Leseprobe
Inhaltsverzeichnis:
Einleitung
1. Biografie Alice Salomon
1.1 Elternhaus, Kindheit und Jugend ( 1872-1892)
1.2 Der Wendepunkt (1893-1901)
1.3 Studium und Promotion (1902-1907)
1.4 Soziale Frauenschule und internationale Karriere (1908-1932)
1.5 Entlassung aus allen öffentlichen Ämtern und Emigration bis zu ihrem Tod (1933-1948)
2. Alice Salomons Bedeutung für die Soziale Arbeit
2.1 Netzwerke von Alice Salomon
2.2. Zeitgeist
2.3 Theorie der Chicagoer Schule
2.4 Beitrag für die Entwicklung der Wissenschaft
2.4.1 Zur Theorie des Helfens
2.4.2 Theoretische und ethische Grundlagen in Alice Salomons Begriff von Sozialer Arbeit
2.4.3 Soziale Arbeit und Geschlecht
2.4.4 Soziale Arbeit als Profession
3. Schlussbetrachtung
4. Quellenverzeichnis
Einleitung
Das Deckblatt zeigt Alice Salomon auf einer fünf DM-Briefmarke der Dauerserie der Deutschen Bundespost über „bedeutende Frauen“.2
Alice Salomon ist eine der bekanntesten Frauen, die die Soziale Arbeit als Wissenschaft geprägt hat. Ihre Werke beschäftigen sich mit der Professionalisierung Sozialer Arbeit und der Frauenbewegung. Das Zitat zu beginnt, stellt ihre Ansicht eines Sozialarbeiters dar. Außerdem war sie eine der ersten deutschen Frauen, die promovierte und dennoch wird sie oft vernachlässigt. Ich möchte mich in dieser Arbeit näher mit ihr auseinandersetzen. Mein Thema lautet: Alice Salomon und ihre Bedeutung für die Soziale Arbeit.
Im ersten Teil meiner Arbeit werde ich mich mit Alice Salomons Biografie auseinander-setzen. Dabei gehe ich als erstes auf ihr Elternhaus, ihre Kindheit und Jugend ein. Zweitens beschreibe ich den Wendepunkt in ihrem Leben. Drittens widme ich mich ihrem Studium und ihrer Promotion. Viertens gehe ich auf Alice Salomons Soziale Frauenschule und ihre internationale Karriere ein. Als fünften und letzten Punkt betrachte ich dann ihre Entlassung aus allen öffentlichen Ämtern und ihre Emigration bis zu ihrem Tod.
Im zweiten Teil meiner Arbeit gehe ich dann auf Alice Salomons Bedeutung für die Soziale Arbeit ein. Dabei werde ich als erstes die Netzwerke von Alice Salomon betrachten. Zweitens gehe ich auf den Zeitgeist ein. Drittens wende ich mich der Theorie der Chicagoer Schule und ihre Bedeutung für Alice Salomon zu. Als vierten Punkt betrachte ich dann genauer ihren Beitrag für die Entwicklung der Wissenschaft, wobei ich auf ihre Theorie des Helfens, ihre theoretischen und ethischen Grundlagen eingehen werden, sowie auf Soziale Arbeit und Geschlecht und Soziale Arbeit als Profession.
Im dritten Teil meiner Arbeit, der Schlussbetrachtung, werde ich zusammenfassend und abschließend Alice Salomons Bedeutung für die Soziale Arbeit darstellen.
