H.G. Wells’ “The Island of Dr. Moreau“ kann kultur- und literaturhistorisch dem fin de siècle zugeordnet werden. Eine ganze Reihe von Themen, die charakteristisch für diese Epoche waren, wurden im Roman verarbeitet. Diese lassen sich in die Kategorien Geschlechterrollen und Sexualität, Dekadenz und Degeneration und Imperialismus unterteilen.
Die nachfolgende Hausarbeit wird sich wegen ihres begrenzten Umfangs auf die Aspekte Degeneration und Verfall konzentrieren, die sich jedoch mit den restlichen Themen teilweise überschneiden.
Um Degeneration und Verfall in einem Werk diagnostizieren zu können, ist es zunächst nötig, Richtgrößen dessen aufzustellen, was als degeneriert und was als gesund – sprich nicht degeneriert – anzusehen ist. Dazu ist zu erwähnen, dass die Vorstellung dessen, was gesund oder moralisch sei, am Ende des 19. Jahrhunderts eine andere war als heute. Da ein literaturhistorischer Ansatz gewählt wurde, wird sich die Analyse an damaligen Vorstellungen orientieren. Ich möchte mich ausdrücklich von einer Verurteilung von Homosexualität, Atheismus usw. distanzieren, falls bei der weiteren Lektüre dieser Eindruck erweckt werden sollte.
Das Gesunde erscheint nach damaligen Vorstellungen stets in Form von Dichotomien, deren Paare streng gegeneinander abgegrenzt sind. Jedes Paar lässt sich in einen rationalen und einen irrationalen Pol gliedern. Degeneration und Verfall liegen immer dann vor, wenn sich die Grenzen zwischen den Polen einer Dichotomie auflösen bzw. undeutlich werden.
Für die Analyse werden folgende drei Dichotomien eine Rolle spielen: Mann und Frau, Mensch und Tier sowie Zivilisation und Instinkthaftigkeit.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung.
- Fin de siècle.
- Geschlechtliche Degeneration.
- Patriarchalische Strukturen.
- Latente Homosexualität.
- Die Insel als Metapher für den weiblichen Körper.
- Degeneration der Art.
- Darwinistische Relativierung des Menschen.
- Veränderte Wahrnehmung von Mensch und Tier.
- Moralischer Verfall.
- Zivilisation und Instinkthaftigkeit.
- Kannibalismus als Grenze zwischen Zivilisation und Instinkthaftigkeit.
- Relativierung von Religion.
- Fazit.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Themen Degeneration und Verfall in H.G. Wells' Roman "The Island of Dr. Moreau" im Kontext des fin de siècle. Der Roman reflektiert die gesellschaftlichen Ängste und Krisen des späten 19. Jahrhunderts, insbesondere die Angst vor dem Verlust traditioneller Geschlechterrollen, die zunehmende Relativierung von Moral und Religion sowie die Auswirkungen des Darwinismus auf das Menschenbild.
- Die Auflösung traditioneller Geschlechterrollen und die Darstellung von fehlgeleiteter Sexualität.
- Die Dekonstruktion der Dichotomie zwischen Mensch und Tier und die Frage nach der Definition des Menschlichen.
- Der Verfall von Moral und Zivilisation durch den Einfluss von Instinkten und die Relativierung von Religion.
- Die Darstellung von Dekadenz und Degeneration als Ausdruck des fin de siècle-Bewusstseins.
- Die Rolle von Gewalt und Vivisektion in der Darstellung von Degeneration und Verfall.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung
Die Einleitung führt in das Thema der Hausarbeit ein und stellt den Roman "The Island of Dr. Moreau" im Kontext des fin de siècle vor. Sie beleuchtet die zentralen Themen des Romans: Geschlechterrollen und Sexualität, Dekadenz und Degeneration sowie Imperialismus. Die Arbeit konzentriert sich auf die Aspekte Degeneration und Verfall, die sich mit den anderen Themen überschneiden.
2. Fin de siècle
Dieser Abschnitt definiert den Begriff fin de siècle als literarische Strömung am Ende des 19. Jahrhunderts, die von Zukunftsängsten geprägt war. Die Angst vor Überfremdung, Massenkultur, sexueller Freiheit und Relativierung von Religion und Moral durch den Darwinismus prägten die Literatur dieser Epoche. Das Degenerationstrauma, das durch die ökonomischen und politischen Krisen des späten 19. Jahrhunderts entstand, wurde zu einer zentralen Idee, mit der gesellschaftliche Veränderungen in der zeitgenössischen Literatur beschrieben wurden.
3. Geschlechtliche Degeneration
Dieser Abschnitt analysiert die Darstellung von geschlechtlicher Degeneration im Roman. Er beleuchtet die patriarchalischen Strukturen der Insel und die Abwesenheit von weiblichen Figuren. Moreau trennt Sexualität von Reproduktion und erhebt den Geist über den Körper, was als Ausdruck des patriarchalischen Wunsches interpretiert werden kann, den absoluten Geist von der „Ekel der Geburt“ zu trennen.
3.1 Patriarchalische Strukturen
Die patriarchalischen Strukturen der Insel werden durch die Abwesenheit von Frauen und die Betonung der männlichen Dominanz deutlich. Moreau, der einzige Mensch auf der Insel, kontrolliert und manipuliert die „beast people“ und verkörpert die männliche Macht und den patriarchalischen Wunsch nach Kontrolle.
3.1.1 Latente Homosexualität
Dieser Abschnitt betrachtet die Anspielungen auf Homosexualität im Roman. Homosexualität wurde am Ende des 19. Jahrhunderts als Verbrechen betrachtet und mit Prostitution gleichgesetzt. Moreaus sadistisches Verhalten gegenüber den „beast people“, insbesondere gegenüber dem weiblichen Puma, deutet auf eine fehlgeleitete Sexualität hin, die mit dem damaligen homophoben Kontext in Verbindung gebracht werden kann.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: fin de siècle, Degeneration, Verfall, Geschlecht, Sexualität, Patriarchat, Darwinismus, Zivilisation, Instinkthaftigkeit, Religion, Moral, Gewalt, Vivisektion, „beast people“, "The Island of Dr. Moreau".
- Quote paper
- Günther Orend (Author), 2005, Degeneration und Verfall in H. G. Wells 'The Island of Dr. Moreau', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148252