Der Antichrist: Geschichte, Gestalt, Wirkung


Seminararbeit, 2009

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 . Einleitung

2 Geschichte des Antichristen
2.1 Anfänge im Judentum
2.2 Urchristentum
2.3 Mittelalter
2.4 Reformation/Neuzeit

3 Gestalt des Antichristen
3.1 In der Literaturgeschichte
3.1.1 Nietzsche
3.1.2 Solowjew
3.1.3 Roth
3.1.4 Goethe
3.1.5 ostojewskij
3.2 Darstellungsformen
3.2.1 Historische Sagen
3.2.2 Apokalyptische Tiere

4 Wirkung des Antichristen
4.1 Die Prophezeiungen
4.1.1 Johannes
4.1.2 Johannesoffenbarung
4.1.3 Matthäus
4.1.4 Paulus
4.2 Der Antichrist als Politikon
4.2.1 Antichrist und Antisemitismus
4.2.2 Antichrist und die Weltkriege
4.2.3 Antichrist und die Aktualität oder „Ist Barack Obama der Antichrist?“

5 Literatur

1 Einleitung

Der Antichrist (auch Widerchrist, Endchrist) ist eine Figur der christlichen Apokalyptik, die als Gegenspieler und Gegenmacht Jesu Christi vor dessen Wiederkunft erwartet wird. Der Begriff stammt aus dem Neuen Testament (NT) und bezeichnet dort einen Menschen, der „gegen den [von Gott] Gesalbten“ auftritt und falsche Lehren über ihn verbreitet.[1]

Fast immer geht es in den verschiedenen Darstellungen des Antichristen um einen endzeitlichen Kampf. Der Begriff wird in der Christentumsgeschichte auf viele verschiedene Personen und Mächte der jeweils überschaubaren Gegenwart bezogen und ausgedeutet. Auch neuzeitliche europäische Kulturphilosophie und Literatur haben sich mit ihm befasst.

In der vorliegenden Arbeit werde ich versuchen zunächst einen geschichtlichen Abriss über das Auftreten des Antichristen zu zeichnen, der von den Anfängen des Judentums bis in die Gegenwart reichen soll. Es ist verständlich, dass es den Umfang der Arbeit übersteigen würde, hier jeden relevanten Abschnitt in den Epochen detailliert darzustellen.

Weiters werde ich auf die verschiedenen Gestalten und Wahrnehmungen des Antichristen eingehen. Hierzu bediene ich mich vor allem Erzählungen und Darstellungen in der Literaturgeschichte.

Der letzte Punkt der vorliegenden Arbeit behandelt das Wirken des Antichristen. Wie wird der Antichrist in den Prophezeiungen beschrieben, was wird auf die Menschen zukommen? Um die Aktualität antichristlicher Vorstellungen zu zeigen, möchte ich abschließend versuchen, einen Bogen von der Kirche hin zur Politik zu spannen. Welche Rolle spielen antichristliche Vorstellungen auf den Bühnen der Weltpolitik?

2 Geschichte des Antichristen

Diese Vorstellung mythischer Ur- und Endzeitkämpfe, hat es schon lange vor dem Christentum gegeben. Die Figur eines Antichristen ist also schon wesentlich älter, als das Christentum selbst. Die Ursache des verbreiteten Vorkommens derartiger Vorstellungen, dürfte einen kultischen Hintergrund haben: Kampfmythen hängen in vielen Kulturen mit Festen zusammen, an denen man sich die Tötung, Fesselung oder Überwindung von Untieren oder Dämonen vergegenwärtigt. Dieser kultische Zusammenhang ist in einigen Fällen nachweisbar: In der babylonischen Religion etwa, wird nach dem Schöpfungsepos „Tiamant“ von „Marduk“ besiegt. In kanaanäischen Texten tötet „Baal“ die Schlange „Lotan“. In der nordischen Mythologie heißt das Untier „Mitgardschlange“, in der indischen „Vritra“.[2]

2.1 Anfänge im Judentum

In der Hebräischen Bibel, dem Tanach, ist der Begriff eines Anti-Messias im Sinne eines Gegenspielers, den Gott zur Erlösung der Welt besiegen muss, unbekannt. Im Glauben an Jahwe als den souveränen Herrn der Geschichte und Schöpfer der Welt ist zunächst kein Raum für eine dualistische Vorstellung vom Kampf zwischen Gut und Böse.