1. Biografie Alice Salomon
1.1 Elternhaus, Kindheit und Jugend ( 1872-1892)
Alice Salomon wurde am 19. April 1872 in Berlin geboren. Ihr Vater, Albert Salomon, war ein wohlhabender jüdischer Kaufmann im Lederhandel der dritten Generation. Er war viel auf Reisen und daher wenig zu Hause. Ihre Mutter, Anna Salomon, kam aus der angesehe-nen, reichen und jüdischen Bankiersfamilie Potocky-Nelken aus Breslau. Die Familie be-wohnte ein stattliches Haus in der Königsgrätzerstraße 28 in Berlin. Alice Salomon war eines von insgesamt sechs Kindern. Es waren zwei Söhne und vier Töchter. Alice Salomon ist die zweite Tochter und trägt den Namen Alice nach einem der Kinder der Queen Vikto-ria der Großherzogin von Hessen. Diesen hatte ihre Mutter ausgesucht, da die Herzogin eine liebende Tochter und Vorbild war. Alice Salomon war ein wissbegieriges und kluges Mädchen und besuchte bereits mit fünf Jahren die private christliche Mädchenschule. Ihr Ende der Kindheit war allerdings traurig, da ihr Vater erkrankte als sie dreizehn Jahre alt war und starb 1886, woraufhin das geliebte Haus verkauft wurde. Die Familie zog in eine kleinere Mietwohnung und Alice Salomon beendete ihre Schulbildung. Wenige Jahre spä-ter starb ein jüngeres Geschwisterkind an Diphtherie und ihre Mutter verlor ihren Lebens-mut.3
Alice Salomon war unglücklich zu Hause sein zu müssen und enttäuscht nicht den Beruf der Lehrerin ergreifen zu dürfen. Ihre Perspektive war lediglich eine standesgemäße Ehe.4 In dieser Zeit betrieb sie standesgemäße Zerstreuung für „höhere Töchter“. Sie beschäftigte sich mit Handarbeiten, Tanzvergnügen und anderem. Es war ihre unglücklichste Zeit, wie sie selbst meint.5
1.2 Der Wendepunkt (1893-1901)
Am 5. Dezember 1893 erhielt Alice Salomon eine Einladung zur Gründerversammlung der „Mädchen- und Frauengruppen“. Es handelte sich dabei um eine Veranstaltung, bei der junge Frauen und Mädchen zur Pflichterfüllung im Dienste der Gesundheit herangezogen wurden. Es sollte ehrenamtliche Arbeit geleistet werden. Für Alice Salomon war es eine Befreiung aus ihrem Nichtstun zu Hause.6
Jeanette Schwerin war die Vorsitzende der „Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit“. Sie prägte Alice Salomon und wurde für sie eine Freundin und Mentorin. Durch sie las sie sozialkritische Publikationen. Sie las u.a. Werke von Graf Lew Nikolaie-witsch Tolstoj, Benjamin Disraeli, John Ruskin, Humpry Ward, Walter Besant und Thomas Carlyle. Letzterer bezeichnete Arbeit als „gottgefällige Lebensform“.
Zunächst arbeitete Alice Salomon in einem Mädchenhort. Zudem machte sie dann auch Hausbesuche und war tief ergriffen von der Not der Mütter und ihrer Kinder. Über Jeanette Schwerin kam Alice Salomon dann in Kontakt mit der nationalen und der internationalen Frauenbewegung. Nach dem Tod von Jeanette Schwerin im Jahr 1899 wurde sie zu ihrer Nachfolgerin als stellvertretende Vorsitzende der „Mädchen- und Frauengruppen für sozia-le Hilfsarbeit“ gewählt. Noch im selben Jahr wurde sie Leiterin des ersten Jahreskursus zur Ausbildung für ehrenamtliche Berufsarbeit in der Wohlfahrtspflege. Dies gilt als Geburts-stunde einer ersten Wohlfahrtsschule. Im Jahr 1900 wurde Alice Salomon als jüngstes Mitglied in den Vorstand des „Bundes Deutscher Frauenvereine“ (BDF) und in die „Kommission für Arbeiterinnenschutz“ gewählt. Beim BDF war sie zunächst Schriftführe-rin und später stellvertretende Vorsitzende. Dort lernte sie Helene Lange kennen, eine be-kannte Führerin des BDF. Helene Lange forderte sie auf sich mit Beiträgen an dem Hand-buch der Frauenbewegung zu beteiligen. Sie verfasste einen Aufsatz über „Die Frau in der sozialen Hilfstätigkeit“.7
1.3 Studium und Promotion (1902-1907)
Elisabeth Freiin Richthofen war eine der ersten Frauen Deutschlands, die promovierte. Sie war eine gute Freundin von Alice Salomon und lud sie 1902 zum „Doktorschmaus“ ein. Professor Max Sering war anwesend, der ein Freund des Frauenstudiums war. Er fragte sie, warum sie nicht studiere, da der Weg für Frauen nun frei war. Alice Salomon erfüllte al-lerdings nicht die nötigen Eingangsvoraussetzungen. Er machte sie darauf aufmerksam, dass Ausnahmen für „verdienstvolle Leute“ gemacht würden. Sie stellte daraufhin einen Studienantrag an der „Königlichen Friedrich-Wilhelm-Universität“ zu Berlin und wurde angenommen. Sie studierte dann ab 1902 Nationalökonomie. Im dritten Semester schrieb sie eine Arbeit über ungleiche Entlohnungen bei Männern und Frauen und wollte mit die-sem Thema promovieren.8
Die Promotion war allerdings nicht leicht. Der Dekan der Philosophischen Fakultät, Professor Adolf Erdmann lehnte ihren Antrag zunächst ab. Max Sering und Alfred Weber standen Alice Salomon bei und schalteten das Ministerium ein. 1906 wurde ihr Antrag dann bewilligt. Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihre Arbeit bereits geschrieben. Alice Salomon machte somit 1906 ihren Abschluss des Studiums mit der Promotion Dr. phil. Ihr Disserta-tionsthema war: „Über die Bestimmungsgründe der ungleichen Entlohnung gleicher Leis-tungen für Männer und Frauen“. Dabei war es für sie keine gewollte Unterdrückung, son-dern eine Erscheinung des Wirtschaftslebens.
