David Cronenbergs 'The Fly' als Remake


Seminararbeit, 1999

16 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. The Fly - ein Remake?

2. Konzentration

3. Verinnerlichung - Veräusserlichung

Schluss

Bibliographie

Einleitung

Diese Arbeit soll David Cronenbergs The Fly (1986) als Remake von Kurt Neumanns The Fly (1958) interpretieren. Das erste Kapitel wird zeigen, daß diese Lesart gerechtfertigt ist, obwohl die Bezüge des zweiten Films auf den ersten bei einer oberflächlichen Visionierung kaum ins Auge springen.[1] Dieses Kapitel wird die tiefgehenden Parallelen zwischen den Motiven, dem Plot und der Figurenkonstellation der beiden Filme aufzeigen und sie in einer Kern­handlung zusammenfassen. Die restliche Arbeit wird einen Dialog des Cronenberg-Films mit dem Neumann-Film aufzeigen und auf Strategien eingehen, nach denen das Remake den Hypotext verändert. Die erste Strategie ist eine dramaturgische Konzentration. Cronenberg verkleinert die Figurenkonstellation und gibt der männlichen Hauptfigur mehr Raum.[2] Außerdem akzentuiert er die melodramatische Handlung des Films und verknüpft diese enger mit der Science Fiction Handlung. In den letzten beiden Kapiteln wird es dann um die Thematik der beiden Filme gehen. Hier wendet Cronenberg eine Strategie an, die ich Verinnerlichung-Veräußerlichung nenne; er greift Themen und Motive auf, verlegt sie ins Innere der Figuren, nur um dieses Innerste wieder nach außen zu kehren. Diese Strategie werde ich anhand von vier Beispielen erläutern, bei denen ich Parallelen und Unter­schiede zwischen den beiden Filme darstellen werde, um dann die Konse­quenzen der Unterschiede zu deuten.

1. The Fly - ein Remake?

Bevor die beiden Filme überhaupt verglichen werden können, muß fest­gestellt werden, ob es sich bei David Cronenbergs The Fly (1986) tatsächlich um ein Remake von Kurt Neumanns The Fly (1958) handelt und nicht um eine bloße Neuverfilmung der Kurzgeschichte von George Langelaan. Der offen­sichtlichste Bezug zwischen den beiden Filmen ist der Titel, welcher gleichzeitig auf die gemeinsame Quelle zurückverweist. Dazu kommt, daß der erste Film zu den Klassikern des Science-Fiction-Films gezählt werden darf oder zumindest in der klassischen Phase dieses Genres entstanden ist. Die Produzenten dürften sich also durchaus gewünscht haben, daß das Publikum den neuen Film auf den alten bezieht, vor allem auch deshalb, weil The Fly (1958) mindestens in den Vereinigten Staaten beim Publikum und bei den Kritikern gut ankam (Stresan/Wimmer 20-21). Eine gemeinsame Quelle oder bestimmte Marketingstrategien reichen aber nicht aus, um ein Remake im engeren Sinne feststellen zu können. Dementsprechend findet sich in der Sekundärliteratur auch die Auffassung, daß es sich hier um ein un­eigentliches, nur "vordergründig[es]" (Oetjen/Wacker 130) Remake handelt.

Cronenberg erzählt eine völlig andere Geschichte, weshalb sein Film auch kein Remake ist, sondern lediglich thematisch ähnliche Elemente verarbeitet. (Oetjen/Wacker 130)

Die Gründe für eine solche Ablehnung des Remakebegriffs für The Fly sind vielfältig. Nicht nur die Geschichte, sondern auch Zahl, Eigenschaften und Alter der Charaktere sind verändert worden. Dementsprechend gibt es auch keine einzige Dialogzeile, die vom Neumann-Film übernommen worden wäre. Cronenberg setzt seine Geschichte zudem in den 80er-Jahren an. Dazu kommt, daß, auch wenn die Grundidee der mißglückten Teleportation mit einer Fliege dieselbe ist, die Ausgangslage nach dem Versuch völlig anders ist: Ein Austausch von Körperteilen im ersten Film, eine Fusion auf der molekular-genetischen Ebene im zweiten.

Teilen die beiden Filme also nur ein grundsätzliches Plotelement, also die Teleportation mit einer Fliege, und den Titel? Nein - bei allen Unterschieden gibt es einige Parallelen zwischen den beiden Filmen, und zwar auf den ver­schiedensten Ebenen, vom Requisit bis zur Figurenkonstellation.

Auf der Tonspur beider Filme wird zum Beispiel das Summen einer Fliege, die meist nicht im Bild zu sehen ist, als ein im Kontext des Films bedrohliches Element eingesetzt. Beide Filmpaare feiern die gelungene Teleportation eines Tieres mit Champagner. Die Auflösung der Objekte im Telepod pro­duziert, wie beim Desintegrator des ersten Films, ein gleißendes Licht. Die Teleportationsmaschinen der beiden Filme ähneln sich zwar gar nicht, doch bezeichnenderweise nennt Veronica die Telepods zuerst "designer phone booths",[3] was die Apparate des ersten Filmes wesentlich besser beschreibt. Neben diesen Details gibt es aber auch tiefergehende Parallelen. Beide Wissenschaftler machen zwei Tierversuche, von denen der erste fehlschlägt. Im Zentrum der Figurenkonstellation steht in beiden Versionen ein Dreiecksverhältnis von zwei Männern zu einer Frau. Diese Frau bringt den Wissenschaftler letztlich auf seinen eigenen Wunsch um. Und auch die bei­den Teleportations-Erfinder selbst sind, bei allen Unterschieden, teils parallel angelegt.