Angesichts akuter Bedrohung des Judentums zeichnet das Buch Daniel um 170 v. Chr. den Antiochos IV. als Gotteslästerer (Dan 7,20) und übermächtigen Fremdherrscher (Dan 8,9-14), dessen Versuche, die jüdische Religion zu vernichten, das Endgericht über alle widergöttlichen Weltmächte nach sich ziehen würden (Dan 7,2-14).

Erst nach Kanonisierung des Tanach (um 100) taucht in jüdischen Texten Armilus als eine Art Anti-Messias auf, den der Messias gewaltlos allein „durch den Hauch seines Mundes“ (vgl. Jes 11,4) besiegen werde.[3]

2.2 Urchristentum

In den Evangelien und den meisten Gemeindebriefen taucht der Begriff „Antichrist“ nicht auf, aber verwandte Ausdrücke wie „falscher Gesalbter“ (Mk 13,6.21) „falsche Propheten“, „falsche Lehrer“ (Mk 13,22; 1 Joh 4,1; 2 Petr 2,1) oder „falsche Apostel“ (2 Kor 11,13).

Wie die antike Umwelt beurteilten Urchristen deren Vertreter als vom Teufel oder von Dämonen verführte und besessene Menschen, etwa Judas Ischariot nach Lk 22,3 und Joh 13,2.27. Damit unterschieden sie diese Gegner Jesu Christi als menschliche Werkzeuge des Teufels von diesem selbst. Dieser wird nie Antichrist, sondern „der Böse“, „diabolos“ oder „Satan“ genannt. Jeder dieser Namen bezeichnet den direkten Widersacher Gottes, dem alle dämonischen Mächte unterstehen, keinen menschlichen Gegenspieler Jesu Christi.[4]

Schriften aus der Zeit der „Kirchenväter“, also der Epoche der „Alten Kirche“ vom 1. Jahrhundert bis zum 7. oder 8. Jahrhundert, befassen sich seit etwa 130 (anfangs beiläufig) mit der Figur des Antichrist. Sie stellen viele verschiedene Thesen über ihn auf und beziehen sich dazu auch auf Bibelstellen, die den Begriff nicht nennen. Spätere Lehrkonstruktionen versuchen, die Motive dieser Textstellen als einheitliches biblisches Antichristkonzept darzustellen. Damit machen sie aus einer Nebenfigur der urchristlichen „Widerkunft-Jesu-Christi“-Erwartung eine Hauptfigur, deren Rolle sich immer mehr verselbständigt.[5]

Irenäus von Lyon (ca. 135-202) stellt den Antichrist als endzeitliche Verkörperung Luzifers Jesus Christus als neuem Adam gegenüber. Damit gibt er ihm einen festen Platz in der Heilsgeschichte.

Hippolyt von Rom (ca. 170-235) widmet dem Antichrist als erster christlicher Theologe eine eigene Schrift, die alttestamentliche Stellen auf ihn bezieht, um ihm konkretere Züge und mehr Bedeutung zu geben: Er werde Christus als Löwe, König und Lamm nachäffen, wie er Apostel aussenden, die Zerstreuten sammeln, ihnen ein Siegel verleihen und von einem der Zwölf Stämme Israels abstammen: doch nicht vom Stamm Juda, sondern Dan, den Irenäus mit der Paradiesschlange verbindet. Damit überträgt er im Tanach auf den Widersacher (Satan) bezogene Eigenschaften auf den Antichrist. Hier beginnt die im Mittelalter häufige Identifikation von Antichrist und Judentum.[6]

Andere Kirchentheologen knüpfen bis zur Konstantinischen Wende 313 weiter an Offb 13 an und setzen verschiedene römische Kaiser (u. a. Titus und Nero) mit dem Antichrist gleich.