Alice Salomon wollte aber keine wissenschaftliche Laufbahn antreten und kehrte zu ihrer früheren Arbeit zurück. Sie arbeitete weiterhin im BDF und karitativen und sozialpoliti-schen Organisationen und erteilte volkswirtschaftlichen Unterricht an weiblichen Fach-schulen. Somit war es ihr doch noch vergönnt Unterricht zu geben, wie sie es sich immer gewünscht hatte.9
1.4 Soziale Frauenschule und internationale Karriere (1908-1932)
Am 18. August 1908 kam es in Preußen zur „Bestimmung über die Neuerung des Mäd-chenschulwesens“. Die Diskussionen um die künftige Struktur des höheren Mädchen-schulwesens wurden schon verstärkt seit 1901 zwischen den Mädchenschulpädagogen, der bürgerlichen Frauenbewegung und den Unterministern der einzelnen deutschen Länder geführt. Alice Salomon veröffentlichte in dem Zusammenhang eine Abhandlung über „So-ziale Frauenbildung“.10 Eine soziale Frauenschule entstand im „Pestalozzi-Fröbel-Haus“ in Berlin-Schöneberg nach Beschluss des „Berliner Vereins für Volkserziehung“ und der „Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit“. Am 15. Oktober 1908 wurde damit die „reichsweit erste interkonfessionelle Soziale Frauenschule“ eröffnet. Die Leiterin der Sozialen Frauenschule war Alice Salomon. Ihre Eröffnungsansprache veröffentlichte sie in der Zeitschrift „Die Frau“.11 Die Schule verschaffte der Unterstufe einen Abschluss und somit konnte eine soziale Berufsausbildung begonnen werden. Die Oberstufe konnte dann die eigentliche fürsorgerische Frauenausbildung genießen. Im dritten Jahr folgte ein Fort- bildungskursus und Praktikantenjahr. Außerdem bestand die Möglichkeit zur Weiterbil-dung. Auf offene Diskussionen wurde in der Ausbildung großen Wert gelegt.12 Frauen erhielten dort eine Art „soziales Abitur“. Anstelle von Griechisch und Philosophie wurde Kindererziehung und staatliche Wirtschafts- und Sozialpolitik unterrichtet.13
1908 übernahm Alice Salomon noch eine weitere Aufgabe, als sie aus Genf eine Anfrage des „International Council of Women“ (ICW) zum Kandidieren für das Amt der ehrenamt-lichen Schriftführerin erhielt. 1909 in Toronto bekam sie dann das Amt. Es war ihre erste Überseereise. Die Reise ging über die USA, wo sie in Chicago auf Jane Adams traf, der Gründerin des „Hull House“ und Mitwirkerin in der „Settlementarbeit“. Alice Salomon war von ihrer Reise durch die USA fasziniert. Als Schriftführerin des ICW arbeitete sie eng mit der Vorsitzenden Lady Isabell Maria Aberdeen zusammen. Es entstand eine Freundschaft zwischen den beiden Frauen. Alice Salomon musste viele Sprachen können für ihre Briefwechsel und unternahm auch viele Reisen. Ziel des ICW war die „durch die Zusammenarbeit und Solidarität der Frauen den Fortschritt der Menschheit und für den Weltfrieden zu arbeiten“. Alice Salomon stand voller Überzeugung dazu.14
Die Berliner Soziale Frauenschule hatte einen großen Erfolg. Am 1. Oktober 1914 wurde ein eigenes Schulgebäude bezogen in Berlin-Schöneberg, Barbarossastraße 65. Finanziert wurde dies aus Überschüssen des Schulbetriebs, einem Zuschuss der „Mädchen- und Frau-engruppe“ und einem Darlehen von Alice Salomon. Es kam zu ähnlichen Gründungen. Bereits im Jahr 1912 gab es etwa 12 Ausbildungsstätten für Frauen. Alice Salomon war eine angesehene Beraterin. Der „Münchener Katholische Frauenbund“ bat beispielsweise um Unterstützung. Es entstand ein Schriftverkehr zwischen München und Berlin und dar-aus entwickelte sich eine Freundschaft zur Gräfin Montgelas, die später auch nach Berlin zog.15
Alice Salomon wollte schon immer zum Christentum wechseln, tat dies aber aus Rücksicht auf ihre Mutter nicht, mit der sie bis zu deren Tod zusammenlebte. Sie trat letztlich doch noch zu Lebzeiten ihrer Mutter im Jahr 1914 in die evangelische Kirche ein. Der Zeitpunkt hatte sicherlich schon etwas mit dem Erlebnis des Kriegsausbruchs zu tun aber auch mit Lady Aberdeen. Im selben Jahr starb ihre Mutter.
