Die Loslösung Irlands vom britischen Empire unter Berücksichtigung der Frage, ob Irland eine Kolonie war


Hausarbeit, 2006

31 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Definition „Kolonie“ und „Kolonialismus“

3 Das Verhalten der Briten während der Großen Hungersnot 1845

4 Die Haltung der Gesetzesgegner in der Home Rule-Frage

5 Ausblick: Die Lösung vom Empire, die weitere Bindung an Großbritannien und die Mitgliedschaft im Commonwealth

6 Zusammenfassung und Fazit

7 Anhang
Zeittafel
Derzeitige Mitgliedsländer des Commonwealth

8 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Auf Grund des Act of Union aus dem Jahre 1800 bildete Irland fortan mit Großbritannien das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Irland. Diese Vereinigung wurde möglich, nachdem das irische Parlament dem Act of Union und damit seiner Selbstauflösung zustimmte. Bekanntlich dauerte diese Union für den weitaus größten Teil der irischen Insel fast 122 Jahre. Das dritte Home Rule- Gesetz aus dem Jahre 1912 und der Government of Ireland Act aus dem Jahre 1920 führten letztendlich zur Gründung des Irish Free State im Süden, während der Nordteil des Landes mit Großbritannien verbunden blieb.

Diese Hausarbeit befasst sich mit der Loslösung Irlands vom britischen Empire. Meine Themenwahl setzt die Annahme voraus, dass Irland, obwohl mit Großbritannien in einer Union verbunden, nicht gleichberechtigter Teil dieser Union war. Schließlich hat der Act of Union eine Vorgeschichte, die insbesondere mit der Ulster Plantation[1], dem brutalen Wirken Oliver Cromwells in der Mitte des 17. Jahrhunderts und der Niederlage Jakobs II. im Jahre 1690 in der Schlacht am Boyne verbunden werden muss. Auf diese Vorgeschichte kann in dieser Hausarbeit nicht näher eingegangen werden. Letztendlich folgte bis ins 19. Jahrhundert hinein die Protestant Ascendancy, also die Dominanz der anglikanischen Landbesitzer in politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereichen über die enteigneten katholischen Landbesitzer.

Spricht man vom britischen Empire so meint man das britische Weltreich.[2] Löst sich Irland also vom Britischen Empire, so müsste es zuvor einen Koloniestatus gehabt haben.

Zunächst werde ich deshalb den Begriff „Kolonie“ bzw. „Kolonialismus“ näher erläutern. Hierzu dienen die Definitionen von Osterhammel und Förster. Ergänzend werde ich auch die Definition von Hechter zum internen Kolonialismus heranziehen.

Die Frage, ob Irland eine Kolonie war, wird im englischsprachigen Raum unter Historikern verstärkt diskutiert.[3] Die Frage ist auch deswegen von Bedeutung, weil sie in die aktuelle Nordirland-Problematik und die britisch-irische Tagespolitik hineinspielt und eventuell der Provisonal IRA Unterstützung in ihrem gewaltsamen Kampf für die irische Einheit liefern könnte. Laut McDonough können aktuell in Nordirland keine kolonialen Zustände gesehen werden, wenn es sie nicht bereits im 19. Jahrhundert in Irland gab.[4] Die oben genannte Fragestellung ist damit zumindest auf der irischen Insel aktuell, während der von Hechter aufgegriffene Begriff des internen Kolonialismus von Osterhammel eher angezweifelt wird.[5] Förster weist zudem darauf hin, dass die Entwicklung einer Theorie des internen Kolonialismus noch in den Kinderschuhen steckt.[6]

Im Rahmen dieser Hausarbeit ist deshalb ausgehend von den Definitionen des Begriffs „Kolonialismus“ insbesondere zu klären, ob es Ansatzpunkte gibt, die die Behauptung, Irland sei eine Kolonie gewesen, untermauern können.

Hierzu könnten aus meiner Sicht zahlreiche Ereignisse und Maßnahmen einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Ich werde deshalb eine Eingrenzung auf das Verhalten der Briten während der großen Hungersnot und die Haltung der Gegner der drei Home Rule- Gesetze vornehmen.[7] Unabhängig von möglichen Anhaltspunkten für einen Kolonialstatus werde ich zudem in einem Ausblick die Staatswerdung, die weitere Bindung an Großbritannien und die Mitgliedschaft im Commonwealth bis zur völligen Unabhängigkeit darstellen.