2.3 Mittelalter

In den Krisen der mittelalterlichen Gesellschaft haben Endzeiterwartungen eine wichtige Funktion der kollektiven Selbstvergewisserung und Abgrenzung von dem, was man unbedingt ablehnt. Die starke Bedeutung der Antichrist-Vorstellungen wird dabei nicht aus reinen Propaganda-Zwecken, sondern aus dem religiösen, vorrationalen Weltbild der damaligen Epoche erklärt.[7]

Um 950 verfasst Adso von Montier-en-Der im Auftrag der westfränkischen Königin Gerberga das „Büchlein von Ursprung und Zeit des Antichrist“. Darin fügt er erstmals alle verfügbaren altkirchlichen Dokumente in ein möglichst widerspruchfreies Gesamtbild in Form eines einprägsamen Lebenslaufs mit 15 Stationen ein:

Der Antichrist sei nicht wie Christus von einer Jungfrau geboren, sondern stamme von Juden aus dem Stamm Dan ab. An seiner Zeugung sei der Teufel als Incubus beteiligt. Er werde in Babylon geboren und in Bethsaida und Chorazim (zwei von jenen galiläischen Städten, denen Jesus das Gericht Gottes ankündigte) aufwachsen, dort von Zauberern und falschen Propheten erzogen und von Dämonen umschwärmt. Er werde den Jerusalemer Tempel wieder aufbauen, sich beschneiden lassen und zum allmächtigen Gottessohn erklären. Von dort aus werde er seine Weltherrschaft mit Schrecken (Terror), Bestechung und Wundertaten aufrichten. Er werde seine Boten überall hin aussenden, Könige und ihre Völker zu sich bekehren und zugleich die Stätten, an denen Jesus wirkte, zerstören. Sich widersetzende Christen werde er ermorden. Nur die Macht des Frankenreiches halte ihn noch auf, bis schließlich auch der letzte Frankenkaiser in Jerusalem Szepter und Krone niedergelegt habe. Dann breche seine Macht voll hervor. Die Juden und fast alle übrigen Menschen würden ihn als ihren Messias anerkennen; seine Anhänger trügen ein Zeichen auf der Stirn. Danach werde Christus oder der Erzengel Michael erscheinen und ihn auf dem Ölberg vernichten. Den abgefallenen Christen blieben dann noch 40 Tage zur Umkehr vor dem Endgericht.[8] Adsos Werk wird überliefert und so für Jahrhunderte zur Basis kirchlicher Lehren vom Antichrist.

Rupert von Deutz teilt die Menschheitsgeschichte in sieben Epochen, von denen jede mit einem anderen Reich des Antichristen konfrontiert sei. Damit gibt er ihm universalhistorische Bedeutung.

[...]


[1] Krause, Gerhard [Hrsg.]: „Antichrist II“ in: Theologische Realenzyklopädie; Band 3; 1. Auflage; 1979, S. 22

[2] Krause, Gerhard [Hrsg.]: „Antichrist II“ in: Theologische Realenzyklopädie; Band 3; 1. Auflage; 1979, S. 20

[3] Ebd., S. 21f.

[4] Vielhauer, Philipp: „Apokalyptik des Urchristentums“ in: „Oikodome. Aufsätze zum Neuen Testament.“; 1. Auflage; München 1964, S. 321

[5] Ebd., S. 407-454

[6] Krause, Gerhard [Hrsg.]: „Antichrist III“ in: Theologische Realenzyklopädie; Band 3; 1. Auflage; 1979, S. 25

[7] Borst, Otto: „Alltagsleben im Mittelalter“; Frankfurt 1983, S. 563ff.

[8] Krause, Gerhard [Hrsg.]: „Antichrist III“ in: Theologische Realenzyklopädie; Band 3; 1. Auflage; 1979, S. 26

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Der Antichrist: Geschichte, Gestalt, Wirkung
Hochschule
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
22
Katalognummer
V148130
ISBN (eBook)
9783640585144
ISBN (Buch)
9783640585168
Dateigröße
534 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Antichrist, Geschichte, Gestalt, Wirkung
Arbeit zitieren
Edith Reinisch (Autor:in), 2009, Der Antichrist: Geschichte, Gestalt, Wirkung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148130

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