Zu Gedächtnisspanne, schlußfolgerndem Denken & sequentiellem Gedächtnis beim Kind


Seminararbeit, 2002

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Gedächtnisspanne und Altersveränderung
1.1. Kontrollprozesse
1.2. Altersdifferenzen in der Gedächtnisspanne
1.3. Die Artikulatorische Memorier-Schleife

2. Schlußfolgerndes Denken im Kindesalter
2.1. Zwei Arten von Schlußfolgerungen

3. Sequentielles Gedächtnis
3.1. Sequentielle Gedächtnisaufgaben
3.2. Lesen und Gedächtnis
3.3. Verbaler vs Abstrakter Charakter des Dargebotenen
3.4. Empirische Belege
3.5. Zusammenfassende Schlußfolgerungen der Ensslen-Studie

Literatur

Anmerkung: Da es für das Problem der Gleichbehandlung weiblicher und männlicher Formen von Substantiven, Adjektiven und Pronomen bis heute keine stilistisch und ökonomisch überzeugende Lösung gibt, wurde nach 'alter' Konvention - jedoch im vollen Bewußtsein um diese Problematik - jeweils die männliche Form gewählt.

Summary

Although typical age increases of the memory span from childhood to adulthood are documented since more than hundred years ago, studies stressing on the developmental psychology only have started during early seventies. Control processes which are developed from the age of three on are playing an important part in there. Developmental changes concerning strategic, non-strategic processes and the structural capacity are considered responsible for age differences in memory span. In this case the articulatory rehearsal loop occurs as time-limited aspect of structural capacity. -- Finally we inform about results, if and how far retarded readers suffer from lacks in detecting serial memory tasks.

Key-words

articulatory rehearsal loop | control process | elaboration | grouping | Information processing speed | intentional retaining | legasthenia | memory performances | memory span | (non-) strategic processes | reading | recombination | rehearsal | sequential memory | sequential memory tasks | short term memory | structural capacity | verbalization.

Zusammenfassung

Während die typische Alterszunahme der Gedächtnisspanne von der Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter bereits in sehr frühen Untersuchungen dokumentiert ist, hat eine verstärkte entwicklungspsychologische Analyse der Gedächtnisspannen-Aufgabe jedoch erst Anfang der 70er Jahre eingesetzt. Eine wichtige Rolle spielen dabei Kontrollprozesse, die etwa ab dem 3. Lj. stufenweise entwickelt werden. Für die Gedächtnisspanne-Altersdifferenzen werden Entwicklungsveränderungen hinsichtlich strategischer Prozesse, nicht-strategischer Prozesse oder der strukturellen Kapazität verantwortlich gemacht. Als zeitlich dimensionierte Aspekt der strukturellen Kapazität tritt dabei das Phänomen der Artikulatorischen Memorier-Schleife auf. -- Schließlich wird im Schlußteil der Arbeit über Ergebnisse berichtet, inwieweit schlechte Leser eine Störung des Gedächtnisses für Reihenfolgen aufweisen, was mittels sequentieller Gedächtnisaufgaben untersucht wurde.

Schlagworte

Artikulatorische Memorier-Schleife | Denk- und Gedächtnisleistungen | Elaboration | Gedächtnisspanne | Gruppierung | Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit | intentionales Behalten | Kontrollprozesse | Kurzzeitgedächtnis | Legasthenie | Lesen | (Nicht-) zusammenhangsrelevante Schlußfolgerungen | (Nicht-) strategische Prozesse | Rehearsal | Rekodierung | Sequentielle Gedächtnisaufgaben | Sequentielles Gedächtnis | Strukturelle Kapazität | Verbalisierung.

1. Gedächtnisspanne und Altersveränderung

Die typische Alterszunahme der Gedächtnisspanne von der Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter ist bereits in sehr frühen Untersuchungen dokumentiert

In einer ausführlichen und in der Literatur sehr oft zitierten Untersuchung kam Bolton schon 1892 [S.379f.] zu grundlegenden - teilweise aber auch kuriosen - Ergebnissen über Gedächtnisspannen bei Kindern und Jugendlichen:

- "The limit [of digits] to the memory span for the pupils in the public school is six.
- The memory-span increases with age rather than with the growth of intelligence. Experience in this matter is a better school than books [sic!].
- The memory span measures the power of concentrated and prolonges attention. […]
- The girls have better memories than the boys [sic!].
- With practice, pupils increase in their ability to remember groups of digits.
- Pupils inconsciously remember digits that they heard a day before, when they are used second time. […]
- Memory images pass through three stages in leaving the mind. First, they suffer a confusion of order; second, a loss of certain elements and the substitution of associated elements; and third, a complete loss of some elements and no recovery."