Damit schließt sich letztendlich der Kreis. Irland wurde, ob gewollt oder ungewollt, eben nicht sofort unabhängig und fand sich zudem mit weiteren Dominions wie z. B. Australien oder Kanada im Commonwealth wieder. Eine abschließende Beantwortung der Frage, ob Irland tatsächlich eine Kolonie war, kann allerdings mit dieser Hausarbeit nicht geleistet werden.

Die Arbeit schließt mit einer Zeittafel, die den Zeitraum von 1801 bis 1949 umfasst.

2 Definition „Kolonie“ und „Kolonialismus“

Um zum Kern dieser Hausarbeit zu gelangen, bedarf es zunächst der Definition der Begriffe „Kolonie“ und „Kolonialismus“. Nach Osterhammel ist eine Kolonie ein durch Invasion (Eroberung und/oder Siedlungskolonisation) in Anknüpfung an vorkoloniale Zustände neu geschaffenes Gebilde, dessen landfremde Herrschaftsträger in dauerhaften Abhängigkeitsbeziehungen zu einem räumlich entfernten „Mutterland“ oder imperialen Zentrum stehen, welches exklusive „Besitz“-Ansprüche auf die Kolonie erhebt.[8] Insgesamt lassen sich, so Osterhammel, drei Kolonietypen unterscheiden:

- die Beherrschungskolonien,

(ð meist Resultat militärischer Eroberung, zum Zwecke der wirtschaftlichen Ausbeutung und Erhebung eines Tributes)

- die Stützpunktkolonien und

(ð Resultat von Flottenaktionen, zum Zwecke der indirekten Erschließung eines Hinterlandes und informeller Kontrolle über formal selbständige Staaten)

- die Siedlungskolonien

(ð Resultat militärisch flankierter Kolonisationsprozesse, zum Zwecke der Nutzung billigen Landes und (billiger) fremder Arbeitskräfte).[9]

Unter Kolonialismus ist eine Herrschaftsbeziehung zwischen Kollektiven zu verstehen, bei welcher die fundamentalen Entscheidungen über die Lebensführung der Kolonisierten durch eine kulturell andersartige und kaum anpassungswillige Minderheit von Kolonialherren unter vorrangiger Berücksichtigung externer Interessen getroffen und tatsächlich durchgesetzt werden. Damit verbinden sich in der Neuzeit in der Regel sendungsideologische Rechtsfertigungsdoktrinen, die auf der Überzeugung der Kolonialherren von ihrer eigenen kulturellen Höherwertigkeit beruhen .[10]

Förster weist bei seiner Definition zunächst darauf hin, dass die Definition des Begriffs „Kolonialismus“ in der Wissenschaft umstritten ist. Der Kolonialismus ist als eine spezielle, allerdings sehr prominente Erscheinungsform des Imperialismus anzusehen. Es handelt sich um eine direkte imperialistische Herrschaft über Völker oder Regionen zum Zwecke der Herstellung oder Aufrechterhaltung ungleicher politischer, wirtschaftlicher und/oder sozialer Beziehungen zwischen Kolonialmacht und kolonialisierter Bevölkerung. Das Motiv der Aufrechterhaltung oder Herstellung ungleicher Beziehungen ist besonders wichtig und unterscheidet den Kolonialismus von anderen Expansionsbewegungen wie z. B. Wanderungsbewegungen oder Nationalstaatenbildung.[11]

Zudem definiert Förster den internen Kolonialismus als die Unterdrückung und Ausbeutung ethnisch andersartiger Bevölkerungsgruppen durch die herrschende Bevölkerungsgruppe innerhalb eines Staates.[12]

Der Begriff des internen Kolonialismus wurde insbesondere von Michael Hechter propagiert.[13] Dieser Begriff hat seinen Ursprung in der Analyse zwischen Entwicklungs- und Industrieländern im Rahmen der Dependenztheorie.[14] Hechter überträgt den Ansatz eines strukturellen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Industrie- und Entwicklungsländern und die damit verbundene Herausbildung eines kapitalistischen Zentrums, das die regional und/ oder ethnisch unterprivilegierte Peripherie ökonomisch und kulturell ausbeutet, auf europäische Verhältnisse.[15] Das System des internen Kolonialismus existiert seit dem Beginn der Industrialisierung.[16] Hechter selbst räumt ein, dass keine klare Trennlinie zwischen den Konzepten: Kolonie, interne Kolonie und periphere Regionen gezogen werden kann.[17] Um aber diese drei Konzepte näher bestimmen zu können hat Hechter folgende fünf Variablen aufgestellt:

1. das Ausmaß der administrativen Einbindung,
2. den Umfang der Bürgerrechte in der Peripherie,
3. das Ansehen der Kultur der Peripherie,
4. das Bestehen eines geographischen Zusammenhangs und
5. die Dauer der Verbindung zwischen der Peripherie und dem Kern.