1915 wollte sie zu der Friedenkonferenz nach Den Haag fahren, bekam jedoch nicht die Erlaubnis des BDF. Auch ihre Audienz beim Kanzler Deutschlands, Theobald Freiherr Bethmann-Holweg, war nicht von Erfolg gekrönt. Alice Salomon übernahm dennoch 1914 eine Aufgabe im „Nationalen Frauendienst“ unter Führung von Gertrud Bäumer für einen einigermaßen „normalen Alltag“ zu Kriegszeiten. 1917 übernahm sie das Frauenreferat für die Provinz Brandenburg, um Frauen für die Arbeit in der Kriegsmaschinerie freizusetzen. Alice Salomon als Pazifistin und Humanistin litt zu dieser Zeit sehr unter ihrer Arbeit. Sie übernahm außerdem den stellvertretenden Vorsitz der „Deutschen Zentrale des Nationalen Frauendienstes“.
Es wurden zu dieser Zeit auch sehr viele Soziale Frauenschulen gegründet. Am 24. Januar 1917 fand die erste „Konferenz Sozialer Frauenschulen“ in Berlin statt. Diese wurde nun regelmäßig durchgeführt und Alice Salomon wurde später zur Vorsitzenden.16
1919 wurde die neue Vorsitzende des BDF gewählt und Alice Salomon wurde übergangen und nur stellvertretende Vorsitzende. Das Amt bekam Gertrud Bäumer. Der BDF erlaubte ihr 1920 auch nicht zum Nachkriegstreffen nach Oslo zu reisen als amtierende Schriftfüh-rerin des ICW. Sie reiste dennoch dort hin und trat aus dem BDF aus.
Alice Salomon genoss zu dieser Zeit dennoch ein hohes Ansehen im In- und Ausland. 1925 war ein sehr erfolgreiches Jahr, obwohl sie aus gesundheitlichen Gründen einige Aufgaben als Leiterin der Sozialen Frauenschule an Charlotte Dietrich abgab. Sie gründete in diesem Jahr die „Deutsche Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit“.17 1926 erschien eines ihrer wichtigsten Werke mit dem Titel „Soziale Diagnose“. Dies stellt einen ersten Beitrag zur Theorie des Helfens dar. Ihre internationalen Kontakte waren sehr zurückgegangen. 1925 bekam sie aber die Gelegenheit die „Internationale Konferenz für soziale Arbeit“ vorzubereiten, die in Paris stattfand. Dort wurde der Antrag auf „Internationale Vereinigung sozialer Schulen“ gestellt. 1929 lud Alice Salomon nach Berlin ein und die Gründung wurde vorgenommen, wobei sie Vorsitzende wurde.
Die antisemitischen Ansichten hatten sie schon um ihren Vorsitz in der deutschen Frauen-bewegung gebracht und nun auch um das als Präsidentin des „Internationalen Frauenbun-des“. Lady Aberdeen schlug sie 1928 vor, wurde aber vom BDF drauf hingewiesen, dass dies unmöglich sei.
[...]
2 vgl. Berger 1998, S. 90
3 vgl. Berger 1998, S. 15-16
4 vgl. Berger 1998, S. 18
5 vgl. Kuhlmann 2003, S. 99
6 vgl. Berger 1998, S. 21
7 vgl. Berger 1998, S. 25
8 vgl. Berger 1998, S. 26-27
9 vgl. Berger 1998, S. 31-33
10 vgl. Berger 1998, S. 33
11 vgl. Berger 1998, S. 35
12 vgl. Berger 1998, S. 42-43
13 vgl. Kuhlmann 2003, S. 100
14 vgl. Berger 1998, S. 50
15 vgl. Berger 1998, S. 45-46
16 vgl. Berger 1998, S. 51-57
17 vgl. Berger 1998, S. 62-63