Eine verstärkte entwicklungspsychologische Analyse der Gedächtnisspannen-Aufgabe hat jedoch erst Anfang der 70er Jahre eingesetzt

Die Annahme der Kapazitätsbegrenzung des menschlichen Gedächtnisses durch physiologische Strukturen ist seit dem Ende des 19. Jhts. in nahezu allen gedächtnispsychologischen Theorie-Entwürfen enthalten. Die Gedächtnisspanne gilt dabei als ein klassisches Verfahren zur individuellen Messung dieser Kapazitätsbegrenzung. Sie wurde als Methode 1887 von Jacobs eingeführt und ist definiert als Anzahl von Items, die im Anschluß an eine einmalige Darbietung in der richtigen Reihenfolge reproduziert werden können.

Für viele Autoren steht bei der Frage der Entwicklung des Gedächtnisses das Kurzzeitgedächtnis im Fokus der Betrachtungen: "Denn der sensorische Informationsspeicher scheint, was seine visuelle Teilfunktion wie seine akustische Teilfunktion anbelangt, bereits wenige Wochen nach der Geburt voll aktionsfähig zu sein. […] Und die Entwicklung des Langzeitgedächtnisses als Funktionseinheit wird getrennt unter dem Aspekt der Entwicklung von Kontrollprozessen betreffend das Langzeitgedächtnis eingeordnet" [Sydow, 1979, S.84].

Dempster [1981; vgl. Hasselhorn, 1988, S.323] konnte zeigen, daß das Ausmaß der kontinuierlichen Gedächtnisspannen-Zunahme stark von der Art der Präsentation und dem verwendeten Item-Material abhängig ist: So verdoppelt sich zB die Gedächtnisspanne für Ziffern [ = Zahlenspanne] etwa zwischen dem vierten und dem zwölften Lebensjahr, die Gedächtnisspanne für Wörter [ = Wortspanne] dagegen benötigt für eine Verdoppelung den Zeitraum vom dritten bis zum achtzehnten Lebensjahr.

Sroufe & Cooper [1988, S.351] weisen noch auf einen anderen Aspekt hin: "One possible explanation for the poor memory performances of preschoolers is that they are less familiar with the number names they are asked to remember. When they do know as much as older children, however, and when the memory task does not require strategies, they sometimes remember as well as older children. […] In studies where children are instructed to remember presented material, older children always perform better than preschoolers, no doubt partly because they know better how to go about remembering." - Dies geht also in die Richtung der Annahme einer Entwicklungsunabhängigkeit der Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses, wie sie von vielen Autoren vertreten wird [zB Pellegrino, 1977; vgl. Sydow, 1979, S.85]. Der Leistungszuwachs mit dem Alter wäre demnach nur auf verbesserte Strategien des Einprägens, also auf bessere kognitive Kontrollprozesse zurückzuführen.

In ähnlicher Weise äußert sich auch Chi in ihrer bekannten Untersuchung [1977, S.280]: "This research has shown that age differences in the memory span need not be attributed to structural limitations. The level of recall in adults' performance is greatly influenced by the number of processing strategies made available to them."

1.1. Kontrollprozesse

Kontrollprozesse verbessern die kurzfristige Behaltensleistung und können zuerst mit etwa 3 Jahren stufenweise entwickelt werden, bis sie mit ungefähr 13 Jahren stabil vorhanden sind, dh spontan entwickelt und auch angewendet werden. Zu den Kontrollprozessen werden gezählt: Rehearsal, Verbalisierung, Rekodierung, Gruppierung und Elaboration.

Anmerkung: Unter Rehearsal wird die iterative Zuwendung zu Informationseinheiten im Kurzzeitgedächtnis verstanden. Es ist eine Art bewußter Kontrolle der im Kurzzeitgedächtnis vorhandenen Einheiten und hat eine gewisse Analogie zum inneren Sprechen; rehearsal erfordert als Prozeß Zeit [vgl. Sydow, 1979, S.85].