Mit diesen Parallelen, so allgemein gehalten sie auch sind, läßt sich eine Kernhandlung konstruieren, die den Stoff The Fly ausmacht und beiden Filmen eigen ist. Man kann sie folgendermaßen zusammenfassen: Ein Wissenschaftler erfindet eine Teleportationsmaschine, mit der er aber vorerst nur tote Materie transportieren kann. Ein erster Tierversuch scheitert, nach Modifikationen an der Maschine gelingt aber ein zweiter Versuch. Er teilt diese Erfahrungen mit seiner Frau oder Freundin. Ein weiterer Mann, der dieselbe Frau liebt, erfährt später von diesen Experimenten. Letztlich wagt der Wissenschaftler das Selbstexperiment. Eine Fliege gerät dabei mit ihm in die Teleportations­maschine. Durch das Experiment wird der Wissenschaftler zu einem Monstrum. Seine Frau/Freundin bringt ihn zuletzt auf seinen Wunsch um.

Diese Zusammenfassung beschreibt weder die beiden Filme noch die Kurzgeschichte, auf der sie basieren, hinreichend. Sie umreißt wie gesagt nur die Kernhandlung des Stoffes, die in allen drei Texten vorhanden ist. Nur schon die Tatsache, daß sich eine solche, in sich stimmige Kernhandlung aus den beiden Filmen herauslösen läßt, zeigt, daß es sich bei The Fly (1986) um ein echtes Remake von The Fly (1958) handelt.[4]

2. Konzentration

Die Ortung von Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Versionen von The Fly war deshalb so nötig, weil die Filme bei einer ersten Visionierung völlig unterschiedlich zu sein scheinen. Um diese Unterschiede soll es im folgen­den gehen, allerdings wieder unter der Annahme, daß sich der zweite Film auf den ersten bezieht. Meine These, die es nun zu belegen gilt, ist, daß sich Cronenbergs The Fly in einem ständigen Dialog mit Neumanns The Fly befindet. Der zweite Film folgt nicht nur derselben Kernhandlung wie der er­ste, sondern er greift Themen und Motive des ersten auf und verändert sie, bzw. gewichtet sie neu. In einem ersten Schritt konzentriert Cronenberg die Figuren und die Handlung des Neumann-Films.

Die Konzentration der Handlung äußert sich zum ersten darin, daß Cronen­berg die investigative Krimihandlung des Hypertextes, und damit auch die Figur des Inspektor Charas, wegläßt. Dies gibt dem Film Raum, sich der Liebesgeschichte zwischen Seth und Veronica zu widmen, die zum eigentlichen roten Faden des Films wird.

[...]


[1] Ein Bezug des Hypertextes auf den Hypotext ist für die Definition des Remakes im engeren Sinne, wie ich sie hier benütze, Voraussetzung. Eine bloße Verfilmung ein und desselben Stoffes ohne Bezugnahme auf eine frühere Verfilmung ist eine Neuverfilmung, kein Remake.

[2] Der Einfachheit und der Vermeidung von Passiven zuliebe nenne ich immer Cronenberg als Macher des Remakes. Das ist auch ganz legitim, da er das Drehbuch von Charles Edward Pogue offenbar völlig umgeschrieben hat und die Veränderungen gegenüber Neumanns The Fly deshalb eher ihm als Pogue zuzuschreiben sind (Rodley 125).

[3] Zitate ohne Seitenangaben sind Transkriptionen von Filmdialogen.

[4] Natürlich könnte es sich auch um zwei ähnliche Verfilmungen derselben Kurzgeschichte handeln, die sich nicht direkt aufeinander beziehen. Dem ist aber nicht so, da auch der erste Film am Schluß stark von der Vorlage abweicht, und, wie wir sehen werden, sich der zweite Film auch auf diesen Schluß bezieht.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
David Cronenbergs 'The Fly' als Remake
Hochschule
Universität Zürich  (Filmwissenschaftliches Seminar)
Veranstaltung
Das Phänomen Remake
Note
1
Autor
Jahr
1999
Seiten
16
Katalognummer
V14773
ISBN (eBook)
9783638200813
ISBN (Buch)
9783640202683
Dateigröße
481 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
David Cronenbergs SF-Klassiker "The Fly" als Remake des gleichnamigen Films aus den 50er-Jahren gelesen. Die These: Cronenberg verlegt die Thematik des Originals (Familien, Dreiecksbeziehung) ins Innere der Figuren, nur um sie wieder nach außen zu kehren (Body Horror). David Cronenbergs SF-Klassiker "The Fly" als Remake des gleichnamigen Films aus den 50er-Jahren gelesen. Die These: Cronenberg verlegt die Thematik des Originals (Familien, Dreiecksbeziehung) ins Innere der Figuren, nur um sie wieder nach außen zu kehren (Body Horror).
Schlagworte
David, Cronenbergs, Remake, Phänomen, Remake
Arbeit zitieren
Mag. Markus Widmer (Autor:in), 1999, David Cronenbergs 'The Fly' als Remake, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14773

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