischen Zeit des Aufbaus folgte eine Rezession, geprägt durch Überanstrengung und Ertragsminderung. Dennoch schuf Stalins harter Kurs wichtige Grundlagen für die Industrialisierung der Sowjetunion.[5]

II.2. Reformen unter Chruschtschow

Zur Verbesserung des Lebensstandards wurden einige Reformen unter Chruschtschow iniziiert. Die Löhne auf niedrigem und mittelerem Niveau wurden angehoben, die Grundversorgung und besonders der Wohnungsbau wurden geringfügig gesteigert. Ein Kurswechsel war zwar dringend nötig, dennoch verhielt sich die Partei zögerlich, denn jede Reform, die vom Marxismus abwiche, bedeutete eine Annäherung an den Kapitalismus, was zu gravierenden innenpolitischen Problemen geführt hätte.[6] So wurden auch die meisten der Reformversuche nach kurzer Zeit wieder verworfen, ohne dass eine Langzeitwirkung beobachtet werden konnte. Schließlich kam es in den 1950er Jahren zu einer der gefährlichsten Wachstumskrisen seit Ende des Bürgerkrieges (1918). Zur Effektivitätssteigerung wurden auf regionaler Ebene eine horizontale Konzentration von Betrieben zu 'Firmen' durchgeführt und eine vertikale Konzentration zu 'Produktionsgruppen'.[7] Auf diese Weise strukturierte die Partei die Wirtschaft mehrfach um, in den 80er Jahren wurde sie in 18 Wirtschaftsräume unterteilt, was die administrativen Grenzen sprengte. Deshalb wurde die Anzahl der Behörden erweitert, die sich danach „Ministerien“ nannten. Einerseits wurde durch die Einteilung in Wirtschaftsräume eine Dezentralisation herbeigeführt, andererseits verstärkte das Zentralkomitee somit die Kontrollinstanzen.[8]

II.3. Ehrgeizige Pläne

Zu den ehrgeizigen Plänen zur Verbesserung des Lebenstandards zählte auch der immerwährende Vergleich mit den Westmächten, vor allem mit den USA, und die Ankündigung, diese bald zu überholen. Dieses Überholen sollte auch in konkreten Zeiträumen geschehen, die sich auf statistischen Berechnungen stützten.[9] Wurde dem Sowjetvolk zunächst suggeriert, es lebe bereits besser als die westlichen Völker, so wuchs bei der Veröffentlichung des Plans zur Überholung der Westmächte die Skepsis durch die Vorlage unrealistischer Statistiken. Außerdem wurden zur Berechnung der Prognosen für die USA die niedrigsten Wachstumswerte, also aus wirtschaftlich schwierigeren Jahren benutzte, während für die Sowjetunion nur die Ergebnisse der besten Jahre benutzt wurden, die dann auf die Folgejahre mit noch höheren Steigerungsraten hochgerechnet wurden.[10] Die Wissenschaft als Basis der statistischen Berechnungen und Prognosen, wurde der Rückstand allerdings deutlicher als dass sich damit ernsthaft die Überlegenheit des Sozialismus beweisen ließ. Der Wettlauf mit den USA sollte nur durch Zahlen belegt werde, die Qualität der zu produzierenden Produkte oder die (gefühlte) Lebensqualität der Bevölkerung war dabei komplett ungeachtet.

Weiteres ehrgeiziges Ziel war das Vorantreiben des Sozialismus. Am 22. Parteitag (1961) kündigte Chruschtschow an, der vollkommende Kommunismus werde bis zum Jahr 1980 vollzogen sein.[11] Auf den vollzogenen Kommunismus wurde auch in den Folgejahren immer wieder verwiesen, ebenso wie die Angleichung des Lebensstandards an jenen der Weltmächte. Erst ab 1981 gab es keine Prognosen mehr zu diesem Projekt, denn obwohl ein Fortschritt zu verzeichnen war, hatte sich tatsächlich die Kluft zwischen den USA und der Sowjetunion in einigen Gebieten sogar vergrößert.[12]

II.4. Entwicklung/Bedeutung des Konsums

Der private Konsum hatte in der Sowjetunion eine besondere Bedeutung. Zur Legitimation ihrer Herrschaft und des Systems überhaupt betonten die sowjetischen Staatschefs die ideologische Überlegenheit des sozialistischen Systems. Das Volk schaut aber in den Westen und wünscht sich den Komfort des Klassenfeindes. Durch das Fehlen eines ökonomischen Korrektivs zwischen Wirtschafts- und Konsumentwicklung erhält die Konsumorientierung eine systemsprengende Kraft, was von manchen Historikern als Hauptursache des Zusammenbruchs des Ostblocks betrachtet wird.[13] Die Bedeutung des Konsum erhöhte sich durch die ständige Bevormundung der Bevölkerung beziehungsweise durch die fehlende Selbstständigkeit im wirtschaftlichen Bereich. Konsumorientierung war eine politische Entscheidung, die abgekoppelt war von der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft. Dadurch stagnierte der Konsum ebenfalls bei einem Wirtschaftswachstum und umgekehrt.[14]

[...]


[1] Ehlert, Nikolaus: UdSSR, Staat und Gesellschaft, Hannover 1982, S.66.

[2] Hildermeier, Manfred: Die Sowjetunion 1917-1991, München 2001, S.35.

[3] Ebd., S.35.

[4] Ebd., S.36.

[5] Ebd., S.36.

[6] Ehlert, Nikolaus: UdSSR, Staat und Gesellschaft, S.69.

[7] Ehlert, Nikolaus: UdSSR, Staat und Gesellschaft, S.70.

[8] Ebd., S.71.

[9] Ebd., S.72.

[10] Ebd., S.72.

[11] Ebd., S.72.

[12] Ehlert, Nikolaus: UdSSR, Staat und Gesellschaft, S.75.

[13] Merl, Stephan: Staat und Konsum in der Zentralverwaltungswirtschaft, Russland und die ostmitteleuropäischen Länder. In: Europäische Konsumgeschichte zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte des Konsums (18.-20. Jht.), hg.v. Hannes Siegrist u.a., Frankfurt/Main 1997, S.206.

[14] Ebd., S.206.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Planwirtschaft und ihr Alltag
Hochschule
Universität Konstanz
Veranstaltung
Proseminar: Kosmos und Konsum. Kultur der Sowjetunion nach 1945
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
16
Katalognummer
V147704
ISBN (eBook)
9783640586738
ISBN (Buch)
9783640586523
Dateigröße
508 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sowjetunion, Planwirtschaft, Schlange stehen, Moskau
Arbeit zitieren
Katharina Hoffmann (Autor:in), 2009, Planwirtschaft und ihr Alltag, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147704

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