Das Alter von 3 Jahren wird vielfach als der Zeitpunkt für erstes intentionales Behalten angegeben und in der früheren sowjetischen Gedächtnispsychologie [zB Leontjew, 1964] wird "…in diesem Entwicklungszeitraum das natürliche Gedächtnis durch die höheren, spezifisch menschlichen Gedächtnisleistungen abgelöst" [Sydow, 1979, S.86]. - Mit dieser Entwicklung erfolgt also gleichsam der Übergang vom reproduktiven zum rekonstruierenden Gedächtnis, womit eine Parallele zur phylogenetisch bedeutsamen Etappe der Entwicklung von Zeichensystemen [insbesondere der Sprache] als Werkzeuge des Behaltens hergestellt wird. Die rekonstruierende Vorgehensweise ist dabei ein deutlicher Ausdruck des engen Verhältnisses zwischen Denk- und Gedächtnisleistungen.

1.2. Altersdifferenzen in der Gedächtnisspanne

Mögliche Veränderungen des Kurzzeitgedächtnisses mit dem Lebensalter sind quantitativ bezüglich der Kapazität und hinsichtlich der Speicherdauer möglich. Als Beispiel mögen Normangaben aus dem STANFORD-BINET-Test [® Tab.1] und aus einer Untersuchung von Chi aus dem Jahre 1976 [® Tab.2] dienen [vgl. Sydow, 1979, S.84]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab.1: Reproduktionsleistung in Abhängigkeit vom Alter

Während Forscher wie F. Craik [1977; vgl. Hasselhorn, 1988, S.323] die These vertreten, ein Altersabbau der Gedächtnisspanne sei vernachlässigbar gering, belegen viele jüngere Studien, das Vorliegen eines deutlichen Altersabbaus der Gedächtnisspanne [zB Fleischmann, 1982; vgl. Hasselhorn, 1988, S.323].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab.2: Reproduktionsleistung von Kindern und Erwachsenen für unterschiedliches Material

In bezug auf die Erklärungsansätze galten nun die Gedächtnisspannen-Altersdifferenzen lange Zeit als Beleg für die Altersunterschiede in der Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses. In jüngster Zeit sieht man die Sachlage etwas differenzierter: Entweder werden Entwicklungsveränderungen hinsichtlich strategischer Prozesse, nicht-strategischer Prozesse oder der strukturellen Kapazität für die Gedächtnisspanne-Altersdifferenzen verantwortlich gemacht.

A) Strategische Prozesse:

Die anfangs der 70er Jahre dominierende Strategiehypothese, nach der die wesentlichen Determinante der Gedächtnisentwicklung im Kindes- und Jugendalter der zunehmende spontane und intentionale Einsatz leistungsförderlicher Gedächtnisaktivitäten sei, wurde auch zur Erklärung von Gedächtnisspanne-Altersdifferenzen herangezogen. Die ursprüngliche Hoffnung, strategische Aktivitäten wie das Repetieren und / oder Organisieren des bei den Gedächtnisspanne-Aufgaben dargebotenen Materials als wesentliche "Quellen" der beschriebenen typischen Altersunterschiede nachzuweisen, erfüllte sich jedoch nicht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Zu Gedächtnisspanne, schlußfolgerndem Denken & sequentiellem Gedächtnis beim Kind
Hochschule
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck  (Institut für Psychologie)
Veranstaltung
Sprache und Gedächtnis beim Kind (SE)
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
19
Katalognummer
V147855
ISBN (eBook)
9783640579433
ISBN (Buch)
9783640579112
Dateigröße
555 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Artikulatorische Memorier-Schleife, Denk- und Gedächtnisleistungen, Elaboration, Gedächtnisspanne, Gruppierung, Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, intentionales Behalten, Kontrollprozesse, Kurzzeitgedächtnis, Legasthenie, Lesen, (Nicht-) zusammenhangsrelevante Schlußfolgerungen, (Nicht-) strategische Prozesse, Rehearsal, Rekodierung, Sequentielle Gedächtnisaufgaben, Sequentielles Gedächtnis, Strukturelle Kapazität, Verbalisierung, articulatory rehearsal loop, control process, elaboration, grouping, Information processing speed, intentional retaining, legasthenia, memory performances, memory span, (non-) strategic proc-esses, reading, recombination, rehearsal, sequential memory, sequential memory tasks, short term memory, structural capacity, verbalization
Arbeit zitieren
Mag. Arno Krause (Autor:in), 2002, Zu Gedächtnisspanne, schlußfolgerndem Denken & sequentiellem Gedächtnis beim Kind, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147855

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