Eine interne Kolonie liegt demnach vor, wenn die Punkte 1, 2 und 4 einen hohen und der Punkt 5 einen mittleren Grad aufweisen. Eine Kolonie weist bei allen fünf Punkten einen niedrigen und die periphere Region dagegen bei allen fünf Punkten einen hohen Grad auf.[18]

[...]


[1] Zu Beginn des 17. Jahrhunderts erfolgte die Gründung einer britischen Siedlungskolonie im Norden Irlands.

[2] Vgl. Fuchs, Konrad/Raab, Heribert: dtv-Wörterbuch zur Geschichte. Band 1 A-K, München 1993, S. 211.

[3] Stellvertretend insbesondere Ruane, Joseph: Colonialism and the Interpretation of Irish Historical Development, in: Silverman, Marilyn/ Gulliver, Philip Hugh (Hrsg.): Approaching the Past: Historical Anthropology through Irish Case Studies, New York 1992.

[4] Vgl. McDonough, Terrence (Hrsg.): Was Ireland a Colony? Economics, Politics and Culture in Nineteenth-Century Ireland, Dublin 2005, S. VII.

[5] Vgl. Osterhammel, Jürgen: Kolonialismus. Geschichte – Formen – Folgen, München 2003, S. 22.

[6] Vgl. Förster, Stig: Kolonialismus, in: Fahlbusch, Erwin, u.a. (Hrsg.): Evangelisches Kirchenlexikon. Internationale theologische Enzyklopädie, 4 Bände, Band 2, Göttingen 1989, S. 1329.

[7] Weitere Beispiele wären z. B. die Landgesetze, die Rolle der Lord Lieutenants oder die Niederschlagung des Osteraufstands.

[8] Vgl. Osterhammel, Jürgen: Kolonialismus. Geschichte – Formen – Folgen, a.a.O., S. 16.

[9] Vgl. ebd., S. 17 f.

[10] Vgl. Osterhammel, Jürgen: Kolonialismus. Geschichte – Formen – Folgen, a.a.O., S. 21.

[11] Vgl. für den gesamten Abschnitt: Förster, Stig: Kolonialismus, in: Fahlbusch, Erwin, u.a. (Hrsg.): Evangelisches Kirchenlexikon. Internationale theologische Enzyklopädie, 4 Bände, Band 2, a.a.O., S. 1320.

[12] Vgl. für den gesamten Abschnitt: Förster, Stig: Kolonialismus, in: Fahlbusch, Erwin, u.a. (Hrsg.): Evangelisches Kirchenlexikon. Internationale theologische Enzyklopädie, 4 Bände, Band 2, a.a.O., S. 1329.

[13] Hechter, Michael: Internal Colonialism: The Celtic Fringe in British National Development 1536 - 1966, London 1975.

[14] Kreckel, Reinhard/ von Krosigk, Friederich/ Ritzer, G./ Schütz, R./ Sonnert, G.: Regionalistische Bewegungen in Westeuropa: Zum Struktur- und Wertewandel in fortgeschrittenen Industriestaaten; Abschlußbericht eines Forschungsberichts/ Inst. f. Polit. Wiss. u. Inst. f. Soziologie, Uni. Erlangen-Nürnberg, Opladen 1986, S. 57.

[15] Kleve, David: Regionalismus in Galicien - politikwissenschaftliche Erklärungsansätze, in: Arbeitspapiere zur Lateinamerikaforschung (Gliederungsnummer III-03), Universität zu Köln, ohne Jahresangabe, S. 17.

[16] Vgl. ebd., S. 17.

[17] Vgl. Hechter, Michael: Internal Colonialism: The Celtic Fringe in British National Development 1536 - 1966, a.a.O., S. 348 f.

[18] Vgl. ebd., S. 348.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Die Loslösung Irlands vom britischen Empire unter Berücksichtigung der Frage, ob Irland eine Kolonie war
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Historisches Institut)
Note
3,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
31
Katalognummer
V148247
ISBN (eBook)
9783640593354
Dateigröße
521 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Irland, Britisches Empire, Kolonialismus, Unabhängigkeit, McDonough, Osterhammel, Irische Unabhängigkeit
Arbeit zitieren
Wilfried Pott (Autor:in), 2006, Die Loslösung Irlands vom britischen Empire unter Berücksichtigung der Frage, ob Irland eine Kolonie war, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148247

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